Die letzten Planungen
Navèst lächelte ihrem Bruder hinterher. Sie hätte es wissen müssen. Es war doch immer so. Wenn Nicodur zweifelte, forschte er nach. Und dann kam er zu dem Schluss, den sie gezogen hatte, und stellte sich auf ihre Seite. Das Lichttor schloss sich wieder, doch Mothruit behielt seine Gestalt und blickte mit seinen Bernsteinaugen lange auf das verschwundene Tor. Navèst lächelte in die Runde. Dann sagte sie: „Wir haben nun den Segen Nicodurs, aber es wird sich ein großer Krieg vermutlich nicht verhindern lassen. Mothruit, wir beschlossen, dass du den Elfenkönig stürzen musst. Seine Herrschaft ist über unseren Willen hinausgewachsen. Er ist zum Schreckensherrscher geworden, jemand muss ihn ermorden. Das kannst am besten du, du, der sich ihm noch nie unterordnen wollte."
Mothruit verwandelte sich zurück und lächelte geheimnisvoll. „Euer Wunsch sei mir Befehl", sagte er dann leise. Navèst zog die Augenbrauen zusammen. „Nein! Vertrau uns Göttern nicht! Viele von uns setzen ihre erschaffenen Völker aufs Spiel, um sich selbst am Leben zu halten. Vertrau nur Nicodur und jenen, die ihm halfen, dich zu erschaffen. Mehr Vertraute bei uns zu finden wirst du nicht können", erwiderte sie schnell. Mothruit musterte die Götter durch zusammengekniffene Augen, dann grinste er: „Misstrauen ist eine meiner Stärken."
Navèst sah ihn prüfend an, dann wandte sie sich an ihre Geschwister und sagte laut: „Sollte Mothruit es nicht rechtzeitig schaffen, Rathrankar zu stürzen, müssen wir unseren Kindern erscheinen. Wir müssen ihnen Mut machen, all jenen, die wir schufen. Das sind meine letzten Worte. Ich erwarte von euch, die Elfen auf einen Krieg vorzubereiten. Und auch euch selber. Die Götter der Menschen werden die ihren auf uns hetzen. Wir müssen vorbereitet sein."
Damit drehte sie sich um und verschwand wie Nicodur vor ihr durch eines der Lichttore und verschmolz mit den Dunkelheit, die neben dem Pfad lauerte.
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Areen nickte Mothruit zu. Es war so weit, dass sie von der Lichtung fortgehen sollten. Obwohl Areen es verbarg, war der Wunsch, vor all den übermächtigen, göttlichen Gestalten zu fliehen, kaum länger auszuhalten. Sie legte ihre Hand an ihr Schwert und trat leise in den Wald. Die Geräusche in dem dicken Blätterdach waren bei Nacht so lebendig, so vielfältig. Als Kind hatte sich die Elfe immer gefürchtet, bei Nacht in den Wald zu gehen, aber heute wusste sie, dass ihr zwischen den dichten Baumstämmen nichts drohte. Sie war eine starke Kriegerin und in Begleitung eines Feuerschwanzes.
Areen schlug den Weg zu ihrem Haus ein. Es war ein mit Efeu und Schlingpflanzen überwuchertes Haus. Durch die kleinen Fenster flackerte das Licht des Feuers, welches Areen zuvor entzündet hatte. Mit erwartungsvollen Lichtspielchen erwartete es sie nun. Vor der Tür blieb Areen stehen. Mothruit lächelte sie an und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Sie schloss genießerisch die Augen und eine Gänsehaut überzog sie. Kurz verstärkte sich Mothruits Girff, dann drehte er sich um und verschwand in der Finsternis des Waldes.
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Mothruit und Areen standen an jenem Tisch, über den Navèst und Rathrankar gebeugt waren. Neben Mothruit waren all die anderen Feldherren versammelt. Elundaiul war der einzige, der ein wenig abseits stand. Er musterte den Spieltisch, welcher später zum Einsatz kommen würde.
Mothruit sah sich aufmerksam die Karte an, die vor Rathrankar ausgebreitet lag. Mit künstlerischen Strichen hatte der Zeichner den Moraldwald, dessen Großstädte und Mussling mit seinen umliegenden Dörfern eingezeichnet. In feinen Tuschebuchstaben hatte der Künstler die Stödte und Dörfer benannt. Auch Berghänge oder gefährliche Orte waren in der Karte markiert.
„Wir werden von Nordwesten angreifen. Dort liegen wenige Siedlungen, die uns sichten und fliehen könnten. Im Süden sind unzählige dieser Art. Da ist das Risiko zu groß, dass uns jemand sichtet, bevor wir die Stadt erreicht haben. Wir brauchen Rammböcke und viel Verpflegung. Die Landschaft dort ist rar, Tiere gibt es nicht. Auch Wasser gibt es keines. Die Lebensmittel aber sind nicht unsere größte Sorge. Das wichtigste ist, die meisten deiner auserwählten Krieger sicher über die magischen Pfade zu bringen. Jene, die die den Pfad auch nur mit ihrer Schuhspitze überschreiten, sind verloren", sagte Navèst.
Rathrankar zog die Augenbrauen zusammen und deutete auf das verzeichnete Tor, durch das Areen und Mothruit vor zwei Monaten geschritten waren. „Liegt hinter dem Tor ein Menschenhaus?", fragte Rathrankar und Mothruit nickte. Er trat an den Tisch, nahm eine Feder und zeichnete ein Kreuz an die Stelle, an der das Gasthaus gestanden hatte. „Dort liegt eine schmutzuge Kneipe. Wenn wir es schaffen, die Menschen, die da drin sind, zu überraschen, werden wir genügend Nahrung für fast einen Tag haben für alle tausend Krieger, die einmarschieren werden. Ich habe die Speisekammer gesehen. Sie erstreckte sich zwanzig mal zwanzig Fuß unter dem Haus. Und sie ist voll mit Schinken, Brot, Wein und Met", antwortete Mothruit.
„Dann wirst du mit Navèst und ein paar meiner Feldherren ausziehen, um die Menschen zu uns zu treiben. Ich weiß, ihr werdet viele Verluste haben, aber ihr müsst der Köder sein. In der Festung der Menschen warten mehr als achttausend Krieger, doch wenn es klappt, dass der Wurm den Vogel anlockt und wir den Vogel dann fangen und ermorden können, werden wir den Wurm in den Tod schicken. Er ist ein Verlust, doch sein Tod ist von Nutzen", erwiderte Rathrankar.
„Jeder Feldherr in diesem Saal besitzt einen Namen, der ihn auszeichnet. Imenuil der Täuscher zum Beispiel, ist undurchschaubar. Komme von dieser Reise zurück, Irkandir, und du verdienst einen Namen, der dir gerecht wird. Stirbst du, so war es falsch, dich zu meinem siebenten Feldherrn emporzuheben."
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