17. Dezember - Es wird knapp
James hatte es wirklich nicht darauf angelegt, Regulus gleich am nächsten Tag noch einmal zu treffen. Ganz ehrlich. Eigentlich wollte er einfach nur seine Ruhe haben und planen, wie er Lily innerhalb der nächsten Woche doch noch auf ein Date einladen konnte.
Es war ihm nicht entgangen, dass er in letzter Zeit auffällig wenig über das Mädchen nachgedacht hatte, das seine Gedanken die letzten Jahre sonst Tag und Nacht begleitet hatte. Vielleicht lag es daran, dass seine Verliebtheit sich verändert hatte, dadurch dass Lily plötzlich keine abstrakte Gestalt mehr war, sondern eine Person, die tatsächlich mit ihm redete, gelegentlich über seine Witze lachte und Schokobonbons von ihm annahm.
Irgendwie hatte er immer gedacht, dass eine solche Interaktion mit ihr dazu führen würde, dass er noch aufgeregter, nervöser, verliebter würde und sich noch mehr wünschen würde, sie zu küssen und ihre Hand zu halten.
Also warum war es jetzt so anders? Warum war sein Verlangen danach, Zeit mit ihr zu verbringen, immer noch da, aber nicht ungeduldig und nervös, sondern ruhig und zufrieden?
Seine ganzen Unsicherheiten führten ja allerdings doch nirgendwo hin. Er war seinem Ziel, Lily auf ein Date zu bitten, so nah wie nie zuvor. Alle seine Ichs aus den vergangenen drei Jahren feuerten ihn an, sich diese Gelegenheit nicht durch die Lappen gehen zu lassen. Mal abgesehen davon, dass er drei Wetten gewinnen konnte, wenn sie tatsächlich ja sagte, auch wenn er sich inzwischen schäbig vorkam, diesen Gedanken zu formulieren.
Was er brauchte, war ein Plan. Ein guter Plan. Kein Tanz oder Lied, nichts Öffentliches, keine Show oder etwas, was Lily als aufmerksamkeitsheischend sehen würde. Etwas Ehrliches, etwas, was zeigte, dass er verstanden hatte, was sie ihm die gesamten letzten Jahre hatte sagen wollen. Ein letzter Versuch, mit dem Angebot, für immer aufzuhören. Eine Entschuldigung, die längst überfällig war.
"Ich habe verstanden, dass ich Mist gebaut habe", begann er vorsichtig, probehalber. "Von daher schulde ich dir zu aller erst eine richtige Entschuldigung." Er unterbrach sich selbst. "Nein, ich schulde dir eine Entschuldigung ist bescheuert." Er räusperte sich. "Du verdienst eine Entschuldigung." Er nickte, ja, das war gut. Sollte er sich das aufschreiben? Er klopfte an seinem Umhang herunter, aber er hatte nichts zum schreiben dabei. Dann so. "Lily, so wie ich mich dir gegenüber verhalten habe, verdienst du weit mehr als das. Du verdienst es, nie wieder mit mir reden zu müssen. Und ich ärgere mich über mich selbst, dass ich das nicht früher verstanden habe. Ich..." Er hielt inne, als er Schritte auf der Treppe unter sich hörte. Dann ging die Falltür zur Eulerei, in die er sich zurückgezogen hatte, auf und jemand steckte den Kopf hindurch. James kniff die Augen zusammen, als er Regulus erkannte, der ihn neugierig über den Rand des Bodens musterte.
"Gestehst du gerade deine unsterbliche Liebe gegenüber einer Eule?", fragte er. James wurde rot.
"Nein", sagte er schnell und wandte den Blick wieder dem großen Uhu vor sich zu, der ihn zweifelnd ansah, als hätte er nicht die letzte halbe Stunde gnädig James' Entschuldigungsversuchen gelauscht.
"Ich wollte nur einen Brief abschicken", erklärte Regulus amüsiert, während er sich die Leiter hochzog, dann mit herunterbaumelnden Beinen am Rand sitzen blieb und ihn angrinste. "Gibt es einen Grund, warum du deine tragische Entschuldigung ausgerechnet hier übst?"
James zuckte mit den Schultern.
"Es ist ruhig und man wird nicht gestört", erklärte er etwas patzig. "Und es ist warm, damit die Eulen nicht im Winter nach Süden verschwinden. Win-win." Er deutete auf die immer noch offene Falltür. "Jetzt mach die zu, bevor die ganze Kälte aus dem Turm hier hoch zieht."
Regulus zog seine Beine aus der Lücke und ließ dann die Klappe zufallen.
"Was genau probst du da eigentlich?", fragte er, während er einer der Schuleulen sanft über den Kopf strich, die leise gurrte und dann ihr Bein ausstreckte, sodass er seinen Brief daran binden konnte.
"Meinen letzten Versuch, Lily auf ein Date zu fragen", erklärte James ruhig. Regulus sah ihn etwas zweifelnd an.
"Deinen letzten?", fragte er skeptisch. "Es ist noch eine ganze Woche und du willst nur noch einen Versuch machen?"
James verschränkte die Arme.
"Ich werde nur den einen brauchen", meinte er großspurig. Eigentlich war das nicht seine Absicht dahinter. Natürlich machte er sich noch Hoffnungen, dass Lily nach einer ernsthaften Entschuldigung und dem Beweis, dass er sein Verhalten ändern konnte, doch noch auf ein Date mit ihm gehen würde. Aber das war nicht der primäre Grund, warum er das hier tun wollte. Es war keine Masche, um doch noch das zu bekommen, was er wollte. Es war ein Abschluss für drei Jahre fehlerhaftes Verhalten. Und ihm war bewusst, dass seine Chancen, positiv dabei weg zu kommen, winzig klein waren.
Aber das würde er Regulus ja nicht auf die Nase binden. Nur weil er selbst nicht mehr vollkommen enthusiastisch war, was das Date anging, wollte er noch lange nicht, dass Regulus seines einfach so bekam. Wenn er ein Date mit Lily wollte, dann würde er schon selbst dafür arbeiten müssen und James würde ihn nicht auf seinem eigenen Misserfolg zum Sieg tragen.
"Mein Plan ist wasserdicht", behauptete er also. "Wetten?"
Regulus trat ans Fenster und sah zu, wie die Eule durch den magischen Schutzschild, der die Wärme im Turm hielt, hindurch flog und verschwand, dann drehte er sich mit einem amüsierten Gesichtsausdruck zu ihm um.
"Beweise es", erklärte er und verschränkte die Arme. "Das will ich sehen." Er grinste. "Ich muss ja wissen, was ich nicht tun sollte und du eignest dich hervorragend als Negativbeispiel."
James widerstand dem Drang, ihm die Zunge herauszustrecken, als wären sie zehn Jahre alt. Dann stand er auf und stellte sich in die Mitte des kleinen Raumes. Er fokussierte sich auf Regulus und versuchte, die zahlreichen Eulen auszublenden, die auf Absätzen, Balken und Stangen über ihnen und um sie herum saßen, zumeist schliefen oder wenig begeistert aussahen, dass sich James und Regulus ausgerechnet diesen Ort für ihr Treffen ausgesucht hatten.
"Also, als erstes werde ich mich entschuldigen", erklärte er. "Weil ich ein anständiger Mensch bin und verstanden habe, dass ich sie in den letzten Jahren belästigt habe und dass das nicht in Ordnung war."
Regulus nickte überspitzt beeindruckt.
"Wow", sagte er. "James Potter begreift, dass er Mist gebaut hat. Dass Hogwarts diesen Tag noch erleben darf."
"Halt die Klappe", brummte James. "Ich werde sie fragen, was ich tun kann, um es wieder gut zu machen -"
"- und sie wird sagen 'Das beste ist, du lässt mich einfach in Frieden'", unterbrach Regulus ihn. "Ein wahrer Masterplan auf dem Weg zum dramatischen Kuss."
"Warum bist du so gemein?", fragte James, etwas verletzt. "Ich weiß, dass mein Verhalten in den letzten Jahren nicht toll war, aber wenn ich das mal so sagen darf, deins war auch nicht besser."
Regulus zuckte mit den Schultern.
"Immerhin hab ich nicht über drei Jahre ein Mädchen angegraben", erklärte er.
"Immerhin bin ich nicht kurz davor, mich den Todessern anzuschließen", schoss James sofort zurück. Wenn Regulus ernsthaft dachte, dass er Moralapostel spielen konnte, dann hatte er sich geschnitten.
Er wusste gar nicht so genau, woher seine plötzliche Wut auf den anderen Jungen kam. Aber wenn er an Regulus dachte, oder noch schlimmer, ihm gegenüber stand, so wie jetzt, dann war es, als wäre da ein Schalter in ihm umgelegt. Er konnte nicht definieren, was in ihm passierte, hatte keine Ahnung, was es bedeutete, aber jetzt gerade in diesem Moment, verlief der einzige Weg, es zu verarbeiten, über Vorwürfe und patzige Antworten.
Regulus schien es ähnlich zu gehen. Er trat mit erhobenem Finger einen Schritt auf James zu.
"Immerhin hab ich mich nicht vor der ganzen Schule lächerlich gemacht!"
James tat es ihm gleich.
"Immerhin habe ich tatsächliche Freunde und die Leute, mit denen ich mich umgebe, sind nicht allesamt Ekel!"
"Immerhin bin ich nicht so verzweifelt nach Bestätigung von außen, dass ich meine gesamte Persönlichkeit darauf ausrichte, was andere über mich denken!"
"Immerhin bin ich kein homophober Widerling, der angeekelt wegläuft, wenn er erfährt, dass sein Bruder mit einem Jungen zusammen ist!"
Sie standen jetzt so nah beieinander, dass James spüren konnte, wie sich alle Muskeln in Regulus' Körper anspannten und etwas in seinem Gesicht verdunkelte sich.
"Du hast keine Ahnung, wer ich bin", sagte er leise. James blinzelte überrascht. Er hatte damit gerechnet, dass es klingen würde, als würde Regulus reines Basiliskengift direkt in sein Gesicht spucken. Aber seine Stimme war nicht feindselig gewesen. Sondern eher...verbittert?
Er schluckte und musterte Regulus' Gesicht, näher an seinem als je zuvor und so, so unsicher. Sie standen jetzt so nah beieinander, dass ihre Hände versehentlich zusammenstießen und aus einem Impuls heraus strich James vorsichtig mit seinen Fingerspitzen über Regulus' Handrücken. Regulus hielt inne, schien für einen Moment erstarrt.
James wagte es nicht, nach unten zu schauen, wie er reagierte, ob seine Finger zuckten im Drang, die Berührung zu erwidern, zwang sich stattdessen, ihm weiter in die Augen zu schauen.
Zum ersten Mal fiel ihm auf, dass Regulus' Augen nicht die gleiche Farbe hatten, wie die von Sirius. Sie waren auch grau, aber während Sirius' silbrig schimmerten, waren die von Regulus dunkler, der Ton war satter und, so merkwürdig das bei einer so kühlen Farbe wie grau klang, irgendwie wärmer.
James war nicht aufgefallen, dass er sich dem anderen Jungen noch mehr genähert hatte, bis der Gedanke "nur noch ein kleines Stück" durch seinen Kopf schoss und ihm der Schreck in die Glieder fuhr.
Was tat er hier eigentlich? Und warum zur Hölle dachte er darüber nach, wie es wäre...
Seine Augen suchten die von Regulus und er erkannte darin das Spiegelbild seiner eigenen Überraschung.
Eilig ließ er Regulus' Hand los, trat einen Schritt zurück und räusperte sich ein wenig. Regulus stolperte ebenfalls einige Schritte rückwärts. Sein Gesicht war hochrot und er versteckte die Hand, die James eben berührt hatte, schnell hinter seinem Rücken.
"Ich...äh...ich sollte...", stammelte er und gestikulierte mit dem anderen Arm in Richtung der Falltür unter James' Füßen.
"Ja", antwortete James, auch wenn Regulus gar keine Frage gestellt hatte und trat eilig zur Seite, sodass Regulus die Klappe aufmachen und nach unten klettern konnte. James blieb noch einen Moment in der Eulerei stehen. Der Uhu, der ihn schon vorhin kritisch angeschaut hatte, schuhute vorwurfsvoll.
James zuckte etwas hilflos mit den Schultern.
"Weiß ich doch auch nicht!"
James: I kinda want to kiss Regulus
James: holy shit
James: whatever could this mean???
We stan one (1) oblivious idiot.
Kleine Vorwarnung: ich habe keinen blassen Schimmer, wann ich es morgen schaffe, das Kapitel hochzuladen. Eventuell kommt es erst nachmittags! Es kann auch sein, dass ich es morgens irgendwie schaffe und ihr gar nichts merkt, aber die Möglichkeit besteht eben auch, dass es anders ist, also falls es sich stark verspätet: ihr braucht keine Vermisstenanzeige aufgeben, ich hab nur...y'know...ein Leben xD
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