Operation 15: The dogs of Summer
Als Roxy geheiratet hatte, dachte sie, es gäbe nichts Schwereres als einem Mann aus dem letzten Jahrhundert die moderne Welt zu erklären. Jetzt durfte sie sie einem Mann erklären, der nicht nur aus einem anderen Zeitalter, sondern auch noch aus einer anderen Welt kam!
Nein, es war keine Magie, die das Licht an und ausschaltete, sondern Elektrizität.
Ja, sie trug eine Hose, das ist völlig normal. Auch das sie so eng war, war völlig in Ordnung.
Nein, sie hatten keine Diener, wenn er etwas zu essen oder so wollte, musste er es sich selbst holen.
Ned bemühte sich zwar, höflich zu bleiben, aber als Roxy versuchte, ihm das Prinzip des Kühlschranks zu erklären, war sein Gesicht mehr als skeptisch und sie beschloss, die Sache mit dem Fernseher auf später zu verschieben, sonst wäre sie wohl noch auf dem Scheiterhaufen gelandet.
Erst einmal war die Insel dran. Sie hatten die Situation so verschleiert, dass der Lord annahm, er befände sich auf einer Insel nahe der Küste von wo auch immer er herkam. Es war einfach leichter zu glauben gewesen als die Wahrheit. Aber auch diese Lüge stanf auf wackeligen Beinen, auch, da Ned ein von Natur aus misstrauischer Mensch zu sein schien.
Jetzt Roxy lud ihren Gast auf einen Spaziergang durch ihr kleines Reich ein.
"Wie lange leben Eure Vorfahren schon hier?", fragte der Lord, als sie auf dem Weg zum höchsten Punkt waren.
"Wir sind gerade hergezogen!", erklärte sie ihm. "Ich und mein Mann haben früher in Brooklyn gewohnt, aber wir wollten, dass unser Kind im Freien aufwächst." Sie hielt kurz inne: "Eigentlich komme ich aus Deutschland."
Der Lord schwieg eine Sekunde, um das Gehörte zu ordnen.
"Und welches Haus herrscht in Deutschland?", erkundigte er sich dann.
Roxy war einen Moment verwirrt und überlegte, ob er die architektonischen Besonderider deutschen Baukunst meinte, dann ging ihr ein Licht auf. auf.
"Wir haben kein Herrscherhaus, schon sehr lange nicht mehr. Deutschland ist eine Demokratie... das Volk bestimmt.", erklärte sie nach dem fragenden Blick ihrer Gegenüber.
"Das Volk herrscht?", wiederholte Ned ungläubig. "Wie sollte so etwas jemals funktionieren?"
"Einmal alle paar Jahre kommen die Bürger zusammen, die sich aufregen, dass die Regierung nutzlos ist und können unabhängig und frei zwischen Parteien wählen, die für sie auch nichts taugen und diese Wahl führt anschließend zu einer neuen Regierung, mit der sie auch nicht zufrieden sind."
Sie blieb stehen. Jetzt waren sie am höchsten Punkt der Insel angelangt und Roxys geschwollenen Füße taten unerträglich weh.
Erschöpft setzte sie sich auf einen großen Stein und zog sich die Sandalen aus.
"Vergebt mir, ich hatte Eure Verfassung nicht bedacht!" Ned senkte reumütig den Kopf und Roxy schüttelte ihren lächelnd und streckte die Zehen. "Das war doch mein Vorschlag gewesen!", wehrte sie ab. "Und ein Widerspruch wäre zwecklos gewesen." Passend zu dieser Aussage trat Rogers Junior heftig von innen gegen ihren Bauch. Es wurde Zeit, dass der kleine Bengel endlich da rauskam. Roxy atmete leise aus, aber der Lord hatte es trotzdem gemerkt.
"Ist er sehr stark?", fragte er mit einem leichten Schmunzeln und zum ersten Mal sah Roxy in seinem Gesicht keine Sorgenfalten.
"Damian ist der Meinung, er kommt noch mit einem Sixpack auf die Welt!", grinste Roxy und strich sich über den Bauch. Der Idiot hatte sich lange nicht mehr gemeldet und mit jedem Tag stieg Roxys Frust.
"Ist er der Vater?", fragte Ned neugierig und Roxy brach in lautes Gelächter aus.
"Das wäre ja fürchterlich, nein!", rief sie aus."Das hätte er gerne!"
Sie lachte noch ein gutes Stückchen weiter, bis sie sich wieder gefangen hatte und erklärte: "Damian ist mein ältester Freund. Ihm gehört das Haus." In keinem Paralleluniversum konnte sie sich eine gemeinsame Zukunft mit Damian vorstellen, allein der Gedanke daran war absolut lachhaft.
Roxy lächelte den Mann wegen ihres Ausbruchs entschuldigend an. Hoffentlich dachte er nicht, sie hätte ihn ausgelacht.
"Mein Mann ist Steve Rogers.", verbesserte sie sich. "Er ist Soldat und ist vor ein paar Tagen nach Hause gekommen."
Von weiter unten hörten sie eine laute Stimme, aber was sie rief, wurde von dem leichten Wind, der immer um die Insel wehte, davongetrieben. Roxy runzelte die Stirn, eigentlich sollte außer ihr und Ned niemand auf Orca-Island sein. Auch Ned horchte auf, aber er sah ziemlich interessiert aus, denn die Chancen standen hoch, dass er endlich ein anderes Gesicht als das Roxys oder Claras zu sehen bekommen würde.
Hastig sprang Roxy auf die Füße. Sie konnte nur vermuten, dass Steve eher als geplant zurückgekehrt war.
"Wollen wir gehen?", fragte sie betont freundlich. Ned sah sie prüfend an.
"Sollten wir nicht sehen, wer es ist?", schlug er vor. Roxy zögerte und durchforstete ihr Hirn nach einer Ausrede.
"Wir treffen ihn bestimmt unten!", wehrte sie ab. Der Lord blieb halb entschlossen stehen.
"Was verschweigt Ihr?", fragte er plötzlich misstrauisch und fasste sich an die Seite. Normalerweise befand sich dort wohl sein Schwert oder ein Dolch, aber jetzt war sie leer und mit jetzt war Roxy froh über Damians keine Waffen Regel, die ihn selbstverständlich wieder ausnahm.
Trotzdem behagte ihr dieses Misstrauen ganz und gar nicht, vor allem, da der Typ vor ihr ihnen sein Leben verdankte. Das nagte an ihrem Stolz.
"Na Sie!", antwortete sie patzig und funkelte ihn wütend an. Bevor Ned sich zu der Enthüllung äußern konnte, brach ein Tier durch die Büsche und raste direkt auf sie zu.
Die Orcas waren sich damals einig gewesen, dass keiner von ihnen es über das Herz bringen konnte, Gary zu behalten. Obwohl es hauptsächlich Damian gewesen war. Und er hatte die zwei Frauen nicht einmal gefragt. Von einem Tag zum Anderen war der Hund weg gewesen und alles, was sie aus Damian herausbringen konnten, war ein "es geht ihm auf jeden Fall besser!" Und damit hatte er wahrscheinlich Recht.
Das Tier jeden Tag auf dem Sofa gelegen, die Augen auf die Tür gerichtet und bei jedem Klingeln oder Schlüsselrasseln war er bellend aufgesprungen, nur um die Umzugskräfte enttäuscht zu umrunden und sich wieder auf seinen Platz zu legen.
Roxy war im tiefsten Innersten froh gewesen, dass Gary nicht mehr da war, denn als sie ihn jetzt auf sich zustürmen sah, wallte wieder die lang vergessene Trauer wieder in ihr hoch.
"Gary!", schrie sie auf, halb vor Schreck, halb aus Überraschung.
Bellend blieb der Hund vor den beiden stehen und wedelte so heftig mit dem Schwanz, dass sein ganzes Hinterteil mitwackelte. Zuerst beschnüffelte er ausgiebig Neds Hosenbeine und die Hand, die ihm der Lord hinhielt, dann stieß er seine feuchte Nase ein paar Mal gegen Roxys dicken Bauch, als wollte er sagen: "Hallo, Du da drinnen! Ich freue mich, dich kennen zu lernen! Du bist toll!" Vielleicht wunderte er aber auch einfach nur, was Roxy da gegessen hatte.
Dann hüpfte er wieder zu Ned, sprang an ihm hoch und leckte ihm quer über das Gesicht.
Der Lord wehrte ihn lachend ab, zwang ihn sanft, sich hinzusetzen, kniete sich vor ihm nieder und begann ihn zu kraulen.
"Wo kommst du bloß her?", fragte Roxy halb streng und verschränkte die Arme. Gary hechelte und sah sie begeistert an.
"Gary! Bei Fuss!" Herr Moser kam durch die Büsche gestampft. Seine Haare waren noch grauer und sein Gesicht noch faltiger geworden, seit ihrer letzten Begegnung, die schon fast ein halbes Jahr zurück lag. Jetzt atmete er etwas hektisch, lächelte aber sein offenes Lächeln, als er die kleine Gruppe sah, dasgleiche Lächeln, das er seiner Tochter vererbt hatte.
"Hallo!", rief er heiter und einige seiner Falten verschwanden. "Das ist ja eine Freude, dich wieder zu sehen! Du meldest dich ja gar nicht!"
Er drückte Roxy nach französischem Brauch zwei Küsse auf die Wange und reichte Ned Stark die Hand. Der Lord hatte sich erhoben und sah seinem Gegenüber kurz prüfend ins Gesicht, bevor er die Geste erwiderte.
"Ich bin Ned Stark, Hand des Königs, Lord von Winterfell und Wächter des Nordens!", begann er, bevor Roxy ihn stoppen konnte. Erschrocken hielt sie die Luft an und betete ängstlich, dass Herr Moser keine weiteren Fragen stellte. Mit seinem Auftreten hatte keiner gerechnet, hauptsächlich, weil niemand an ihn gedacht hatte.
Leider tat Herr Moser ihr den Gefallen nicht:
"Winterfell?", fragte er interessiert. "Wo liegt das?"
Der nächste Moment schien Jahre zu dauern, jedenfalls kam es Roxy so vor. Neds Blick zeigte die ganze Palette von Überraschung bis Bestürzung. Die ganze Maskerade, die Clara und sie dem Lord aufgetischt hatten, war bei dieser Frage zusammengebrochen.
Herr Moser machte bei bestem Willen nicht den Eindruck eines ungebildeten Menschen und das Interesse, mit dem er fragte, war ernst.
"Es liegt im Norden!", sagte Ned langsam. "Nur wenige Tagesritte von der großen Mauer entfernt."
Roxy atmete tief ein und bereitete sich auf die schlimmste Unterhaltung ihres bisherigen Lebens vor, denn Herr Mosers Gesicht war zwar interessiert, aber auch ein einziges Fragezeichen.
"Soll ich Ihnen das Haus zeigen?", fragte sie hastig, nur um irgendetwas zu sagen, dass die Situation irgendwie entschärfen konnte und zu ihrer Erleichterung stimmte Lucias Vater sofort zu und bot ihr hilfreich den Arm an, um sie beim Abstieg zu stützen. Unterwegs fragte Roxy ihn ungeniert nach seinen Reisen um die Welt aus. Jetzt, da Ned wusste, dass sie ihn angelogen hatte, konnte sie ihm auch alles direkt unter die Nase reiben.
Der Lord hielt sich dicht hinter ihnen und bei jeder neuen Erzählung des Hoteliers konnte Roxy spüren, wie der unterdrückte Zorn in ihrem Rücken stärker wurde.
Sie war sich sicher, dass nur Herr Mosers Anwesenheit ihn daran hinderte, sofort Rede und Antwort von ihr zu fordern.
Und leider kam der Moment, als sie in der Küche standen und Gary wegen einem Tier draußen einen fürchterlichen Aufstand veranstaltete, sodass Lucias Vater sich überzeugen ging, dass nicht das Ende der Welt gekommen war.
Roxy war bis dahin noch überzeugt gewesen, dass Ned ihr ihres Umstands wegen, nur drohen wurde, aber sie musste sich vom bitteren Gegenteil überzeugen, als er sie mit einer Hand am Hals gegen die Wand drückte. Ihr Monsterbauch drückte gegen sein Hemd und sie spürte seine Wärme durch den Stoff, so dicht stand er.
"Was ist das für ein Spiel?", zischte er seine wütenden braunen Augen auf sie gerichtet. "Wo sind wir tatsächlich?"
Roxy hustete, um das kratzige Gefühl im Hals loszuwerden, aber leider half das nicht und das machte sie sehr wütend.
"Lassen Sie mich sofort los oder ich schreie!", krächzte sie. Aber offenbar befand sie sich nicht in der Stellung, Forderungen zu machen, denn Ned rührte sich keineswegs.
"Wo bin ich?", wiederholte er und sein wütender Blick hätte jedem Angst gemacht, wäre man ihn nicht gewohnt gewesen. Und das war Roxy, denn sie sah einen ähnlichen oft genug.
Im Spiegel.
Ihre Hand griff nach dem kleinen Klappmesser, dass sie in ihrer Gesäßtasche aufbewahrte.
Sie ließ es aufschnappen und hielt es dem Lord an den Hals.
"Lassen.Sie.mich.los!", ächzte sie dank des Luftmangels. Schneller als sie reagieren konnte, hatte Ned ihr Handgelenk gepackt.
Ihr Baby trat heftig um sich und durch die gerade zu unerträgliche Nähe zu ihm, spürte Ned die Bewegung und seine Augen streiften kurz ihren Bauch, bevor sie sich mit weniger Härte im Blick wieder auf sie richteten.
Er lockerte seinen Griff um ihren Hals etwas und bedrängte sie nicht mehr so stark.
Roxy funkelte ihn weiter an, während sie die Klinge an seinem Hals ließ und sich innerlich verfluchte, dass sie Claras Plan gut geheißen hatte. Hätte sie gewusst, dass ihre Bemühungen so endeten, wäre sie von Anfang an dagegen gewesen! Jetzt war sie schwanger einem Mann ausgeliefert, deren mittelalterliche Vorstellungen Zwangsheirat, Folter und blutige Schlachten beinhalteten.
Roxy erschauerte bei dem Gedanken, in so einer Welt, in der es keine Schmerzmittel oder Geburtshilfen gab, ein Kind auf die Welt zu bringen. Und ohne Steve! Es gab für sie nichts schlimmeres als die Vorstellung, ohne Steve da durch zu müssen! Gut, sie würde ihm draußen im Wartezimmer lassen, da sie ihm die Prozedur nicht antun konnte, aber er wäre anwesend!
Sie spürte, wie ihre Hände anfingen zu zittern und schluchzte auf, als die Tränen plötzlich kamen.
Ned war mit dieser Entwicklung völlig überfordert. Er bog langsam ihre Hand weg, nahm ihr das Messer aus der Hand und löste den Griff um ihren Hals.
Befreit atmete Roxy durch und heulte los.
Sie spürte Neds feste Arme, als er sie zum Küchenstuhl zog und sie sich hinsetzen ließ. Dann blieb er hinter ihr stehen und schien zu warten, bis sie sich beruhigt hatte.
"Wir versuchen doch nur, es endlich richtig zu machen, verdammt nochmal!", schniefte Roxy und versuchte, die Ströme in den Griff zu kriegen. "Keiner soll mehr sterben! Niemand!" Sie hatte nie gedacht, dass sie solche Worte jemals mit solcher Inbrunst hervorbringen würde.
Sie spürte etwas Weiches an ihrer Wange und realisierte, dass Ned ihr ein Taschentuch reichte. Sie schnäuzte sich heftig und langsam ging es ihr wieder besser.
Gerade als sie sich zum Aufstehen auf den Küchentisch stützte, kam Lucias Vater wieder mit dem Hund in die Küche. Gary stürmte stolz mit einem anderthalb Meter langem jungen Baum im Maul voran und stieß seine Beute dabei überall an.
"Ach Gott!", rief Herr Moser aus, als er die Spuren von Roxys Ausbruch auf ihrem Gesicht sah. "Brauchst du etwas?" Die Besorgnis in seiner Stimme brachte Roxy zum Lächeln, als sie den Kopf schüttelte.
"Meine Frau hatte immer heiße Milch getrunken!", fuhr er fort. "Soll ich dir welche machen?"
"Nein danke!", seufzte Roxy und rieb sich ihr Gesicht. Wie sie ihre Hormone hasste!
"Schatz?" Steve stand in der Küchentür. "Geht es dir gut?"
Jetzt musste Roxy für ein paar Sekunden die Augen schließen. Ihr Mann hatte gerade noch gefehlt. Ned musterte den muskelbepackten, großen Mann, der auf einmal aufgetaucht war.
"Das wird bald wieder!", versprach Herr Moser munter und zwinkerte ihr zu. Roxy verschluckte einen bissigen Kommentar darüber, dass er über sie wie über ein Kind sprach, und nickte nur. Es war ihr immer noch unklar, ob Lucias Vater einen siebten Sinn für sensible Situationen hatte, oder ob das alles nur ein riesiger Zufall war.
Denn er wandte sich sofort dem Lord zu, um ihn einzuladen, sich die Insel anzusehen und überraschend stimmte dieser zu.
"Wer war das?", fragte Steve, während er seine Einkäufe abstellte und Roxy sich einen Kuss von ihm geben ließ.
"Ein Geschäftsfreund von Herr Moser." Roxy war innerlich entsetzt über sich selbst, wie leicht ihr diese Lüge fiel und notierte sich das mit auf die "Gründe, warum Ehen scheitern"-Liste.
Ihr Telefon gab Hedwigs Theme von sich und sie nahm ab.
"Hey, ich hoffe, du bist gerade nicht arg gestresst!", rief Clara ihr ins Ohr. Ihre Verbindung schien sehr schlecht zu sein, denn ihre Stimme war durch das Rauschen kaum zu hören.
"Du hast keine Ahnung!", murmelte Roxy und bewegte sich unauffällig von Steve weg.
"Dann vergiss das mal, denn wir habem ein ordentliches Problem hier!" Ihre Freundin war immer schwerer zu verstehen.
"Wir sind nämlich nicht die Einzigen, die durch den Nebel gekommen sind!"
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