12. Dezember - Rote Fähnchen im Wind
Eigentlich mochte Lily Montage. Ihr war bewusst, dass sie damit in der Schülerschaft vermutlich ziemlich allein war. Aber ihr Montag begann entspannt zur zweiten Stunde um zehn Uhr mit einer Runde Zauberkunst, ihrem Lieblingsfach. Vorher konnte sie gemütlich frühstücken, was wollte sie mehr?
Sie saß in der Großen Halle, die ziemlich leer war, weil die meisten Schüler schon im Unterricht waren, vor sich einen großen Teller Arme Ritter und eine noch größere Tasse Tee mit Milch. Überzeugt, sich nicht die gute Laune verderben zu lassen, hatte sie sich ein Buch mitgebracht, statt eine der herumliegenden Tageszeitungen zu lesen.
Das alles verlief ganz wunderbar, bis sich ein Schatten über ihr Frühstück legte und jemand ihr gegenüber platznahm. Lily sah auf und ihre Stimmung sank sofort.
"Severus", grüßte sie ihn wenig begeistert.
"Lily." Er richtete sich gerade auf und sah sie direkt an. "Geh mit mir aus. Bitte."
Lily blinzelte.
"Was?", fragte sie irritiert. Er räusperte sich leise.
"Ich möchte, dass du mit mir auf ein Date gehst", erklärte er noch einmal. Nun, jetzt wusste Lily zumindest, dass es keine akustische Halluzination gewesen war.
Um sich Zeit zu verschaffen, legte sie ruhig ein Lesezeichen zwischen ihre Buchseiten, klappte es bedächtig zu und schob es zur Seite.
"Ähm", machte sie dann, immer noch verwirrt. "Ich möchte das aber nicht?"
Eine kleine Falte bildete sich über seiner rechten Augenbraue. Obwohl Lily ihm seit anderthalb Jahren zumeist aus dem Weg ging, kannte sie ihn immer noch gut genug, um zu wissen, dass sie Ausdruck seiner Unzufriedenheit war.
"Warum nicht?", fragte er. Er lehnte sich nach vorne. Lily lehnte sich ein Stück zurück. "Lily, ich mag dich. Mehr als Potter oder...oder Black es tun. Gib mir noch eine Chance. Wir haben uns immer gut verstanden, willst du das nicht auch wieder haben?"
Lily verschränkte die Arme und musterte ihn.
"Hängst du immer noch mit Avery rum?", fragte sie, ohne jegliche Intention, ihm noch eine Chance zu geben, egal wie seine Antwort ausfiel. Sie hatte mit Severus Snape abgeschlossen. Endgültig. Aber irgendwas sagte ihr, dass er ein einfaches Nein nicht akzeptieren würde.
Severus wirkte etwas beleidigt.
"Wir sind befreundet", erklärte er. "Natürlich verbringe ich Zeit mit ihm."
Lily seufzte. Naja, zumindest innerlich.
"In dem Fall habe ich kein Interesse daran, wieder Zeit mit dir zu verbringen", erklärte. Dann schüttelte sie den Kopf. "Nein, weißt du was? Ich habe grundsätzlich kein Interesse, Zeit mit dir zu verbringen. Wie wäre es also, wenn du das einfach akzeptierst?" Sie schnappte sich ihr Buch und ihre Teetasse und stand auf.
"Warum gibst du mir keine Chance mehr?", empörte er sich, während sie kurzentschlossen und nicht bereit, auf ihr Frühstück zu verzichten, auch die wunderbar nach Zimt duftenden, knusprigen Toastscheiben in eine Serviette einwickelte.
"Severus, du hattest wirklich genug Chancen", erklärte sie, griff wieder zu ihrem Essen, dem Tee und dem Buch und machte sich auf in Richtung Eingangshalle - dann würde sie ihr Frühstück eben im Gemeinschaftsraum beenden. Oder im Schülersprecherbüro. Irgendwo, wo Severus Snape ihr nicht folgen konnte. Denn das tat er natürlich hartnäckig auf der anderen Seite der langen Tafel. "Unser gesamtes fünftes Schuljahr war eine einzige große Chance. Du hast angefangen, die Parolen der Todesser herum zu posaunen und ich hab dir gesagt, dass ich mit so einem Menschen nicht befreundet sein will. Ich hab dir Monate gegeben - Monate, Sev! - in denen du mir kein Stück entgegegen gekommen bist. Also habe ich die Reißleine gezogen und unsere Freundschaft beendet. Aber das war keine plötzliche Entscheidung, keine Überraschung, Severus. Ich hab dir fast ein Jahr lang immer wieder gesagt: ich oder Avery. Du hast dich für Avery entschieden - warum schockiert es dich so sehr, dass ich mein Wort gehalten habe?"
Sie erreichten das Ende des Gryffindortisches und damit leider auch die automatischen zwei Meter Abstand, die er Severus zwang, zu ihr zu halten.
"Warum bekommt Potter dann immer und immer wieder Chancen?", fragte er ungehalten. Lily starrte ihn kurz verblüfft an, dann musste sie ungläubig lachen.
"Wie bitte?", fragte sie. Severus verschränkte die Arme.
"Potter", sagte er noch einmal. "Wieso lässt du zu, dass er dich wieder und wieder fragt? Es ist unfair! Du lebst nach einer Doppelmoral!"
Lily verschluckte sich an ihrer eigenen Spucke und musste husten.
"Doppelmoral?", wiederholte sie dann. "Meines Wissens hat James noch keine Beleidigung gegen mich gebraucht, die meine bloße Existenz angreift und ist auch nicht auf bestem Weg, sich einer verdammten terroristischen Organisation anzuschließen!"
Wut zeichnete sich eindeutig auf Severus' Gesicht ab und seine Lippen formten aufbrausende Worte, aber anscheinend wusste er doch nicht so recht, was er darauf erwidern sollte, was Lily eine gewisse Genugtuung verschaffte.
"Was ist mit Black?", spie er, ganz offensichtlich mangels tatsächlicher Gegenargumente.
"Sirius und ich sind gute Freunde", antwortete Lily, obwohl sie genau wusste, dass er das nicht gemeint hatte.
"Ich meinte nicht ihn", korrigierte er auch sofort. Lily seufzte. Gerne hätte sie Regulus verteidigt, denn auch wenn er definitiv keinen Schritt weiter war, dass sie mit ihm ausging, war er doch in ihrer Achtung gehörig gestiegen, seit er in einer Woche das geschafft hatte, wozu sich Severus in drei Jahren nicht hatte bringen können. Aber das ging nicht. Weil Regulus sehr deutlich gemacht hatte, dass seine persönliche Sicherheit in Gefahr wäre, sollte er seine Meinung öffentlich gegen den allgemeinen Tonus in Slytherin stellen. Und während Lily hohen Respekt für Sirius hatte, der sich gegen seine Familie gestellt und die Konsequenzen getragen hatte, würde sie den Teufel tun und jemanden unfreiwillig in die gleiche Situation zwingen.
Sie beschloss, das Thema zu wechseln, um der Frage auszuweichen.
"Lass mich das noch einmal zusammenfassen", sagte sie also. "Du hast gesehen, dass James und Regulus mich nach Dates fragen und beschlossen, dass gleiches Recht für alle gelten sollte und du deshalb auch eine Chance auf den Hauptgewinn - mich, anscheinend - bekommen solltest." Sie starrte ihn ungläubig an, als er nicht einmal Anstalten machte, zu protestieren. Sie erreichten jetzt die Eingangshalle. Für einen Moment überlegte sie, was sie dazu noch sagen sollte. Dann entschied sie sich für ein knappes, resigniertes: "Fahr zur Hölle, Snape!", drehte sich um und steuerte mit eiligen Schritten auf die Treppe nach oben zu.
Wie befürchtet dauerte es nur wenige Sekunden, bevor sie hinter sich schnelle Schritte hörte und er zu ihr aufholte.
"Was unterscheidet sie von mir?", fragte er empört. "Was macht Potter und Black so viel besser als mich?"
Lily blieb auf halber Treppe erneut stehen und drehte sich ruckartig zu ihm um.
"Nun, zum Beispiel der Fakt, dass die beiden ein Nein von mir akzeptieren", sagte sie scharf. "Ich gebe zu, an der Dauerhaftigkeit dessen kann man noch arbeiten, aber in dem Moment, in dem ich Nein sage, nehmen sie Abstand. Ja, sie kommen spätestens drei Tage später wieder an und fragen erneut, aber zumindest muss ich nicht vor ihnen weglaufen und werde selbst dann nicht von ihnen in Ruhe gelassen!" Sie sah demonstrativ auf Snapes Füße, die nur eine Stufe unter der standen, auf der sie angehalten hatte. Sie stieg noch eine weiter hoch, um jetzt größer zu sein als er. "Und immerhin kann ich mir ziemlich sicher sein, dass sie mich zumindest als Mensch wertschätzen."
Leider trat kein Ausdruck der Erkenntnis oder sogar des schlechten Gewissens auf sein Gesicht. Im Gegenteil, er sah beinahe selbstgefällig aus.
"Du weißt aber, dass die beiden eine Wette am Laufen haben, wer dich am Weihnachtstag seine Freundin nennen darf?", fragte er, hämisch grinsend.
Lily schluckte. Sie hatte etwas in der Art vermutet, aber es aus Snapes Mund zu hören versetzte ihr doch noch einmal einen Stich der Enttäuschung.
"Die beiden sehen dich nur als Preis", erklärte er, ganz so, als hätte er das nicht eben gerade noch selbst eingestanden. "Als Mittel, um ihren sozialen Stand in der Schule aufzupolieren. Potter, um auch das letzte Klischee des Streichkönig-Quidditchkapitän-Schulsprecher-Bildes zur erfüllen!" Lily beschloss, dass sie genug gehört hatte, ließ ihn stehen und ging weiter die Treppe nach oben. "Black, damit niemand merkt, dass er eigentlich ein kleiner Homo ist."
Lily blieb wie angewurzelt stehen. Dann drehte sie sich um und sah mit einem Blick auf Snape herunter, der hoffentlich vermittelte, wie angeekelt sie von ihm in diesem Moment war.
"Wow", sagte sie verächtlich. "Ich wusste, dass du garstig bist, aber das ist selbst für dich ein neues Tief." Sie stieg die paar Stufen zu ihm wieder herunter und zog ihn an der Krawatte ein Stück zu sich, bevor sie angewidert erklärte: "Ich hoffe für dich, dass die letzte Aussage frei erfunden ist und dein Versuch war, ihn in den Schmutz zu ziehen. Was, nur fürs Protokoll, absolut widerwärtig von dir wäre. Aber die Alternative ist, dass du ihn gerade ungefragt und ungebeten geoutet hast und wenn dem so ist " - sie zögerte, aber nur um tief durch zu atmen, damit sie ihn nicht tatsächlich die Treppe herunter stoßen würde - "dann such dir einen Gott, zu dem du beten kannst, denn du wirst ihn brauchen."
Sie stieß ihn von sich weg, aber (leider) nicht fest genug, dass er das Gleichgewicht verlor.
"Versuch nicht noch einmal, mich zu überreden, dich wieder meinen Freund zu nennen", sagte sie kalt. "Und wenn du weißt, was gut für dich ist, dann sprich mich nie wieder an."
Ich laufe auf sechs Stunden Schlaf, bin sehr unkonzentriert und gehe gleich acht Stunden arbeiten, also sollten mehr Fehler drin sein als sonst, daran könnte es liegen... xD
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