Kapitel 2 - Reise mit dem Portschlüssel
Auch in der Woche danach ließ die Vorfreude Jan nicht los. Die Tage zogen sich wie eine Englischstunde bei Herrn Egger und nichts konnte Jan wirklich davon ablenken, dass es nur noch wenige Tage bis zur InWEx waren. Im Laufe der Woche schrieb ihm auch Filio, dass er am Samstag auf die große Messe gehen würde. Und Jan hatte die Hoffnung, dass auch Marina da sein würde, schließlich hatte sie das vor den Ferien noch erzählt.
Am Freitagabend ging Jan schon früh ins Bett, weil sie am nächsten Morgen schon in den Morgenstunden losfahren wollten, aber die Aufregung hielt ihn noch lange vom Schlafen ab. Dennoch rappelte er sich am nächsten Morgen problemlos beim ersten Klingeln seines Weckers aus dem Bett. Während er schon nach einer Viertelstunde abfahrbereit war, brauchten seine Eltern noch ein wenig länger. Doch kurz vor halb sieben saßen sie alle im Familienkombi der Maisners und machten sich auf den Weg in den Stuttgarter Vorort Vaihingen.
»Wie gut, dass Levi nur anderthalb Stunden von uns entfernt wohnt«, meinte Jans Vater, während das Autonavi die schnellste Route lud. »Stellt euch mal vor, wir müssten erst noch bis nach Rostock fahren.«
Jan warf einen Blick auf das Display. Es zeigte eine Stunde und einundvierzig Minuten an. Sein Vater war wohl einmal wieder der festen Überzeugung, sich ein Wettrennen mit dem Navigationsgerät leisten zu müssen.
Und tatsächlich kamen sie erstaunlich gut voran. Nur wenige Menschen waren samstagmorgens auf den Straßen unterwegs, es gab keine Unfälle und keine Umleitungen. Sie kamen neun Minuten früher an, als ihr Navi es berechnet hatte. Jan warf einen Blick aus dem Fenster. Das gesuchte Haus mit der Nummer 37 war ein modernes Einfamilienhaus, mit weißen Außenwänden, einer kleinen Gaube im Dach und einer gläsernen Haustür. Im ordentlich angelegten Garten plätscherte ein kleiner Teich vor sich hin.
»Hier wohnen Zauberer?«, fragte Jans Vater überrascht. »Ich hatte so eine Hexenhütte aus Lebkuchen erwartet.«
»Papa!«, sagte Jan entsetzt. »Zauberer sind ganz normale Menschen. Sie leben in ganz gewöhnlichen Häusern.«
»Aber sie fliegen auf Besen.«
»Und wir fahren in Autos. Wo ist da der Unterschied?«
Jans Vater drehte sich schmunzelnd zu Jan um.
»Alles gut, mein Junge«, meinte er lachend. »Ich weiß doch, dass ihr nicht in Lebkuchenhäusern wohnt. Deine Mutter und ich haben uns die Bücher von deinem Herrn Hausmann sorgfältig durchgelesen. Aber jetzt alle aussteigen! Wir wollen ja keinen schlechten Eindruck machen, indem wir uns verspäten.«
In freudiger Erwartung, Levi gleich wiederzusehen und mit ihm zur Zauberermesse zu reisen, schnappte sich Jan seinen Rucksack und stieg aus dem Wagen aus. Während sie über einen Weg aus lindenblattförmigen Steinplatten zur Haustür liefen wurde diese bereits von einem Mann mittleren Alters geöffnet. Er trug ein einfarbiges, polarblaues Hemd und eine graue Anzugshose. Auf seinem kantigen Gesicht formte sich ein ruhiges Lächeln, als er die Gäste erblickte.
Sobald Jans Eltern bei der Tür angekommen waren, reichte er ihnen einladend die Hand.
»Guten Morgen ihr beide!«, grüßte er sie freundlich. »Schön, dass ihr da seid. Ich bin Henning, der Vater von Levi.«
»Guten Morgen«, begrüßte Jans Vater, wobei er eine gewisse Förmlichkeit nicht aus seiner Stimme ablegen konnte. »Jörg Maisner. Und das ist meine Frau...«
»Sabine«, übernahm Jans Mutter ihre eigene Begrüßung. »Wir freuen uns sehr über die Einladung.«
»Oh, die Freude ist ganz meinerseits«, erwiderte Henning Niegel und wandte dann seinen Blick Jan zu.
»Und du musst Jan sein«, stellte er fest und reichte auch ihm die Hand. »Schön, dich kennenzulernen, nachdem Levi mir schon so viel von dir erzählt hat.«
»Aber jetzt kommt erst einmal herein«, meinte Levis Vater dann und machte eine einladende Geste. Dabei warf er einen Blick auf seine Armbanduhr. »Wir können auch eigentlich direkt schon losreisen. Ihr seid ja wirklich pünktlich wie ein Schweizer Portschlüssel.«
Jan sah einen verwunderte Stirnfalte auf dem Gesicht seines Vaters.
»Was sind wir?«, hakte er nach.
»Pünktlich wie ein Schweizer Portschlüssel«, wiederholte Levis Vater schmunzelnd. »Das ist so eine Redewendung. Wie sagt man bei euch Muggeln? Nach dem, was ich gehört habe, wohl nicht ›pünktlich wie die Deutsche Bahn‹.«
Jans Mutter brach in ein herzhaftes Lachen aus und auch der verwunderte Gesichtsausdruck seines Vaters wich einem amüsierten Lächeln.
»Da bist du vollkommen richtig informiert«, antwortete er. »Wir sagen eher ›pünktlich wie die Maurer‹.«
»Maurer«, wiederholte Henning Niegel und betonte das Wort als sei es eine englische Vokabel. »Ich sehe schon, wir haben uns einiges zu erzählen.«
Er führte die drei Maisners durch einen kurzen Flur in ein großes Esszimmer. Dort war eine Frau in einem sommerlichen Blumenkleid gerade damit beschäftigt, alles Mögliche in einer auffällig kleinen Handtasche zu verstauen. Als sie die Gäste bemerkte, grüßte sie sie freundlich und stellte sich als ›Astrid Niegel‹ vor.
In diesem Moment öffnete sich die Tür zur Küche und Levis haselnussbrauner Schopf, sowie sein fröhlich strahlendes Gesicht erschienen im Türrahmen.
»Jan!«, rief er begeistert und lief auf seinen Freund zu. Er begrüßte ihn mit einem kräftigen Handschlag. »Es ist toll, dass du da bist!«
»Ich freue mich auch«, antwortete Jan. »Ich weiß gar nicht, ob ich ohne deinen Brief noch an die Messe gedacht hätte.«
»Keine Sorge, dein Ticket hätte dich schon daran erinnert«, meinte Levi. Dann wandte er sich Jans Eltern zu. »Und es ist schön, dass ihr mitgekommen seid. Ihr werdet begeistert von der Messe sein.«
»Das werden wir alle«, stimmte Levis Mutter zu. »Ich habe gehört, dass heute Abend sogar die neue englische Zaubereiministerin eine Rede halten wird.«
»Und ich habe mir bereits den Plan angeschaut«, ergänzte Levis Vater. »Es gibt deutlich mehr Aussteller als letztes Jahr. Deswegen würde ich vorschlagen, dass wir jetzt aufbrechen.« Er wandte sich Jans Eltern zu. »Kann ich euch noch etwas zum Frühstück anbieten? Rosinenbrötchen? Zimtkaffee?«
»Danke, aber wir haben schon gefrühstückt«, lehnte Jans Mutter höflich ab. Jans Vater nickte.
»Dann können wir aufbrechen«, entschied Henning Niegel und nahm einen grauen Filzhut vom Tisch. »Folgt mir einmal bitte nach draußen. Nur ein lebensmüder Phönix käme auf die Idee, einen Portschlüssel in einem Haus zu benutzen.«
Levis Vater öffnete die gläserne Tür in den Garten. Vor dem Fenster rankten einige gekringelte Stängel mit rosafarbenen Blüten in die Höhe. Jan erkannte sie als Flitterblumen und hatte das Gefühl, dass die magischen Pflanzen ihnen mit ihren ›Armen‹ zuwinkten, als sie in den Garten traten. Jan hätte sie sich die bildschönen Exemplare gerne noch länger angesehen, aber Levis Vater hielt ihnen bereits den Hut hin und tippte mit seinem Zauberstab darauf.
»Dann wollen wir mal! Alle einmal eine Hand an den Hut legen. Und dann geht es gleich los.«
Während Jans Eltern zögerlich den Filzhut berührten, zählte Henning Niegel die Zahlen von zwanzig an hinunter.
»Drei! Zwei! Eins!«
Nichts geschah. Während Jans Eltern sich verwunderte Blicke zuwarfen, verdrehte Levis Vater die Augen.
»Deswegen sagt man ›pünktlich wie ein Schweizer Portschlüssel«, brummte er und warf dem Hut einen mahnenden Blick zu, der an einen Vater erinnerte, dessen Kind die Spülmaschine nicht ausräumen wollte.
Dann begann der Hut plötzlich kräftig zu zittern. Aus dem Zittern wurde ein Vibrieren und aus dem Vibrieren ein Drehen. Denn verschwand alles um sie herum in einem Wirbel aus Farben. Jan spürte das Frühstück in seinem Magen und war auf einmal sehr froh, dass seine Eltern das Essensangebot der Niegels abgelehnt hatten. Und noch glücklicher war er, als die Welt um ihn herum wieder klar wurde und sie auf einer abgenutzten Wiese zu Boden kamen. Wie auch nach der Benutzung einer Porttür war ihm völlig schwindelig zumute und er verspürte das Gefühl, sich übergeben zu müssen. Dieser Portschlüssel war definitiv noch schlimmer als eine Porttür.
Auch sein Vater wirkte sehr bleich im Gesicht. Mit blinzelnden Augen schaute er in der Gegend umher und sah dabei so aus, als wäre er gerade erst aus dem Bett aufgestanden. Seine Mutter hingegen schien die magische Reise besser verkraftet zu haben. Sie stand bereits mit den Händen in die Hüfte gestemmt neben ihm und sah sich ihre Umgebung mit weit aufgerissenen Augen an.
»Wir sind wirklich in London!«, stellte sie fest. »Seht nur, da hinten kann man den Shard sehen.«
Sie deutete auch einen spitz zulaufenden Wolkenkratzer der sich hinter einigen Großstadthäusern in die Höhe erstreckte.
Jans Aufmerksamkeit galt hingegen dem Gebäude, das sich nur wenige Meter vor ihnen in die Höhe erstreckte. Es sah aus wie eine heruntergekommene Lagerhalle. Das Schild mit dem Namen der Firma war bereits so verwittert, dass man nur noch jeden zweiten Buchstaben erkennen konnte. Die Fensterläden waren zerbrochen.
»Ist hier die Messe?«, fragte er verwundert. Die Aussage, dass viele Aussteller hier vertreten sein sollten, passte nicht zu dem Bild einer Halle, die kleiner war als die Turnhalle an seiner alten Schule,
»Hier ist sie«, bestätigte Levis Vater und zwinkerte Jans Eltern zu. »Muggelsicher. Bis auf wenige Ausnahmen. Kommt mit!«
Zielstrebig lief er auf eine Litfaßsäule zu, die kurz vor dem Eingang der Lagerhalle aufgestellt war. Ein neu aussehendes Plakat bewarb das Konzert einer britischen Schlagersängerin namens Celestia Warbeck und war auffällig über die anderen Reklamen geklebt.
»Cooperatio universorum«, sagte er klar und deutlich.
Daraufhin glaubte Jan ein Zwinkern der Sängerin auf dem Plakat zu sehen. Im nächsten Moment öffnete sich die Tür der Lagerhalle. Jan warf einen Blick zu seinen Eltern. Wie er bereits erwartet hatte, waren ihre Augen vor Überraschung weit aufgerissen.
»Kommt mit!«, forderte er sie auf. Und dann gingen sie gemeinsam durch die einladend geöffnete Tür. Sobald sie in die Halle traten, konnte auch Jan seinen Augen nicht mehr trauen. Es war, als wäre er durch eine Porttür getreten und an einem völlig anderen Ort gelandet. Statt dem heruntergekommenen Inneren einer Lagerhalle erwartete sie eine grüne Wiese, auf der ein gewaltiger Glaskomplex errichtet worden war. Auf dem Dach der Front waren die bunten Buchstaben InWEx aufgestellt worden.
»Willkommen bei der größten Zaubereimesse der Welt«, präsentierte Levis Vater. »Da vorne ist der Eingang. Habt ihr beide schon Tickets?«
Jans Eltern schüttelten den Kopf.
»Das trifft sich gut«, meinte Levis Mutter. »Wir müssen auch noch welche kaufen. Die Engländer waren der Meinung für den Vorverkauf ihre eigenen komplizierten Methoden nutzen zu müssen. Deswegen haben wir uns entschieden, hier eins zu kaufen. Dafür müssen wir aber erst unser Geld umtauschen. Da vorne sehe ich doch schon das entsprechende Schild. Aber die Schlange ist ganz schön lang.«
»Wir scheinen nicht die einzigen aus dem Ausland zu sein, die noch Geld wechseln wollen«, meinte Levis Vater.
»Dann sollten wir uns mal anstellen«, schlug Jans Vater vor. »Vom Anschauen wird die Schlange schließlich nicht kürzer.«
Henning Niegel lachte herzhaft. »Schöner hätte ich es nicht sagen können!«
Jan und Levi warfen sich amüsierte Blicke zu. Es war ganz offensichtlich, dass ihre Väter den gleichen Sinn für Humor hatten.
In der Warteschlange stellten sie sich hinter eine Gruppe schwarzbärtiger Männer, die laut in Russisch diskutierten. Sie hatten außergewöhnlich geformte Münzen in den Händen und tauschten diese wild gestikulierend aus.
Levis Mutter bedachte sie mit einem Kopfschütteln und zog dann eine kleine Phiole aus ihrer Tasche.
»Dann überbrücken wir unsere Wartezeit doch damit, dass wir schon mal die Sprachphiolen trinken«, schlug sie vor und reichte das gläserne Gefäß Jan. Der nahm es etwas überrascht in die Hand und betrachtete es interessiert.
»Was ist das?«, fragte er verwundert.
»Bitte entschuldige, ich dachte Levi hätte dir das erzählt«, antwortete Astrid Niegel. »Wie der Name schon sagt, sind wir hier ja auf einer internationalen Zauberermesse. Da wird natürlich Englisch gesprochen. Nur reicht euer Englisch noch nicht aus, um die ganzen Fachbegriffe zu verstehen. Genau dafür gibt es Sprachphiolen. Wenn ihr davon etwas trinkt, versteht ihr alles so, als würde es auf Deutsch gesagt.«
Jan sah die Phiole in seinen Händen begeistert an. Wofür musste er sich noch im Englischunterricht bei Herrn Egger quälen, wenn es solche Erfindungen gab?
»Ist so ein Trank wirklich völlig bedenkenlos einnehmbar?«, fragte sein Vater jedoch skeptisch.
»Sonst würden wir ihn weder eurem, noch unserem Sohn geben«, antwortete Levis Mutter.
Jans Vater nickte, auch wenn er die Phiole weiterhin mit einem kritischen Blick musterte.
»Ich arbeite in der Abteilung für Justiz im Zaubereiministerium«, erzählte Henning Niegel in einem beruhigenden Ton. »Dementsprechend kann ich euch beruhigen, indem ich sage, dass ein Trank in Deutschland sehr lange geprüft wird, bis er zugelassen wird. Die Sprachphiolen, mit denen man eine andere Sprache auch sprechen kann, sind in Deutschland beispielsweise immer noch nicht für Jugendliche zugelassen. Und das nur, weil es vor zehn Jahren mal einen einzigen Fall gab, bei dem ein Trank Nebenwirkungen gezeigt hat. Wenn etwas zugelassen ist, kann man also darauf vertrauen, dass es wirklich vollkommen sicher ist.«
Jetzt wirkte Jans Vater wirklich überzeugt. Doch auch eine gewisse Neugier war bei Hennings Worten in seine Augen getreten.
»Du arbeitest im Zaubereiministerium?«, fragte er interessiert.
Levis Vater nickte. Und während er begann, von dem Zaubereiministerium und seinen verschiedenen Abteilungen zu sprechen, zogen Levi und Jan die Stopfen von ihren Sprachphiolen. Beide warfen einen Blick in die zähe lilafarbene Flüssigkeit.
»Zum Wohl!«, scherzte Levi und stieß mit seiner Phiole gegen die von Jan.
Jan leerte den Trank in einem Schluck. Sobald er die Phiole von seinen Lippen abgesetzt hatte, spürte er einen bitteren Geschmack auf seinen Lippen. Angeekelt schüttelte er den Kopf.
»Widerlich«, bestätigte auch Levi.
Seine Mutter sah sie mitleidend an und nahm ihnen die leeren Phiolen wieder ab.
»Also lernt gut Englisch, damit ihr so etwas nie wieder trinken müsst.«
Sie klopfte ihnen lachend auf die Schultern, während sie in der Schlange weiter nach vorne rückten. Sie kamen erstaunlich gut voran und als die russische Gruppe vor ihnen an der Reihe war, holte Jans Vater bereits das Geld aus seinem Portemonnaie, das er umtauschen wollte. Doch die vier Männer brauchten unfassbar lange. Der Ton zwischen ihnen und dem Mann am Schalter wurde mit jedem gewechselten Wort härter. Jan nutzte die Zeit, um sich den Währungswechsler genauer anzusehen. Er wirkte, als wäre er schon mehrere hundert Jahre alt. Sein kuppelförmiger Kopf war nur noch vereinzelt mit weißen Haarbüscheln besetzt und er war so klein, dass er einen hohen Stuhl brauchte, um seinen Kunden in die Augen sehen zu können. Seine Fingernägel sahen so aus, als hätte er sie in diesem Jahr noch nie geschnitten. Und mindestens genauso auffällig war seine spitze Hakennase und seine spitzen Ohren.
»An diesem Kerl haben sich die Macher von Bilderbüchern mit Zauberern inspiriert«, wisperte Jans Vater.
Henning schien das gehört zu haben, denn sein Blick wanderte nun ebenfalls zu dem Mann am Schalter.
»Das ist ein Kobold«, stellte er richtig.
»Ein Kobold? Sowas gibt es?«
Und in diesem Moment war Jan froh, dass sein Vater auch dabei war. Denn auch wenn er mittlerweile schon ein Jahr lang von der Zauberei wusste, war ihm ein Kobold bis jetzt weder in Realität, noch im Unterricht begegnet.
»In Deutschland gibt es eher wenige«, antwortete Levis Vater. »Aber die Engländer nutzen Kobolde für alle Arbeiten, die irgendwas mit Geld zu tun haben. Ihre staatliche Bank wird hauptsächlich von Kobolden betrieben.«
Er verstummte, als die Russen vor ihnen endlich die Münzen vom Schalter nahmen und sich laut schimpfend verabschiedeten. Zuerst ging Levis Vater an den Schalter.
»Guten Morgen! Können Sie mir diese Z-Mark in Galleonen umwandeln?«
»Z-Mark?«, wiederholte der Kobold abfällig. »Diese bunten Papierfetzen.«
Er nahm die Scheine mit seinen auffallend langen Fingernägeln entgegen und zählte sie sorgfältig ab. Dann holte er einige goldene Münzen aus seiner Kasse und reichte sie Levis Vater, der sie dankend entgegennahm.
Als nächstes trat Jans Vater an den Schalter.
»Tauschen Sie auch Euros in ... Gallonen um?«, fragte er.
»Euros«, fragte der Kobold und hob eine seiner buschigen, weißen Augenbrauen. »Das wird ja immer besser. Geben Sie her!«
Jans Vater zog einige Scheine aus seinem Geldbeutel und legte sie auf den Schalter. Der Kobold nahm sie entgegen und hielt sie prüfend gegen das Licht.
»Dass sich so etwas Währung nennen darf«, murrte er kopfschüttelnd und händigte auch Jans Vater einige Münzen aus. »Hier. Ihre Gallonen.«
»Vielen Dank«, meinte der höflich. Doch der Kobold hatte sich schon der Reisegruppe hinter ihnen zugewandt.
»Der nächste, bitte!«
Während Jan und seine Begleiter sich zum Ticketschalter begaben, betrachtete sein Vater fasziniert die Goldmünzen in seiner Hand.
»Das sieht aus wie echtes Gold«, stellte er fest.
»Ist es auch«, antwortete Levis Mutter. »Die Engländer prahlen gerne mit ihrem vermeintlichen Wohlstand.«
»Aber... der Wert von diesen Goldmünzen ist doch viel höher als das, was ich dem Kobold da gerade gegeben habe.«
»Ich verstehe deine Überlegung«, meinte Levis Vater lachend, während sie sich in die Schlange für die Tickets anstellten. »Daran habe ich auch gedacht, als ich das erste Mal gehört habe, dass englische Münzen aus echtem Gold sind. Aber das stimmt leider nicht ganz. Sie enthalten bloß einen kleinen Teil Gold und durch einen Zauber sind sie so verändert, dass es so scheint als wären sie ausschließlich daraus hergestellt. Koboldmagie.«
Er stoppte, als neben ihnen ein weiteres Kassenhäuschen öffnete. Levis Mutter reagierte sofort und wechselte aus ihrer Schlange heraus zu dem neu eröffneten Schalter. Dort erwartete sie ein ungefähr vierzigjähriger Zauberer mit großen, abstehenden Ohren.
»Guten Morgen!«, grüßte er sie in einer verschlafenen Stimme und sah auf einen Zettel in seiner Hand, von dem er ganz offensichtlich die darauffolgenden Sätze ablas. »Herzlich Willkommen bei der Internationalen Zauberermesse InWEx. Wie kann ich Ihnen behilflich sein?«
»Wir bräuchten noch vier Tickets für Erwachsene«, antwortete Levis Mutter.
Der Mann nickte und warf einen flüchtigen Blick auf seinen Zettel.
»Das macht dann 24 Galleonen«, antwortete er. Dann fiel sein Blick auf Levi. »Aber... Der sieht mir nicht nach 'nem Erwachsenen aus.«
Sein Blick wanderte zu Jans Eltern, die gerade darauf bestanden, den Preis für ihre Tickets selbst zu bezahlen und Levis Mutter bereits die entsprechenden Münzen in die Hand drückten.
»Und ihr seid doch fünf Leute... nein... sechs.«
»Wir haben schon unsere Ticktes«, antwortete Levi und legte sein Ticket auf den Schalter. Jan tat es ihm gleich.
Der Mann am Schalter nickte.
»Sagt das doch«, meinte er und entwertete ihre Tickets mit einem Schwenk seines Zauberstabs.
»Vierundzwanzig Galleonen«, meinte er dann an Levis Mutter gewandt. Die deutete auf die Platte vor dem Mann, wo sie die Münzen bereits abgelegt hatte.
Der nickte, als hätte er sie schon vorher dort liegen sehen und schob das Geld in seine Kasse. Dann zog er vier Tickets hervor, entwertete auch diese mit einer geschickten Bewegung und händigte sie dann den vier Erwachsenen aus.
»Einen schönen Tag auf der InWEx wünsche ich euch!«, sagte er zum Abschied und winkte sie weiter.
Jan folgte Levi durch das darauffolgende Drehkreuz und fand sich kurz darauf im Inneren des riesigen Glaskonstrukts wieder. Und das, was er dort sah, überstieg seine beeindruckendsten Vorstellungen. Ein großer Geländeplan an der Wand vor ihm zeigte an, wo sich die Stände der verschiedenen Aussteller befanden und machte Jan noch einmal das Ausmaß dieser Veranstaltung deutlich. Davor waren einige goldfarbene Statuen bedeutender Zauberer aufgestellt worden. Jan erkannte den berühmten britischen Schulleiter Albus Dumbledore darunter. Die anderen hatte er noch nie in seinem Leben gesehen. Neben den fünf Hexen und Zauberern war die Statue eines kleinen segelohrigen Hauselfen aufgestellt worden, der alle Neuankömmlinge mit einem höflichen Kopfnicken begrüßte.
Zu beiden Seiten der Wand führten Wege in den weiteren Teil des Messegeländes. An ihren Seiten waren die Stände dicht aneinandergestellt wie Imbissbuden auf einem Jahrmarkt. Eine besonders große Schlange hatte sich vor der Ausstellungsfläche einer britischen Buchhandlung gebildet. Ein buchförmiges Schild, das darüber in der Luft schwebte, erklärte diesen Besucherandrang mit der Signierstunde des berühmten Magizoologen Newt Scamander. Jan riss begeistert die Augen auf. Newt Scamander! Wie oft hatte Herr Lurcus schon von diesem erfahrenen Wissenschaftler erzählt. Und der war jetzt hier! Jan war begeistert. Und er konnte kaum erwarten, was er noch alles auf der InWEx erleben würde.
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