1 Boschus Busch Kern
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Die Gelübde der Nevanam;
sieben Stück an der Zahl,
sollen Nevanam daran hindern
ihre Kräfte eigennützig oder
für schlechte Taten einzusetzen.
(oder sich wie Waschweiber zu benehmen)
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Heißer, scharfer Tee brannte ein Loch in meine Lunge. Oder zumindest war ich mir sicher, dass das geschah.
Um mich herum kam das Zimmer in Bewegung. Andrew rief in seiner Sprache nach einem weiteren Zimmermädchen, das meine Sauerei aufräumen sollte und Yessaia war schneller an meiner Seite, als ich ihm bedeuten konnte, dass alles in Ordnung war. Und der Kerl behauptete, er fürchtete Kaars Zorn nicht, wenn er seine Nevanam beschä-...
Oh.
Er hatte andere Pläne. Sein Blick wanderte von der zerbrochenen Teetasse zu mir und dann zu seiner Schwester. Ohne ein weiteres Wort, griff er nach meinem Oberarm und zog mich, immer noch hustend, aus dem Zimmer.
Tränen rannen über meine Wange, während ich versuchte, den Tee aus meiner Lunge und Luft hineinzubekommen. Allein das schwere Zufallen der Tür hinter uns, gab mir einen Tipp, dass ich vermutlich noch andere Probleme hatte.
Yessaia zog mich durch den halben Gang in einen kleinen Fenstererker. Lichi saß dort, doch nur ein paar geflüsterte Worte und ein vielsagender Blick von ihm und die Kammerzofe überließ mich meinem Schicksal. Er sah ihr kurz hinterher, bis sie um die nächste Gangbiegung verschwunden war. Dann galt seine Aufmerksamkeit wieder ganz mir. Die Arme vor der Brust verschränkt, lehnte er über mir wie eine Warnung.
„Sprich", war alles, was er mir vor die Füße warf.
Irgendwas musste mich verraten haben. Ich wusste nur leider nicht, welchem meiner Geheimnisse er auf der Spur war. Dass ich seine Sprache sprach? Dass ich keine Nevanam war? Ersteres wäre mir tatsächlich lieber.
Ich entschied, dass Dummheit für den Moment meine größte Stärke wäre.
„Was ist das für ein Tee?" Meine Stimme überschlug sich fast vor Nerven, doch ich hoffte, er würde es als Nachwirkungen des Verschluckens abtun.
Der Botschafter starrte mich für eine gefühlte Ewigkeit nur an, doch ich sah die Zahnräder hinter seinem Verstand in Fahrt kommen. Schließlich, ohne den Blick von mir zu nehmen, lehnte er sich zurück gegen die steinerne Mauer und verschränkte die Arme.
„Es gibt nicht viel, was du über mich wissen musst. Ich würde alles für meine Leute tun. Ich würde all das für meine Schwester riskieren. Und ich kann mit unehrlichen Leuten nichts anfangen."
Lügen. Er hasste Lügen.
Das war eher unglücklich für ihn. Denn mit der Menge an Geheimnissen, die ich momentan mit mir herumschleppte, blieb mir nicht mehr viel anderes als lügen.
Es kostete mich alle Kraft, nicht auf die Implikation zu reagieren. Um mir selbst Zeit für eine passende Antwort zu geben, ahmte ich ihn nach und lehnte mich an die gegenüberliegende Seite des Erkers. „Das ist alles?", ich zwang ein halbes Grinsen auf meinen Mund, „Keine Allergien oder Unverträglichkeiten?"
Yessaia teilte meinen Humor nicht. Unbewegt entschied er, direkt zum Punkt zu kommen.
„War das Gift im Tee meiner Schwester?"
Ah.
Er war ein verdammt guter Mörder und Schauspieler, oder cleverer, als man ihm zutrauen wollte.
Ein unbeabsichtigtes Lächeln stahl sich auf meinen Mund und machte eine Lüge damit unmöglich. Etwas unbehaglich unter seinem Blick wandte ich mich dem Fenster zu.
„Das werden wir in den nächsten Minuten sehen."
Er lehnte sich nach vorne, mich nach möglichen Zeichen absuchend. Sorge und kleine Zweifel an meinem Verstand schlichen sich in seine Stimme, als er wieder sprach.
„Wer trinkt vergifteten Tee, um so was herauszufinden?"
Jemand, der noch nicht lange genug im Training der Nevanam war, um Tinkturen herzustellen, die das für einen herausfanden. Sagte ich natürlich nicht.
„Hättet Ihr mir geglaubt, wenn ich den Verdacht geäußert hätte, dass jemand Eure Schwester vergiftet?"
Er lehnte sich wieder zurück.
„Ich glaube dir selbst jetzt nicht."
Das mit dem clever nahm ich zurück. Und den Mörder-Teil auch. Mit einem Seufzen wandte ich mich wieder ihm zu und steckte den Ring wieder ein.
„Ich denke, deine Schwester wurde mit einer vergifteten Waffe angegriffen."
Nichts regte sich in seinem Gesicht.
„Meine Schwester kam von einem Jagdausritt wieder", antwortete er schließlich betont langsam, „Sie war umgeben von Männern dieses Hauses. Niemand von ihnen würde ihr jemals etwas anhaben."
Ich seufzte noch einmal. Wenn ich ihm sagen würde, dass ich die Schwester des nächsten Königs in Eslaryn war, würde er mir auch nicht glauben.
Auffordernd deutete ich mit dem Daumen den Gang runter.
„Dann lass es mich beweisen."
Er folgte mir mit dem skeptischen Blick der Reisenden, denen man erklärte, dass keine Männer in unseren Tempeln erlaubt waren, Elche aber schon.
Im Zimmer hatte die Magd bereits die Scherben eingesammelt und stritt sich gerade in gedämpfter Stimme mit Andrew, als wir eintraten. Das Gespräch brach mit dem Öffnen der Tür ab, doch ihr verächtlicher Blick in meine Richtung ließ mich leicht erraten, worüber sie sich unterhalten hatten. Mit gerecktem Kinn stolzierte sie an mir vorbei und aus dem Raum heraus.
Ich versuchte, sie zu ignorieren, doch ihre greifbare Abneigung lief mir kalt den Rücken herunter. Mit möglichst unbewegter Miene ging ich zu Cinis Bett herüber und deckte die Wunde noch einmal auf.
Neben mir verzog Yessaia den Mund, sagte jedoch nichts, als ich mein Messer vom Tablett nahm und es vor die Wunde hielt.
„Die Klinge ist in diesem Winkel eingedrungen", erklärte ich und reichte ihm meine behelfsmäßige Waffe, „Du sagst, sie war es selbst bei einem Unfall? Demonstriere mir bitte wie ..."
Der Prinz blinzelte für einen Moment verdutzt, dann schlossen sich seine langen Finger um den Griff und nahm ihn mir aus der Hand. In einer gelenken Bewegung setzte er zum Stich an, stoppte jedoch eine Haaresbreite, bevor die Klinge seinen Ärmel zerschnitt. In dieser Position verharrte er.
Ein selbstbewusstes Lächeln kämpfte darum Ausdruck zu finden, doch Madame Acós Stunden hatten mir verinnerlicht, dass kein Mann gerne den Beweis für seine Fehler sah. Also lief ich stattdessen um ihn herum. Behutsam zog ich seinen Arm in die Position, die es benötigte, damit die Klinge im richtigen Winkel ansetzte.
Doch seine Finger konnten mir nicht ganz folgen und er musste loslassen. Ich fing das Messer auf, bevor es fallen konnte.
„Sie kann sich die Wunde nicht selbst zugefügt haben", erklärte ich, „Sie wäre überhaupt nicht angekommen."
Verständnis wurde von wachsendem Zorn abgelöst, als Yessaia begriff, was das bedeuten musste. Er tauschte einen vielsagenden Blick mit Andrew, der unschlüssig seinen Bart rieb. Er hatte verstanden, auch ohne meine Erklärungen.
„Es könnten auch nur die kreativen Theorien einer Frau sein", äußerte er seine Zweifel.
Ich musste ein abfälliges Schnauben unterdrücken. Ich war nicht kreativ. Zumindest nicht im Moment. Vielen Dank.
„Dass sie eine Frau ist, ändert nichts an den Fakten", widersprach Yessaia knapp, doch die Anspannung in seinem Körper war wieder vollständig zurückgekehrt, „Ich werde sie nach Hause bringen. Wenn hier wirklich ein Mörder herumläuft, werde ich sie nicht in etwas hineinziehen, das nichts mit ihr zu tun hat."
„Und deine Schwester?", Andrews finsterer Ausdruck stand dem seines Herren in nichts nach.
Nachdenklich wandte sich dieser wieder mir zu. „Du hast gesagt, dass du Cini geheilt hast?"
Ein kleiner Teil in mir wollte lügen. Wenn er nicht selbst dem Verwalter etwas vormachte, war dies meine Chance nach Hause zu kommen. Bis er bemerken würde, dass seine Schwester nicht mehr aus ihrem Schlaf erwachte, wäre ich schon längst sicher hinter den Mauern des Palasts.
Doch ich konnte nicht.
„Ich habe sie in einen Schlaf versetzt, der die Ausbreitung des Gifts verhindert. Aber geheilt ist sie nicht, bis ich nicht das Gegengift gefunden habe."
Yessaia stieß die Luft aus und fuhr sich einmal mit der Hand durch die langen Haare, als begreife er, wie schwierig dieses Unterfangen sein würde. Ich erwartete, dass er seinem König Meldung machen würde, doch stattdessen verzog er das Gesicht, als würde die volle Last der Entscheidung auf seinen Schultern ruhen.
Ich wusste, wie seine Antwort ausfallen würde, bevor er sich entschieden hatte. Er konnte das Leben seiner Schwester nicht für mich riskieren. Das war nicht die Art Mann, die er war. Und für einen flüchtigen Moment beneidete ich Cini. Jac hatte zwar immer mein Bestes im Sinn, doch er hatte keinerlei Probleme damit gehabt, seine kleine Schwester in das Land der Riesen mitzunehmen, um seine angebetete Prinzessin zu retten. Nicht, dass ich ihm das übel nahm. Ich wäre wütender gewesen, wenn er mich mit dem Wagenkönig allein daheim gelassen hätte. Unbewusst holte ich seinen Ring aus der Rocktasche.
„Lichi wird dich zurück zu deinem Zimmer bringen und dir neue Kleidung besorgen", traf Yessaia seine Wahl, doch ein Muskeln in seinem Kiefer zuckte verdächtig, „Sie wird dir zur Seite stehen, bis wir das Gegengift gefunden haben."
Ich wusste, wer nicht begeistert von dieser Entscheidung sein würde. „Ich brauche keine Magd. Ich kann mich problemlos selbst entkleiden. Essen wäre mir lieber." Noch während ich sprach, blitzten Bilder meines morgendlichen Zusammentreffens mit dem Botschafter auf und meine Ohrspitzen liefen heiß an.
Yessaia dachte offensichtlich an dasselbe. Für sein Schnauben zog er kurz die Brauen hoch, doch mit jedem Wort wurde er wieder ernster.
„Davon bin ich überzeugt. Lichi ist allerdings auch in der Lage, jeden möglichen Attentäter auszuschalten und solange du mir nicht erzählst, dass Nevanam ihr friedfertiges Gelübde gegen einen Nahkampfkurs ausgetauscht haben, steht meine Entscheidung."
Ich wollte ihm passende Antwort geben, die den Anflug von Überheblichkeit in ihm sofort im Keim erstickte, auch wenn er recht hatte. Ich durfte keine Waffen führen. Ich durfte noch nicht einmal jemanden ohrfeigen, es sei denn es war ein Patient im Alkohol-Koma. Aber ich war auch bei den Riesen gewesen. Und-...
„Ich kann kämpfen. Die Regeln ändern sich." Mein Mund war schneller als mein Verstand.
Seine Augenbrauen fielen zu einer unbeeindruckten Linie herab.
„Und ich weiß, wenn du lügst." Die kurze Pause, die seinen Worten folgte unterstrich noch einmal seine Aussage von davor: Er konnte Lügen nicht ausstehen.
Nun, dann würde meine Anwesenheit wohl sehr unangenehm für ihn werden.
Geschlagen zuckte ich mit den Schultern und ließ mich gegen die Kante des Nachtschranks sinken. Eigentlich hätte ich müde und hungrig sein sollen. Stattdessen war ich so wach wie schon lange nicht mehr. Es war überhaupt nicht mehr so unverständlich warum Isabella, die Kronprinzessin des friedfertigsten Landes überhaupt, sich so sehr nach einem Abenteuer sehnte.
Selbst als Lichi mich in mein Zimmer zurückbrachte und mir einen Teller mit Brot, Käse und einen Becher mit diesem widerwärtigen Tee hinstellte, wollte sich keine Ruhe bei mir einstellen. Gedanklich trug ich zusammen, was ich bis jetzt erfahren hatte.
Drei Opfer. Glaubte ich Yessaia und er hatte seine Schwester wirklich erst vor Kurzem aus dem Marschland geholt, war Willard Roussex Mutter zuerst gestorben. Mit einem Messer gefoltert und anschließend vergiftet. Betrachtete man allerdings den Fakt, dass der Botschafter von Gican nicht an zwei Orten gleichzeitig sein konnte, musste Cini das erste Opfer gewesen sein. Und unser Mörder hatte dazu gelernt. Das Gift in der Blutbahn wirkte lange nicht so schnell, wie die getrunkene Flüssigkeit. Doch warum? Was verband die drei Opfer miteinander?
Roussex Warnung hallte in mir wider. Irgendwo wollte ein Geheimnis ans Licht. Aber welches Geheimnis konnten eine über dreihundert Jahre alte Frau, eine mittelalte Hebamme und ein Kind miteinander teilen?
Ich bekam leider keine Antworten auf meine Fragen, dafür aber Kopfschmerzen, um die ich nicht gebeten hatte. Ich würde nicht weiterkommen, wenn ich nicht wusste, wie der Unfall abgelaufen war. Das bedeutete, dass ich Yessaia befragen musste und so wie ich ihn einschätzte, würde er eher mit Andrew einen Regentanz aufführen, als mich bei den Ermittlungen teilhaben lassen.
Ich musste besser werden in seinen Spielchen. Ich musste besser lügen.
Doch dieses eine einzige Mal war Kaar auf meiner Seite. Oder aber er hatte etwas verwechselt. Denn zu meiner Überraschung war es nicht Lichi, die mir die versprochene Kleidung vorbeibrachte, sondern Yessaia.
"Ich würde die Sterne ausboxen." - Kaliee. Hat gar kein Gelübde geleistet :D
FRAGE: Welches Gelübde wäre für euch am schwierigsten einzuhalten?
A) Das Ruhe-Gelübde: Es besagt nicht nur, dass ihr den Tag nicht verschlafen dürft, was eure Bettruhe auf verfluchte sechs Stunden beschränkt, in denen ihr zwei davon auf Instagram rumhängt. Es hindert euch auch effektiv daran dumme Fragen an eure Lehrer/Trainer/Ausbilder oder Vorgesetzten zu stellen. Gerüchteweise gibt es Möglichkeiten beide Einschränkungen zu umgehen, doch andere behaupten erst seit diesem Erlass auf die Frage: "Kann ich eine dumme Frage stellen?" die nevötentenste aller Antworten zu bekommen: "Besser als jeder andere."
B) Das Anti-Gewalt-Gelübde: Es wird niemand mehr geschubst, geboxt oder mit Mistgabeln verfolgt. Selbst Gedanken daran, werden durch 'zufällige' Legosteine auf dem Boden, Tischecken und Bettkanten gestraft. Vor diesem Gelübte gab es keine Tollpatschigkeit auf der Erde. Alle Menschen konnten problemlos im Dunkel durch ihr Schlafzimmer laufen, ohne dass ein Schreibtischstuhl plötzlich nach vorne sprang und ihr Schienbein zertrümmerte.
C) Das Wahrheits- Gelübte. An dieser Stelle wären die Nevanam beinahe das erste Mal ausgestorben, weil der Zwang immer ehrlich zu sein, oft zu Gewalt führte und die Heilerinnen sich nicht wehren durften. Seither wurde das Gelübte gelockert. Es hat keine Auswirkungen während der Lebenszeit, doch im Tod wird man fortan von einem sieben-jähigen Besserwisser-Kind verfolgt, das jede unwahre Aussage korrigiert. Bis in alle Ewigkeit.
D) Hier-wird-nicht-geflucht-Gelübde: Selbst kreative Schimpftiraden durchschaut Kaar sofort. Aber die Gottheit möchte wenigstens ab und zu seine Ruhe haben. Wer flucht wird seine nächste Mahlzeit nicht vertragen. So entstanden die ersten Intoleranzen. Zu Moiras Glück lässt sich die Gottheit jedoch selbst durch leise gemurmelte Lobeshymnen wieder besänftigen. Es macht zwar keinen Unterschied, ob sie sarkastisch vorgetragen werden, doch sie müssen mindestens drei Strophen lang sein und müssen jedes Mal neu gedichtet werden.
Erzählt mir von euch! Bis Montag!
xoxo
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