Kaseia Paste Portion 1
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Der Kleine Rat; Gelehrte und
Vorsitzende, die dem König in
Entscheidungsfragen helfen.
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„Es hat einen Unfall gegeben." Die Worte König Dieuchosits echoten von den hohen Wänden des Thronsaals zurück und prallten stumpf von mir ab.
Ein Unfall wäre es, wenn jemand von einer Wüstenkatze gefressen wurde. Das hier war kein Unfall gewesen. In meiner Rocktasche hielt ich Jacs Ring so stark umklammert, dass der Stein mir in die Finger schnitt.
Ich blinzelte. Die weite weiße Tracht tat der Figur unseres Herrschers keinen Gefallen. Er sah darin kleiner aus, breiter und vor allem alt. Oder war es das, was die Trauer aus einem machte?
Das Kinn auf die Brust gezogen, stand ich mit den anderen Frauen des Palasts im hinteren Ende der Halle und senkte den Blick auf meine gefalteten Hände. Sie waren nutzlos. Nicht einmal mehr schön anzusehen, mit den vielen hellen Narben, die sich kreuz und quer darüber zogen. Zeichen meiner Herkunft, wie Buchstaben, um meine eigene Geschichte zu schreiben.
Die allgegenwärtige Helligkeit schmerzte in meinen Augen und stellte meine Gedanken in den Schatten. Weiße Kleider für den Verlust. Weiß für all meine Erinnerungen an Moira.
König Dieuchosit kratzte sich unter seinem Turban.
„Gestern Abend hat Kaar unsere Heilerin aus dieser Welt genommen", er machte eine kurze Pause, um tief Luft zu holen, „... und damit den letzten Anker der Magie."
Geschockte Laute verschluckten seine folgenden Worte. Die Mitglieder seines Rates stecken die Köpfe zusammen, während die Männer vor uns sich ihren Freunden und Vertrauten zuwandten.
Unter meinen Wimpern sah ich Jac, der die Hand nach seiner Verlobten ausgestreckt hatte. Isabella sah aus, als wäre sie einer Ohnmacht nahe. Dabei hatte sie die Neuigkeiten bereits gehört. Auch sie trug ein helles Kleid, das ihre wunderschöne Haut golden glühen ließ.
Doch anscheinend wurden die Worte mit jeder Wiederholung mehr Realität.
Die Prinzessin passte in den Thronsaal, farblich und mit derselben Ausstrahlung schlichter Eleganz.
Schlanke, bemalte Säulen trugen eine hohe gewölbte Decke. Sie reihten sich bis zu den drei stufenartigen Halbkreisen am Kopfende, die Platz boten für die Stühle des kleinen Rats, sowie die der nächsten Kronträger und ganz oben dem Thron selbst. Nach links und rechts war der Raum offen. Helle, seidige Tücher flatterten in den Bögen und gaben immer wieder den Blick auf die Berge oder die Hauptstadt frei. Moira war die Aussicht egal gewesen.
Jemand berührte mich an meinem Brustbein und wisperte leise Worte des Beileids. Die Geste riss mich aus den Gedanken. Was hatte ich verpasst?
Vor mir stand eine junge Frau, von der ich kaum mehr als die geröteten Augen und das dunkle Haar unter einem seidigen Schleier erkennen konnte. Sie sah mich direkt an, als Zeichen ihrer Aufrichtigkeit. Dachte sie Moira und ich wären verwandt gewesen? Ich hatte kein Anrecht auf ihren Segen. Es war eine Tradition, von der ich gehofft hatte, sie nie selbst erleben zu müssen.
Meine flache Hand erwiderte die Geste von ganz alleine. Sie fühlte sich kalt gegen ihren Schleier an.
Eine weitere Frau folgte dem Beispiel der Ersten, übergab mir ihren Dank für all die guten Taten, die Moira vor Kaars Gericht helfen sollten. Als eine Dritte sich ihnen anschließen wollte, schritt Madame Acó ein. Falsche Rituale würde es unter ihrer Aufsicht nicht geben. Ganz gleich wie schwierig es war, es wurde Haltung bewahrt.
Mein Hals wurde eng und mein Mund trocken, doch die Tränen blieben aus. Mit Moira war die letzte Spur unseres Gottes von dieser Welt verschwunden und jetzt waren wir alle verlassen. Wer also hatte ihr das angetan? Und vor allem: Warum?
Mein Blick flatterte hinüber zu Alam Catròz, der in seiner Toga zwischen den sieben anderen Ratsmitgliedern saß und eine steinerne Miene wahrte, während er mit seiner mumifizierten Hand spielte. Er wäre mein erster Verdächtiger gewesen, wenn ich nicht wüsste, wie vernarrt er in seinen eigenen Glauben war. Mord würde für ihn Exil aus seiner Heimat und aus Kaars Welt bedeuten. Das würde er niemals riskieren.
Als hätte der König meine Gedanken gehört, setzte er seine Rede fort. Oder aber er hatte schon die ganze Zeit gesprochen und ich tauchte erst jetzt wirklich aus meiner kleinen Blase auf. So etwas passierte mir in Madame Acós Unterricht regelmäßig.
„In den kommenden Tagen werden Henric LeClair und meine eigene Leibgarde genauere Untersuchungen zu den Umständen anstellen. Ich möchte euch nicht beunruhigen, aber genauso wenig möchte ich offene Fragen in Verbindung mit dem Tod einer Priesterin."
Etwas in mir regt sich, blendet sie Taubheit aus. Er wusste, dass es kein Unfall war. Ich sollte... ich musste... Es wäre meine einzige Möglichkeit auch nur den kleinsten Bruchteil meiner Schuld zu begleichen. Sie um Verzeihung für mein Versagen bitten.
Noch bevor ich den Gedanken zu Ende bringen konnte, hatte ich bereits einen Schritt aus der Traube an Frauen heraus gemacht.
Der König fuhr indessen über ein Denkmal fort, das mich kaum weniger interessieren konnte. Ein Festessen würde meiner Mentorin keine Gerechtigkeit schenken. Es hätte ihr noch nicht einmal gefallen. Und die, die ihr am nächsten standen, das einfache Volk vor den Palasttüren, würde sowieso nicht geladen sein.
Kein Mörder ließ sich so fangen.
Denn Mord musste es gewesen sein.
Eine Hand schloss sich um meinen Arm und zog mich mit einem Ruck zurück. Fast wäre ich gestolpert, doch Madame Acós Klammergriff hätte mich genauso gut einige Handbreit über dem Boden festgehalten, so sehr quetschte sie mein Fleisch.
„Bleib, wo du bist und senk den Kopf", zischte sie mich aus dem Mundwinkel an, ihr gepudertes Gesicht starr nach vorne gerichtet, als würde diese Regel nicht für sie gelten.
Als ich nicht sofort reagierte, zog sie noch einmal an meinem Arm, sodass ich beinahe in die Knie gegangen wäre. Bei Kaar, hatte diese Frau zuletzt Henrics Trainingsstunden besucht? Ich überlegte, ihr mit Jacs Ring eine zu verpassen, um mich zu befreien.
Meine scharfe Antwort wurde von dem König abgeschnitten, der allen Stärke und Liebe von ihren Angehörigen wünschte und damit die kleine Versammlung für die Öffentlichkeit schloss. Das kurze Durcheinander, das ihm folgte, war eine willkommene Deckung für meine Befreiung.
In einem Moment versuchte meine Lehrerin noch, mich hinter sich aus dem Thronsaal zu schleifen, im Nächsten hatte ich ihr meinen Arm entwunden und duckte mich zwischen zwei schniefenden Frauen hindurch. Erinnerungen aus meiner Vergangenheit blitzten auf und verschwanden auch genauso schnell wieder.
Der Strom an Männern war gleichzeitig ein Hindernis und meine einzige Chance nahe genug an den Thron heranzukommen. Ohne Erlaubnis des Königs würde ich Henric nicht begleiten können. Aber so lange ich offiziell in Trauer und damit laut Monsieur Boltier nicht zurechnungsfähig war, würde ich keine Audienz bei ihm bekommen.
Der Trick war, die Bewegungen der Menge wie in einem Fluss vorauszuahnen und sie sich zunutze zu machen.
Ich fädelte mich an breiten Schultern und großen Rücken vorbei, wich ihren ausholenden Gesten aus, die ihre sinnlosen Gespräche interessanter machen sollten, immer darauf bedacht, Madame Acós suchendem Blick auszuweichen.
Im Zickzack kämpfte ich mich nach vorne, das Kinn hochgereckt, um nicht mein Ziel aus den Augen zu verlieren.
Viele der Männer waren massiger als ich und ihre Kopfbedeckungen türmten sich noch höher auf. In schwankenden Bewegungen kamen sie auf mich zu, als existiere ich überhaupt nicht, sahen mich nicht an, solange ich sie nicht berührte.
Und dann stolperte ich beinahe über die unterste Stufe des dreiteiligen Podests, auf dem die Stühle des kleinen Rats in einem Halbkreis platziert worden waren. Sie waren, genau wie Jac oder Isabellas Sitzplätze, Großteils verwaist, während sich die Ältesten dicht um König Dieuchosit scharten. Mein Bruder musste seine Verlobte an einen ruhigeren Ort gebracht haben und für einen winzigen Moment beneidete ich ihre vertraute Zweisamkeit.
Dann hörte ich hinter mir das Japsen meiner Lehrerin nahe der Ohnmacht. Ich würde keine zweite Gelegenheit bekommen. Wenn sie mich erwischte, würde ich Moira bald selbst nach ihrem Mörder fragen können.
„König Dieuchosit!" Ich musste laut rufen, um über das allgemeine Gemurmel hinaus zu kommen, doch er reagierte nicht. Alam Catròz hatte sich dicht zu ihm gebeugt und flüsterte unablässig in sein Ohr, das Gesicht zur Rückwand gedreht. Der König hörte ihm nur halb zu, eine Hand erhoben, um einem anderen Ratsmitglied zu bedeuten, dass er noch nicht sprechen könne. Keine Frage, solche Neuigkeiten mussten in dem sonst so gemütlichen Leben dieser Männer einschlagen wie das Geschoss einer Riesen-Schleuder.
„KÖNIG DIEUCHOSIT!" Wiederholte ich meine Worte mit Nachdruck, sicher, dass ich Madame Acós Atem bereits in meinem Nacken spüren konnte.
Entweder hatte ich mich allerdings massiv in der Lautstärke vergriffen, oder aber meine Stimme hatte über Nacht die magische Kraft über Zeit und Aufmerksamkeit erlangt. Die Reaktion war auf jeden Fall dieselbe. Auf ein für mich unsichtbares Zeichen hin beendete sich jedes einzige Gespräch im ganzen Raum und alle Köpfe drehten sich wie von einem Magneten bewegt zu mir um.
Ich schluckte gegen das beklemmende Gefühl in meiner Kehle an und krallte meine Finger in meinen Überwurf, damit niemand das Zittern meiner Finger sah.
Ein wenig verzögert zu den anderen nahm auch der König Notiz. Er hatte mich immer noch nicht rufen gehört, doch auch ihm fiel auf, dass es einen Grund für das plötzliche Schweigen geben musste. Nach kurzem Suchen fanden mich seine Augen endlich und eine Welle des Mitleids bewegte seine alternden Züge. Sein Blick wurde weich und die kleinen Krähenfüße tiefer, als er den Mund zu einem erschöpften Lächeln verzog.
„Kaliee, du musst erschöpft sein."
Ja. Nein! Nein, mein Kopf war klar. Ich wusste, was ich hier tat.
„Ich möchte an den Untersuchungen beteiligt werden", platzte ich heraus, ehe Madame Acó sich aus ihrer Schockstarre lösen konnte.
Das zweite Mal am heutigen Tag ging ein allgemeiner Ausruf der Überraschung durch den Raum.
„Unglaublich", murmelte ein älterer Mann direkt neben dem König, das Gesicht ein Meisterwerk der Empörung.
„Es muss ihr wahrlich schlecht gehen", stimmte ein Höfling zu, die Hand elegant vor den Mund geschlagen, „Wo ist ihre Lehrerin? Sie sollte auf ihr Zimmer gebracht werden."
Ich spürte ihre Ablehnung wie einen eisigen Griff um mein Herz, der es mir schwer machte, aufrecht zu stehen. Ihre Blicke durchsiebten mich, rieben und schnitten in meine Haut. Doch ich bewegte mich nicht. Das hier war meine einzige Möglichkeit für Gerechtigkeit.
„Absolut nicht", schüttelte der König den Kopf, unbeeindruckt von den Ausrufen seiner Untertanen. Als Vater von Isabella musste er derartige Situationen bereits gewohnt sein, doch leider hatte ihn das keine Nachsicht gelehrt, „Wir wissen alle, wie nahe du Moira gestanden bist. Du bist in keiner Verfassung!"
„Aber ich wäre nützlich", beharrte ich, während die Verzweiflung sich ganz langsam auf meine Zunge schlich.
Die Falten um König Dieuchosits wurden straffer und für den Bruchteil eines Momentes richtete er sich auf seinem Thron auf.
„Hast du etwa...", er räusperte sich, warf seinen Beratern einen flüchtigen Blick zu und rutschte dann näher an die Kante seiner Sitzfläche, „Hat Kaar dich mit Magie beschenkt?"
Die Hoffnung in seinen Augen enttäuschen zu müssen, brach mir das Herz erneut. Moira hätte am Ende meiner Ausbildung in einem zwölftägigen Gebet Kaar davon überzeugen müssen, mich unter den Nevanam aufzunehmen. Nur sie hätte mir die Türen zur Magie öffnen können.
Langsam schüttelte ich den Kopf.
„Aber ich habe medizinisches Wissen, das vielleicht bei der Untersuchung nötig wäre-..."
„Lachhaft!", unterbrach mich Monsieur Boltier, den ich ganz links am Rand des Podests vollkommen vergessen hatte, „Sollte der Hauptmann der Leibgarde auf medizinische Fragen stoßen, wird er sich an einen Fachmann wenden und nicht an die Schülerin einer Heilpraktikerin!"
Ein heißes Kribbeln drängte sämtliche Fesseln der bohrenden Aufmerksamkeit aller Augen zurück.
Wie konnte er es wagen, nicht einmal einen Tag nach ihrem Tod so über die letzte Nevanam zu sprechen? Sie hatte mehr Leben gerettet als er, hatte mehr Menschlichkeit bewiesen als er! Seinen Neid und seine Arroganz konnten die Erinnerungen an sie nicht mehr beschmutzen. Meine Fingernägel pressten sich in die Handflächen meiner geballten Fäuste.
„Also hättet Ihr einen Weg gewusst, um Moira zu retten? Oder war Euch der Fall zu... heilpraktisch?"
Boltier öffnete den Mund, aber es war nicht seine Stimme, die antwortete.
„Kaliee!", der fassungslose Ärger des Königs ließ mich die Zähne fest aufeinanderpressen. Er hatte sich auf seinem Stuhl nach vorne gelehnt, die Hände fest um die Lehne geschlossen. Seine seelische Größe breitete sich über den gesamten Raum aus und erinnerte selbst die kleinste Fliege daran, dass er der König eines Gottes war. Wie ein schwaches Erdbeben zog sie ihre Kreise und stellte meine Nackenhaare auf.
Ich war zu weit gegangen. Ein Streit mit dem Palastheiler würde Moiras Mörder nicht finden. Und eine steile Falte in der Stirn meines Herrschers zeigte deutlich, dass er zumindest meinen ersten Gedanken teilte. Er würde nicht mit mir diskutieren. Ich hatte verloren.
„Wenn ich mich einmischen dürfte", wandte sich Alam Catròz in die Konversation, indem er einen Schritt von der obersten Stufe herunter tat. Die Arme locker hinter dem Rücken gekreuzt, fixierten seine kleinen Augen mich wie eine Beute. „Ich denke nicht, dass Kaliee die Zeit finden wird, durch die Stadt zu reiten und Leute zu befragen. Der Verlust der letzten Magiequelle ist ein herber Schlag für unser Königreich. Wir brauchen Verbündete mehr denn je. Mit Moiras traurigem Dahinscheiden sollte Kaliees Hochzeit nun ihre größte Priorität sein."
Zustimmendes Gemurmel brachte das kalte Gefühl in meiner Brust zurück wie eine eisige Welle. Es lähmte mich wie eine Statue und schraubte meine Intelligenz auf ein ähnliches Niveau herunter. Ich konnte keine Nevanam mehr werden.
Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Meine Knie wurden weich und drohten, mich vor allen Leuten im Stich zu lassen. Ich hatte meine Lehrerin und meine Zukunft verloren.
Aber es änderte nichts. Ich drückte meine Schultern durch und hob mein Kinn, als hätte ich wirklich den Verstand verloren.
Ich würde Moiras Mörder finden und vielleicht so Kaar davon überzeugen, mich zu einer seiner Heilerinnen zu machen.
"Voted für statuengleiche Intelligenz!" - Kaliee. Will doch nur helfen.
Happy Thursday! 😂
Habt ihr schon mal einen Intelligenztest gemacht? Was war/was glaub ihr wäre euer Ergebnis?
Ich musste es als Kind mal machen, weil ich auf ADHS getestet wurde (negativ) xD Aber wirklich sagen, was dabei rauskam, will ich auch nicht xD
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