4. Dezember - Date Special an Tisch 17
Regulus öffnete seinen Mantel, sobald er die Drei Besen betreten hatte. Darunter trug er einen dunkelgrünen Pullover, von dem er wusste, dass er ihm hervorragend stand. Gern hätte er den Saum seiner Hose getrocknet, der auf dem Weg ins Dorf nass geworden war, aber blöderweise stand sein 17. Geburtstag noch aus. Er warf einen kurzen Blick in Richtung des Kamins. Davor hatte Madam Rosmerta einen kleinen Teppich gelegt, auf dem ein Trocknungszauber lag - wenige Sekunden auf ihm trockneten sämtliche nasse Kleidung. Die Idee fand allerdings bei den zumeist minderjährigen Schülern großen Anklang und davor hatte sich eine Schlange gebildet, die dafür sorgte, dass der Teil der Gaststube noch voller war als der Rest.
Regulus seufzte und beschloss, sich einfach damit abzufinden, dass seine Hose an den Enden ein wenig feucht war. Statt sich ins Gedränge zu stürzen, zog er seine Taschenuhr heraus. Es war exakt 15 Uhr, er war pünktlich, wie es sich für den Erben des Hauses Black gehörte. Sein Blick streifte über die Tische, an denen zahlreiche Schüler saßen, sich unterhielten und Butterbier tranken. Er entdeckte Alissa und Eloise an einem Tisch mit zwei anderen Freundinnen, an einem anderen Remus Lupin und den anderen Freund, der immer mit seinem Bruder und James Potter zusammensteckte, mit Marlene McKinnon und zwei weiteren Mädchen. Von Lily Evans war keine Spur.
Er zog den kleinen Zettel hervor, den sie ihm beim Frühstück hatte zukommen lassen. Dabei hatte sie in sich hineingekichert, wie eine Drittklässlerin.
Dein Date freut sich schon sehr auf heute Nachmittag! Nicht vergessen, es trägt eine rote Weihnachtsmannmütze und erwartet, dass du das auch tust! ~ Lily
Er verdrehte die Augen. Selbstverständlich hatte er kein wirkliches romantisches Interesse an Lily Evans. Nicht bevor er diese Wette mit den anderen gemacht hatte und ganz sicher auch nicht danach. Er wollte etwas beweisen. Er wollte zeigen, dass Lily Evans umworben werden konnte! Sie würde von ihm umgarnt, bis sie sich ein bisschen in ihn verliebt hatte, er würde sie am Weihnachtstag küssen und fragen, ob sie seine Freundin sein wollte. Dann würde er seine Wette gewonnen haben und ihr irgendwann nach Silvester mitteilen, dass es zwischen ihnen wohl doch nicht klappen würde und wie leid ihm das täte.
Machte ihn das zu einem Arsch? Vielleicht ein bisschen. Mit anderer Leute Gefühlen zu spielen zeichnete sicherlich keinen edlen Menschen aus. Aber wer hatte je behauptet, dass er das war? Niemand, so sah es aus.
Regulus wusste sehr genau, dass er kein Interesse an Mädchen hatte. Er wusste, dass er ihnen nicht auf den Hintern schaute, wenn sie Quidditch spielten und dass er sich nicht vor Aufregung in die Hose machen würde, wenn Alissa ihm anbieten würde, dass er ihre Brüste anfassen darf. Was er jedoch wusste, war, wessen Hintern er beim Quidditch stattdessen ansah und er war logisch genug veranlagt, um zu wissen, was das bedeutete.
Aber was wollte er tun? Er war der Erbe des Hauses Black und er war stolz darauf. Selbstverständlich würde er die Blutlinie fortführen. Er würde sich in den richtigen Kreisen bewegen, die richtigen Dinge sagen und tun und natürlich irgendwann eine Frau mit entsprechendem Status heiraten, wie es erwartet wurde. War es das, was er täte, wenn er komplett freie Wahl hätte? Vermutlich nicht. Aber er hatte keine freie Wahl. Seine Optionen waren, den Schein zu wahren oder Sirius als Brandloch auf dem Teppich Gesellschaft zu leisten. Und während er die Entscheidung seines Bruders nachvollziehen konnte, war das definitiv nichts, was er für sich selbst wollte. Er war gerne ein Black. Er stimmte seinen Eltern in ihren wesentlichen Meinungen zu, und alle anderen Dinge konnte er besser ändern, wenn er die Macht hatte, die er haben würde, wenn er blieb.
Wenn die einzige Sache, die er tun musste, um diese Zukunft für sich zu gewährleisten, eine kleine Lüge darüber war, was er wollte, dann war das eben so. Sicherlich war es nicht schwer, irgendwann eine Frau zu finden, die diskret genug war, ihm in dieser Hinsicht zu helfen. Bis dahin musste er nur sein Image aufrecht erhalten. Er war sechzehn Jahre alt, vermutlich war es ohnehin an der Zeit, dass er anfing, zu daten.
Bis gestern war Lily Evans ihm dafür nicht als schlechte Kandidatin vorgekommen. Sie war freundlich, klug, von dem was er hörte, selbstbewusst und er nahm an, dass es weniger attraktive Mädchen gab.
Nach ihrem Verhalten gestern in der Bibliothek und heute Morgen, hatte er daran ein wenig zu zweifeln begonnen. Aber gut, er würde sehen, wie es laufen würde. Wenn sie doch eine anstrengendere Person war, als er angenommen hatte, dann war es am Ende nur ein Monat.
Ihm fiel auf, dass er einige Minuten still in der Mitte des Raumes gestanden hatte. Jetzt steckte er die Notiz von Evans wieder weg und zog stattdessen die Mütze hervor, die er vorhin aus einem seiner Spitzhüte gezaubert hatte. Er setzte sie sich mit einem Seufzen auf (was tat er hier eigentlich?) und sah sich genervt noch einmal um. Wie oft hatte sie darauf bestanden, pünktlich zu sein? Jetzt war von ihr keine Spur. Er drehte sich einmal um sich selbst, in der Hoffnung, irgendwo ihre roten Locken oder eine Weihnachtsmannmütze...da! Er ging zwei Schritte in die entsprechende Richtung. Blieb dann wieder stehen. Am Tisch saß nicht Lily Evans, sondern James Potter. Er verdrehte die Augen und suchte weiter.
Jemand rempelte ihn von hinten an, aber als er sich umdrehte, konnte er niemanden sehen. Er konnte nicht anders, als einen genervter Seufzer auszustoßen. Großartig, wirklich großartig.
Mangels Alternativen fischte er noch einmal nach dem Stück Pergament. Überrascht zog er eine Augenbraue hoch, als eine weitere Nachricht darunter erschien.
Dein Date wartete mit einer Weihnachtsmannmütze an Tisch 17. Worauf wartest du noch?
PS: Ein Mädchen ist kein Preis, den man gewinnt. Viel Spaß euch beiden, ihr habt sicher viel gemeinsam!
Eine steile Falte erschien auf Regulus' Stirn als er mit den Augen die kleinen Tischkärtchen scannte, um Tisch 17 zu finden.
Unterbewusst hatte er es schon geahnt, aber er hatte gehofft, falsch zu liegen. Leider traf sein Blick tatsächlich auf den von Potter, der mehr als nur verwirrt aussah. Auch er hatte einen kleinen Zettel in der Hand.
Mit einem tiefen Seufzen schritt Regulus auf ihn zu. Im Gehen zog er sich die dämliche Mütze vom Kopf und pfefferte sie auf den Tisch, als er sich Potter gegenüber auf den Stuhl fallen ließ.
"Lass mich raten, du hast 15:00 Uhr ein Date mit Lily Evans und sie hat dir gesagt, dass ihr beide Weihnachtsmannmützen tragen sollt", knurrte er. Potter musterte ihn abschätzig.
"Was interessiert dich das?", fragte er. Regulus schob ihm den Zettel hinüber.
"Weil ich im selben Boot sitze."
Potters Augen scannten die Notiz, dann sah er angesäuert zu Regulus hoch.
"Seit wann hast du Interesse an ihr?", fragte er spitz. Regulus zuckte mit den Schultern.
"Seit vorgestern", erklärte er. "Aber welche Rolle spielt Zeit, wenn es um die Liebe geht, nicht wahr?"
Potter stieß einen ungläubigen Laut aus. Dann lehnte er sich nach vorne über den Tisch und senkte seine Stimme:
"Ich weiß nicht, welches Spiel du hier spielst", drohte er, "aber ich werde nicht zulassen, dass du -"
"Ich", unterbrach Regulus ihn kühl, "spiele hier gar kein Spiel. Die einzige, die ein Spiel spielt, ist Miss Evans und so wie es aussieht, hat sie gegen uns beide gewonnen." Er musterte Potter von oben herab. "Sie hat uns reingelegt." Er konnte nicht anders, als ein wenig zu grinsen, denn das war schon wesentlich interessanter als die Teddyaugen von gestern es je sein konnten. Lily Evans hatte ihn eiskalt abserviert. Er konnte nicht abstreiten, dass sie in seiner Achtung mächtig gestiegen war. Vielleicht, überlegte er sich, fand er es sogar ein bisschen attraktiv.
James verzog schlecht gelaunt das Gesicht, dann griff er nach seinem Mantel.
"Nun, ich werde nicht mit dir hier sitzen", erklärte er hochmütig und erhob sich.
Genau in dem Moment kam Madam Rosmerta an den Tisch, auf ihrem Tablett zwei Butterbiere und zwei Sandwiches.
"Ein Date Special für Tisch 17", erklärte sie strahlend - und lauter als es streng genommen nötig gewesen wäre. Regulus sah überrascht zu ihr hoch.
"Wir haben nichts bestellt", erklärte er höflich. Ihr Grinsen wurde noch breiter.
"Ich weiß", erklärte sie und stellte die Getränke und Snacks seelenruhig vor ihnen ab. "Ist schon bezahlt."
Sie zwinkerte und drehte sich um.
Regulus musste schmunzeln und streifte jetzt doch seinen Schal ab, bevor er eines der Sandwiches zu sich zog. Potter sah ihn ungläubig an.
"Was machst du?", fragte er. Regulus nahm das Sandwich in die Hand.
"Evans hat uns auflaufen lassen, lächerlich gemacht und dafür gesorgt, dass uns gerade vor dem versammelten Gasthaus ein Date Special serviert wurde", erklärte er. "Das Mindeste, was ich aus der Sache rausholen kann, ist ein Sandwich und Butterbier auf ihre Kosten."
Potter kniff die Augen wieder zusammen, dann ließ er sich langsam wieder auf seinen Stuhl gleiten und schnappte sich das andere Sandwich.
"Also, warum hast du beschlossen, sie ausgerechnet jetzt auf ein Date zu fragen?", wollte er schlecht gelaunt wissen. Regulus zuckte mit den Schultern.
"Weihnachtszeit ist die Zeit im Jahr, in der alle gut gelaunt und offen für Beziehungen sind. Wenn ich eine Chance habe, dann jetzt, oder?"
Potter starrte ihn kurz an.
"Lustig", sagte er und klang ganz und gar nicht so, als würde er es lustig finden. "Das gleiche hab ich mir auch gedacht."
Regulus zuckte mit den Schultern.
"Na dann", sagte er leichtherzig, "machen wir eine direkte Konkurrenz draus. Wir beide wollen Evans, aktuell will sie ganz offensichtlich keinen von uns. Wäre doch gelacht, wenn wir das nicht bis Weihnachten ändern könnten, was?"
Potters Augen weiteten sich ein wenig.
"Meinetwegen", stimmte er dann zu. "Möge der bessere Mann gewinnen!"
Ich fand es wirklich süß, wie viele von euch gestern dachten, dass sich die beiden einen netten Nachmittag miteinander machen würden, ganz als wären sie keine Idioten, die noch viel zu tief mit den Köpfen in ihren Vorurteilen stecken...
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