Kapitel 3 - New Owl, MuggelMag und X-Potion
»Ich würde sagen, wir treffen uns um halb zwölf wieder hier bei den goldenen Statuen, damit wir gemeinsam etwas essen können, oder?«, schlug Astrid Niegel vor.
»Wir trennen uns?«, fragte Jans Mutter überrascht.
»Ich hatte eigentlich gedacht, dass wir vier zusammenbleiben«, erwiderte Astrid Niegel. »Aber Jan und Levi wollen sicherlich nicht mit ihren Eltern über die Messe schlendern. Stell dir vor, dass sehen ihre Freunde.«
Sie zwinkerte den beiden Jungen zu.
»Können wir die beiden denn bedenkenlos über das Gelände laufen lassen?«, fragte Jans Vater besorgt. »Hier wimmelt es doch überall nur so von Magie.«
»Magie ist in erster Linie genauso ungefährlich wie Software für Muggelgeräte«, antwortete Henning Niegel. »Es kommt darauf an, was man damit macht. So wie man Computer benutzen kann, um sich in Systeme zu hacken, kann auch Magie für verwerfliche und grausame Zwecke benutzt werden. Aber hier auf dieser Messe passiert das natürlich nicht. Ich durfte auf meiner Arbeit schon einige interessante Gesetze zur Sicherheit in England kennenlernen. So nervig ich sie damals auch fand, so kann ich sie jetzt nutzen, um zu beweisen, dass unseren Kindern hier keine Gefahr droht.«
Der Gesichtsausdruck von Jans Vater entspannte sich bei diesen Worten merklich. Ewas, dass durch strenge Gesetze geprüft war, genoss bei ihm hohe Achtung. Er tauschte noch einen kurzen Blick mit seiner Frau aus, dann nickte er.
»Dann wollen wir euch beide natürlich nicht davon abhalten, zu zweit das Gelände hier zu erkunden. Aber stellt mir bloß nichts an. Wenn wir irgendwelche Geldstrafen aufgebrummt bekommen, muss ich wieder zu diesem griesgrämigen Kobold gehen.«
Levis Eltern lachten, während Jan und Levi sich bloß voller Vorfreude ansahen.
»Schau mal, da vorne gibt es einen Plan zum Mitnehmen!«, stellte Levi fest und deutete auf eine ältere Dame in einem blauen Umhang, die allen Vorbeikommenden eine bunt bedruckte Karte in die Hand drückte.
»Da holen wir uns einen«, meinte Jan begeistert. Sie verabschiedeten sich von ihren Eltern und liefen dann los, um sich einen Plan abzuholen. Mit dem setzten sie sich auf eine Bank und schauten sich an, was es wo zu sehen gab.
»Hier müssen wir unbedingt hin«, meinte Levi und zeichnete ein Kreuz neben dem Stand von MuggelMag ein. »Da treffen wir bestimmt auch Filio.«
»Und wir müssen unbedingt zu Nimbus!«, ergänzte er und zeichnete ein neues Kreuz weiter vorne auf den Plan ein. »Die wollen auf dieser Messe den Nimbus 2003 vorstellen. Und daneben ist Ellerby und Spudmore! Du weißt schon, das ist die Firma, die den Feuerblitz und den Rauchschweif herstellt. Meine Mutter arbeitet ja da und sie meinte, dass wir uns da auf etwas Besonderes freuen könnten. Aber sie wollte mir einfach nicht verraten, was.«
Er machte ein weiteres Kreuz auf die Karte. Dann sah er erwartungsvoll zu Jan.
»Und wo möchtest du auf jeden Fall hin?«
Jan betrachtete die aufgelisteten Unternehmen. Longbottom Gardening, Haywood's Ltd., Potions Lady, Rubens Winikus Inc , X-Potion SE, diese Namen hatte er alle noch nie in seinem Leben gehört.
»Ich weiß nicht genau«, gestand er. »Wie wäre es, wenn wir einfach vorne links anfangen und bei jedem Stand vorbeischauen, den wir interessant finden?«
»So machen wir es«, bestätigte Levi. Er warf einen Blick auf das in der Luft schwebende Schild über diesem Messeabschnitt. »Transport und Kommunikation - Von der Eule bis zum Besen. Das hört sich doch gut an.«
Und so betraten sie voller Vorfreude den ersten Abschnitt des Messegeländes. Sobald sie unter dem Schild hindurchgetreten waren, wurden sie von Krächzen und Geschrei begrüßt. Eeylops Eulenkaufhaus hatte einige Sitzstangen voller Eulen auf seiner Fläche aufgestellt.
»Schau mal, da sind sogar zwei Flughunde«, stellte Jan begeistert fest. »Ich glaube, Herr Goldenberg wird noch ein richtiger Trendsetter. Bald haben alle Zauberer Flughunde.«
Levi schmunzelte zwar, aber er wirkte nicht ganz überzeugt.
»Mein Vater glaubt eher, dass bald weder Eulen noch Flughunde genutzt werden«, antwortete er. »Es sagt, sie wären ein Modell der Vergangenheit. Schau mal, sogar Muggel können mit ihren Telefonen sich mittlerweile schneller Nachrichten zukommen lassen, als wir per Eule. Während die Muggelwelt sich in den letzten Jahrzehnten stetig weiterentwickelt hat, ist die Zaubererwelt auf dem gleichen Stand wie vor zwanzig Jahren, was das Verschicken von Nachrichten angeht. Deshalb gibt es Unternehmen wie dieses.«
Er deutete auf den nächsten Stand. Er hatte die Form eines großen, aufgeschlagenen Buches. Über ihm thronte in großen, goldenen Lettern die Aufschrift New Owl. Die überdimensionierten Seiten dienten nicht nur als Rückwand des Standes, sondern auch als Regale für unzählige kleine Hefte und Bücher. Dazwischen waren zwei kleine, hohe Tische aufgestellt, auf denen jeweils ein Buch lag. Zwei junge Frauen mit ausgefallenen Hochsteckfrisuren standen gerade davor, wobei eine von ihnen so aussah, als würde sie etwas in das Buch schreiben. Ein weißbärtiger Verkäufer sah ihr interessiert dabei zu. Als die andere Frau kurz darauf in schallendes Gelächter ausbrach, grinste er zufrieden.
»Was ist das?«, fragte Jan verwundert. »Gehören Bücher nicht eigentlich in den Bereich vorne rechts?«
»Wenn es das ist, was ich denke, dann nicht«, antwortete Levi. »Komm mit, bestimmt zeigen sie, wie es funktioniert!«
Sie zwängten sich zwischen der großen Menschenmenge hindurch und stellten sich in den Kreis, der sich um die beiden Frauen gebildet hatte.
»Faszinierend, nicht wahr?«, fragte der Verkäufer die beiden Frauen, die begeistert auf das Buch in ihren Händen starrten. Dann wandte er sich den Umstehenden zu. »Wer möchte es als nächstes testen?«
Sofort hob Levi die Hand. Und tatsächlich fiel der Blick des Verkäufers genau auf ihn.
»Ihr beide?«, fragte er, woraufhin Levi nickte.
»Ja, das wäre toll!«
Unter dem weißen Bart des Verkäufers bildete sich eine verwunderte Grimasse.
»Wie bitte?«
Levi schlug sich die Hand an die Stirn. In diesem Moment verstand auch Jan, was passiert war. Levi hatte auf Deutsch geantwortet. Das verstand der Mann natürlich nicht.
»Ja, das wäre toll!«, hörte Jan erneut, aber der zufriedene Blick des New Owl-Mitarbeiters zeigte, dass Levi es diesmal auf Englisch gesagt hatte.
»Dann einmal nach hier vorne, bitte!«
Er führte sie jeweils zu einem der beiden ausgestellten Bücher und hielt Levi dann eine Schreibfeder mit Tinte hin.
»Und jetzt schreib deinem Freund hier etwas! Irgendetwas Außergewöhnliches, das nur von dir kommen kann.«
Levi betrachtete nachdenklich die Feder in seiner Hand. Dann begann er zu schreiben. Im selben Moment tauchte auf der vorher noch vollkommen leeren Seite von Jans Heft Worte in Levis Schrift auf.
Wenn Frau Nauberger so etwas hätte, dann könnte sie heimlich jemanden um Rat fragen, der wirklich Ahnung von Mathe hat.
Jan sah mit großen Augen auf das Papier. Doch seine Begeisterung war nichts im Vergleich zu Levi. Sobald er einen Blick auf Jans Buchseite erhaschte, benahm er sich wie ein Muggelgeborener, der zum ersten Mal Magie sah.
»Das ist ja... unglaublich!«, staunte er.
»About which distance does it work?«, erkundigte sich Jan, in der Hoffnung, dass man sein Englisch verstehen konnte.
»Mehrere Kilometer weit«, antwortete der Aussteller. »Ihr könntet am anderen Ende des Messegeländes stehen und eure Texte würden noch ohne Zeitverzögerung ankommen. Je weiter ihr von einander entfernt seid, umso länger dauert eine Nachricht bis sie ankommt. Aber schneller als eine Eule ist es allemal.«
Jan und Levi tauschten kurz zustimmende Blicke aus.
»We will buy one pair«, meinten sie dann wie aus einem Mund.
Der Verkäufer lächelte zufrieden.
»Dann schaut euch dahinten mal an, welches Design euch am ehesten zusagt und geht dann zu der gutaussehenden Dame an der Kasse.«
Und während Jan und Levi zu den Regelböden an der buchseitenförmigen Wand gingen, hörten sie bereits, wie der Verkäufer die nächsten an die Reihe rief.
Jan und Levi entschieden sich für eines der günstigeren Buchpaare, das ein Softcover und einen überkochenden Zauberkessel als Motiv hatte. Sie bezahlten und verließen dann den Stand von New Owl.
Daneben stellte eine Firma ihre Verschwinde-Briefkästen aus.
»So ein Ding hatte Herr Jorski doch«, erinnerte sich Jan.
Levi nickte. »Dadurch hat Pettigrew ihm eine Falle gestellt«, ergänzte er. »Daher habe ich die Teile nicht ganz so gut in Erinnerung. Lass und lieber weiter gehen. Bevor wir uns da auch noch zu einem Kauf überreden lassen.«
Lachend gingen sie weiter. Auf der gegenüberliegenden Seite des Wegs hielt eine Ausstellerin gerade einen Vortrag und wurde dabei von mehreren neugierigen Messebesuchern umringt.
Nicht gerade daran interessiert, sich irgendeine Rede anzuhören, wollte Jan schon weitergehen, als er plötzlich das Wort ›Winterfels‹ in der Rede der Frau hörte. Sofort blieb er stehen.
»Hast du das gehört?«, fragte er Levi.
»Was?«
»Die Frau da hat gerade etwas von Winterfels erzählt!«, erwiderte Jan. »Von unserer Schule.«
»Dann lass uns zuhören«, antwortete Levi ohne zu zögern.
Gemeinsam bewegten sie sich durch die große Menschenmenge auf die Rednerin zu.
»Stellen Sie sich doch einmal vor, was alles hätte passieren können!«, sagte sie gerade, als Jan und Levi einen Platz gefunden hatten, von dem sie eine einigermaßen gute Sicht hatten. »Und weder die Schüler, noch die Lehrer konnten irgendjemanden um Hilfe rufen. Wir sind also mittlerweile an dem traurigen Punkt angelangt, wo Zauberei in der Lage ist eine ganze Schule mehrere Monate lang von der Außenwelt abschotten kann. Das darf nicht so bleiben. Wenn schwarze Magie einen Fortschritt macht, dann muss unsere Magie mit einem doppelt so großen Fortschritt antworten. Und unsere Antwort sehen Sie hier, meine Damen und Herren!«
Sie ließ einen großen Plan in die Luft schweben, den Jan und Levi von ihrer Position nicht genau erkennen konnten. Für Jan sah es aus wie ein Kanalsystem. Oder die geheimen Gänge einer antiken Pyramide.
»Eulentunnel«, stellte die Frau kurz darauf ihre Zeichnung vor. »Die Lösung gegen das immer häufiger praktizierte Abfangen von Eulen. So traurig es auch ist, aber der Luftraum ist einfach nicht mehr sicher für unsere gefiederten Freunde – und für unsere Nachrichten. Diese Feststellung hat uns von Progressive Way auf die Idee der Eulentunnel gebracht. Wir verlegen sie unterirdisch und versehen sie mit Zaubern, die auf den natürlichen Orientierungssinn der Eulen abgestimmt sind. Ein Beispiel hierfür ist der Varioloco-Zauber. Mit Hilfe von diesem ist es uns gelungen...«
»Wir haben genug gehört, oder?«, flüsterte Levi Jan zu.
Der nickte. Der Anfang der Rede hatte ihn wirklich interessiert, aber er wollte seine Zeit auf der Messe nicht damit verschwenden, zu hören, wie die Eulentunnel nun funktionierten. Also bahnten sie sich einen Weg aus der zuhörenden Menge heraus.
»Ich weiß nicht ganz, was ich von der Idee mit den Eulentunneln halten soll«, meinte Jan nachdenklich. »Irgendwie kommt es mir falsch vor, Eulen unter der Erde fliegen zu lassen, wo sie doch eigentlich Geschöpfe der Lüfte sind.«
»Das stimmt schon«, meinte Levi, während sie an einen Stand für Briefumschläge vorbeiliefen. »Aber es ist wirklich gefährlich, sensible Daten von ihnen durch die Gegend fliegen zu lassen. Sie können zu leicht abgefangen werden.«
»Das stimmt. Dann hoffen wir also, dass die Zwillingsbücher von New Owl sich durchsetzen.«
»Ich weiß nicht«, sagte Levi nachdenklich. »Das kann ich mir einfach nicht vorstellen. Es wäre doch komisch, wenn die Schüler statt morgens Briefe von ihren Eulen zu bekommen, beim Frühstück in ihren Zwillingsbüchern schreiben würden.«
»In der Muggelwelt ist das schon so«, wandte Jan ein. »Wenn man da im Bus sitzt oder beim Arzt wartet, dann haben alle ihr Handy in der Hand. Es war ungewohnt für mich, dass das in Winterfels nicht so ist. Dass man sich da eigentlich bei jeder Gelegenheit unterhalten hat. Es war eine schöne Erfahrung.«
Sie hielten an einem Stand an, wo Memos ausgestellt waren. Verschiedenste Konstrukte, die allesamt ein wenig an Papierflieger erinnerten, aber die unterschiedlichsten Formen und Größen hatten, schwirrten hier durch die Luft.
»Vielleicht kann man auch solche Teile durch die Eulentunnel schicken«, überlegte Jan.
»Memotunnel«, scherzte Levi. »Das hört sich schrecklich an.«
Jan und Levi mussten allerdings feststellen, dass die Zwillingsbücher und Verschwindebriefkästen das bei weitem Interessanteste aus dem Bereich Kommunikation gewesen waren. Danach folgten noch Stände zu Postkröten, unsichtbarem Pergament, Eulenfutter und ähnlichem. Während Levi interessiert auf einen Stand für Mikromemos deutete, bemerkte Jan daneben allerdings etwas anderes.
»Ali Bashirs fliegende Teppiche«, las er vor. »Das ist ein Scherz, oder?«
»Nein«, antwortete Levi lachend. »In Asien sind solche Teppiche echt beliebt. In Europa eher nicht so. In England waren sie sogar bis vor ein paar Jahren noch verboten. Meiner Meinung nach kein großer Verlust. Ich habe noch nie verstanden, warum man auf einem Stück Stoff fliegen sollte, wenn man mit einem Besen viel schneller ist und es noch zudem mehr Spaß macht.«
»Da ist sogar ein Teppich zum Probefliegen«, sagte Jan lachend. »Wir können den ja mal austesten.«
»Da ist aber auch eine schrecklich lange Schlange«, entgegnete Levi und deutete auf die Menschenansammlung, die darauf wartete, auf den orientalischen Stoffteppich aufsteigen zu können.
»So wichtig ist es mir dann doch nicht«, entschied Jan.
»Außerdem müssen hier doch irgendwo die Besen sein. Wir wollten doch bei Ellerby und Spudmore vorbeischauen. Und bei Nimbus. Während Levi seine Karte herauskramte, entdeckte Jan allerdings schon ein gutes Stück weiter das Logo von Sauberwisch auf einem großen Aushängeschild.
»Da hinten sind die Besen«, erkannte er.
Levi nickte. »Steht auf der Karte ganz genauso«, zuerst kommen Komet und Sauberwisch.«
»Die schauen wir uns aber auch an, oder?«
»Natürlich«, antwortete Levi. »Wer weiß, wann wir das nächste mal zu einer InWEx kommen.«
Und so gingen Jan und Levi von einem Besenstand zum anderen. Sie sahen sich bei Sauberwisch die verschiedenen Modelle im Laufe der Zeit an. Vom ersten Sauberwisch 1 bis zum neusten Modell Sauberwisch 14 waren alle ausgestellt.
Bei der Firma Komet war sogar die britische Jägerin Katie Bell zu einer Autogrammstunde geladen worden. Und während Jan eigentlich lieber wissen wollte, was denn nun die Überraschung bei Ellerby und Spudmore war, ließ er sich von Levi dazu überreden, sich in die Schlange für eine Autogrammkarte anzustellen. Während sie dort warteten, erzählte Levi ihm, dass Katie Bell Jägerin bei Eintracht Pfützensee war, seinem Lieblingsverein in der englischen Quidditch-Liga. Und als Jan nach einer nicht einmal so langen Wartezeit die Autogrammkarte mit der sich auf einem Komet 350 elegant durch die Lüfte bewegenden Katie Bell in seinem Rucksack verstaute, war auch er froh, diese Erinnerung an die InWEx mitgenommen zu haben.
Deutlich länger standen sie bei Nimbus an. Dort konnte man nämlich auf dem brandneuen Nimbus 2003 probesitzen. Das wollten Levi und Jan sich auf keinen Fall entgehen lassen. Noch zudem war die Wartezeit durchaus interessant, denn Jan und Levi rätselten gemeinsam, was denn nun das Besondere auf dem Stand von Ellerby und Spudmore war. Viele Menschen standen um etwas herum, das durch einen Vitrinenzauber vor neugierigen Händen geschützt wurde. Neugierige Augen gab es allerdings genug und so konnten Jan und Levi nicht erkennen, um was sich die Leute sammelten. Nach ein paar atemberaubenden Sekunden auf einem echten Nimbus 2003 gingen sie also selbst auf den Stand von Ellerby und Spudmore. Wie bereits zu erwarten gewesen war, beherbergte die Vitrine einen Besen. Er sah aus wie der Feuerblitz, den Levi Jan schon oft gezeigt hatte. Aber er hatte eine besondere Lackierung, die ihn aussehen ließ, als wäre sein Stiel vollkommen mit Federn besetzt.
»Der Feuerblitz S Falkenflug«, las Levi begeistert. »Mit optimierter Technik, die für neue Sturzfluggeschwindigkeitsrekorde sorgt. Auf fünf Stück limitiert.«
»Der wird unbezahlbar sein«, stellte Jan fest.
Levi nickte vielsagend. »Den Besen wird wohl kein Mensch in einem Quidditchspiel einsetzen. Stell dir mal vor, dem würde was passieren... Aber ich würde alles geben, einmal auf so einem Besen durch den Schwarzwald fliegen zu dürfen!«
Jans Blick fiel auf die Uhr an der Wand des Messestands.
»Jetzt müssen wir aber erstmal zum Eingang fliegen«, stellte er fest. »Wir sind schon fünf Minuten zu spät.«
Doch Jan war sich sicher, dass ihre Eltern Verständnis haben würden. Die Chance einen echten Nimbus 2003 zu fliegen, würde sich ihnen mit Sicherheit in naher Zukunft nicht noch einmal bieten. Und einen Feuerblitz S Falkenflug würden sie wohl auch nie wieder zu Gesicht bekommen.
Nach dem Essen machten sich Jan und Levi weiter daran, alle Stände der Messe zu erkunden. Sie sahen sich die Neuheiten auf dem magischen Buchmarkt an und schauten kurz bei den verschiedenen Zeitungen vorbei. Jan und Levi schafften es, einen Kugelschreiber von Flourish & Blotts, sowie eine Gespensterbrille vom Stand des Klitteres als Werbegeschenke mitzunehmen.
Danach kamen sie an den größten Stand der Messe: MuggelMag. Schon von weitem verrieten grelle Neonbuchstaben, dass hier das berühmte deutsche Unternehmen seine Ausstellungsfläche hatte. Und diese nutzte es auch wirklich effektiv. Überall waren Regale, Schaukästen und Podeste mit den verschiedenen Neuheiten von MuggelMag ausgestellt: Sich selbst reinigende Hemden, Handys mit beliebig vergrößerbaren Bildschirmen und die neueste Version der sich selbst ausräumenden Spülmaschine.
»So sieht es später einmal bei Filio zu Hause auch aus«, witzelte Jan. Er stoppte, um den zwei Zauberern vor ihm dabei zuzusehen, wie sie einen fliegenden E-Scooter unter Aufsicht eines MuggelMag-Mitarbeiters austesteten.
»Unfassbar, was die alles machen«, meinte Levi staunend und las den Zettel, der neben einem Staubsauger am Regalboden befestigt war. »Das Teil hier kann selbstständig das ganze Haus saugen, ganz egal, wie unordentlich es ist. Es erkennt einfach, was Staub ist und was eine am Boden liegende Socke – und saugt eben nur den Staub ein. Es kann sogar Treppen hochklettern.«
»Der beste Stand hier, oder?«, ertönte auf einmal eine gut gelaunte Stimme hinter ihnen.
Jan zuckte erschrocken zusammen. Doch als er sich umdrehte, erkannte er die auffallend unordentliche Frisur und das grinsende Gesicht voller Sommersprossen.
»Filio!«, rief er begeistert. »Du bist ja auch hier.«
»Natürlich«, erwiderte der. »So etwas kann ich mir doch nicht entgehen lassen. Hast du gesehen, was hier alles ausgestellt ist? Einfach alles! Es ist so beeindruckend.«
»So beeindruckend, dass du jetzt schon seit einer Stunde über den Stand von MuggelMag läufst«, ergänzte eine ruhige Stimme hinter Filio. Kurz darauf trat Anna neben ihn. »Du hast bestimmt alles schon fünfmal gesehen. Hallo, ihr beiden!«
»Hallo Anna!«, begrüßte Levi seine Mitschülerin fröhlich. »Wie schön euch zu treffen. Seid ihr schon lange hier?«
»Wir waren heute Morgen mit die ersten, die das Gelände betreten haben«, erzählte Filio stolz.
»Seid ihr zusammen hierhergekommen?«, fragte Jan überrascht.
»Meine Eltern mussten heute beide arbeiten«, erzählte Anna in ihrer ruhigen Stimme. »Deswegen hat Filios Familie mich mitgenommen. Alleine hierhinzufahren wäre mir doch etwas zu aufregend gewesen. Es sind so viele Leute hier.«
»Das stimmt! Aber es sind natürlich auch richtig viele Aussteller da. Was habt ihr schon alles gesehen?«
»Noch gar nicht so viel. Anna wollte am Anfang ziemlich lange bei den Buchverlagen schauen. Stellt euch vor, da gab es Bücher, die sie noch nicht gelesen hat.«
»Und den Rest der Zeit waren wir bei Firmen, die magische Schrauben, magisches Holz oder magische Zahnräder herstellen«, ergänzte Anna. »Und bei MuggelMag.«
»Das war aber auch echt interessant«, verteidigte sich Filio. »Es gibt einfach neue Lilienthalschrauben, wusstet ihr das? Sie funktionieren genauso wie die alten von Carl Wilhelm Lilienthal, aber sie sind mit verschiedenen Zaubern besonders rost- und fluchresistent gemacht worden.«
Anna schmunzelte. Jan konnte sich nur zu gut vorstellen, was sie sich die letzten Stunden bereits hatte anhören müssen.
»Das heißt, ihr wart auch noch nicht im Bereich mit den Zaubertränken?«, fragte Levi mit einem Blick auf seinen Plan.
Anna schüttelte den Kopf.
»Aber da müssen wir unbedingt noch hin«, sagte Filio überzeugt. »Es gibt so interessante Zaubertrankfirmen hier!«
Und so verließen sie das MuggelMag-Ausstellungsgelände, natürlich nicht ohne sich noch mit einem orangefarbenen Werbekugelschreiber für jeden von ihnen auszustatten.
»Ich habe bei MuggelMag gefragt, ob man da mal ein Praktikum machen kann«, erzählte Filio, während sie durch ein Tor in Form eines umgefallenen Zauberkessels liefen, in dessen Boden ein großes Loch klaffte.
»Und?«, fragte Levi interessiert.
»Der Aussteller da konnte mir nicht weiterhelfen«, antwortete Filio. »Vielleicht hat er auch mein Englisch nicht verstanden. Aber er hat mir die Adresse von dem zuständigen Mitarbeiter gegeben. Ich schreibe direkt, wenn ich nach Hause komme, eine Bewerbung.«
»Wenn du schreibst, dass du letztes Jahr schon eine funktionierende Maschine zum Aufspüren von unerwünschten Besuchern gebaut hast, werden sie dich kaum ablehnen können«, meinte Levi aufmunternd.
»Das wäre wirklich ein Traum. Aber ich gehe lieber auf Nummer sicher und frage hier auch nochmal jemanden. Vielleicht gefällt es mir in der Zaubertrank-Industrie ja besser. Ihr erinnert euch doch noch an den Trank zum Öffnen von Schlössern, den ich in den letzten Winterferien gebraut habe.«
»Der, der unseren Carl beinahe in die Luft gejagt hätte?«, fragte Jan lachend.
»Du übertreibst«, protestierte Filio. Sein Blick fiel auf den Stand direkt neben dem kesselförmigen Eingang. »X-Potion! Das Beste direkt am Anfang. Können wir dahin gehen?«
Natürlich schlugen sie Filio diesen Wunsch nicht ab. Besonders, da auch Jan die interessante Gestaltung der Ausstellungsfläche ansprach. In verschiedenen meterhohen Glasphiolen waren kleine Zwischenböden eingebaut, auf denen wiederum normalgroße Phiolen mit den verschiedensten Inhalten ausgestellt waren. Es gab klassische Tränke in verschiedenen Farben und Geschmacksrichtungen, verbesserte Rezepturen von altbekannten Gebräuen, aber auch Neuschöpfungen wie den Vergissmeinnicht-Trank oder die Faschings-Flasche. Auffällig war, dass jede Phiole, ganz gleich ob sie mit Liebestrank oder heilendem Diptam gefüllt war, die gleiche spitz zulaufende Form hatte und daher nur in einer entsprechenden Halterung, ähnlich einem durchsichtigen Eierbecher, stehen konnte. Am breitesten Teil des schmalen Gefäßes war ein großes X aufgedruckt worden – das markante Logo von X-Potion.
Zwischen all diesen Phiolen war ein Glücksrad aufgestellt worden. Auf den weißen, grauen und lilafarbenen Feldern waren die verschiedensten Gewinne aufgezeichnet – von der Niete über Limonaden bis hin zu einer kleinen Phiole seiner Wahl. Um einmal zu drehen musste man 2 Sickel bezahlen. Die vier Freunde mussten sich nur einmal kurz ansehen, um sich zu vergewissern, dass sie das auf jeden Fall machen wollten.
Noch während sie überlegten, wo sie einen Aussteller finden konnten, dem sie das Geld dafür geben konnten, hörte Jan plötzlich eine freundliche Stimme hinter sich.
»Kann ich euch helfen?«
Als er sich umdrehte, erkannte er einen leicht untersetzten Zauberer mit schwarzen, zur Seite gekämmten Locken und einem hilfsbereiten Lächeln auf den Lippen. Auf seinem Umhang war zentral ein großes X aufgedruckt.
»Yes«, antwortete Jan auf Englisch. »We would like to have a turn at the... the... Glücksrad.«
Der Aussteller lachte.
»Ihr seid Deutsche, richtig?«
Jan nickte.
»Ich auch«, sagte der Mitarbeiter von X-Potion dann und deutete auf sein Namensschild, das neben dem überdimensionierten X völlig unterging. »Lukas Moos. Und ihr wollt am Glücksrad drehen?«
Wieder kam ein bestätigendes Nicken.
»Jeder einmal? Sehr gut, das macht dann insgesamt acht Sickel.«
Nachdem jeder ihm die Münzen gegeben hatte, ging Filio als erstes zu dem Rad. Mit einem siegessicheren Grinsen drehte er besonders kräftig. Das Rad verschwand in einem Wirbel aus lilagrau, aus dem sich langsam wieder einzelne Felder herauskristallisierten. Stehen blieb der Marker auf einem Feld mit einem Kugelschreiber, der im nächsten Moment aus der Mitte des Rads herauskam und von Filio freudig in Empfang genommen wurde.
»Ein X-Potion-Kuli«, stellte er begeistert fest.
»Und nicht nur irgendeiner«, ergänzte Herr Moos und deutete auf die mikroskopisch kleine Phiole am Ende des Stifts. »Ein paar Tropfen deines Lieblingstranks hast du hiermit immer dabei.«
»Ich bin begeistert!«, staunte Filio, während Levi zum Rad ging. »Ich habe allerdings auch noch eine Frage. Ist es in deinem Unternehmen möglich, ein Praktikum zu machen. In den nächsten Winterferien zum Beispiel?«
»Ein Praktikum? Das geht bestimmt.«, meinte der Mann und zog eine Visitenkarte aus seinem Umhang. »Schick mir einfach nochmal eine Eule mit einem Bewerbungsanschreiben und dann bekommen wir das schon hin. Willst du denn wirklich später mal hier arbeiten?«
»Ich bin mir noch nicht ganz sicher«, antwortete Filio ehrlich. »Eigentlich mag ich alles, was mit Experimentieren zusammenhängt. Würdest du die Arbeit bei X-Potion denn empfehlen?«
Der Aussteller zögerte nicht lange mit seiner Antwort.
»Die Arbeit hier ist wirklich unfassbar spannend«, erzählte er begeistert. »Ich war schon immer fasziniert davon, wie man aus teils so ekligen Zutaten machtvolle Tränke brauen kann. Und das mache ich jetzt jeden Tag. Außerdem wird dir hier von Anfang an viel Vertrauen entgegengebracht. Bei der Entwicklung von der neuen Faschings-Flasche, da habe ich maßgeblich mitgearbeitet – und das obwohl ich erst seit einem Dreivierteljahr hier bin.«
Er stoppte und sah sich vorsichtig zwischen den großen Glasphiolen um, so als fürchtete er, jemand würde ihm zuhören.
»Nur die Bezahlung«, meinte er dann. »Die lässt wirklich zu wünschen übrig. Da musst du deine Arbeit schon sehr lieben, um das mitzumachen.«
Ein gläsernes Klirren ertönte, als Levi seinen Gewinn aus dem Rad zog: eine Phiole Himbeerlimonade - natürlich war auch auf diese ein großes X gedruckt.
Als nächstes ging Jan zu dem Rad. Freudige Aufregung überkam ihn, als er es zu drehen begann. Man konnte eine ganze Phiole eines beliebigen Tranks gewinnen. Welchen würde er dann nur nehmen? Darüber nachdenkend betrachtete er den Wirbel aus Farben, der sich immer langsamer drehte. Das Rad kam langsam zum Stehen. Nur noch ganz langsam rauschten die Felder an dem Marker vorbei. Eine Phiole Limonade. Ein X-Potion-Notizblock. Eine leere Phiole aus grünem Glas. Ein kostenloser Trank nach Wahl. Jans Augen weiteten sich, als das Rad tatsächlich stehen blieb, während der Gewinnmarker auf dieses Feld zeigte. Umso größer war die Enttäuschung, als sich das Rad noch ein paar Grad weiter drehte und auf dem benachbarten Feld stehenblieb: Niete. Enttäuscht ließ er die Schultern hängen.
»Wir haben alle nichts gesehen«, meinte Herr Moos in dem Augenblick, als er sich bereits umdrehen wollte. »Dreh' ruhig nochmal!«
Jan warf dem Aussteller einen dankbaren Blick zu. Und bevor der es sich noch einmal anders überlegen konnte, drehte er noch einmal an dem lilagrauen Rad. Als das Drehen langsamer wurde, stellte Jan erleichtert fest, dass das Nietenfeld noch viel zu weit weg von dem Marker war, um auch diesmal wieder das Ergebnis zu sein. Stattdessen blieb das Rad schließlich bei einer Phiole Zitronenlimonade stehen. Glücklich nahm Jan seinen Gewinn entgegen.
Nachdem Anna einen Notizblock als Gewinn gezogen hatte und Filio alle seine Fragen zur Arbeit bei X-Potion gestellt hatte, gingen sie weiter. Ein Blick auf die Uhr verriet ihnen, dass sie nicht mit einer solchen Ausführlichkeit jeden Stand begutachten konnten, wenn sie bis zum Abend in jedem Bereich der Messe einmal gewesen sein wollten. Und so gingen sie an manchen Ständen einfach nur vorbei, hielten an anderen nur an, um sich ein Werbegeschenk zu ergattern und sahen bei wieder anderen nur kurz vorbei. Das war nicht immer einfach, denn vor allem Filio wäre bei einigen Ständen am liebsten stundenlang geblieben. Aber auch Jan vergaß bei den vielen faszinierenden Tränken und dem entsprechenden Zubehör schnell die Zeit. Hätte Levi sie nicht konsequent an die Zeit erinnert, hätten sie es wohl nie aus dem Bereich über Zaubertränke geschafft.
Doch dank seiner gewissenhaften Erinnerungen blieb ihnen noch genügend Zeit auch dem Messeteil zu magischen Pflanzen zu besuchen. Hier gab es von exotischem Grünzeug wie Engelsschlingen bis hin zu nützlichem Gartenzubehör wie selbstgießenden Blumentöpfen alles was das Gärtnerherz begehrte.
Hier entdeckten die vier Freunde auch Herrn Lurcus und Frau Braun. Die beiden Lehrer waren in ein Gespräch mit einem Vertreter von Boots Blumen-Bauwagen vertieft, weshalb sie es dabei beließen, ihren Schülern freundlich zuzuwinken.
Während ihrer gesamten Zeit im Bereich über magische Pflanzen, hatten sie bereits eine riesige silberweiße Kugel hinter einigen Ständen in die Luft ragen sehen. Nachdem sie auch den Stand für magische Pflanzen hoher Gefahrenstufen passiert hatten, fanden sie sich vor dem Eingang zu diesem kugelförmigen Gebäude wieder.
»Wahrsagerei und Astronomie«, las Anna vor. »Blicke in die Ferne und in die Zukunft.«
Von der Gestaltung her entpuppte sich dieser Themenbereich schnell als Jans Favorit. Die große Glaskugel war so verzaubert worden, dass sie einen Großteil des Lichts absorbierte und ihr Inneres in eine tiefschwarze Nacht verwandelte. Auf der Innenseite der Kugel war dafür eine große Sternenkarte aufgezeichnet. Bei einem der Aussteller konnte man durch ein Teleskop auf diesen künstlichen Himmel sehen. Ansonsten hatte Jan aber für die verschiedenen Sternenkarten und Omnigläser wenig übrig. Warum sollte man sich mit den Sternen beschäftigen, wenn das Leben auf der Erde doch schon auf dem Kopf stand?
Die Stände über Wahrsagen fand Jan noch unheimlicher. Im schwachen Sternenlicht erhellten milchig weißte Glaskugel die Gesichter von schrulligen Hexen und Zauberern. Ein unheimliches Surren, das sich wie ein Schamanenritual anhörte, erfüllte die Luft. Auch seine Freunde schienen nicht sehr erpicht darauf, sich hier nach Teeblättern und Deutungstafeln umzusehen, weshalb sie die nächtliche Atmosphäre der überdimensionierten Glaskugel schnell wieder verließen.
Mit einem Blick auf den Plan stellten sie fest, dass Jan und Levi schon in den Bereichen gewesen waren, die Anna und Filio noch fehlten und umgekehrt. Daher trennten sie sich und während Filio und Anna zum Themenbereich mit den Transportmitteln gingen, besuchten Jan und Levi noch die Abteilungen für neue Zauber und Haushaltsgegenstände.
Jans Rucksack füllte sich dabei weiterhin mit Werbegeschenken – und zu dem einen oder anderen Schnäppchen konnte er einfach auch nicht nein sagen. Als sie sich um kurz nach halb sechs auf den Weg zu ihren Eltern machten, fühlte sich sein Rucksack deutlich schwerer an, als zu Beginn des Tages – und das, obwohl er seine Wasserflasche mittlerweile leergetrunken hatte
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