
1. Dezember - Der Verführer aus Slytherin
"...und sie hat mich nicht einmal angeschaut! Ehrlich, der Vorfall, wo ich sie beleidigt habe, ist jetzt anderthalb Jahre her, so langsam könnte sie mir mal eine Chance geben, oder?"
Regulus kaute gelangweilt auf einer Bertie Botts Bohne herum, die nach Karamell schmeckte und verdrehte die Augen, während Severus Snape zum hundertsten Mal in einen Monolog über Lily Evans verfiel. Er hörte ein leises Seufzen neben sich und drehte den Kopf, bis sein Blick auf den von Everett Nott traf, der genauso genervt von ihrem gemeinsamen Hauskameraden zu sein schien, wie Regulus selbst.
"Mann, Snape, jetzt halt einfach mal den Rand über die blöde Göre aus Gryffindor", schnauzte Edwin Avery deutlich weniger diplomatisch von seinem Sessel ihnen gegenüber aus. "Niemand kann es mehr ertragen, dass du ihr immer noch hinterher trauerst."
Regulus hatte nicht viel für Avery übrig, war er doch berüchtigt dafür, jüngere Schüler in Besenkammern einzusperren und die Studien seiner dunklen Magie gern an Muggelstämmigen durchzuführen, aber in dieser Hinsicht konnte er ihm nur zustimmen.
"Warum hängst du überhaupt immer noch an Evans?", fragte Nott und rutschte noch ein bisschen tiefer in die weichen Kissen der Couch. "Es gibt genug andere hübsche Mädchen, die noch dazu reinblütig sind. Nimm Alissa, schenk ihr deine traurigen Hundeaugen, vielleicht lässt sie dich dann sogar mal ihre Brüste anfassen."
Regulus verzog angewidert das Gesicht. War das wirklich die beste Argumentation, die seinem Schlafsaalgenossen eingefallen war?
"Ich kann dich übrigens hören", erklärte Alissa Hawthorne-Beech von einem der Arbeitstische aus und drehte sich zur Sofaecke um, die Regulus, Nott, Avery und Snape für sich beansprucht hatten.
"Was denn? Du hast Mondrich gelassen!", verteidigte sich Nott. Alissa zog skeptisch eine Augenbraue hoch.
"Ja, über dem Pullover", sagte sie trocken, "und wenn er nicht aufpasst, erzähle ich allen, dass er es so aufregend fand, dass er sich fast in die Hose gemacht hat."
Regulus grinste. Es hatte seine Nachteile in einem Haus zu sein mit Leuten, die ihr Wissen über andere taktisch für sich selbst nutzten, aber wenn es um Klatsch ging hatte es auch seine Vorteile: es gab wenig davon, aber wenn, dann hatte er es in sich.
"Siehst du?" Nott hob seine Hand. "Vielleicht tust du Snape den gleichen Gefallen und heilst ihn von der Illusion, dass Evans je zu ihm zurück kommen wird. Und erlöst uns damit alle!"
Alissa sah etwas mitleidig zu Snape hinüber, der immer noch melancholisch ins Kaminfeuer starrte.
"Ich glaube nicht, dass meine Brüste so viel Macht haben", scherzte sie dann und drehte sich zurück zu ihrem Aufsatz.
"Snapes Problem ist einfach, dass er nicht einsieht, dass er ein Arsch ist", erklärte Regulus. Snape sah ihn giftig an, Nott wirkte eher überrascht (zu recht, war Regulus doch sonst eher zurückhaltend in ihren Konversationen) und Avery ließ sein Buch sinken, in seinen Augen ein Blitzen, das verriet, dass er darauf hoffte, dass gleich Fäuste fliegen würden. Regulus machte sich eine gedankliche Notiz, sich dringend neue Freunde zu suchen. Vielleicht Alissa. Aber nicht wegen ihrer Brüste.
"Was denn?", versuchte er also, ein bisschen der Aggression zu nehmen, die Snape mindestens so deutlich ausstrahlte, wie Avery und Nott den Wunsch nach ihr. "Du hast sie beleidigt und deine Entschuldigung ist nicht viel wert, wenn du weiterhin rumläufst und andere Leute Schlammblut nennst." Er musterte Snape abschätzig. "Sie mag deine Persönlichkeit nicht und man könnte argumentieren, dass das sogar zu recht so ist."
Snape lehnte sich nach vorne und sah Regulus von oben herab an.
"Vergiss deinen Platz nicht, Black", erklärte er hochmütig, "du und Nott seid immer noch ein Jahr jünger als wir. Ihr beide solltet dankbar sein, dass ihr bei uns sitzen dürft."
Regulus hob zweifelnd eine Augenbraue, nicht ganz unähnlich der Miene, die Alissa eben gemacht hatte, als Nott ungehörige Kommentare über ihre Brüste gemacht hatte.
"Ich bin immer noch ein Black", erklärte er mit mindestens genauso viel Arroganz. "Und Sucher des Quidditchteams. Was bist du? Ein Halbblut mit einer mäßigen Begabung für Zaubertränke. Du solltest dankbar sein, in meiner Nähe toleriert zu werden."
Eigentlich ließ er seinen Familienstatus ja nicht gerne raushängen. Er reduzierte andere auch nicht gern auf ihren Blutstatus - auch wenn es seiner Meinung nach nicht ganz von der Hand zu weisen war, dass jemand, dessen Blut seit Generationen Zauberer hervorgebracht hatte, sicherlich mehr Talent für Magie mitbrachte, als jemand, dessen Eltern zum Beispiel Muggel waren. Aber da konnten die Muggelstämmigen ja nichts für, genauso wie er nicht dafür gearbeitet hatte, als Sohn der Blacks geboren zu werden.
Des Weiteren war ihm sehr wohl bewusst, dass Snape deutlich mehr als nur "mäßig begabt" in Zaubertränke war. Er hatte ihn beim Slug Club mit Slughorn diskutieren hören, der Junge verstand sich auf sein Fach.
Aber im Gemeinschaftsraum der Slytherins herrschte ein rauer Ton, es war Fressen oder Gefressen Werden und wenn man ihn vor diese Wahl stellte, dann würde Regulus sich ohne zu Zögern auf die Seite "Fressen" stellen. Außerdem war Snape ein Schleimbeutel und ihm ein paar Beleidigungen an den Kopf zu werfen machte sogar ein bisschen Spaß.
Slytherin war das Haus der treuen Freundschaften, das hatte der Sprechende Hut direkt am ersten Schultag erklärt und auch wenn Regulus bisher noch nicht so richtig selbst eine solch tiefe Freundschaft entwickelt hatte, würde er der Aussage zustimmen. Der Nachteil war, dass Slytherins ausgesprochen schlecht darin waren, oberflächliche Freundschaften zu führen.
Natürlich hatte Regulus Freunde. Aber er hatte in ihnen auch gleichzeitig Rivalen. Sie waren Geschwister, aber sie waren auch Konkurrenten. Sie saßen abends gemeinsam am Feuer, aber wenn einer anfing, Gift zu spucken, dann stiegen die anderen ohne zu zögern mit ein.
"Evans ist eine emanzipierte Muggelstämmige, ob das nun was Gutes ist oder nicht sei mal dahin gestellt", fuhr Regulus fort. "Aber glaubst du wirklich, sie hat Interesse an jemandem, der Reinbluttheorien herumposaunt und ihr noch dazu vorschreiben will, was richtig und was falsch ist? Blöderweise bleibt von deinem Charakter nicht viel übrig, wenn man das wegnimmt, also sieht es wohl so aus, als hättest du keine Chance."
Er lehnte sich mit im Nacken verschränkten Händen auf dem Sofa zurück und grinste Snape süffisant an, der jetzt vor Wut zu brodeln schien. Nott neben ihm lachte leise in sich hinein, Avery saß inzwischen aufgeregt an der Kante seines Sessels in freudiger Erwartung auf die Eskalation. Aus dem Augenwinkel konnte er sehen, dass sogar Alissa und ihre Freundinnen neugierig lauschten.
"Du hast keine Ahnung, wer Lily ist", spuckte Snape ihm vor die Füße. "Du hast noch nicht einmal mit ihr geredet. Spiel dich nur auf, wir wissen doch alle, dass du dich nur wichtig machen willst!"
Regulus richtete sich abrupt wieder auf und lehnte sich ihm ein Stück entgegen.
"Was ist denn deine Theorie, dass sie dich seit zwei Jahren abblitzen lässt?", fragte er herablassend. Snape rümpfte die Nase.
"Potter", sagte er nur. Nott stöhnte ungehalten auf und Avery ließ sich entnervt wieder rückwärts in den Sessel fallen. Snape blitzte wütend zu beiden, bevor er sich wieder auf Regulus fokussierte. "Er und die anderen Gryffindors hetzen die ganze Zeit gegen uns Slytherins, kein Wunder, dass sie nichts mit mir zu tun haben will!"
"Ich bin mir sicher, dass ist der einzig mögliche Grund", murmelte Nott mit einem unterdrückten Grinsen.
"Mal abgesehen davon, dass du jetzt auch nicht viel tust, um dich bei den Gryffindors beliebt zu machen", kommentierte Alissa und schickte Snape einen Luftkuss, der so ironisch war, dass Regulus husten musste, um sein höhnisches Lachen zu verstecken.
"Zu recht", sagte Avery scharf, "soweit kommt das noch, dass sich einer von uns bei den Blutsverrätern und Schlammblütern einschleimt, nur um bei einem Mädchen ins Bett zu kommen!"
Snape warf wütend ein Sofakissen nach ihm.
"Ich will nicht zu ihr ins Bett!", protestierte er laut.
"Schon klar, sie ist die Liebe deines Lebens", spottete Alissa, "aber dass du nicht bei ihr landest, liegt sicher nicht an deinem Haus."
"Sondern an deinem Charakter", schaltete Regulus sich wieder ein und lächelte Snape zufrieden an. "Wie ich von Anfang an gesagt habe."
Snape schnaubte.
"Dann nenn mir einen Slytherin, an dem Lily schon mal Interesse gezeigt hat", forderte er und sah Alissa auffordernd an. Sie kniff die Augen zusammen und drehte sich zu ihren Freundinnen um.
"Meines Wissens hat Evans noch an keinem Typen jemals Interesse gezeigt", räumte sie dann ein. "Auch wenn James Potter es ja nachhaltig versucht. Aber gut, seine Methoden sind ja auch sehr fragwürdig, wundert mich nicht, dass sie ihn damit nicht ranlässt." Sie grinste, nicht ohne eine gewisse Schadenfreude.
"Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass wenn ein gutaussehender, charmanter Kerl sie umwirbt, sie nicht drauf schauen wird, aus welchem Haus er kommt", ergänzte Eloise, eine ihrer Freundinnen, die mit Regulus im Quidditchteam spielte. Sie musterte Snape spöttisch. "Besonders, wenn sich damit mal eine Alternative zu Mr Stalker und Mr Bettelhund auftut."
Avery grinste. Er hatte genau zwei Gesichtsausdrücke, nämlich aggressiv und ein boshaftes Lachen. Das hier war das zweite.
"Ich werd sie mir schnappen", erklärte er großspurig. "Bis zum Weihnachtstag hab ich sie im Bett, wetten?"
Eloise und Alissa tauschten einen zweifelnden Blick.
"El sagte gutaussehend und charmant", erinnerte Alissa ihn. "Du bist weder das eine noch das andere. Und außerdem bist du ein Ekel. Niemand hat etwas davon gesagt, sie ins Bett zu kriegen! Wir Mädchen haben unsere Ehre, selbst die Muggelstämmigen."
Averys Gesichtsausdruck schnappte wieder zurück zur Aggression. Bevor er eines der beiden Mädchen anpöbeln konnte, erklärte Regulus laut:
"Ich mach's."
Snape, Avery, Nott, Eloise und Alissa sahen ihn überrascht an. Regulus setzte sein charmantes Lächeln auf.
"Ich bin gutaussehend - streitet es nicht ab, ich hab euch letzte Woche reden hören - höflich, charmant und verstehe genug von Ehre -" er blitzte vorwurfsvoll zu Avery und Snape hinüber, "dass ich nichts Unangebrachtes versuchen würde."
Avery wirkte nicht begeistert von diesem Richtungswechsel.
"Und woran wollen wir dann feststellen, dass es funktioniert hat?", motzte er. Regulus zuckte mit den Schultern.
"Sie ist meine Freundin", erklärte er großspurig. "Am Weihnachtstag kann ich Lily Evans meine Freundin nennen."
EINEN FROHEN ERSTEN DEZEMBER!!!!!
Zwei sehr praktische Dinge:
1. Die Daten und Wochentage aus 1977 stimmen mit denen aus 2022 überein! Das heißt, nicht nur erleben wir die Geschichte im gleichen Zeitrahmen, sondern die Wochentage stimmen sogar!
2. Kurze Erinnerung: Die liebe Moon (mond48) hat in einer Monsteraufgabe tatsächlich diese Geschichte vorher eingelesen und es gibt diesen Adventskalender tagesaktuell auch als Hörbuch! Wenn ihr ihn also lieber als Podcast hören wollt, dann könnt ihr das ohne Verzögerung tun! Es kann allerdings sein, dass die beiden Versionen nicht 100% überein stimmen, da ich Moon natürlich vorläufige Versionen gegeben habe und nicht die, an denen ich in den letzten 20 Minuten vor dem Upload noch herumgepfuscht habe - die Unterschiede sind natürlich minimal, aber falls jemand das Hörbuch hört und gleichzeitig liest, dann kann es sein, dass Formulierungen ein winziges bisschen anders sind oder Sätze fehlen oder zusätzlich drin sind - das ist nicht Moons eigene Kreativität, sondern meine Unfähigkeit, vor dem Tag des eine endgültige Version zu haben.
3. (nicht praktisch, aber vielleicht interessant) Die drei Hauptcharaktere teilen sich in dieser Geschichte die Sicht. Kapitel wechseln immer zwischen Regulus - James - Lily, in dieser Reihenfolge.
Ich wünsche euch einen wunderschönen Tag und wir hören morgen voneinander (und von James)!
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