2. Eine unerwartete Begegnung
"Arman! Die Bürste ist kaputt!"
Arman drehte sich von Cassiopeia weg und sah Charlie im Stalleingang stehen.
"Ich weiß. Da hinten liegt eine zweite", sagte er beiläufig und deutete auf die Ablage zu ihrer Linken.
"Ernsthaft jetzt? Hättest du die Kaputte nicht einfach wegschmeißen können?"
Mit vorwurfsvollem Blick kam sie auf ihn zu.
"Das wollte ich gleich als nächstes tun." Arman schloss Charlie in die Arme und setzte sein entwaffnendstes Lächeln auf.
"Ja, ist klar", antwortete sie amüsiert.
Arman gab ihr einen schnellen Kuss. "Zumindest gleich, nachdem ich von der Versammlung zurück bin."
"Mhmm.." Charlie glaubte ihm kein Wort. "Und du bist dir sicher, dass ich nicht doch mit dir mitkommen soll?"
"Charlie, du weißt, dass du das nicht schaffen wirst."
Und Charlie musste ihm leider recht geben. Sie war vor zwei Tagen vom Pferd gefallen und konnte in den nächsten Tagen auf keinen Fall mehrere Stunden am Stück in einem Sattel sitzen.
Sie lehnte ihre Stirn an seine Schulter. "Versprich mir aber, dass du auf dich aufpasst", murmelte sie in sein Hemd.
"Aber natürlich. So wie immer." Arman lachte und gab ihr noch einen Kuss. "Und wenn ich wiederkomme, dann ist diese lästige Hubbeldi-Schwubbeldi-Fehde hoffentlich endlich Geschichte."
Einen Kuss noch, dann löste er sich aus Charlies Umarmung und stieg auf sein Pferd.
Am Hofeingang wartete seine gesamte Familie, um sich zu verabschieden. Zumindest fast, Tami und Milosch waren mal wieder irgendwo und stellten Unfug an - die Geschwister waren beinahe unzertrennlich, seit sie sich kennengelernt hatten.
"Pass gut auf dich auf", mahnte Richard seinen umtriebigen Sohn. Seine Mutter lächelte ihn sorgenvoll an.
Nach allem, was in den letzten zwei Jahren passiert war, konnte Arman seinen Eltern die Besorgnis nicht zum Vorwurf machen. Deshalb versicherte er ihnen nur, Acht zu geben und dass er ja ohnehin morgen Abend wieder zurück wäre. Dann verließ er den Hof.
***
Die Versammlung mit den Hubbeldis und Schwubbeldis war in einem Wort zusammengefasst eine Katastrophe gewesen!
Nun ja, dachte Arman frustriert, zumindest hat es keine Schwerverletzten gegeben.
Er überlegte. Es war noch nicht ganz Mittag und er hatte noch genügend Zeit.
Kurzentschlossen lenkte er Cassiopeia in eine andere Richtung und machte sich auf den Weg zur Wasserburg.
Er musste einfach noch mehr über diese dumme Fehde in Erfahrung bringen und dabei konnte ihm Micks umfangreiche Bibliothek sicher helfen.
Als er in den Burghof ritt, stand Mick schon dort und schien keineswegs überrascht, ihn hier anzutreffen.
"Arman, schön dich zu sehen." Er reichte seinem Freund die Hand, nachdem dieser abgestiegen war.
"Hallo, Mick. Ich bin auch froh, dich zu sehen."
Mick bemerkte den leicht gequälten Ausdruck im Gesicht seines Freundes. "Ich vermute, das Treffen mit den Hubbeldis und Schwubbeldis ist nicht so ausgegangen, wie du es dir erhofft hattest."
"Nein." Arman biss sich auf die Unterlippe. "Ich dachte für einen Moment, dass es ganz böse ausgehen würde. Zum Glück hat die Rauferei glimpflich geendet."
Mick verzog das Gesicht. "Und wobei kann ich dir behilflich sein?"
"Ich brauche einfach noch mehr Informationen. Ich muss wissen, was sie trennt und vor Allem, was sie gemeinsam haben. Das kann doch nicht ewig so weiter gehen! Der ganze Westen leidet unter diesem Streit."
Sein Gegenüber lächelte. "Dann komm mit. Mal sehen, ob wir deinen ambitionierten Plänen etwas nachhelfen können."
Die beiden Männer betraten die Burg und Mick führte seinen Freund in die Bibliothek.
Zwei Stunden lang wälzte Arman Buch um Buch, las Chroniken, Besitzurkunden, Gerichtsakten, bis er glaubte, sein Kopf würde platzen.
"Ich denke, du hast für heute genug getan." Mick war hereingekommen und stellte Arman eine Tasse Tee hin.
"Ich glaube, du hast recht." Dankbar machte er einen Schluck. "Und was treibt dich zur Zeit so um, mein Freund?"
"Verschiedenes. Zur Zeit muss ich öfter nach Süden reisen. Du erinnerst dich an den Elbenwald, von dem dir Garwin erzählt hat?"
Arman nickte bedächtig. Der Streit mit seinem ehemaligen besten Freund war zwar vorbei, aber es fühlte sich noch immer seltsam an, an ihn zu denken.
"Nun, es scheint, als hätten die Zwerge dem Häuptling der Elben etwas sehr Wertvolles gestohlen. Was es ist, will er mir aber nicht sagen. Jedenfalls scheint das Ganze mittlerweile zu eskalieren und ich versuche seit Wochen, an den Zwergenkönig heranzutreten und ihn dazu zu bringen, was immer es auch ist, zurückzugeben."
Arman lächelte schwach. "Klingt so, als wären deine Probleme auch nicht kleiner als meine. Brauchst du meine Hilfe bei der Sache?"
Mick verneinte. "Konzentriere dich lieber auf dein Problem, aber vielleicht muss ich später doch noch auf dein Angebot zurückkommen."
Die beiden Männer schwiegen kurz, bis Mick wieder ansetzte: "Und wie läuft es so, mit Charlie am Hof?"
Arman bemerkte eine leichte Besorgnis in der Frage. "Alles Bestens. Sollte es nicht so sein?"
Sein Gegenüber schien seine Frage zu bereuen. "Nein, gar nicht. Es ist nur.. wir beide wissen, was sie für ein Wirbelwind sein kann."
"Meine Eltern lieben sie, meine Brüder auch und Tami vergöttert sie zur Zeit über alle Maßen."
"Das ist schön, zu hören." Das Lächeln war auf Micks Gesicht zurückgekehrt.
Arman stand auf. Es war schon Nachmittag und er musste noch ein gutes Stück reiten, bis er zuhause war.
Sein Freund begleitete ihn hinaus und sie verabschiedeten sich.
Draußen im Park vor der Wasserburg trat plötzlich eine Gestalt auf den Weg und er musste seine Stute anhalten.
Es war Milena.
Beinahe hätte er sie nicht erkannt. Sie war abgemagert und ihre gebückte Haltung ließ sie noch hagerer aussehen, als sie ohnehin schon war.
Sie blicke ihm geradewegs in die Augen.
Arman stand auf Abstand und wartete. Er konnte sich leider nur zu gut an das erinnern, was sie getan hatte - wieviel Angst und Leid sie verursacht hatte. Und nun war er auch noch das, was sie immer sein wollte: Hüter von Namra.
Langsam, als ob sie selbst nicht wusste, ob sie es wollte, kam sie auf ihn zu. Sie ließ ihn nicht aus den Augen, bis sie neben seinem Pferd stehen blieb.
"Arman, hallo", grüßte sie mit schwacher Stimme.
"Milena." Arman nickte ihr zu. Er konnte sehen, dass sie nur noch ein Schatten ihrer selbst zu sein schien, aber er mahnte sich zur Vorsicht.
Sie sah ihn an und öffnete den Mund, als ob sie etwas sagen wollte, schwieg aber.
Arman wurde ungeduldig. "Hör zu, ich habe noch einen weiten Weg vor mir. Falls du also etwas zu sagen hast, sag es jetzt."
Milena sackte noch weiter in sich zusammen. Dann griff sie plötzlich nach seiner linken Hand. Er wollte sich losreißen, aber sie hielt sie eisern gepackt.
"Ich möchte mich entschuldigen."
Er hatte mit so etwas gerechnet. Aber er war noch nicht so weit. Es würde noch viel Zeit vergehen, bis er dazu fähig wäre. "Es tut mir leid, dazu bin ich noch nicht bereit. Außerdem hat ganz Namra deine Entschuldigung verdient. Das du fast zerstört hättest!", fügte er hinzu.
Er versuchte wieder, sich ihrem Griff zu entwinden doch Milena grub jetzt ihre Nägel tief in sein Handgelenk.
"Milena, lass mich los!" Jetzt erst lockerte sie ihren Griff und Arman gelang es, sich loszureißen.
"Krieg dich in den Griff!", fuhr er sie an und ritt, so schnell es ging, davon.
Milena sah Arman nach, bis er verschwunden war. Dann straffte sie ihre Schultern und mit einem Lächeln auf den Lippen wandte sie sich um und ging zur Burg.
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