8. Die Quelle der Wünsche
"Worauf warten?" Fragte Arman und seine Stimme wurde lauter "Darauf, dass ich sterbe? Macht dir das Spaß, mir dabei zuzusehen?"
Mit gespielter Entrüstung stand das Orakel auf. "SO etwas würdest du mir zutrauen?"
Arman sah sie unbeirrt an.
Sie stemmte die Arme in die Hüften. "Das war nicht sehr freundlich von dir. Jetzt weiß ich wirklich nicht, ob ich dir antworten soll.
Aber weil ich so nett bin und dir NICHT beim Sterben zuschauen will, sag ich es dir trotzdem."
Er wartete die dramatische Pause ungeduldig ab.
"Wir warten hier darauf, dass Charlie dich rettet."
Armans Miene hellte sich auf. "Das geht?"
"Ja, aber natürlich geht das! Du siehst wirklich hübscher aus, wenn du nicht so finster dreinschaust, weißt du?"
***
Das kann doch nicht wahr sein! Fassungslos starrte Patrizia auf Tarik, der neben Garwin stand und ihnen erfreut zuwinkte.
"Was zum...?", hörte Charlie sie noch murmeln, als sie vom Pferd sprang und auf Tarik zulief.
"Was macht du da?!", schrie sie wütend.
Sein Lächeln verflog augenblicklich. "Was meinst du?"
"Mann, bist du mit dem da jetzt beste Freunde oder was?" Sie zeigte entrüstet auf Garwin.
"Patrizia..", hörte sie Micks warnende Stimme hinter sich. Sie fuhr herum und schrie weiter: "Und von dir will ich gar nichts hören! Du hast davon gewusst und nicht mal dran gedacht, mich vorzuwarnen!"
Garwin war die Situation sichtlich unangenehm. Er sank ein paar Schritte zurück.
"Ich denke, ich geh erst mal.", wisperte er leise zu Tarik und war im selben Moment verschwunden.
Als Patrizia wieder Luft holen wollte, um weiterzuschreien, schnitt ihr Mick schroff das Wort ab: "Patrizia, lass es jetzt gut sein! Wir haben Wichtigeres zu tun."
"Aber-"
Doch Mick ignorierte sie und wandte sich an Tarik: "Wir haben nicht viel Zeit. Arman ist krank und wir müssen jemanden finden, der sich mit alten Geschichten auskennt."
Tarik sah seine Freunde entgeistert an. "Wie, krank?" Aber er konnte an Charlies gehetztem Blick die Antwort bereits sehen.
Er winkte den Freunden, ihm zu folgen. "Kommt, ich bringe euch in die Stadt, Alwin könnte etwas wissen."
***
Angeführt von Tarik erreichten sie nach kurzer Zeit eine Siedlung auf einer großen Waldlichtung. Sie bestand aus etwa 50 runden, weißen Zelten zwischen denen rege Geschäftigkeit herrschte.
Charlie und Patrizia sahen sich erstaunt an. Sie hatten eine Herr-der-Ringe-würdige Stadt erwartet, kein Zeltlager.
Sie banden die Pferde an einer Stelle etwas außerhalb an und folgten Tarik durch das laute Lagertreiben in die Mitte der Lichtung zu einem Zelt, das etwas prunkvoller war, als die Anderen.
Seine Wände waren mit aufwändigen, bunten Bildern bemalt und es war größer. Vor dem Eingang hielt ein Elbenmann Wache.
Tarik grüßte ihn freundlich und brachte Micks Anliegen vor woraufhin der Mann im Zelt verschwand.
"Wer ist dieser Alwin?", fragte Patrizia Mick leise. Charlie antwortete für ihn: "Der Häuptling der Elben. Arman hat mir von ihm erzählt. Er meinte, er wäre eines der ältesten Wesen in Namra."
Der Wachmann trat wieder aus dem Zelt und nickte den Vieren zu.
Sie betraten das Innere. Es war sehr geräumig mit einem großen, runden Platz in der Mitte und rundherum waren prachtvoll bemalte Vorhänge gespannt, die wohl kleinere Räume dahinter verdeckten.
Gegenüber des Eingangs saß, auf einem prächtig geschnitzten Stuhl ein Mann von undefinierbarem Alter. Das musste dann wohl Alwin sein.
Patrizia fand, er hätte um die vierzig sein können, wenn Charlie ihr nichts anderes erzählt hätte.
"Mick,", grüßte er mit donnernder Stimme, "ich hatte nicht erwartet, dich so bald wiederzusehen, nachdem du unser letztes Treffen so plötzlich verlassen hast."
Charlie und Patrizia sahen erstaunt, wie sich Micks Miene verfinsterte. Tarik seufzte.
"Der Grund unseres Hierseins ist ein Anderer. Wir brauchen deine Hilfe in einer.. Sache", presste er hervor.
"Oh, ich weiß, der Hüter." Alwin winkte ab. "Und du denkst, dass ich ihm helfen kann? Ich bin geschmeichelt." Sein gesicht verzog sich zu einem breiten Grinsen.
Ob Mick überrascht war, dass er bereits davon wusste, konnten die Mädchen nicht erkennen. Er ignorierte Alwins letzten Satz und begann, ohne überleitende Worte, von der Geschichte zu erzählen, die sie gefunden hatten.
Der Häuptling hörte aufmerksam zu und nachdem Mick geendet hatte, antwortete er: "Ja, diese Geschichte kenne ich. Aber sie hat sich zugetragen, lange bevor mein Großvater geboren war."
"Und weißt du, wie wir in das Totenreich gelangen können?", stieß Charlie hervor.
"Kindchen, das Reich der Toten kann doch niemand einfach so betreten", sagte er mit einem milden Lächeln. "Aber der Hüter befindet sich erst an der Schwelle und diese lässt sich sehr wohl erreichen."
Patrizia gefiel diese überhebliche Art gar nicht. Sie sah zu Tarik, der mit einem fast schon entschuldigendem Blick zurückblickte.
"Und wie?", wollte Charlie wissen.
"Nun," Alwin seufzte ungeduldig, "das ist eigentlich ganz einfach. Ihr müsst vom Wasser der Quelle der Wünsche trinken."
Er machte eine Pause.
"Lass dir nicht alles aus der Nase ziehen. Ich weiß, dass diese Quelle vor Außenstehenden versteckt ist. Wo können wir sie finden?", fragte Mick forsch.
Der Häuptling sah die vier ungehalten an.
"Das kann ich euch gerne verraten, nur wird euch das nicht viel bringen."
Wieder legte er eine unangenehm lange Pause ein.
"Warum nicht?", durchbrach Patrizia die Stille.
"Nun, das könnt ihr gerne meinen unfähigen Sohn fragen."
Er lachte.
"Aber von wem spreche ich denn? Alle meine Söhne sind so. Das haben sie wohl von ihren Müttern."
Nein, sie mochte diesen Mann wirklich nicht, beschloss Patrizia.
"Wenn du mit deinen Beleidigungen fertig bist, kannst du uns bitte erklären, was du meinst?", fuhr ihn Mick an.
Ok, da gibt es wohl eine Geschichte, vermutete Patrizia und sah, dass Charlie dasselbe denken musste.
"Garwin!", brüllte der Häuptling und eine Sekunde später stand Garwin neben ihm.
"Erkläre unseren Gästen bitte, warum der Hüter von Namra wegen deiner Unfähigkeit sterben muss", forderte er ihn mit einer ausladenden Geste auf.
Patrizia hielt die Luft an und starrte zu Boden. Nein, sie wollte ihn nicht ansehen.
Garwin betrachtete zuerst entsetzt die Freunde, dann seinen Vater.
"Na wenn du nicht willst, muss ich es eben tun. Dieser... Idiot... hat sich von Zwergen bestehlen lassen!"
Er wandte sich direkt an seinen Sohn: "Du hattest nur diese eine, klitzekleine Aufgabe. Was ist so schwer daran den Kelch zu bewachen?"
"Euch wurde der Kelch des Lebens gestohlen?! Und das hast du mir beim letzten Mal nicht sagen können?", unterbrach ihn Mick aufgebracht.
"Der Kelch ist ein Geheimnis.", erwiderte Alwin beiläufig.
"Von dem ich wusste!", stöhnte Mick entmutigt.
Der Ältere zuckte nur mit den Schultern.
"Entschuldige, aber was hat ein Kelch mit der Quelle zu tun?" Charlie kannte sich nicht aus. Die Männer hatten bislang keine Anstalten gemacht, ihnen irgendwetwas zu erklären.
Alwin fuhr fort: "Was euer allwissender Begleiter nicht weiß ist, dass man nur, wenn man das Wasser der Quelle aus dem Kelch des Lebens trinkt, seine Wirkung entfalten kann. Kranke werden gesund Dumme gescheit, Tote werden lebendig und Lebende sterben", und mit einem Nicken in Garwins Richtung: "Den Kelch, den dieser Schwachkopf bewachen sollte, solange ich nicht da bin."
Garwin stand noch immer da wie ein getretener Hund und blickte beschämt zu Boden.
"Jetzt reicht es aber!", rief Mick. "Wir werden diesen Kelch zurückholen. Danke für deine Hilfe." Er drehte sich um und verließ das Zelt.
***
Milena lief in ihrem Zimmer auf und ab. Mick hatte sein lästiges Elfchen zu ihrer Bewachung zurückgelassen und es war zu riskant, die Burg zu verlassen, wenn sie ihr als Schmetterling unauffällig folgen könnte.
Sie hielt es hier drinnen nicht aus. War Arman vielleicht schon tot?
Sie wusste genau, was ihr Bruder vorhatte. Hatte schon von Anfang an damit gerechnet. Es hatte einiges an Aufwand bedurft, unbemerkt eine Nachricht an den Zwergenkönig zu schicken und sie hatte auch keine Antwort erhalten. Doch Micks Erzählungen nach zu schließen, hatten die Zwerge getan, was sie von ihnen erhofft hatte.
Aber zur Sicherheit hatte sie noch weiter vorgesorgt. Es war ihr auch das gelungen, ohne dass es jemand bemerkt hatte. Ihr Bruder hatte einfach zu viel Vertrauen. So konnte sie an ihm vorbeiarbeiten, ohne dass er auch nur den leisesten Verdacht schöpfte.
Aber wie sehr sie diese nervenzehrende Warterei hasste!
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro