Die Schlacht
„Ruhig. Seid leise. Seid wachsam. Steht euren Brüdern und Schwestern bei", sagte Mothruit. Er legte Magie in seine Stimme, damit sie, obwohl er leise sprach, jeden erreichte. Die Elfen standen wie Statuen im untergehenden Sonnenlicht. Reglos, wachsam, bedrohlich. Das Silber glänzte hell, die Banner leuchteten. Ein Elfenhorn ertönte. Ein heller Ton wehte über das Elfenland. Weiterhin schwiegen die Krieger. Sie hörten Schritte auf sie zukommen. Schwere Schritte, die das Rauschen des Flusses störten. Dann traten die Menschen in Mothruits Sichtfeld.
Auch die feindlichen Krieger trugen Rüstungen und Waffen. Sie hatten mit einer erneuten Falle gerechnet. Der Anführer war Henry, Mothruit erkannte ihn unter dem schweren Bronzehelm, der einzig Schlitze für die Augen besaß. Henry trat vor. „Rathrankar, Ausgeburt der Elfen! Noch einmal hintergeht Ihr uns! Doch wir haben damit gerechnet! Wir werden dich, stolzer König der Elfen, vernichten, dann ist die Welt von deinem Gift gereinigt!", schrie er mit blecherner Stimme.
Rathrankar trat aus der Streitmacht der Elfen. „Ich bat Euch hierhin zu kommen. Ich sprach von Verhandlungen, das Volk sollte entscheiden. Und was ich sehe sind Menschen, die schwergerüstet in meinen Wald einmarschieren!", erwiderte er. Henry tat noch einen Schritt nach vorne und drohte Rathrankar mit der Faust. „Noch eine falsche Aussage, Elfenkönig, und meine Männer fallen über dich her wie...", er wurde unterbrochen, denn plötzlich erhellte sich die Luft ringsum. Überall öffneten sich Tore, durch die Götter traten. Mehr als hunderte von ihnen gesellten sich zu einem der beiden Heere.
Navèst trat neben Mothruit und Areen, die an seiner Seite stand, und legte ihm behutsam eine Hand auf die Schulter. Als die Tore sich geschlossen hatten, kniff Mothruit die Augen zusammen. Das Licht hatte sich in seinen Kopf gebrannt. Immer noch geblendet, erkannte er die Schemen der beiden gegenüber stehenden Könige. Sie schwiegen sich an. Es gab keine Worte mehr, die gesagt werden mussten.
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Henry drehte sich um, nachdem er eine Weile in Rathrankars kaltes Antlitz gesehen hatte. Er wollte sich auf gar keinen Fall jenes Gesicht merken, durch das viele seiner Männer fallen würden. Er blickte sich um. Es würden sich nicht allzu viele Fluchtmöglichkeiten bilden. Wenn sie die Schlacht verlieren würden, könnten sie einzig durch den Wald fliehen, wo sie sich hoffnungslos verirren würden. Henry war sich sicher, dass es ein Fluss war, der hinter der Streitmacht der Elfen so laut brauste. Wieder zurück nach Mussling zu gelangen, war für die Menschen so gut wie unmöglich. Sie wussten es und doch standen sie hier.
Henry hatte die Karte Rathrankars noch genau vor Augen. Der Menschenkönig saß auf sein Pferd auf, streckte das Schwert in den Himmel und rief: „Männer, seht! Vor euch stehen jene Geschöpfe, die uns so oft hintergingen! Und nun zieht ihr in die Schlacht gegen sie und ich bin stolz, euer König zu sein! Fürchtet nicht um eure Gefährten, nicht um mich und auch nicht um die Götter. Und fürchtet euch schon gar nicht um euch, dass ihr heute fallen werdet! Denn jeder Mensch jenseits dieser Lande wird Kunde erhalten und jeder Mensch jenseits dieser Lande wird jeden einzelnen Namen kennen. Jeden Namen jener Krieger, die zur Stelle waren, als ihr König sie rief! Mussling, ziehst du für mich in die Schlacht?"
Die Männer reckten ihre Waffen gen Himmel und brüllten ihre Zustimmung. Henry lächelte. „Dann kommt und freut euch auf das Gold, das die Elfen in ihren Taschen haben!", schrie er und gab seinem Pferd die Sporen. Er war in der dritten Reihe der Reiter. Direkt hinter ihm folgte das Fußvolk. Die Götter bildeten die Flanken. Als die Menschen auf die Elfen trafen, schrien die Menschen vor Kampfeslust, die Elfen fochten still.
Henrys Pferd trampelte eine Elfe nieder und schlug nach hinten aus. Er selbst ließ das alte Schwert seines verstorbenen Vaters schwingen. Der König verbannte die Schreckensbilder, die sich vor seinen Augen abspielten. Er ignorierte den metallischen Geruch von Blut und die Schreie der Sterbenden. Mit seinen Augen suchte er in der Menge der Elfen nach dem Elfenkönig, aber dieser war nicht zu finden. Sein Pferd wieherte plötzlich schrill auf, ein Pfeil drang in dessen Schulter. Er war so lang, dass er auf der anderen Seite wieder rausragte. Henry sprang ab, rollte über den Boden und sprang auf.
Seine dunkelgraue Rüstung war an der rechten Schulter verbeult, er konnte den Arm durch die Verbiegung nicht mehr bewegen. Aus diesem Grund warf Henry seinen Schild weg und hielt Ausschau nach seiner Leibgarde. Zwei Krieger in jungen Jahren eilten herbei und gaben ihm Deckung unter den mannshohen Schildern. Neben Henry ging schreiend ein Mensch zu Boden. Es war Darius. Jener Bauer, dem Grinda und Tangred das Kämpfen gelehrt hatten. Die beiden Elfen, die so dreist waren, und Mussling ausspioniert hatten. Wenigstens hatten sie einigen Kriegern das Kämpfen besser gelehrt, als es je ein Mensch tun könnte.
Obwohl die Elfen ungeheuer talentiert kämpften, drangen die Menschen immer weiter vor und schränkten die Elfen in ihrem Platz ein. Die Götter heilten die Verwundeten und setzten ihre magischen Kräfte zusätzlich im Kampf ein. Lichtkugeln blitzten über die Köpfe der Menschen hinweg und erhellten den späten Abend. Feuer breitete sich unter den Elfen aus und immer wieder ging einer der spiztohrigen Geschöpfe zu Boden. Obwohl dies nur vereinzelt geschah, gab es den menschlichen Kriegern immer wieder neue Hoffnung.
Plötzlich erklang ein Schrei vor Henry, dann noch zwei weitere und schließlich vermehrten sich die Rufe schlagartig. Henry stieß den Knauf seines Schwertes in das Gesicht seines Gegenübers, trat ihn aus dem Weg und rammte seine Schulter in die Brust eines Elfen. Er trat einen Schritt vor, wurde aber von einer Göttin mit Schlangenhaupt zurückgerissen. „NICHT!", schrie sie und deutete vor ihn. Zu Henrys Füßen ging es steil abwärts, wo ein Fluss so wild und rasend strömte, wie das Gemüt Rathrankars war. Menschen schwammen darin wie eine Fliegen im Weinglas. Sie tauchten unter, dann wieder auf und spuckten Wasser.
„Ich hasse Elfen!", zischte Henry, dann schrie er: „RÜCKZUG! RÜCKZUG! Haltet euch fern von hier! RÜCKZUG!" Er stieß seine Leibwache zur Seite und griff in die Zügel eines herrenlosen Pferdes. Die Elfen wichen immer weiter zurück. Rückwärts, Schritt für Schritt. Die Menschen formierten sich neu, in Form eines Dreiecks, dann fing die Spitze an, den Elfen zu folgen. Die Menschen stießen ihre Feinde hinab in den tosenden Fluss, doch sobald Henrys Krieger auch nur einen Schritt auf die Brücke taten, rutschten sie weg, um selbst Opfer des Wassers zu werden.
Blut tropfte von der Brücke, Leichen säumten den Weg. Auf der anderen Seite standen die Elfen, bereit für den Kampf. Henry drehte sich zur Göttin, die ihn gerettet hatte, und ihm wurde bewusst, dass die eigentliche Schlacht gerade erst begonnen hatte.
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