Die Besprechung
„Ní! Wohin willst du?", rief Legolas mir gereizt hinterher, als ich aus dem Palast trat. Das Schwert meines Vaters war in der Waffenkammer nicht mehr sicher, also hatte ich entschlossen es einfach mitzunehmen. Mein Pferd hatte ich von der Nacht noch nicht auf die Weide zurückgeschickt, weshalb ich bloß letzte Vorbereitungen treffen musste und mich auch schon auf den Weg machen konnte.
„Weg. Habe ich früher doch auch schon getan, warum interessiert es dich plötzlich?", fragte ich zurück und führte mein Pferd nach draußen. Ich hatte mich entschieden einfach ohne Sattel zu reiten. Es ging schneller und war außerdem die bevorzugte Weise von Elben. Bloß für Proviant war er manchmal von Nutzen.
„Weil du diesmal das Schwert deines Vaters in der Hand hast und Thranduil Dinge hast sagen hören, die nicht für dich bestimmt waren", antwortete mein Bruder und stellte sich vor mich. Ich seufzte genervt. „Egal, ob sie für mich bestimmt waren, ich habe sie gehört und damit verlieren sie nicht an Bedeutung!" Ich bemühte mich ruhig zu bleiben, da ich wusste, dass er daran keine Schuld hatte, doch ich hatte diese Wut schon viel zu lange zurückgehalten.
„Das ist mir klar, aber du musst auch seine Beziehung zu Badhron verstehen", antwortete er beschwichtigend und sah mich fest an. Ich verdrehte meine Augen. „Wenn sie so toll befreundet sind, kann er doch mit ihm reden und ihn davon abhalten zu gehen", seufzte ich verächtlich. Legolas hob überrascht seine Augenbrauen. „Du weißt es wirklich nicht", stellte er etwas verwirrt fest. Ich sah ihn bloß erwartungsvoll an. „Er ist der Bruder meiner Mutter", sagte er langsam. Ich blinzelte ein paar Mal überfordert und wandte den Blick ab. Ich hatte davon natürlich gehört, doch es wurde vor allem nach ihrem Tod nicht viel darüber gesprochen. Und nun hatte ich den Neffen von Thranduils großer Liebe fast umgebracht, anstatt den Sohn irgendeines Freundes.
„Ich habe mir schon gedacht, dass er einen Grund für seine Reaktion hatte, doch das gibt ihm trotzdem nicht das Recht solche Dinge zu sagen", antwortete ich leise und fasste mir unbehaglich an meine Arme. „Du wolltest doch früher auch nie diese Verantwortung, warum ist sie dir nun so wichtig?", fragte Legolas eindringlich und runzelte seine Stirn. Ich setzte zur Antwort an, doch etwas hinter Legolas erregte meine Aufmerksamkeit. Es war der mir bekannte Elb, dessen Name ich immer noch nicht wusste. Er lehnte an einem Baum, der den Weg säumte, den ich nun entlangreiten wollte. Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen beobachtete er unser Gespräch von der Weiten.
„Du hast recht", murmelte ich leise, wobei ich die Frage schon zur Hälfte vergessen hatte. Meine Hand fuhr wie automatisch zu dem Schwert an meinem Gürtel, das ich dort provisorisch festgemacht hatte. Es war offensichtlich kein Zufall gewesen, dass es wieder in meine Finger gelangt war. Er wollte mich provozieren, sollte er sehen, was er davon hatte.
„Wer ist das?", fragte Legolas, welcher sich umgedreht hatte und nun ebenfalls den Elben musterte. „Ich weiß es nicht – noch nicht –, warte hier", antwortete ich und ging an meinem Bruder vorbei. Warum riskierte er es hier gesehen zu werden. Mit meinem Bruder an der Seite war ich ihm weit überlegen. Eine falsche Bewegung und er war schon von einem Pfeil niedergestreckt. Das musste er wissen.
„Wer bist du?", fragte ich gereizt, als ich näherkam. Der Elb lächelte wieder sein überhebliches Lächeln und löste sich von dem Stamm. „Ist mein Name so wichtig?" Meine Augen suchten automatisch nach dem Schwert meiner Mutter, welches sie am Tag ihres Todes getragen und er letzte Nacht am Gürtel hatte.
„Ich würde ihn gerne wissen", antwortete ich entschlossen und entdeckte was ich gesucht hatte. Trotzdem bewahrte ich Ruhe und kam vor ihm zum Stehen. „Nenn mich einfach Pergwador", grinste er entspannt. Ich versuchte mich unter Kontrolle zu halten. „Das soll ein Witz sein", knurrte ich gefährlich. Pergwador bedeutete Halbbruder. Doch selbst, wenn das stimmte, warum sollte er es mir jetzt sagen?
„Warum sollte ich dich denn sonst so nerven?", lachte er und schaute kurz über meine Schulter. Ich musterte ihn noch einmal, bis ich bei seinen grauen Augen hängenblieb. Daran hatten sie mich erinnert: meine Mutter, doch war unmöglich!
„Warum sollte ich dir glauben?", brummte ich und warf einen kurzen Blick zurück zu meinem Bruder, welcher sich wie erwartet näherte.
„Das ist mir eigentlich ziemlich egal. Ich wollte dir nur sagen, dass du nicht gehen darfst", antwortete er schulterzuckend. „Warum sollte ich dich nicht umbringen?", fragte ich weiter nach. Ich wusste, dass Legolas inzwischen in Hörweite war.
„Du willst doch deine letzte Familie nicht umbringen", lächelte er und hob seine Hand spielerisch, was ein Rascheln hinter ihm zur Folge hatte. Aus dem Augenwinkel stellte ich fest, dass mein Bruder bei uns angekommen war. Er musterte meinen angeblichen Halbbruder, doch sagte kein Wort, wofür ich ihm dankbar war.
Nun konnte man auch erkennen, warum sich der Elb so sicher fühlte: hinter ihm kamen nun einige leuchtende Augen näher, welche sich dicht um ihn sammelten. Es waren Spinnen.
„Liegt wohl in der Familie", murmelte Legolas trocken. Ich schüttelte den Kopf und unterdrückte ein Lächeln. Es schaffte auch nur er, solch eine ernste Situation mit Humor zu betrachten. "Also wer bist du?", wiederholte er meine Frage, als keiner von uns das Wort ergriff. Pergwador kräuselte die Lippen und sah ihn böse an. „Für dich habe ich keine Antworten", knurrte er, worauf Legolas etwas überrascht und ungläubig die Brauen hob. Mir gegenüber konnte ich es verstehen, dass man manchmal vielleicht vergaß welchen Einfluss ich hatte, doch Legolas war immer schon ein Prinz gewesen und sollte auch so behandelt werden.
„Solange du in diesem Reich bist, hast du ihm welche zu geben", antwortete ich einfach und sah ihn erwartungsvoll an. Er machte bloß einen kleinen Schritt zurück und wollte sich damit offensichtlich verabschieden. Doch Legolas packte ihn am Arm. „Zuerst gibst du ihr das Schwert zurück", verlangte er eindringlich und nickte zu seinem Gürtel. Pergwador riss sich wütend los und hielt mit einer kurzen Handbewegung die Spinnen zurück, die gerade zu seiner Verteidigung eilen wollten.
„Das ist eine Sache zwischen ihr und mir. Misch da dich da nicht ein!", knurrte er und schaute ihn fest an. Legolas war wenig beeindruckt.
„Es ist mir egal, ob wir dasselbe Blut teilen, sie ist meine Schwester und wird bekommen, was sie will", antwortete er entschlossen. Ich musste sagen, dass mein Herz ein wenig weich wurde, als ich ihn das sagen hörte, vor allem nach dem kleinen Streit vorhin. Es zeigte mir einmal mehr, dass er meine Familie war und diese Bänder zerrissen nicht so leicht.
„Das wird sie, bloß noch nicht jetzt", sagte er leise mit einem bedrohlichen Unterton. Die meisten der Spinnen hatten sich nun um ihn gesammelt und fletschten ihre Zähne.
Ich legte sanft eine Hand auf die Schulter meines Bruders. Ich wusste, dass er wie kein anderer kämpfen konnte, doch es war nicht notwendig nun dieses Risiko einzugehen.
Pergwador wandte sich wieder mir zu. „Auf Wiedersehen, Nimp", murmelte er und drehte sich dann wieder zum Gehen. Die Spinnen folgten ihm.
„Nimp, das ist auch schon einige Zeit her", sprach Legolas, sobald er weg war und ging wieder in Richtung meines Pferdes. „Denk nicht einmal dran", antwortete ich schnell und sah ihn eindringlich an. Er lächelte bloß und legte einen Arm um mich.
„Das würde ich mich doch niemals trauen – Nimp", grinste er neckisch, worauf ich ihn in die Seite boxte. „Hey!", rief ich beleidigt und kniff gespielt wütend die Augen zusammen. Er lachte und wehrte sich so halb gegen meinen Angriff.
Ich lächelte und merkte, wie sehr mir diese Leichtigkeit gefehlt hatte. Es schien ewig her zu sein, als ich das letzte Mal so gelacht hatte.
„Danke", murmelte ich leise und näherte mich wieder so weit, dass er seinen Arm um mich legen konnte. Er gab mir einen kurzen Kuss auf den Kopf. „Schon gut, aber er hätte es verdient gehabt", antwortete er. Wir waren fast wieder bei meiner Stute angekommen. „Also, willst du immer noch abhauen?", fragte mein Bruder und strich ihr kurz über die Nüstern. Ich seufzte leicht. „Ich habe nicht vor mich für irgendetwas zu entschuldigen", murmelte ich und löste mich wieder von ihm. „Aber er vielleicht", erwiderte Legolas und zwinkerte mir kurz zu. Ich verdrehte die Augen. „Das will ich sehen", antwortete ich verächtlich und führte das Pferd in Richtung Weide zurück.
„Ich habe mit Gwilith gesprochen. Er will seinem Vater klarmachen, dass es sein Fehler und nicht deiner war", erklärte er noch und warf mir von der Seite einen Blick zu. Ich lächelte leicht. „Ich denke das hat er getan", antwortete ich schließlich und sah ihn immer noch nicht an. Er hob seine Brauen und schien zu verstehen.
„Warum benimmst du dich plötzlich so?", fragte er interessiert und blieb stehen. Ich seufzte leise und flüsterte meinem Pferd etwas zu, worauf es alleine auf die Weide zusteuerte.
„Wie?", fragte ich zurück, obwohl ich natürlich wusste, was er meinte. Er legte den Kopf schief. „So prinzessinnen-haftig. Nicht, dass es mir nicht gefallen würde, aber früher warst du immer sehr darauf bedacht deine Freiheit zu bewahren", erklärte er und musterte mich interessiert. „Das frage ich mich langsam auch. Am Anfang hat es mir vermutlich gefallen, dass Vater mir plötzlich vertraut hat und dann – hatte ich das Gefühl, dass es zu meiner Aufgabe wurde, so zu sein", antwortete ich mit einem Blick zurück an die Stelle, an der Pergwador vorhin gestanden hatte.
Legolas legte sanft seine Hand an meinen Arm. „Dann hör auf es zu deiner Aufgabe zu machen. Ich weiß, dass du denkst, dass du mit dem Schmerz über den Verlust deiner Eltern alleine wärst, doch ich habe meine Mutter an diesem Tag auch verloren und das Verhältnis zu meinem Vater kennst du ja. Du bist nicht allein", sagte er eindringlich und hielt mich in seinem Blick gefangen. Ich nickte leicht und umarmte ihn. Ich mochte es in seinen starken Armen zu liegen, von denen ich wusste, dass sie mich jederzeit verteidigen würden. Sie waren immer etwas gewesen, auf das ich mich verlassen konnte.
„Also willst du mir endlich erzählen, was die letzten Tage passiert ist?", murmelte er an meinem Ohr und strich sanft über mein langes silbernes Haar.
Ich nickte leicht und trennte mich von ihm.
Während wir zum Palast zurückgingen, fasste ich die Erlebnisse möglichst kurz zusammen, die anscheinend alle Pergwador zu verantworten hatte. Er hatte Nengwe den Dolch gegeben, die Spinnen vereinigt und Gwilith vergiftet. Doch mir war immer noch nicht wirklich klar warum. Auch wenn er mein Halbbruder sein sollte, war das doch keine Erklärung? Er gehörte damit doch genauso zum Waldlandreich also warum schadete er uns?
„Da hast du dir aber etwas vorgenommen", murmelte Legolas als ich geendet hatte und schüttelte leicht den Kopf. „Habe ich mit Nengwe einen Fehler gemacht?", fragte ich leise und knetete etwas nervös meine Finger. Seine Eltern waren immerhin ziemlich bekannt und hoch angesehen. Es würde mir einige Lasten von den Schultern nehmen, wenn mein Bruder sagte, dass er ebenso gehandelt hätte.
„Als Prinz muss ich nein sagen, aber ich kenne Lagornem gut und er wird das nicht so schnell akzeptieren", antwortete Legolas nach einigem Zögern. In seinen Augen konnte ich Sorge erkennen.
„Denkst du er wird mit ihm gehen?", murmelte ich und sah wieder nach vorne zu der großen Flügeltür, die uns gerade geöffnet wurde.
„Gute Frage, aber ich glaube nicht", seufzte er. Wir traten in die große Eingangshalle und blieben kurz stehen. Inzwischen waren die meisten Elben auf den Beinen. In der Mitte stand Maltlass, der offensichtlich auf uns gewartet hatte, denn sobald er uns sah, sprang er schon auf und steuerte auf uns zu.
„Er wird sicherlich eine Besprechung wollen, nun da er Anführer der Ostelben ist", murmelte mein Bruder und sah mich kurz prüfend von der Seite an. Er schien abzuschätzen, ob ich dabei sein wollte. „Ich habe wohl kaum eine andere Wahl, als mitzukommen. Ich kenne die Spinnen immer noch besser als jeder andere", antwortete ich gedämpft und neigte kurz den Kopf als Begrüßung gegenüber Maltlass.
„Legolas, Níniel, guten Morgen. Ich hatte gehofft, dass wir uns mit Tauriel kurz über das weitere Vorgehen besprechen könnten, nun da ich Coacalinas Platz eingenommen habe", begrüßte er uns wie erwartet und verbeugte sich knapp. Ich musste zugeben, dass dieser Posten gut zu ihm passte, es war Zeit gewesen, dass er endlich eine Beförderung bekam.
„Natürlich, ich denke Tauriel wird bereits informiert worden sein", antwortete mein Bruder und deutete uns, dass wir ihm folgen sollten. So eine Nachricht machte immer schnell die Runde.
Tatsächlich wartete sie bereits bei den üblichen Besprechungsräumen. Ich bekam sie nur selten zu Gesicht, da sie meistens bei ihren Leuten an den Grenzen war. Sie war noch recht jung, doch hatte sich schnell hochgearbeitet. Ihre Eltern wohnten inzwischen nicht mehr im Palast und hatten sich an einem ruhigeren Ort niedergelassen. Legolas hatte sich von Anfang an gut mit ihr verstanden und ihr vermutlich damit den ein oder anderen Vorteil verschafft.
„Guten Morgen, ich dachte mir schon, dass eine Versammlung stattfinden würde", begrüßte uns die rothaarige Elbin und öffnete die Tür zu dem Raum neben ihr. Sie war anscheinend schon etwas früher auf den Beinen gewesen, denn an ihrem Mantel hing das ein oder andere Blatt des späten Herbsts.
Mit kurzen Antworten folgten wir ihr hinein und ließen uns an dem großen Tisch nieder.
„Lasst uns mal damit anfangen, was Maltlass zu berichten hat. Du hast die Spinnen nach dem gestrigen Angriff noch verfolgt, soweit ich weiß?", ergriff ich das Wort und nickte dem neuen Elben im Rat zu. Dieser schien sich keinesfalls überfordert zu fühlen und machte es sich ein wenig bequemer. „Das habe ich. Wir haben noch ein paar erwischt, doch sie haben sich aufgeteilt und sind geflohen", antwortete er und warf Tauriel einen Blick zu. Diese nickte zustimmend. „Meine Leute haben davon berichtet. Sie wollten wohl in den Süden zurückkehren und wurden dabei vernichtet", erklärte sie und sah uns dabei nacheinander aus ihren grünen Augen an. Ich musste zugeben, dass sie ihren Job gut machte, dafür, dass sie noch so jung war.
„Wir dürfen uns trotzdem nicht zu sicher fühlen. Die Bedrohung ist nach wie vor vorhanden und dem Palast viel zu nah", mischte Legolas sich ein. „Woher weißt du das?", fragte Tauriel und sah ihn etwas verwirrt an. Mein Bruder warf mir einen Blick zu. „Die Nester sind verteilt, wir haben nur die großen besiegt, was uns einen Vorteil verschafft hat, doch damit ist es noch lange nicht vorbei", führte ich es aus. Ich war mir nicht so sicher, ob ich wirklich von Pergwador erzählen wollte. Legolas hatte mir damit wohl die Wahl gelassen. Er sah mich kurz etwas nachdenklich an und wandte sich dann wieder zu den anderen.
„Dann führen wir weitere kleine Angriffe durch. Ich denke die größte Gefahr ist vorüber", sprach Maltlass und sah fragend zwischen uns hin und her. Er wollte natürlich nicht zu vorlaut sein, doch aus seiner Sicht hatte er natürlich recht. Die Bedrohung ging nun nicht mehr wirklich von den Spinnen aus, zumindest vorerst. Das größere Problem war, dass dieser Elb ohne Probleme in den Palast eindringen konnte und das offensichtlich sogar in wichtige Orte wie die königliche Waffenkammer.
„Ich werde einen Suchtrupp anführen und die kleineren Nester, von denen ich noch weiß vernichten", sprach ich schließlich und sah dabei Maltlass an. Ich würde seine Leute dafür brauchen.
Er nickte knapp und wandte sich mit einem anderen Thema zu Tauriel, welches ich nicht mehr mitbekam, da sich eine Person in die Tür gestellt hatte. Es war Calenmîr. Sie musterte mich enttäuscht aus ihren grünen Augen und schüttelte kurz den Kopf. Ich sah etwas verwirrt zurück, doch konnte mich nicht so schnell aus der Besprechung verabschieden. Etwas beschäftigte sie ganz offensichtlich, doch so extrem wichtig konnte es doch nicht sein?
Sie schluckte schwer und verschwand wieder, ohne einen Ton von sich zu geben. Ich würde sie sofort suchen, sobald ich Zeit hatte, doch das war im Moment einfach von größerer Wichtigkeit.
„Ní?", murmelte Legolas leise neben mir und berührte unter dem Tisch leicht meine Hand. Ich zuckte leicht zusammen und kehrte gedanklich zum Gespräch zurück.
„Aber natürlich, Coacalina und ich haben oft zusammengearbeitet, wir können später noch genauer darüber sprechen", antwortete Tauriel gerade und lächelte erfreut. Immer noch spürte ich den fragenden Blick meines Bruders auf mir ruhen.
„Wir sollten Dol Guldur angreifen", sprach ich als die anderen beiden gerade eine kurze Pause gemacht hatten. Überrascht legten sich wieder alle Blicke auf mich. Ich wusste selbst nicht wirklich warum so plötzlich aus mir rausgerutscht war.
„Darüber habe ich auch schon nachgedacht", stimmte mir Tauriel zu. Ich war etwas überrascht Zustimmung zu erhalten, doch nahm sie gerne an. Eigentlich hatte ich das selbst noch nicht wirklich durchdacht. Es war bekannt, dass die Festung gut bewacht war und es dort nur so von dunklen Kreaturen wimmelte. Falls wir genug Leute hatten, um sie zu besiegen, so würde es zweifellos mit großen Verlusten einhergehen. Es war fragwürdig, ob Vater das erlauben würde.
„Thranduil mag es nicht außerhalb unserer Grenzen zu kämpfen", mischte Legolas sich wieder ein und verschränkte nachdenklich seine Arme. Doch auch er schien der Idee nicht abgeneigt zu sein.
„Die Spinnen werden immer wieder zurückkehren, wenn wir nur unsere Grenzen verteidigen. Auf lange Sicht wird es nicht anders gehen", antwortete ich entschlossen und wartete auf eine Reaktion von Maltlass und Tauriel. Der dunkelhaarige Elb schien immer noch nicht überzeugt.
„Wir kennen das Gebiet dort kaum. Die Erinnerungen an die alte Zeit sind verblasst und der Wald könnte inzwischen vollkommen verändert sein", brummte er kritisch und kniff dabei die Augen zusammen. Er war älter als alle anderen an diesem Tisch und hatte damals im Süden gelebt, als der Wald noch nicht von diesen Biestern überrannt worden war.
„Wir können entweder immer wieder hier gegen sie kämpfen, oder einmal diese Festung in Angriff nehmen, um sie endgültig zu vertreiben", widersprach ich wieder, was ihn leicht seufzen ließ.
„Ich weiß, dass du recht hast, aber wie Legolas schon gesagt hat, es wird dem König nicht gefallen", antwortete er und nickte zu meinem Bruder.
„Ich werde ihn schon überzeugen", erwiderte ich entschlossen, wobei ich genau wusste, wie schwer das im Moment war.
Tauriel lächelte amüsiert und warf Legolas einen kurzen Blick zu. Ich hatte früher schon der kleinen Gruppe helfen müssen und meinen Vater von irgendwelchen Ideen überzeugen müssen. Bis jetzt hatte es immer geklappt, doch da hatten wir schließlich noch nicht dieses gebrochene Verhältnis gehabt.
„Wenn wir das tun, müssen wir alle zusammenarbeiten und den Westen informieren. Wir brauchen alle Leute, die entbehrlich sind", murmelte Legolas und starrte immer noch nachdenklich auf die Tischplatte vor ihm. Ich nickte kurz und stand wieder auf. Ich sollte vermutlich trotzdem die letzten kleinen Spinnennester vertreiben und dann einen Weg finden wieder normal mit meinem Vater zu sprechen.
„Maltlass, bleibst du noch kurz hier?", fragte Tauriel, als die anderen sich auch erhoben. Der hochgewachsene Elb nickte kurz und verabschiedete Legolas und mich mit einem schmalen Lächeln.
„Also das will ich sehen", flüsterte Legolas leise noch während wir auf die Tür zugingen. Ich verdrehte meine Augen und wartete bis wir auf dem Gang waren.
„Er hat mir die Aufgabe weggenommen. Ich kann ihm jetzt schlecht sagen, dass wir einen Großangriff planen", erwiderte ich schließlich und schlug den Weg zu Thranduils Gemächern ein. „Also soll ich das übernehmen?", seufzte mein Bruder und warf mir einen anklagenden Blick zu.
„Ich habe nichts falsch gemacht und er wird seine Fehler nicht eingestehen. Es wird noch eine Weile dauern, bis sich das wieder legt, wenn überhaupt", murmelte ich leise und achtete darauf, dass uns sonst niemand hören konnte.
„Ní, ihr beide wart unzertrennlich. Das wird sich schon ergeben. Ich werde es versuchen, aber unter einer Bedingung", antwortete Legolas sanft und lächelte zum Ende hin etwas schadenfreudig. Ich sah ihn misstrauisch an. Was plante er denn nun schon wieder?
„Du wirst mitkommen", grinste er und nickte den Wachen an der Tür zu den königlichen Gemächern kurz zu. Ich unterdrückte eine böse Bemerkung und wartete, bis wir wieder außer Hörweite waren.
„Was soll das denn bringen? Ich habe schon mit ihm gesprochen. Er war nicht unbedingt sehr einsichtig", knurrte ich und wollte ihn aufhalten. Er nahm allerdings nur meine Hand und zog mich mit einem belustigen Grinsen weiter. „Jetzt hat sich das ja vielleicht geändert. Schließlich geht es Gwilith wieder gut und die Beziehung zu Badhron ist auch nicht mehr gefährdet", antwortete er und beschleunigte sein Tempo ein wenig, damit ich weniger Zeit zum Widersprechen hatte.
Ich seufzte genervt. „Schon gut. Aber ich werde nur danebenstehen", murmelte ich beleidigt und befreite mich aus dem Griff. Es hatte keinen Sinn gegen meinen Bruder anzukämpfen, wenn er sich einer Sache so sicher war.
„Das ist schon alles, was ich wollte", lächelte er und klopfte an der Tür zum Wohnzimmer. Nach einer kurzen Pause traten wir vorsichtig ein. Die beiden Könige standen an einem der großen Fenster und unterhielten sich mit einem Lächeln im Gesicht. Es war vermutlich nicht einmal so schlecht, dass Badhron dabei war. Dann würde Thranduil vielleicht nicht ganz so respektlos mit mir umgehen.
„Verzeiht die Störung, doch es gibt ein Thema, über das wir sprechen sollten, Vater", begrüßte mein Bruder die beiden. Ich hielt mich im Hintergrund und nickte dem Besucher nur kurz zu.
„Schon gut, ich wollte sowieso gerade gehen und nach meinem Sohn schauen", lächelte dieser und verabschiedete sich mit einem Nicken. Ich hätte es eigentlich gerne gesehen, wenn er still danebengestanden wäre, doch andererseits konnte ich auch verstehen, wenn er sich nicht in die Belange anderer Königreiche einmischen wollte.
Ich trat schnell einen Schritt von der Tür weg, um dem König platzzumachen. Kurz überlegte ich ihm zu sagen, dass Gwilith bereits abgereist war, doch wollte nicht in eine Diskussion verwickelt werden. Er würde es schon selber merken.
„Was gibt es denn so Wichtiges?", seufzte Thranduil und trat ein wenig näher. Ich vermied Blickkontakt und lehnte mich mit verschränkten Armen ein wenig an die Wand hinter mir. Es mochte ein wenig trotzig aussehen, doch ich hatte seine Worte noch lange nicht vergessen, genauso wie das Loch, das sie damit in meinem Herzen hinterlassen hatten. Er hatte mir damit auch noch die Ersatzvaterfigur genommen. Nun war nur noch Legolas für mich da. Ich war wie er das einzige Kind gewesen und wäre ohne ihn ganz alleine gewesen. Mit Thranduil und ihm hatte ich wieder eine Familie gehabt.
„Maltlass, Tauriel, Níniel und ich denken, dass es eine gute Idee wäre, die Spinnen schon an ihrem Ursprungsort zu vertreiben. Damit wären sie auf Dauer besiegt und wir könnten vielleicht sogar wieder in die alten Bereiche im Süden zurückkehren", erklärte Legolas und warf mir einen kurzen Blick zu.
„Es wäre ein unnötiges Risiko. Wir hätten sicherlich mit Verlusten zu rechnen und da wir hier im Norden ebenso glücklich sind, ist es eines, das wir nicht eingehen werden", antwortete Thranduil und baute sich vor uns zu seiner vollen Größe auf. Ich biss mir auf die Lippe, um eine Erwiderung zu verhindern.
„Solange Dol Guldur noch steht, werden die Spinnen immer wieder zurückkehren und wir haben nie unsere Ruhe. Der Wald ist krank, Vater, du weißt das so gut wie alle, die darin leben. Wenn wir diesen Kampf gewinnen wollen, gibt es nur eine Lösung", widersprach mein Bruder ruhig und sah ihn eindringlich an.
„Und warum bist du mitgekommen, wenn du dich offensichtlich nicht in diese Diskussion einbringen willst?", fragte Thranduil an mich gewandt und durchbohrte mich mit seinem stechenden Blick. Ich spürte wieder die alte Wut in mir aufkommen.
„Er wollte unbedingt, dass ich mitkomme", antwortete ich eisern und sah ihm fest in die Augen. Ich würde kein Zeichen von Schwäche zeigen.
„Und was ist deine Meinung?", fragte er einfach und hob erwartungsvoll seine buschigen Augenbraun. „Wie Legolas schon gesagt hat, finde ich, dass wir angreifen sollten. Aber da ich ja nur irgendeine Elbin bin, weiß ich darüber natürlich nicht Bescheid", zischte ich durch zusammengebissene Zähne, was ihn nicht einmal zucken ließ.
„Dann gibt es wohl auch keinen Grund für deine Anwesenheit hier", antwortete er kühl und hob sein Kinn ein wenig an. Ich kniff wütend meine Augen zusammen, doch wandte mich wieder zum Gehen. Legolas legte seine Hand schnell an die Tür, sodass ich sie nicht öffnen konnte.
„Ihr beide solltet euch aussprechen", sagte er ernst und sah uns nacheinander an. Ich starrte einfach wortlos zurück, bis ich aus dem Augenwinkel wahrnahm, dass Thranduil seinen Kopf ein wenig senkte. Tat es ihm etwa leid?
„Da gibt es nicht viel zu reden. Er hat seinen Punkt klargemacht", knurrte ich wütend und ignorierte dabei vollkommen, dass der Genannte neben uns stand. „Ein so langwieriges Bündnis lässt sich nicht einfach durch einen kleinen Streit beenden", antwortete Legolas und hatte weiterhin seine Hand entschlossen auf der Tür liegen.
„Blut ist dicker als Wasser, schon einmal davon gehört? Und er hat klargemacht, dass ich nicht von seinem Blut bin", erwiderte ich und wollte endlich den Raum verlassen.
Thranduil plötzlich mit ungewohnt brüchiger Stimme. Legolas und ich schauten ihn überrascht an. „Ich kenne Badhron seit ich denken kann und als ich gehört habe, dass seinem Sohn etwas zugestoßen war, wurde ich wütend. Ja, Níniel, du bist meine Tochter, die Dinge, die ich gesagt habe und die dich so verletzt haben, habe ich gesagt, um dich von deinen Pflichten loszusprechen. Ich hatte nicht gedacht, dass sie in diesem Ausmaß schmerzen würden", erklärte er leise und starrte zu Boden. Ich kam ihm einen kleinen Schritt entgegen. „Aber warum willst du nicht, dass ich diese Verantwortung übernehme?", fragte ich, doch hatte die anderen Worte, die er gesagt hatte, immer noch nicht vergessen.
Nun sah fixierte Thranduil mich wieder mit seinen klaren blauen Augen. „Ich habe meine Frau bei einer Schlacht verloren und als Gwilith ebenfalls so verletzt zurückgekommen ist –, ich konnte nicht dabei zusehen, wie du weiterhin gegen das Böse in diesem Reich kämpfst", hauchte er und legte so viel tiefgehenden Schmerz in seine Stimme, dass es mir das Herz öffnete, doch trotzdem konnte ich seine Worte nicht so leicht vergessen.
„Natürlich kannst du Angriffe befehligen, Entscheidungen treffen, das haben mir die letzten Jahre zur Genüge gezeigt, doch mir ist auch nie entgangen, dass du sehr auf deine Freiheit bedacht warst. Du wolltest nie die Prinzessin sein und ich habe das akzeptiert", fuhr er fort und legte seine Stirn bedauernd in Falten. Ich senkte den Blick.
„Sie ist mir wichtig. Ich dachte bloß, dass du mir nicht genug vertrauen würdest. Legolas wurde schließlich auch als Prinz erzogen, im Gegensatz zu mir", murmelte ich leise. Thranduil lächelte sanft. „Darum ging es nie. Legolas, ich hatte bloß immer das Gefühl, dass ich der Liebe, die dir deine Mutter gegeben hat, niemals gerecht werden könnte. Es war so einfach sich von dir zu distanzieren und sich damit der Verantwortung zu entziehen." Ich lächelte leicht. Endlich hatte ich erreicht, worum ich mich schon seit so langer Zeit bemühte: die beiden sprachen miteinander.
„Um ehrlich zu sein, habe ich mir so etwas bereits gedacht. Ich wusste, dass du mit Níniel offen sprechen kannst und wenn es dir damit besser geht, dann sollte es so sein", antwortete Legolas leise und lächelte fahl. Doch trotzdem konnte man erkennen, wie viel es ihm bedeutete.
„Es ist trotzdem nicht fair dir gegenüber. Ich bin dein Vater und auch du hast deine Mutter an diesem Tag verloren. Ich hätte für dich da sein müssen", erwiderte Thranduil und trat mit Tränen in den Augen näher. Ich drehte mich zu meinem Bruder und legte mit einem Nicken zu seinem Vater meine Hand auf seine Schulter. Er warf mir einen kurzen dankbaren Blick zu und trat dann zu dem König, um ihn zu umarmen. Ich merkte, wie auch mir langsam die Tränen in die Augen stiegen und beobachtete die beiden glücklich bei ihrer innigen Umarmung. Ich konnte mich nicht daran erinnern, wann sie das das letzte Mal getan hatten.
Nach einigen Sekunden öffnete Thranduil seine Augen und breitete seinen linken Arm aus, um auch mich dazuzuholen. Ich lächelte leicht und trat näher.
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