5. Ein Funken Hoffnung
Arman stand barfuß im nassen Gras und sah sich um.
"Wo bin ich?"
Seine Stimme klang seltsam, aber auch seine Umgebung mutete fremd an.
"Als ob du das nicht wüsstest"
Er fuhr herum. Ein paar Meter entfernt stand das Orakel und lächelte ihn an.
"Sieh genau hin."
Erstaunt blickte er noch einmal um sich. Er stand auf einer Anhöhe und konnte in etwas Entfernung den Pferdehof seiner Eltern erkennen.
Ja, er wusste genau, wo er sich befand.
Er drehte sich wieder zum Orakel um. "Was machst du hier?"
Sie zuckte mit den Schultern. "Hm, dir etwas Gesellschaft leisten."
Arman hielt eine Hand abwehrend vor sich. "Also, ich möchte nicht unhöflich sein, aber ich muss jetzt nach Hause."
Sie sah ihn unbeirrt an. "Das wird schwer werden."
"Was? Wieso?"
"Sieh dich nochmal genau um, Arman."
Er tat wie ihm geheißen und in der Tat schien etwas ganz und gar nicht zu stimmen.
***
Ein zartes Klingeln weckte Feenja ruckartig auf. Sie drehte sich zu Mick und berührte sanft seine Wange. "Mick, wach auf."
Langsam öffnete er die Augen und sah sie an. "Jetzt schon?" Er zog ihr Gesicht auf seines und küsste sie.
Doch Feenja löste sich wieder von ihm. "Die Lilientals brauchen uns."
Entsetzen breitete sich auf seinem Gesicht aus. Dann schloss Mick die Augen und ließ seine Gedanken über den Hof seiner Freunde wandern.
Patrizia. Er konnte ihre Anwesenheit deutlich spüren. Was machte sie hier? Er wanderte weiter, streckte sein Bewusstsein nach allen Familienmitgliedern aus.
Wo war Arman?
Mick sprang auf, dass Feenja erschrocken zurückfiel. "Wir müssen sofort los!", rief er, während er sich hastig anzog und zur Tür hinauslief.
Unten im Stall hatte sie ihn eingeholt. Ein kleiner Schmetterling saß auf dem Ohr seines Pferdes und unterhielt sich mit ihm, während Mick schnell aufsattelte.
***
In kürzester Zeit erreichten Mick und Feenja den Lilientalhof.
Sie wurden bereits von Richard, Charlie und Rona empfangen und Mick eilte mit ihnen ins Haus.
Feenja blieb zurück und band das Pferd an. Da sah sie eine Gestalt unter dem Apfelbaum sitzen.
"Patrizia? Was machst du denn hier?"
"Wenn ich das wüsste!" Sie schniefte und vergrub ihr Gesicht zwischen ihren Knien.
Vorsichtig kam die Elfe näher und hockte sich neben das Mädchen.
Sie legte einen Arm um sie und ließ sich von Patrizia die Ereignisse der letzten Stunden erzählen.
"Mick soll mich wieder zurück bringen!", schloss sie trotzig.
Feenja sah sie nachdenklich an. "Ich weiß nicht, ob das möglich ist. Mick hat dich nicht hierher geholt und jeder andere Grund, weshalb du wieder hier bist, könnte wohl heißen, dass du so schnell nicht wieder weg kommst."
Patrizia rang die Hände. "Aber es kann keinen Grund geben! Ich habe weder so fancy Zauberkräfte wie Charlie oder Tarik noch bin ich irgendeine Wächterin oder Hüterin oder sonst was! Und ich muss für mein Abi lernen und meine YouTube-Fans kann ich auch nicht enttäuschen. Und ich hasse es hier!"
Sie brach erneut in Tränen aus.
Feenja hatte Mitleid mit dem Mädchen. "Uns wird schon etwas einfallen." Und sie drückte sie fest an sich.
Patrizia vergaß mit einem Mal ihr Selbstmitleid und wurde ernst. "Was passiert, wenn Arman stirbt?" Er war die große Liebe ihrer Freundin und sie konnte sich gar nicht vorstellen, wie das für sie sein musste.
"Mach dir darüber keine Gedanken. Mick wird etwas einfallen. Ihm fällt immer etwas ein."
Patrizia wollte das Urvertrauen, das Feenja für ihren Partner hegte, nicht so recht teilen.
Die Elfe stand auf, nahm Patrizia bei der Hand und sie machten sich auf zum Haus, um nachzusehen.
***
Unruhig wanderte Charlie in der Küche auf und ab. Mick hatte sie fortgeschickt, nachdem sie ihn zum gefühlt hundertsten Mal gefragt hatte, ob er endlich wisse, was ihrem Freund fehlte.
Tränen stiegen ihr erneut in die Augen.
Das kann doch alles nicht wahr sein!
Vorgestern noch war es ihm gutgegangen. Und sie hatte ihn noch wegen seiner Unordentlichkeit gescholten. Als ob eine nicht entsorgte, kaputte Fellbürste irgendwie wichtig gewesen wäre!
Sie hätte ihn begleiten sollen! Wäre sie mit ihrem geprellten Steißbein doch früher zu Rona gegangen.
Hätte.
Sollte.
Wäre.
Sie blieb stehen und schluchzte.
Sie war allein im Haus. Der Rest der Familie war auf den Feldern und kümmerte sich um die Pferde.
Richard hatte gemeint, dass sie sich ablenken sollten, solange sie nichts tun konnten und die Tiere mussten versorgt werden.
Charlie hatte abgelehnt, denn sie wollte nicht von Armans Seite weichen.
Feenja und Patrizia betraten den Raum. Ihre Freundin kam auf sie zu und umarmte sie.
"Charlie, es tut mir so leid!"
"Es war doch nicht deine Schuld", anwortete Charlie und unterdrückte ein Schluchzen.
Patrizia senkte den Kopf. "Arman wäre hier gewesen, wenn er nicht so lange mit mir diskutiert hätte."
Charlie atmete tief durch. "Dann wäre es hier passiert. Und wir hätten auch nichts tun können."
In diesem Moment öffnete Mick die Türe. Charlie riss sich von Patrizia los. "Was ist mit ihm?!"
Sein Gesicht war ernst und voll Sorge und er schüttelte stumm den Kopf.
Sie lief zu Arman, warf sich auf ihn und weinte. "Bitte wach doch auf", murmelte sie in seine Brust. "Bitte!"
Mick trat wieder zu ihr. "Er wurde vergiftet, Charlie. Ich weiß nicht wie, aber ich habe eine Vermutung, womit." Er machte eine kurze Pause. "Und wenn ich richtig liege, dann bleibt nicht viel Zeit."
Flehend sah sie zu ihm auf. "Aber er kann doch wieder gesund werden, oder?"
„Meine Mutter hat zuhause einen Giftgarten angelegt. Die Pflanze, die Arman vergiftet hat, müsste dort wachsen. Aus ihr lässt sich auch ein Gegengift herstellen und ich sollte das Rezept dazu finden können."
Charlie sprang auf. "Dann los!"
Sie rannte nach draußen, um ihr Pferd zu holen.
Mick drehte sich zu Patrizia um. Fragend sah er sie an.
Unschlüssig hob sie die Arme. "Nein, ich habe keine Ahnung, was ich hier soll."
"Dann komm besser mit uns. Sobald wir das Gegenmittel haben, können wir dich hoffentlich nachhause bringen."
Patrizia überhörte das hoffentlich und stapfte hinter Charlie her, um sich ebenfalls ein Reittier zu leihen.
Mick und Feenja blieben zurück. Die Elfe bemerkte den sorgenvollen Blick ihres Partners, der auf Arman starrte.
"Was wolltest du Charlie denn nicht sagen?" Sie berührte sanft seine Schulter.
"Sieh dir Armans Handgelenk an."
Feenja beugte sich herab und sah die kleinen roten, halbmondförmigen Wunden.
"Ich habe auch dazu eine Vermutung, auch wenn ich hoffe, dass ich mich irre."
***
Warten war noch nie ihre Stärke gewesen.
Ein paar Tage noch.
Ach, sie hasste diesen Jungen! Wenn er nicht gewesen wäre.. aber das war ja nun bald egal.
Wenn Mick nicht noch plötzlich vortreten würde, um seinen Platz als Hüter einzunehmen, dann käme nur noch sie infrage.
Und sie würde endlich das, wofür sie ein Leben lang gearbeitet hatte.
Und das war sicher!
Ihr Bruder würde nicht Hüter werden wollen.
Oder doch?
Würde er seine Ablehnung überwinden, nur um sie zu verhindern?
Milena begann, angestrengt an ihren Fingernägeln zu kauen.
Was wenn doch?
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