Die Jagd
Irkandir vernahm Stimmen. Er duckte sich noch tiefer hinter den Fels. Mothruit hatte ihn dazu geraten, als mysteriöser Krieger durch die Wälder zu streifen. Und es hatte sich gelohnt; der Name des ‚fahrenden Ritters' war nun in aller Munde. Immer wieder wollten Elfen ihn aufspüren, sahen ihm zu wie er, von einem schützenden Zauber verhüllt, an der Quelle des Flusses Ihamin trank. Doch das Geräusch jener Schritte, die Irkandir hörte, passten nicht zu seinen heimlichen Besuchern. Die Schritte jener scheuen Elfen waren unregelmäßig, unsicher. Doch die Schritte dort draußen im Wald waren anders. Es waren mehrere Elfen, die dort schritten. Der eine von ihnen trat schwer auf, er musste stark bepackt sein. Irkandir grub seine Hände in die Erde. Wenn die Elfen in sein Sichtfeld kamen, hatten sie die Grenze zu seinem Revier überschritten.
„Gib mir die Kontrolle!", sagte Mothruit, „Ich kann sie erledigen!" Irkandir seufzte innerlich und übergab dem Feuerschwanz seinen Platz. Er hatte ein schlechtes Gewissen. Was war nur aus ihm geworden? Da hockte er im Dreck, wie ein niederes Tier, und besessen wie ein Irrer. Als er an Manalin dachte, überkam ihn unglaubliche Wut. Ja, er hatte sogar versucht, sich selbst eine Klinge ins Herz zu rammen. Aber selbst daran war er gescheitert.
Drei Elfen traten in das Sichtfeld, das Irkandir und Mothruit teilten. Der eine schwer gepanzert, ein anderer unpassend gekleidet und eine unheimliche Elfe. Irkandir erkannte unter dem unpassenden Helm, den der zweite der Elfen auf dem Haupt trug, den Hofmeister Myvur. Also hatte sich Rathrankar gegen ihn verschworen. Mothruit ließ ein Rascheln weit in der Ferne ertönen und die drei Elfen drängten sich zusammen. Die Frau unter ihnen ballte die Fäuste und lange Silberkrallen fuhren aus dem Unterarmpanzer. Ihr schwergepanzerte Gefährte hob einen schweren Schild vom Rücken und schnallte ihn sich um den linken Arm. Mit der rechten Hand hielt er eine riesige, weißbemalte Axt.
Mothruit ließ erneut ein Rascheln erklingen und als sich die drei Elfen abwandten, sprang der Feuerschwanz in dem Körper Irkandirs vor und griff mit gezogenem Schwert an. Die Elfe reagierte blitzschnell, warf sich vor Myvur und wehrte den Schwertstich ab. Kreischend schlug Metall auf Metall. Einen Augenblick lang hielt die Elfe Mothruits Blick mit ihren Augen gefangen, die in unterschiedlichen Farben unheilvoll glänzten, dann drehte sie ihren Arm und hob die Klingen erneut. Ihr schwerbepackter Gefährte trat an ihre Seite und hob seine Axt, Myvur zog unterdessen mit zitternden Händen sein Schwert. Mothruit sprang zurück, rollte sich auf dem Boden ab, trat vor Myvur und rammte ihm das Schwert zwischen die Beine. Mit schreckensweiten Augen sah der Hofmeister in Irkandirs Gesicht, dann ließ er sein Schwert fallen, packte sich mit beiden Händen an die Wunde und glitt wimmernd zu Boden.
Mothruit, der keine Zeit mehr hatte sein Elfenschwert zu befreien, griff nach dem von Myvur und wich unter einem Axthieb aus, der ihn nur um Haaresbreite verfehlt hatte. Flonella, die Elfenlegende mit den unterschiedlich farbenden Augen, stob die helle Erde des Waldbodens auf und warf eine Handvoll von ihr in Irkandirs Augen. Mothruit stolperte blind nach hinten. Als er nun noch über einen Stein stolperte, schien der Kampf entschieden, und Irkandir erwartete, dass Flonella gleich ihre Krallen heben würde, aber der Feuerschwanz hatte noch nicht aufgegeben. Irkandir spürte, dass neue Kraft ihn durchflutete, wie ein trockenes Flussbett erneut zu Leben erwachte. Mothruit hielt die Augen weiterhin geschlossen, aber Irkandir spürte, wie sich der Feuerschwanz auf die Umgebung konzentrierte.
„Wir können das alles vermeiden. Du sollst uns nur zu Hofe folgen", sagte Flonella. Irkandir hätte wahrscheinlich aufgegeben, aber Mothruit hätte das nie getan. Obwohl er hustend und blind im Sand lag, hob er den Arm und zog die Brauen zusammen. „Nie!", Mothruit spuckte das Wort aus wie einen Fluch. Die Elfe lachte. „Du gefällst mir", sagte sie.
Mit einem seitlichen Sprung unterlief Mothruit ihren tödlichen Schlag und dem atemraubenden Rippenstich. „Das ist unfassbar", hörte Irkandir die Stimme Helburis, bevor sich das Sichtfeld wieder erhellte. Mothruit hatte in der Zeit des Erstaunens die Erde aus den Augen geblinzelt. Er konnte die beiden Elfen zwar nur schemenhaft erkennen, aber wenigstens erkannte er jetzt, in welche Richtung die beiden Krieger sahen. Ein flüchtiger Blick auf Myvur zeugte davon, dass man den jungen Hofmeister nicht mehr retten konnte. Beim Sturz war ihm das Schwert, das Mothruit ihm zwischen die Beine getrieben hatte, senkrecht in seinen Körper gefahren und stach oben in der Brust wieder heraus. Blutige Fäden benetzten Myvurs spärlichen Panzer, Rot befleckte den Boden rings um ihn.
Mothruit ballte Irkandirs freie Hand und zischte: „Sarn!" Eine blendende Kugel erschien und augenblicklich schleuderte Mothruit sie auf den gepanzerten Krieger. Dieser wich aus, wurde allerdings von der Kugel gestreift und das glänzende Eisen verfärbte sich. Es wurde tiefrot und obwohl Irkandir nicht die Kontrolle seines Körpers hatte, spürte er die Hitze, die von dem Elfen ausging. ‚Was ist mit ihm?', fragte Irkandir panisch und kämpfte verzweifelt um die Kontrolle seines Körpers. „Er wird sterben. Das Eisen nimmt die Magie der Zauberkugel auf und erhitzt sich", sagte Mothruit ruhig. Als die Frau entsetzt ihren Gefährten anblickte, griff Mothruit sie an. Mothruit sah kurz in ihre unterschiedlich farbigen Augen. ‚Halt!', schrie Irkandir in Gedanken, ergriffen von der Wut in ihnen, und Mothruit verharrte.
Immer stärker wurde der Wille, Kontrolle über den eigenen Körper zu besitzen. Endlich gab Mothruit nach und Irkandir spürte augenblicklich die Hitze, die von Flonellas Gefährten abstrahlte. Irkandir warf das Schwert nieder und bückte sich nach Helburi. Er hatte von ihm gehört. Helburi war Gefährte und Gatte der legendären Kriegerin Flonella. Irkandir verbrannte sich an der heißen Rüstung, zog die Hand aber nicht fort. Er wirkte den Heilzauber, den er bei Mothruit gelernt hatte. „Das ist jetzt nicht dein Ernst! Er muss sterben, er hätte dich getötet! Er...", sagte Mothruit, aber Irkandir unterbrach ihn: ‚Still! Wenn er stirbt, dann wird Rathrankar dich nie in seine Nähe lassen!'
Plötzlich spürte Irkandir, wie scharfe Krallen über seinen ungeschützten Rücken fuhren. Der Elf sah über die Schulter und blickte in das wutverzerrte Gesicht Flonellas. Und ehe er etwas zu ihr sagen konnte, fiel sie über ihn her wie ein Wolf über dessen Beute.
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