Der letzte, von dem Regulus gerechnet hätte, dass er auf ihn warten würde, als er vom Besen stieg, war Sirius. Das Team war bis auf ihn längst im Zug nach London, aber er hatte dem Gemeinschaftsraum und damit Snape entfliehen wollen. Und jetzt stand da sein Bruder, tief in seinen roten Gryffindor-Schal vergraben, die Hände in den Taschen und auf dem Kopf eine heillos alberne Mütze mit einem Rentiergeweih aus Filz darauf, bei dem ihre Mutter vermutlich in Ohnmacht gefallen wäre.
"Schicke Mütze", brummte er. Sirius grinste.
"Schicke Schlammflecken", gab er zurück und deutete auf Regulus' Trainingsklamotten, die durch den Matsch des Feldes, nachdem über Nacht der Schnee geschmolzen war, wirklich mehr braun als grün waren. Er verdrehte die Augen.
"Was willst du?", fragte er etwas ruppig. Er war immer noch ein bisschen sauer auf Sirius, auch wenn ihm immer noch nicht so ganz klar war, wo dieses Gefühl herkam.
"Fragen, was du dir zu Weihnachten wünschst", gab Sirius sarkastisch zurück. Regulus musterte ihn zweifelnd, dann stapfte er wieder los in Richtung der Umkleidekabinen und vor allem der Duschen. Sirius schloss schnell zu seiner Seite auf.
"Wir schenken uns nichts", erinnerte Regulus seinen Bruder. "Eigentlich reden wir nicht einmal miteinander. Also warum bist du hier?"
Sirius zuckte etwas ratlos mit den Schultern.
"Ist es so abwegig, dass ich drei Tage vor Weihnachten beschließe, meinen Bruder zu fragen, wie es ihm so geht?", fragte er, beinahe entschuldigend. Regulus kniff die Augen zusammen.
"Ja!", antwortete er. "Weil wir nicht miteinander reden! Weil wir anscheinend irgendwann beschlossen haben, dass wir kein Interesse am Leben des anderen haben!" Ihm war nicht bewusst gewesen, wie viel sich an dieser Stelle in ihm aufgestaut hatte und so überraschte es ihn fast selbst ein wenig, als er beinahe anklagend sagte: "Wieso hab ich das Gefühl, dass ich dich kaum noch kenne? Wieso muss ich den Klatsch und Tratsch von Hogwarts durchfiltern, um rauszufinden, was in deinem Leben passiert? Wieso hab ich nur durch Zufall und ausgerechnet von James erfahren, dass du mit Remus Lupin zusammen bist?!"
Sirius blieb überrascht stehen und musterte ihn, beinahe entschuldigend.
"Reg...wie du gesagt hast", sagte er etwas unsicher, "wir reden nicht viel miteinander." Er schluckte sichtbar. "Ich hab mich gegen die Familie gestellt, ich dachte, du interessierst dich nicht dafür."
Und auf einmal klickte es in Regulus' Kopf und das, was ihn seit einer Woche störte, und wo er den Finger nicht drauf legen hatte können, war auf einmal sichtbar:
"Aber das ist was anderes!", rief er. "Ich weiß, du bist der Rebell und ich weiß, du machst immer das Gegenteil von dem, was Mutter und Vater wollen, aber du..." Er zögerte, atmete ein und für einen kurzen Schreckmoment dachte er, er würde anfangen zu weinen. "...du bist mit Remus zusammen! Und ich...und ich hätte...wenn ich gewusst hätte..." Er schluckte, schluckte, schluckte noch einmal gegen die Tränen an, aber es half nichts.
Sirius schwieg. Dann zog er Regulus vorsichtig in eine Umarmung.
Es war ein bisschen, wie nach einer langen Reise nach Hause zu kommen. Sirius war immer noch etwas größer als er und Regulus passte perfekt zwischen seine Arme. Eine Welle der Vertrautheit überrollte ihn. Sirius roch immer noch wie Sirius und gleichzeitig vollkommen anders, nach Zigaretten und dem klammen Stoff seines Mantels und Regulus vergrub sein Gesicht in seinem Schal, vollkommen gleichgültig, was passieren würde, sollte sie jetzt jemand sehen.
"Es ist ok, Reg", sagte Sirius leise direkt neben seinem Ohr. "Was auch immer du gerade denkst, es ist ok."
"Ich wollte immer nur das sein, was ihnen gefällt", wisperte Regulus, so leise, dass er beinahe vermutete, dass Sirius es nicht gehört hatte. Aber er zog ihn noch ein wenig enger an sich.
"Ich weiß", murmelte er. "Und es tut mir leid, dass ich einfach gegangen bin und ihre ganzen Erwartungen auf dich fallen gelassen habe."
Regulus zog die Nase hoch, dann lehnte er sich ein Stück von seinem Bruder weg, um ihm wieder ins Gesicht schauen zu können.
"Ich wünschte, ich wäre rebellisch genug, um einfach das gleiche machen zu können", gab er zu. "Dann könnte ich machen, was ich will. Mögen, wen ich will." Er schluckte.
Sirius musterte ihn.
"Es ist James, oder?", fragte er dann leise. "Du magst James."
Regulus' Augen weiteten sich alarmiert.
"Nein, auf gar keinen Fall", stritt er schnell alles ab. "Das wäre ja...er mag Lily, alle wissen das!"
"Er mochte Lily", unterbrach Sirius ihn. Dann grinste er ein wenig. "Aber ich weiß aus recht sicherer Quelle, dass er vor zwei Tagen ziemliche Panik geschoben hat und das klang sehr, als hätte Lily Konkurrenz bekommen." Er sah Regulus bedeutungsvoll an. "Männliche Konkurrenz."
Regulus klappte tatsächlich ein wenig der Mund auf. Er blinzelte und versuchte, herauszufinden, ob Sirius ihm tatsächlich das mitteilen wollte, was er glaubte.
"Du meinst...", begann er vorsichtig. "Du meinst, ich könnte tatsächlich eine Chance haben?" Er sah Sirius misstrauisch an. "Wäre das nicht merkwürdig? Er ist immerhin dein bester Freund..."
Sirius musste lachen und machte eine wegwischende Handbewegung.
"Unsinn", meinte er, "ich date Remus, wenn unsere Dynamik das aushält, dann schaffen wir euch beide auch." Er hob warnend den Zeigefinger. "Aber sei gewarnt, wenn ihr euch trennt, weil einer von euch ein Arsch ist, werde ich mich auf die nicht-Arsch-Seite stellen, egal mit wem von euch ich nun blutsverwandt bin!"
Regulus sah ihn ungläubig an.
"Also...meinst du wirklich, das könnte klappen?"
Sirius verdrehte die Augen.
"James' Lieblingsblumen sind Seerosen", sagte er nur. Regulus sah ihn skeptisch an. Sirius schmunzelte. "Ja, so hab ich auch geschaut."
Für einen Moment musste Regulus grinsen. Dann fiel sein Gesicht wieder etwas in sich zusammen.
"Ich will nicht so sein, wie du", sagte er leise.
Sirius sah ihn überrascht an, aber zu Regulus' Erleichterung wirkte er nicht verletzt.
"Na ein Glück", sagte er trocken. "Du bist auch definitiv nicht großartig genug, um wie ich zu sein." Regulus seufzte tief und Sirius' Miene wurde wieder ernst. "Nein, ganz im Ernst. Du musst nicht sein, wie ich." Er zögerte. "Aber willst du nicht glücklich werden?"
Regulus verschränkte die Arme, trat einen Schritt von ihm weg und setzte sich dann wieder in Bewegung. Sirius tat es ihm gleich.
"Ich bin glücklich", erklärte Regulus, beinahe ein bisschen trotzig. "Ich finde es gut, wie es ist. Wenn hetero zu spielen der Preis ist, den ich zahlen muss, dann ist das ok für mich!"
Sirius wirkte für einen Moment, als hätte Regulus ihm gerade nicht geringe Schmerzen zugefügt.
"Warum hängst du so an ihnen?", fragte er dann leise. Regulus zuckte mit den Schultern.
"Sie sind unsere Familie."
"Sie tun dir weh."
"Aber ich liebe sie trotzdem!" Regulus drehte sich ruckartig zu Sirius um, der die Lippen zusammengepresst hatte.
"Ich weiß." Er zögerte. "Aber du bist nicht derjenige, der sie aus deinem Leben schließen würde." Er schluckte. "Ich war nicht derjenige, der sie aus meinem Leben geschlossen hat. Ich habe meine eigenen Entscheidungen getroffen und sie waren diejenigen, die mich enterbt haben. Sie haben mich nicht mehr ihr Kind genannt, lange bevor ich sie nicht mehr meine Eltern nennen wollte." Er griff nach Regulus' Arm. "Reg, ich wollte nicht gehen. Ich wollte, dass sie mich so akzeptieren, wie ich bin. Sie konnten das nicht, also hab ich mich selbst gerettet, bevor sie mich kaputt machen konnten. Aber dass wir gar keinen Kontakt mehr haben, das geht auf ihre Kappe, nicht auf meine. Und wenn du gehen würdest und sie dich auch aus dem dämlichen Teppich brennen, dann wäre das ihre Schuld und nicht deine."
Regulus sah ihn stumm an, während er zum ersten Mal begriff, wie schwer es für Sirius gewesen sein musste, mit sechzehn seine Sachen zu packen und zu gehen. Dass es keine leichtfertige Entscheidung gewesen war. Dass es keine spontane Entscheidung gewesen war. Dass Regulus nicht der einzige war, der ihre Eltern nicht hassen wollte, aber nicht lieben konnte.
"Wenn ich gehe, haben sie keinen Erben." Es war ein Fakt. Regulus wusste selbst nicht, was genau er damit sagen wollte. Sirius zuckte mit den Schultern.
"Na und?", fragte er. "Lass sie den ganzen Kram an Bella oder Zissy geben! Erzähl mir nicht, dass du an dem Haus oder den ganzen gruseligen Sachen darin hängst. Onkel Alphard hat uns mehr als genug hinterlassen, was willst du mit ihrem Geld?"
Regulus lachte freudlos.
"Gutes tun", sagte er schnippisch. "Sirius, stell dir vor, wie viele gute Dinge man damit tun könnte!"
Sirius seufzte.
"Reg, du kannst auch so Gutes tun", erinnerte er ihn. "Willst du wirklich reich sein und alles tun, um Mutter zu gefallen? Heiraten, sobald du alt genug bist? Den Namen Black weitertragen, um jeden Preis?"
"Ich -"
"Oder", Sirius ließ ihn gar nicht zu Wort kommen, "willst du machen, was du selbst willst, heiraten, wen du selbst willst, glücklich werden..."
"Ich weiß es nicht!", unterbrach Regulus ihn ungehalten. "Ich bin sechzehn", ergänzte er etwas kläglich. "Ich will nicht...ich will nicht wegen einem kleinen Anflug von Verliebtheit eine Entscheidung treffen, die mein gesamtes Leben beeinflusst und die ich nie zurücknehmen kann."
Sirius' Gesichtsausdruck wurde weicher.
"Musst du ja auch nicht", sagte er versöhnlicher. "Schau mich an, es hat fünf Jahre Rebellion und eine Flucht meinerseits gebraucht, bis sie mich aktiv aus der Familie geworfen haben. Und da hatten sie noch dich als ihren Backup-Sohn." Er sah Regulus beruhigend an. "Sie werden dich nicht enterben, nur weil du jetzt einen Jungen küsst. Wenn du in zwei Jahren beschließt, doch deinen Weg zu gehen, dann kannst du Vater in die Augen schauen, sagen, dass es alles eine Phase war." Er seufzte. "Und weil James zwar ein Junge ist, aber immerhin reinblütig, werden sie so tun, als wäre es nie passiert."
Regulus dachte darüber nach. Er kannte seine Eltern und Sirius hatte recht. Vater würde liebend gerne alles, was er jetzt tat, später darauf schieben, dass er jung und dumm gewesen war, wenn es bedeutete, dass er seinen perfekten Erben des Hauses Black behielt.
"Und wenn nicht?", fragte Regulus leise. "Wenn ich in zwei Jahren nicht sagen will, dass es eine Phase war?"
Ein winziges Lächeln stahl sich auf Sirius Gesicht, als er ihm brüderlich gegen den Arm knuffte.
"Dann bin ich immer noch da", erinnerte er ihn. "Dann ist James immer noch da. Dann ist Andromeda immer noch da." Er zog ihn in eine einarmige Umarmung und schob ihn dann wieder los in Richtung des Schlosses. "Du bist nicht alleine."
Als jemand, der das große Glück hatte, in einer anständigen Familie aufzuwachsen, habe ich mir alle Mühe gegeben, die Situation der beiden zu beschreiben und mich hineinzuversetzen. Wenn jemand bei der Lotterie des Lebens tief genug ins Klo gegriffen hat, um auch nur ansatzweise nachzuvollziehen, wie sich Sirius und Reg fühlen, dann tut es mir wirklich, wirklich leid und bitte holt euch Hilfe, sie ist da draußen.
Wenn ihr hier Fehler findet und ok damit seid, darüber zu reden, könnt ihr natürlich auch gerne bescheid sagen.
An dieser Stelle also ein bisschen drückender kurz vor Weihnachten, aber morgen gibt es dann endlich das lange überfällige Gespräch zwischen Lily und James und am Samstag dad große Finale, das wirklich kitschiger geworden ist als ich mir zu jedem anderen Zeitpunkt im Jahr erlaubt hätte...
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