Kap. 80 Schloss Aroughs
Roran pov
„Nun denn, führe uns zu den Weinkellern", befahl ich, von Franks Andeutung, die eigentlich mehr als nur das war, bestätigt. Der Glatzkopf nickte und ich rief: „Die ersten drei Reihen kommen mit mir. Der Rest nimmt sich je einen Führer auf drei von uns. Ihr sucht in Gruppen den gesamten Palast nach verbleibenden Widerständen ab. Diejenigen, die sich uns nun angeschlossen haben, haben den ausdrücklichen Befehl, ihren nunmehr Verbündeten den Weg zu weisen. Sollte es Fallen oder Hinterhalte geben, von denen ihr nicht glaubhaft argumentieren könnt, ihr habet nichtmal ahnen können, dass sie existieren, dann steht es im Ermessen der Gruppe, zu entscheiden ob das Absicht war. Das ist jedoch keine Einladung zu morden. Ich möchte im Anschluss ausnahmslos von jedem Toten wissen, wie er umgekommen ist. Von jedem! Ist das klar?" Aus allen Richtungen ertönte es: „Jawohl Herr Hauptmann!" oder „Jawohl, Hammerfaust!" und nach letzterem Ausruf gab es erneut einiges Getuschel unter den Soldaten der Stadt. Na großartig.
Ich gab den Befehl zum Abmarsch und wandte mich dann wieder an Jardin. „Du gehst voran. Du hast bisher einen guten Eindruck gemacht, aber ich denke nicht, dass ich erklären muss, dass es trotzdem notwendig ist, Vorsicht walten zu lassen und unter garkeinen Umständen nachlässig zu werden. Wenn es eine Falle ist, bist du der erste, der daran zu Grunde geht." Er kommentierte diese letzte Feststellung nur mit einem rauen Lachen. „Ich habe mit meinem Leben abgeschlossen, als ich euch nach dem Inferno habe stehen sehen. Wie ihr seht", dabei deutete er auf die Teile seiner Uniform, die größere Löcher aufwiesen, „gehöre ich noch zu denen, die gut weggekommen sind. Mir sind nur Brandlöcher und ein paar kleine Verbrennungen zuteil geworden, aber in einem Kampf hätten wir ganz klar auch verloren, wenn sich nicht so viele ergeben hätten. Es entspricht nicht wirklich den Traditionen, bei einem Überfall Gnade walten zu lassen.
Ich und mit Sicherheit auch die meisten unter meinem Kommando haben nicht erwartet, so lange am Leben zu bleiben. Aus diesem Grund würde es mich bei jedem einzelnen wundern, wenn er sich gegen Euch wendet. Insbesondere weil alle nun unter Eurem Kommando Stehenden ja aus freien Stücken diese Entscheidung getroffen haben." Der Kerl hatte tatsächlich ein gutes Gespür für Loyalität. Wenn er Recht behalten sollte, könnte das in der Tat bedeuten, dass das Schwerste an dieser Mission nun hinter uns lag.
Während wir gesprochen hatten, waren wir eine gute Zahl an Gängen entlang gelaufen. Mein Gefühl sagte mir, dass wir bereits im hinteren Teil des Gebäudes waren, den Besucher eigentlich nicht zu sehen bekamen. An einer recht breiten Eichenholztür machte er halt und suchte an seiner Hüfte etwas. Ich befürchtete erst eine Falle, auch wenn ich nicht genau wusste, was an seiner Hüfte dreißig Mann ausschalten hätte sollen. Eine Handgranate! Was sagt es über mich aus, dass ich über diese Idee gelacht habe? Dass du ab und an einen guten Sinn für Humor hast? Am Ende war es aber nur ein Schlüsselbund. Es war mir nicht wirklich klar, wie jemand so ein unhandliches Ding mit sich herum tragen konnte und gleichzeitig in der Lage sein sollte zu kämpfen.
Er beantwortete diese Frage jedoch für mich, wieder mal ohne dass ich gefragt hatte. „Normalerweise haben nur Graf Halstead, einige auserwählte Diener und die obersten Offiziere diese Schlüssel, aber ich war so frei, mir diesen hier von unserem gefallenen Hauptmann auszuleihen." Diese letzte Information gab er so trocken von sich, dass man die enthaltene Ironie nur am Inhalt in Kombination mit Wissen über das Geschehen identifizieren konnte. Ich nickte anerkennend und bedeutete ihm dann, die Tür zu öffnen. Er folgte der nonverbalen Aufforderung und offenbarte einen dunklen Gang dahinter. Anders als das restliche Schloss war der Keller nicht mit Fenstern beleuchtet und es brannten auch keine Fackeln, da dies potentiell zur Folge hätte, dass sich der Rauch unter der Decke sammelte und man irgendwann daran ersticken würde.
Dies würde jedoch nur passieren, wenn man sehr lange unten bliebe und so fragte ich: „Wo bekommen wir schnellstmöglich Fackeln und Feuer her?" Hinter mir räusperte sich jemand und ich war inzwischen nicht mehr überrascht zu sehen, dass es von Frank kam. Natürlich. Wer auch sonst. „Lass mich raten, du hast wieder eine Idee oder einen Lösungsvorschlag, auf den sonst niemand kommen würde und auch nicht kommen kann, weil niemand weiß, dass das überhaupt möglich ist?" Ein breites Grinsen zog sich quer über sein schon so eher kindliches Gesicht, als er antwortete: „Du lernst Muster zu erkennen. Nur aus Interesse, was würdest du denn denken, was ich vorschlagen würde?"
Tatsächlich eine Frage, die ich mir fast im selben Moment gestellt hatte. Wie könnte man diese Situation lösen, wenn es nicht die Einschränkungen der Realität gäbe? Nach dem, was ich in der letzten Woche schon alles gesehen hatte, wäre die beste Chance, nah an seinen wirklichen Plan heranzukommen vermutlich, die surrealst mögliche Lösung auszuwählen und sie noch ein wenig zu übertreiben. „Möglichkeit eins, du verwandelst dich in eine Fackel mit Beinen. Möglichkeit zwei du machst die Wände lichtdurchlässig, Möglichkeit drei, du verwandelst dich in einen Schwarm Glühwürmchen und Möglichkeit vier, du lässt die Wände glühen und schirmst uns vor der Hitze ab."
Er nickte nur, anstatt mir zu erzählen, was das für ein Schwachsinn war. Stattdessen fragte er ganz ernst: „Was davon gefällt dir am besten?" Mir fielen fast die Augen aus den Höhlen und unserem Freund und Leutnant hier schien es genauso zu gehen, in beiden Fällen aber zum Glück nur sprichwörtlich. Ich schloss selbige für einen Moment und atmete tief ein und aus. Erst dann begann ich, als ich glaubte meiner Stimme wieder trauen zu können, ohne erwarten zu müssen, dass ich entweder krächzen, stottern oder garnichts rausbekommen würde. Natürlich nicht erfolgreich sondern mit der zweiten Möglichkeit, der ich mit tief durchatmen vorbeugen wollte, „Wie zur... zum Teufel kannst du...", dann räusperte ich mich aber nochmal, um nicht vor dreißig versammelten Soldaten meine Seriösität durch stottern zu verlieren. „Also, ich versuche einfach aufzuhören, sowas zu hinterfragen. Eure Fähigkeiten entsprechen einfach einem Gott und da brauche ich nichts zu verstehen."
An dieser Stelle schien er etwas lustig zu finden, was ich nicht verstand, und so fuhr ich einfach, ich würde gerne behaupten ungerührt, vollkommen irritiert trifft es allerdings besser, mit meiner Antwort fort. „Wenn es keinen Unterschied macht, glaube ich, dass lichtdurchlässige Wände das beste sein dürften, weil dabei niemand gegrillt werden kann." Ich hörte ihn etwas murmeln, was zwei Namen und danach mit ziemlicher Sicherheit ein Synonym für ‚werden mich umbringen' beinhaltete und hoffte, dieses Mal die Antwort bei mir weniger psychische Schäden nach sich ziehen. „Warum und vor allem wie sollte dich jemand umbringen?"
„Naja, eigentlich ist diese Form von Magie nicht mein Gebiet. Ich habe eigentlich andere Bereiche, auf die ich mich fokussieren sollte und auch wenn es in diesem Fall mehr eine Metapher war, es gibt durchaus einige Leute, die in der Lage wären, mich umzubringen. Eine davon hast du vorhin an die Bewachung der inneren Stadtmauern geschickt." Das mit den Schäden hatte eher weniger bis schlecht funktioniert, aber immerhin beim letzten Satz glaubte ich zu verstehen, was er bedeuten sollte. Bei Thalia konnte ich mir tatsächlich vorstellen, dass sie in der Lage wäre, Frank gefährlich zu werden. Ich konnte es natürlich nicht einschätzen, da keiner der beiden jemals eine Grenze gezeigt hatte, aber da das für sie beide galt, hielt ich es nicht von Grund auf für ausgeschlossen.
Genug Gedanken über gottgleiche Wesen, jetzt vielleicht einmal wieder zu unserem dunklen Gang. Ohne dass ich irgendeine optische Veränderung sah, sowohl bei Frank, den ich eigentlich meinte, als auch bei den Wänden, die ich nur mit in die Aufzählung aufgenommen habe, weil mir diese hypothetische Möglichkeit gerade noch eingefallen ist, war ich plötzlich geblendet. Es gab sich schnell wieder, aber von da an konnte ich die Abwärtstreppe ohne Probleme sehen. Anders als ich es von Carn gewohnt war, hatte Frank diese Veränderung jedoch, nach allem was ich gesehen hatte zumindest, nicht mit einer Wortgruppe oder auch nur einer Geste herbeigeführt. Es war schlicht und ergreifend einfach geschehen.
Unser Schlossführer sah mich mit zwei unterschiedlichen Ausdrücken im Gesicht an. Der erste war natürlich fragend, ob er uns nach unten führen sollte, und nach meinem Gefühl war das auch der, den er eigentlich beabsichtigt hatte. Dazu mischte sich jedoch auch etwas, dass ich in dem Moment sehr gut nachvollziehen konnte. Es war eigentlich eher das Ergebnis eines Verlaufes. Blanke Verwirrung, deren Herkunft wohl keiner weiteren Erläuterungen bedarf, Ergebenheit und Einsicht, die bei mir und folglich wohl auch bei ihm davon kamen, dass wir verstanden, dass es keine Hoffnung zum Verstehen gab, und zu guter Letzt Gleichgültigkeit. Er wie ich schienen sehr gut mit dieser Denkweise auszukommen, dass man sich über Dinge, die man nicht verstehen, besiegen oder kontrollieren kann, am besten einfach keine Gedanken macht.
Ich nickte um die Frage zu beantworten, die er eigentlich, anstatt eines so tiefen Einblicks in seinen Kopf, hatte mit seiner Mimik stellen wollen. Er betrat den Gang und fast eine volle Minute lang, zumindest war das mein Gefühl, liefen wir nach unten.
Wir standen nun an einer Kreuzung. Mit gedämpfter Stimme, vermutlich um Hall zu vermeiden, denn schon so hörte man alle Schritte zehn mal lauter, erklärte Jardin: „Nach rechts geht es zum Gefängnistrakt. Es gibt auch ein Gefängnis für normale Sträflinge in der äußeren Stadt, aber eben nur für grundsätzliche Übeltäter. Hier landen die, die wirklich direkt den König in der einen oder anderen Art beleidigt haben. Ich habe meine Zweifel, dass der Graf sich dort verstecken würde, das würde denke ich seinen königlichen Stolz besudeln. Geradeaus geht es zu den Lagerräumen. Von Waffen über Fässern voll Pech bis hin zu Vorräten findet man dort alles. Es ist jedoch so eng gestapelt, dass sich dort niemals ein Mensch verstecken würde.
Zur Linken ist der Weinkeller. Es sind viele Fässer, hinter denen man sicher gut verschwinden kann, und wenn euer Freund recht hat, wird er mit Sicherheit dort sein. Ohne seine Erlaubnis ist dort niemand und in einer solchen Situation würde er es niemandem gestatten, ohne selbst die Möglichkeit zu ergreifen." Während er seiner Aufgabe zu detaillierten Erklärungen über die Art, wie er uns führte, nachkam, formte sich in meinem Kopf ein Plan. Ich wollte weiterhin so weit es ging auf dem Konzept des selbstständigen Ergebens arbeiten, um möglichst viele Leben zu schonen, unsere jedoch in den Vordergrund stellen. „Holt zwei Fässer Pech aus der Kammer", wies ich vier meiner Männer an.
Dafür erntete ich einige verwirrte Blicke und Jardin brachte doch den Mut auf, mich zu fragen: „Was genau habt Ihr vor?" Ich schmunzelte schelmisch. „Nun, wenn sich jemand verbarrikadiert, dient das meistens dem Zweck, niemanden reinzulassen und auszuharren. Wenn wir versuchen würden, den Raum zu stürmen, würden wir höchstwahrscheinlich von drei Seiten abgeschossen werden und vielleicht doch mehrere Tote zu beklagen haben. Wenn wir ihnen hingegen brennende Pechfässer in den Raum rollen, wird sich dieser langsam mit Rauch füllen und jeder im Raum hat die Wahl, sich zu ergeben und rauszurennen, oder darin zu ersticken. Im Prinzip ist es der selbe Grundsatz wie vorhin gegen eure Soldaten, nur dass hier noch weniger schief gehen kann."
Hier möchte ich bitte nochmal einen kleinen oder nicht ganz so kleinen Wutanfall bekommen. Ich habe über zehn Minuten danach gesucht, was man zum Ausräuchern benutzt und egal was ich im Internet eingegeben habe, jeder ver-DAMM-te Vorschlag hat irgendwas mit Esoterik zu tun, JEDER! Selbst wenn man explizit Mittelalter und/oder Keller mit in die Suchzeile eingibt. Dann bin ich irgendwann dazu übergegangen, einfach so typische Stoffe zu suchen und zu gucken ob das Verbrennen von denen giftige Dämpfe verursacht und was soll ich sagen? NICHTS! Man findet fünf Wikipediaartikel über die Destillation von Pech aus Birkenholz, aber nichtmal einen kleinen Nebensatz wie „Pechdämpfe sind giftig und Atemwegschädigend". Dann habe ich nach den Bestandteilen gesucht und bin am Ende bei Teer gelandet und da steht es einfach in der ersten Zeile vom ersten Vorschlag ich fühle mich nicht nur verarscht, ich habe gerade eine halbe Stunde meines Lebens komplett verschwendet. Amen!
„Ich habe selten einen Hauptmann gesehen, der sich so sehr um das Wohlergehen seiner Männer gekümmert hat und trotzdem erfolgreich war." Ich lächelte und erklärte: „Eine Hand wäscht die andere. Wenn den Männern klar ist, dass sie nicht für Befehle kämpfen sondern für das, was sie wollen, Seite an Seite mit jemandem, der zwar Befehle gibt, aber nicht abgehoben ist oder sich als etwas Besseres sieht, sondern sich häufig sogar vor ihnen in den Kampf stürzt, dann geben sie auch immer ihr Bestes. Außerdem, wenn sie schon wissen, dass ich alles gebe, um die Verluste zu minimieren, mindert das die Wahrscheinlichkeit auf Widerspruch. Es ist zum allergrößten Teil eine Frage von Motivation."
Man konnte ihm ansehen, dass er über das nachdachte, was ich erklärt hatte. Für mich war die Zeit, in der ich das Dorf von Carvahall bis zu den brennenden Steppen gefügt hatte, sehr lehrreich. Beim Militär lernt man Disziplin, aber Willen, Ehrgeiz und Angst können den gleichen Effekt haben. Mit Entschlossenheit konnte man sich oft mehr Respekt einbringen, als das mit irgendeinem Titel möglich war. Und vor allem nachhaltiger.
Die Fässer knarzten, als sie den Flur entlang rollten, und gaben uns damit den Hinweis, dass wir langsam los sollten. Wir folgten dem Flur bis zu einer weiteren Treppe nach unten, diese war jedoch gerade, was uns mit den Fässern zugute käme. Auch zugute kam uns, dass die Treppe von oben und von unten verschließbar war, sodass wir verhindern konnten, dass der Rauch zu uns aufstieg und jeder, der den Keller verlassen wollte, im Rauch bei uns an die Tür klopfen und um Gnade bitten musste. Somit waren sie auch nicht in der Lage, sich zu wehren.
Als ich an die untere Tür klopfte, in der naiven Hoffnung, die Insassen werden sich einfach ergeben, hörte ich eine Stimme von innen, die unser Verbündeter Graf Halstead zuordnete, rufen: „Verschwindet. Hier habt Ihr weder etwas zu gewinnen, noch etwas verlieren. Jeder, der diese Tür durchschreitet, wird sofort erschossen. Wir haben den Willen und die Munition, um das durchzusetzen. Ihr werdet mich und meine Tochter niemals bekommen." Ich hörte eine leise, weibliche Stimme etwas sagen, was für mich ziemlich eindeutig beschwichtigend klang und nicht so, als würde diese Frau, ich vermutete, dass es die Prinzessin war, die Kampfeslust ihres Vaters teilen würde.
„Wenn Ihr nicht von selbst, ohne Waffen in den Händen zu tragen, diesen Raum verlasst, werdet Ihr ersticken. So wahr ich Roran Hammerfaust heiße!", rief ich durch die Tür, drehte mich um und ging wieder die Treppe hoch. „Zündet die Fässer an!"
Dann fiel mir ein, dass das Problem, dass wir kein Feuer hatten, eigentlich noch Bestand hatte. Eigentlich, denn ich wusste ja inzwischen, an wen ich mich zu wenden hatte. „Frank, könnten wir nochmal über die Fackel mit zwei Beinen sprechen?"
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2456 Wörter
Vielen Dank fürs Lesen. Ich hoffe, es hat euch gefallen. Unabhängig davon freue ich mich über jeden Vorschlag zur Verbesserung.
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