Kap. 68 Glück gehabt
Nasuada pov
Als meine Sinne wieder ihren Dienst Aufnahmen, war das erste, was ich spürte Schmerz. Überraschung, was auch sonst. Es fühlte sich an, als würden meine Arme erst wund gescheuert und dann in dem Saft dieser gelben, sauren Früchte, die es in Surda gab, gebadet. Ich hatte diese Erfahrung einmal an einem kleinen Teil meiner Hand gehabt, als mir an Orrins Tafel ein kleines Schälchen davon umkippte und über die Hand lief. Es hatte höllisch gebrannt, aber es war nichtmal ansatzweise vergleichbar mit dem Schmerz, den ich nun permanent spürte.
Ich öffnete trotz der Schmerzen meine Augen und sah mich langsam um. Ich saß am selben Ort, an dem ich das Bewusstsein verloren hatte, meine Arme lagen auf den Lehnen und waren mit langen weißen Binden umhüllt. Zumindest waren die Binden vermutlich mal weiß gewesen. Die Oberseite, von der meinem Gefühl nach auch dieser Schmerz kam, war vollständig in einem recht dunklen rot getränkt. Es sah allerdings nicht so aus, als würde es mehr werden. Entweder war das Blut schon geronnen, was bei diesem Ausmaß fatale Folgen für meine Arme hätte, oder Farica hatte ihre Aufgaben vom Nähen und provisorischen Verbänden Anlegen gut erfüllt. In dem Zelt standen nur noch, von mir abgewandt, Orrin und der zweite Begleiter Fadawars.
„Wie lange war ich...", eine mittlere Schmerzattacke hinderte mich für einen Augenblick am Weitersprechen und brachte mich stattdessen zum Stöhnen, ehe ich enden konnte, „...bewusstlos?" Beide fuhren herum und schnell ereiferte sich Surdas König: „Nur ein paar Minuten, wir wollten Euch nicht wecken, insbesondere da wir nicht wussten, wie wir das tun sollten, ohne eine erhöhte Gefahr für Eure Arme darzustellen. Eure Magd hat die Arme genäht und verbunden, Hauptmann Jörmundur ist auf dem Weg, Euren Auftrag zu erfüllen, Angela herzubringen." Ich nickte erleichtert. Schlafen und meine Schmerzen bemitleiden konnte ich später noch, jetzt musste ich zuerst sicher gehen, dass die Probe das bezwecken würde, was ich für den idealen Ausgang geplant hatte. Ein solches Opfer würde richtig vermittelt einen massiven Anstieg der Loyalität bringen.
Es schien jedoch, als müsste ich nichtmal allzuviel nachhelfen. Der dunkelhäutige Nomade, der als letzter Vertreter der Stämme im Zelt war, sprach in dem grollenden Akzent, den sein Volk nunmal beim Sprechen unserer Sprache hatte, und passend dazu tiefer Stimme: „Heil Euch, Herrin Nasuada. Ihr habt bewiesen, dass niemand dieses Postens würdiger ist als Ihr. Bereits sechs Schnitte hat nichtmal eine Hand voll Konkurrenten ausgehalten doch Ihr habt neue Maßstäbe gesetzt und damit die uneingeschränkte Loyalität und Kontrolle über die Fadawar untergebenen Stämme gewonnen. Meinen Glückwunsch." Und während er sprach, verbeugte er sich tief. Ein einziges Mal genoss ich diese Anerkennung. Ich hätte sie mir nicht härter verdienen können.
Der Schmerz wirkte wie eine Droge. Er umnebelte meine Sinne. Nicht nur meine Wahrnehmung sondern auch meine Gedanken. Normalerweise hätte ich ohne Probleme eine Antwort zustande gebracht doch jetzt... Jetzt hätte ich um ein Haar einfach aufgrund meiner Gereiztheit eine unflätige Bemerkung dazu abgegeben, vor der mich mein Sinn für Höflichkeit eigentlich schützte. Ich konnte mich gerade so davor bewahren, durch eine Verletzung der Diplomatie einen Großteil der gewonnen Autorität wieder zu verlieren, und nickte nur zum Zeichen, dass ich zur Kenntnis genommen hatte. Da er jedoch noch an Ort und Stelle blieb, sagte ich doch noch: „Ich benachrichtige Euch, sobald es etwas für Euch und oder Euren Stamm zu tun gibt."
Dieses Mal war die stumme Botschaft scheinbar angekommen, denn er verbeugte sich und verließ das Zelt. Ich wollte meinen Arm auf der Lehne des Stuhls aufstützen, selbiger versagte mir jedoch den Dienst und um ein Haar wäre ich entweder vorne über gefallen oder mit dem Kopf auf das Holz geschlagen. Mein Arm brannte wieder wie Feuer und ich musste mich selbst erneut überzeugen, dass sie verbunden waren und nicht in einem Bad aus Seithr-Öl ausgeätzt wurden. Das wäre aber vermutlich nicht so schmerzhaft gewesen. Die Schmerzen waren so dominant, dass ich wirklich überlegte, ob ich gleich beide Arme amputieren sollte. Ich kam jedoch nicht zu einem Ergebnis, denn ein weiteres Mal wurde die Zeltplane zurückgeschlagen und Angela trat, Jörmundur im Schlepptau, mit einem großen Leinenbeutel über der Schulter ein. Man konnte es nicht anders formulieren, es war eindeutig, dass sie voraus ging, real wie symbolisch.
Sie musterte mich prüfend und kam dann ohne weitere Nachfragen zu mir und löste die Verbände. Aus ihrer Tasche zog sie mehrere Behälter mit Flüssigkeiten und schlammigen Substanzen hervor, welche sie mir auf den Arm schmierte. Dabei hörte ich sie Dinge murmeln wie: „Ich dachte, Barbarei wäre eine rein männliche Tradition" und „Als gäbe es nicht genug Soldaten, die Euch so zurichten wollen. Da braucht Ihr Euch nicht selbst fast umbringen."
Trotz ihres Fluches tat sie ihre Arbeit schnell und genau. Die meisten nahten von Farica ließ sie einfach so, aber an einigen, darunter mein ausgerutschter Schnitt, löste sie den Faden und nähte es erneut. Noch mehr Schmerzen, aber deutlich weniger, als ich erwartet hätte. Bei einigen dieser Wunden kam erst die Naht, dann die Salben, bei manchen andersherum. Ich konnte nicht beurteilen, wonach sie dies entschied. Nach einer gefühlten Ewigkeit, die sicher wieder nur einige wenige Minuten gedauert hatte, trat sie einen Schritt zurück und erklärte: „So, ich habe getan, was die Probe zulässt. Die Taubheit der Kräuter sollte zeitnah einsetzen." Ich murmelte leise etwas von ‚Danke!' und spürte dabei bereits, wie die von ihr erwähnte Taubheit eintrat. Es gab viele Leute, bei denen ich jetzt Angst gehabt hätte, vergiftet worden zu sein, aber Angela war nicht die Art Mensch, die das freiwillig tat, ohne einen darüber zu informieren. Hätte sie es getan, was ich nicht erwartete, hätte sie mir jetzt erzählt, wie wunderbar qualvoll mein Tod werden würde.
So allerdings fühlten sich meine Arme zwar an, als hätte ich den ganzen Tag eine Waffe geschwungen, einen Schild gehalten und wäre verprügelt worden, aber es war nicht mehr ansatzweise so schlimm wie vorher. Ein schwaches, dankbares Lächeln flog über mein Gesicht, das von Angela vor mir nicht unbemerkt blieb. Sie brummte jedoch etwas, was in dem Moment keinen Sinn zu machen schien, im Nachhinein jedoch nicht völlig absurd war. Tatsächlich hatte ich es in dem Moment nur für einen ihrer Wilde-Kaninchen-Warnhinweise gehalten, das war es aber sicher nicht. „Mach es wieder gut, indem du nicht nochmal versuchst, das Schicksal Sonork und Sonaru freiwillig an dir selbst durchzuführen!" Vielleicht hätte mir auffallen sollen, dass ihre Stimme ernster war als sonst, aber dazu war ich zu fertig.
Als sie das Zelt verließ, sagte sie, nach einem abschätzenden Blick auf meine Arme, noch: „Und falls dich das beruhigt, Nasuada, aus ziemlich verlässlichen Quellen weiß ich, dass sich die Arme nicht entzünden werden. Auf kurze Sicht wird das Verheilen recht sicher verlaufen. Wie es allerdings mit Narben aussieht, kann ich nicht sagen. Gut allerdings mit Sicherheit nicht." Nach diesen Worten verließ sie das Zelt unaufgefordert und durch den selben Ausgang, durch den sie herein gekommen war. Ich blieb zurück. Nicht allein, aber es fühlte sich so an.
Ich versuchte deshalb, schnellstmöglich alles jetzt sofort Dringliche zu organisieren, was primär darin bestand, Orrin zu überzeugen, dass Jörmundur meine Aufgaben vertreten würde, um mich danach möglichst schnell und ruhig ausruhen zu können.
Mein Schlafquartier befand sich in einem Zelt direkt hinter dem Pavillon, man musste nur unter einer doppelten Zeltplane hindurch schlüpfen, was in meinem jetzigen Zustand eine fast unlösbare Aufgabe war, und dahinter befand sich ein kleiner Raum, nicht viel besser eingerichtet als der jedes anderen hier im Lager, in dem ich mich sofort ins Bett legte, wohl darauf bedacht, meine Arme mit den verbundenen Wunden nach oben und in möglichst schonende Positionen hinzulegen. Auf dem Weg dorthin flüsterte ich noch ein gerauntes Danke in die Richtung, in der Elva für gewöhnlich saß.
Ich erhielt einen gelangweilten laut der Zustimmung als Antwort. Es blieb wohl dabei, dass man sie durch nichts beeindrucken oder in irgendeine emotionale Lage bringen konnte, was ja durchaus verständlich war. In diesem Fall irrte ich mich jedoch. „Na bitte, du kannst es doch, wenn du an dich glaubst", ergänzte sie zu ihrem undefinierbaren Laut. „Wie bitte?", wollte ich wissen. Ein amüsiertes Schnauben kam aus ihrer Richtung. „Du hättest nach dem fünften Schnitt aufgegeben, wenn ich dir nicht gesagt hätte, dass du es schaffen kannst!" Ich war ein klein wenig verwirrt. Seit wann war Elva freiwillig so hilfsbereit?"
„Dann muss ich mich wohl noch mehr bedanken als ich dachte. Ich schulde dir was." Ein heiseres lachen ging der Antwort voran. „Niemand schuldet mir irgendwas. Wenn ich etwas haben will, überrede ich jemanden." Da ich nicht wusste, was ich erwidern sollte, ließ ich das ganz bleiben.
Die Prüfung hatte mich viel Kraft gekostet. So viel, dass ich nahezu im selben Moment, in dem mein Kopf das Leinenkissen berührte, schon an der Schwelle zur Dunkelheit meiner Träume stand. Das letzte mal, als selbst die vielen Sorgen um mich herum mich nicht vom Schlafen abhalten konnten... ich wusste nicht mehr, wann das war. Zu meinem Glück war ich so erschöpft, dass ich im Tiefschlaf keine Albträume von anderen Ausgängen der Probe der langen Messer hatte. Solche, wie sie mir als Schlimmstvorstellung Kraft gegeben hatten, als ich mich dabei entscheiden musste, dass ich nicht aufgeben würde.
Kurz bevor mich die Dunkelheit umfing, hörte ich auf bewusst zu denken. Das klingt vielleicht selbstverständlich, aber für mich war es das nicht. Nahezu regelmäßig fragte ich mich abends, ob ich etwas wichtiges vergessen hatte. Ich wollte garnicht zählen, wieviele Stunden Schlaf mich das inzwischen gekostet hatte. Als ich die Augen schloss, Schlich sich noch ein Lächeln auf meine Lippen, denn zum einen war ich stolz auf meine Leistung und zum anderen spürte ich etwas sehr weiches, felliges über meinen Arm streifen. In dem Wissen, dass Luna über mich wachen würde, fiel ich in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
Roran pov
Eine weitere Prophezeiung von Frank wurde mit haarsträubender Genauigkeit wahr. Etwas mehr als eine Stunde, wenn ich meinem Gefühl halbwegs trauen konnte, nachdem wir der Wolfshund-Meute entkommen waren, hatte er gesagt, ‚unser Lager vor Aroughs wird bei Sonnenuntergang des zweiten Tages von jetzt an in Sicht kommen.' Nun war es zwei Tage später und die rote Scheibe am Himmel war kurz davor, hinter den Wolken am Horizont zu versinken. Ich spähte das leicht hügelige Gelände ab. Tatsächlich, in der Ferne ließen sich dutzende Rauchsäulen ausmachen, die ich den Kaminen der Stadt zuordnete, und einige hundert Meter davon entfernt stand eine mittelgroße, mittelmäßig gut geschützte Zeltgruppe. Das war wohl das Lager, in dem Hauptmann Brigmann und die ihm unterstellten Truppen an einer Belagerung arbeiteten. Für belagern war es zu passiv.
Nun, da wir noch weit entfernt waren, ließ ich meinen Blick schweifen, um mögliche Vorteile in der Umgebung auszumachen. Es war von uns aus noch nichts zu erkennen, doch als wir näher kamen, sah ich gen Osten ein stattliches Herrenhaus und gen Westen eine Mühle. Außerdem eine große Grube, die ich für einen Steinbruch hielt. Ich konnte falsch liegen, aber alles in allem wirkte das Gebiet verlassen. Abgesehen von dem Lager, zu dem wir unterwegs waren, und der Stadt selbst gab es im Umland weder aufsteigende Rauchsäulen, noch etwas anderes Vergleichbares, was gezeigt hätte, dass dort vermutlich jemand lebte.
Bevor ich den anderen meine Beobachtungen berichtete, sah ich mir ihre Gesichter an. Diese zeigten mir, dass ich nichts sagen brauchte. Alle inspizierten die Landmarken am Horizont. Dabei bemerkte ich, teils zu meiner Erleichterung, dass außer Thalia und Frank jeder so aussah, als wäre er genauso müde wie ich und könnte dementsprechend schnell umkippen. Es zeigte zumindest, dass ich nicht weniger belastbar war, als alle anderen.
Im Gegensatz zu uns, schienen unsere Pferde und übermenschlichen Begleiter kaum zu spüren, dass wir seit zwei Tagen ununterbrochen dieses Tempo hielten. Ich kannte kaum Pferde, die nach so langem Galopp noch immer nicht langsamer wurden. Ich kannte allerdings auch niemanden, der annähernd so gut und lange laufen konnte wie Frank und Thalia, aber bei ihnen hatte ich mich inzwischen daran gewöhnt.
Angesichts der Erschöpfung meiner Begleiter rief ich: „Keine Stunde mehr, dann erreichen wir unser Ziel." Ich versuchte Enthusiasmus mitklingen zu lassen, vermutete jedoch, dass dieser in den eigenen Schmerzen meines Leibes, insbesondere meiner wund geriebenen Beine, unterging. Was von beiden jetzt der Fall war, ließ sich nicht anhand ihrer Reaktionen ablesen, also beschloss ich einfach für das letzte Stück noch etwas mehr das Tempo anzuziehen, da ich einfach einen Ort erreichen wollte, an dem mir nicht jede Bewegung das Gefühl mitgab, als würde mir die Haut bei lebendigem Leibe abgezogen werden. Gut, das ist überdramatisiert, aber in dem Moment konnte ich mir nicht vorstellen, wie etwas viel schmerzhafter sein sollte, auch wenn ich es eigentlich schon selbst erlebt hatte.
Mein Ausruf bewahrheitete sich, wieder vorausgesetzt, mein Zeitgefühl war noch halbwegs in Takt, was sich allerdings nicht wirklich garantieren ließ. Wir erreichten das Lager und stießen sofort auf ein Begrüßungskomitee. Ich kannte keines der Gesichter, die uns empfingen, aber der Aufstellung nach war der vorne Stehende vermutlich Hauptmann Brigman und die Männer dahinter die Unteroffiziere, die nochmals das Kommando über kleinere Teile der Krieger hatten. Als ich Abstieg, hielt Brigman mir die Hand hin und sagte: „Wir haben nicht damit gerechnet, dass ihr so schnell da wärt. Seid Ihr Roran Hammerfaust?" Ich nickte und fragte: „Und Ihr seid Hauptmann Brigman?" Mit einem Nicken bestätigte er und stellte dann die hinter ihm stehenden vor.
Ich merkte mir quasi keinen einzigen. Wenn ich sie brauchen würde, würde ich entweder auf Namen verzichten oder... weiß ich auch nicht, aber ich war zu müde um aufnahmefähig zu sein. Als er fertig war, sagte er schließlich: „Wir haben seit heute morgen einen Angriff vorbereitet. Wir wollen an der Westmauer mit Leitern versuchen, uns einzuschleusen und gleichzeitig auf der gegenüberliegenden Seite einen Angriff imitieren, um von unserem eigentlichen Plan abzulenken." Wieder verstand ich bestenfalls die Hälfte des Plans und wie man wieso wovon ablenken soll.
Nun stand ich eben vor der Wahl: Sollte ich einfach zustimmen oder damit warten, bis ich einen klaren Kopf haben würde. Ich entschied mich für zweiteres. Ich würde nichts absegnen, was ich nicht verstand, wofür ich aber verantwortlich wäre. „Blast die Aktion ab. Ich werde nichts befürworten, ehe ich eine Nacht Schlaf bekommen habe." Dabei zog ich einmal Nasuadas Schrift aus dem Wams und hielt sie Brigman hin. Dieser ergriff sie mit düsterer Miene und begann mit den Augen darüber zu fliegen. Seine Miene verfinsterte sich dabei weiter.
„Das kann doch nicht Euer Ernst sein. Wir haben den ganzen Tag daran gearbeitet und wir müssen die Stadt in einer Woche eingenommen haben. Das ist unmöglich wenn wir wart..." - „Nichts ist unmöglich und es bleibt bei meinem Wort! Es wird nichts unternommen, ehe ich selbst mit wachen Gedanken beurteilen kann, wie vernünftig es ist. Würdet Ihr uns nun unsere Zelte zeigen?" Das Zähneknirschen des Ex-Hauptmanns war bis zu mir zu hören, als er sagte: „Natürlich, folgt mir!" Ich hörte seiner Stimme an, dass er schon jetzt einen Hass gegen mich hegte. Ob dieser sich Raum schaffen würde, wusste ich nicht, aber solange er seine Befehle befolgte, waren mir seine Meinungen völlig egal.
Das Zelt, welches mir zugewiesen worden war, war für militärische Standards durchaus annehmbar. Das Bett war breit und lang genug um recht bequem darin liegen zu können, daneben stand ein aus Brettern zusammen genagelter Tisch und sogar eine massive Edelholzkommode hatte man mir nicht vorenthalten. Bei letzterer vermutete ich, dass sie bei einem Raubzug gegen einen der nahe liegenden Höfe mitgenommen worden war. Niemand würde einen so schweren Gegenstand auf einer so langen Reise mitnehmen.
Ich nahm mir vor, genauere Details wie zum Beispiel den Inhalt der Fächer der Kommode am nächsten Morgen zu durchsuchen, da ich jetzt sowieso nicht mehr aufnahmefähig war. Als ich kaum eine Minute später im Bett lag, schlief ich nicht so schnell ein, wie man es bei meiner Müdigkeit erwarten würde. Meine aufgescheuerten Beine waren in den letzten Tagen Ritt sicher nicht besser geworden. Es schmerzte schon so wie Branntwein in einer Wunde, wenn ich nur so still da lag, doch sobald ich mich auch nur ein winziges bisschen bewegte, wäre Essig eine Wonne im Vergleich zu der Qual, die mich dann durchzuckte. Irgendwann gewann meine Müdigkeit trotzdem die Oberhand und ich fiel in einen unruhigen Schlaf.
Ich sah einzelne Bilder. Einen Kanal, eine Mühle, ein langes Boot oder so ähnlich, aus einem Eingang aufsteigende Rauchschwaden, Feuer, verbrannte Leichen und ein riesiges Metallgitter vor einem halb morschen Tor, welches immer schneller auf mich zu raste. In dem Moment, wo ich daran zerschellen würde, fuhr ich fast sofort senkrecht im Bett hoch. Normalerweise ist das in Legenden eine groteske Übertreibung, in meinem Fall waren es jedoch Überlebensreflexe, die jeden Muskel sofort in Anspannung oder Bereitschaft setzte. Einen Augenblick später sank ich auch schon wieder zurück auf das Feldbett. Ich blickte mich nochmal um. Das eindeutigste war die Helligkeit. Klar, mein Zelt war weiß, aber trotzdem sah es im Inneren Gerade fast so hell aus wie zur höchsten Mittagsstunde auf unserem Ritt.
Entweder spielten meine Augen mir einen Streich oder ich hatte wirklich bis Mittags durch geschlafen. Ich verließ mein Zelt nur einige Augenblicke später und musste feststellen, dass die Sonne tatsächlich fast am Zenit stand, wenn meine Erfahrung auf den Feldern in Carvahall auch hier anwendbar war.
Es war zwar schon viel Zeit verstrichen, doch ich fühlte mich zum ersten Mal... seitdem wir los geritten waren, wirklich erholt. Meine Sicht wurde auch nicht mehr, wie am Vorabend, immer wieder kurz verschwommen, was für mich ebenfalls als gut zu werten war. Mit dieser relativen Klarheit als Ansporn, ging ich zum Rand des Lagers und sah auf die Stadt. Erst jetzt wurde mir klar, wie unmöglich diese Aufgabe war. Die Mauern waren aus Granit und so glatt, als hätte man sie in eine Form gegossen. Das bedeutete, wir könnten sie wohl kaum erklimmen und es gab auch keine Schwachstellen, an denen wir sie vielleicht brüchig machen könnten.
Die Tore waren allesamt mit einem matt silbern glänzendem Metall, welches ich aus der Entfernung für Stahl hielt, beschlagen und noch davor befand sich ein Fallgitter, welches ebenfalls nicht gerade porös aussah. Das einzig weitere interessante Detail in der Umgebung, welches mir vorher nicht so klar gewesen war, vielleicht hatte mich ja mein Traum darauf gelenkt, war ein dünner Kanal, welcher zu einer Art mehrstufigen Staudamm führte. Brigman mochte zwar nicht in der Lage gewesen sein, die Stadt einzunehmen, aber man musste sagen, bei dem Lager, welches unter seiner Führung entstanden war, ließ sich kaum etwas bemängeln. Man hatte einen hervorragenden Überblick.
Wo man vom Teufel spricht, genannter stand gerade keine hundert Fuß von mir entfernt und sah in ähnliche Richtungen. Ich lief zu ihm herüber, um mir einen Lagebericht geben zu lassen. Passend dazu, standen auch die beiden wichtigsten Offiziere unter seinem Befehl quasi direkt hinter ihm und so machte ich keine langen Umschweife sondern informierte ihn, dass ich wach war und nun wissen wollte, wie es um uns stände.
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3128 Wörter
Vielen Dank fürs Lesen. Ich hoffe, es hat euch gefallen. Unabhängig davon freue ich mich über jeden Vorschlag zur Verbesserung.
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