17. Böse Gerüchte
Vor lauter Aufregung vergessen wir beinahe, dass wir am nächsten Tag Schule haben. Immerhin müssen wir ja das Chaos beseitigen, das das Wasser hinterlassen hat. Während Kate aufräumt, versuche ich, die gröbsten Schäden zu reparieren. Zum Glück hat der Wasserrohrbruch an den Wänden, der Decke und dem Boden keinen allzu großen Schaden hinterlassen, da Kate das Wasser in Sekundenschnelle trocknen konnte.
Schließlich gehen wir zu unseren Großeltern und erzählen ihnen, was passiert ist, jedoch in einer veränderten Variante. Von Kates Fähigkeit zur Kontrolle eines Elements erwähnen wir überhaupt nichts.
Trotzdem machen sich Nonna und Grandpa höllische Sorgen, wohingegen Mum der Wasserrohrbruch beinahe völlig egal zu sein scheint. Sie sieht nur einmal kurz von ihrer Arbeit in der Restaurantküche auf und sagt fast schon tonlos und neutral: „Oh, wie ärgerlich."
Grandpa kommt noch am gleichen Abend bei uns vorbei und schaut, ob er selbst etwas reparieren kann. Nachdem Kate das Wasser kurz an- und wieder ausgestellt hat, schüttelt er jedoch ratlos den Kopf.
„Das übersteigt mein Können", gesteht er, „aber ich habe einen guten Freund, der wird sich mit Sicherheit gerne darum kümmern. Ich rufe ihn gleich mal an." Natürlich hat dieser gute Freund an diesem Abend keine Zeit mehr, aber nächste Woche wird er sich das mal ansehen.
Bis unsere Rohre repariert sind, sollen wir das Bad bei Nonna und Grandpa in der Wohnung benutzen, die über dem Restaurant liegt und die ich an diesem Abend zum ersten Mal betrete. Sie ist bedrückend klein und die Einrichtung vermittelt eine melancholische Stimmung. An den Wänden hängen dutzende Landschaftsbilder, aber auch Fotos von uns, die im Laufe der letzten Jahre entstanden sein müssen und die ich noch nie zuvor gesehen habe.
Nach der Anstrengung des Tages sehne ich mich nach einem Bett und jemanden, mit dem ich reden kann. Deshalb bietet Kate an, dass ich bei ihr im Zimmer schlafe, was mir entgegen kommt, da es dort nicht so heiß ist wie unter dem Dach. Wir quatschen bis spät in die Nacht. Kate schläft beim Sprechen ein und auch mir fallen die Augen ein wenig später zu.
Erst als am nächsten Morgen der Wecker klingelt, fällt uns beiden auf, dass die Sommerferien vorbei sind. Heute ist unser erster Tag auf dem italienischen Gymnasium. Bei dem Gedanke an das, was mich wohl erwarten wird, klopft mein Herz ein bisschen schneller und lauter.
Kate kümmert sich um unsere Pausenbrote, während ich das Frühstück zubereite und unsere Taschen für die Schule packe. Viel brauchen wir am ersten Tag nicht. Vielleicht ein paar Stifte, die Schulbescheinigung vom Liceo und etwas zum Schreiben. Ich atme einmal tief ein. Mein Körper scheint angespannt zu kribbeln wie immer, wenn etwas Neues auf mich zukommt. Bevor wir das Haus verlassen, checke ich mein Handy noch einmal nach neuen Nachrichten. Maddie hat mir geschrieben, dass sie mir viel Glück und Erfolg für den Tag wünscht. Als ich das lese, muss ich lächeln.
Der Zug, der uns von Castiglione nach Grosseto bringen soll, braucht eine halbe Stunde Fahrzeit plus zehn Minuten Verspätung.
Unsere Schule liegt im Stadtzentrum. Vom Bahnhof aus müssen wir nur wenige Minuten laufen und schon sind wir da. Die Schule selbst ist in einem alten Herrenhaus untergebracht, das an einen Neubau grenzt. Obwohl ich es nicht will, bewundere ich diesen Ort um seine Ausstrahlung. Es ist, als würden moderne Technik und Geschichte miteinander verschmelzen. Dieses Gebäude ist viel schöner als der alte Bau aus den Siebzigern, in dem unsere Schule in Brighton untergebracht war.
Das Sekretariat liegt direkt im ersten Stock und ist nicht schwer zufinden. Dort müssen Kate und ich uns als neue Schülerinnen anmelden. Die Arbeit führen vier Sekretär:innen aus, von denen uns eine die Stundenpläne überreicht, bevor uns ihr Kollege durch das Schulgebäude führt.
Die Mensa und die Bibliothek befinden sich in dem neuen Anbau. Außerdem gibt es drei Hauptflügel, in denen jeweils die Fachbereiche untergebracht sind. Kate besucht den sprachlichen Zweig des Gymnasiums, ich den klassischen. Zunächst bringen wir Kate zu ihrer Klasse und sie schafft es noch pünktlich zum Beginn der ersten Stunde in den Unterricht. Ich dahingegen werde mit fünf Minuten Verspätung von dem Sekretär ins Klassenzimmer begleitet. Ich fühle mich wie ein kleines Kind. Das ist so peinlich.
Beim Eintreten des Raumes merke ich, wie mich zwanzig Paar Augen fixieren. Schnell sehe ich weg. Die Blicke meiner Mitschüler:innen sind mir unangenehm. Ich weiß, dass sie mich nun von oben bis unten mustern und überlegen, welche Art von Mensch ich wohl bin oder ob wir später einmal befreundet sein können.
„Signora Rossi, das ist die neue Schülerin, Brionna Peterson", wendet sich der Sekretär an die Lehrerin, die vorne an der Tafel steht. Als ob ich mich nicht selbst vorstellen könnte. „Sie ist achtzehn Jahre alt und kommt aus England."
„Hallo", sage ich zur Begrüßung. Meine Stimme klingt hoch und piepsig, so als käme sie von weit weg.
„Vielen Dank, Signor Caparelli." Die Lehrerin ist eine kleine, rundliche Frau mit kurzen Haaren und freundlichem Gesicht. Ich schätze sie nicht älter als dreißig. Nachdem der Sekretär gegangen ist, wendet sich die Lehrerin mit einem breiten Lächeln an mich. „Herzlich willkommen in meiner Klasse, Brionna. Ich bin Signora Rossi, deine Klassenlehrerin. Nimm doch einfach Platz", meint sie und deutet in den Raum. Es sind einige Stühle frei, doch aus Bequemlichkeit lasse ich mich neben einem rothaarigen Mädchen in der ersten Reihe nieder, das eine dicke Brille trägt. Da muss ich mich nicht an meinen neugierig gaffenden Mitschülern vorbeiquetschen, um mich hinzusetzen.
Nachdem ich Platz genommen habe, lässt Signora Rossi jeden einzelnen meiner Klassenkammerad:innen an die Tafel kommen und sich kurz vorstellen. Es sind einige Jungs dabei, die ich auf der Party am Samstag gesehen habe, sogar Pietro. Noch dazu sind Stellas Freundinnen alle vier in meiner Klasse. Keine von ihnen sagt etwas Bestimmtes zu mir, doch ihre Blicke signalisieren, dass sie mich kennen.
Nachdem sich jede:r vorgestellt hat, fährt Signora Rossi mit dem Unterricht fort. In der ersten Stunde haben wir Geschichte. Wir sprechen über Europa nach Ende des zweiten Weltkrieges. Das Thema haben wir in meiner alten Schule schon vor ein paar Monaten behandelt, weshalb ich mich da ein bisschen auskenne und mich am Unterricht beteiligen kann. Als es zur Pause klingelt, teilt Signora Rossi uns eine Liste mit den Büchern aus, die wir in der Schulbibliothek ausleihen sollen und außerdem noch einen Flyer für eine Veranstaltung, in der wir mehr über die Abschlussprüfungen erfahren, die im kommenden Frühling anstehen.
Bevor ich den Raum für die Pause verlasse, schaue ich noch einmal auf den Stundenplan. Dabei fällt mir auf, dass der Tisch, an dem ich sitze, mit Edding und Tinte bekritzelt ist. Scheinbar haben sich hier schon Generationen von Schülern verewigt. Überall stehen kunstvoll hingeschmierte Initialen, Pseudonyme und Daten.
In eine Ecke des Tisches hat jemand MIV in die Tischplatte geritzt und darunter das Datum 05.12.1953. Erstaunt starre ich auf die Zahlen. Hat Maria Vecca mal an diesem Tisch gesessen? Ist unsere Schule tatsächlich so alt?
„Na... ich hab ja gesagt, dass wir in derselben Klasse sind." Überrascht sehe ich auf. Pietro steht neben meinem Tisch. Über die Schulter hat er lässig eine Tasche gelegt und zwischen seinem Arm und seiner Brust klemmt ein Notizheft. „Ähm...ja", meinte ich und lasse den Rest meiner Sachen in meinen Rucksack fallen.
„Wie geht's dir?", will er von mir wissen.
„Gut", antworte ich nur darauf. Was auch sonst? Eigentlich hätte neutral eher zu meiner Stimmung gepasst oder meine Standardantwort miserabel, aber ich habe keine Lust, dass er mich fragt, warum es mir denn nicht blendend geht. So wie es alle Leute tun, wenn man auf die Frage Wie geht es dir? mal nicht mit einem Lächeln und gut antwortet.
Es folgt ein Moment der Stille. „Ich war gestern bei Stella im Krankenhaus", beginnt er schließlich, als wir uns mit vielen anderen Schüler:innen in einen engen Gang quetschen, „es geht ihr gut. Sie wird heute wahrscheinlich schon entlassen und kann diese Woche wieder in die Schule gehen... und sie und ihre Familie wollen sich bei dir dafür bedanken, dass du sie gerettet hast."
Oh nein. Das hat mir gerade noch gefehlt. Ich möchte doch gar nicht, dass sich jemand bei mir bedankt. Was ich getan habe, war selbstverständlich und es wäre mir ziemlich Recht, wenn es bald wieder in Vergessenheit geraten könnte.
„Sie müssen sich hauptsächlich bei Lucca bedanken", werfe ich ein. Immerhin wäre es mir ohne ihn gar nicht gelungen, Stella aus dem Wasser zu ziehen.
„Bei dem?" Pietro legt die Stirn in Falten. „Ich bitte dich... was hat der schon groß zu der Rettung beigetragen?"
„Das Meiste", entgegne ich kühl. Vor knapp zwei Tagen wäre es mir vermutlich noch unmöglich erschienen, dass ich irgendwann einmal auf Luccas Seite stehen könnte. Aber nun liegt meine Sympathie seltsamerweise mehr bei ihm als bei Pietro.
„Wie auch immer", wimmelt Pietro das Thema ab. Schnell stößt er eine verdreckte, hohe Glastür auf, die raus auf den Schulhof führt, der von Bäumen umsäumt wird. Gottseidank. Hier gibt es genug kühle Schattenplätze. Obwohl es noch früh am Tag ist, ist es beinahe schon wieder unerträglich heiß.
„Und, was hast du gestern so gemacht?", fragt Pietro und versucht dabei unbeschwert zu klingen.
„Ich war bei den Ruinen von Pergula." Dass er damit etwas anfangen kann, glaube ich kaum. Schließlich wurde jede noch so winzige Information über die Ruinen von Pergula aus dem Internet gelöscht und die Legenden scheint auch sonst niemand zu kennen. Doch plötzlich verändert sich etwas in Pietros entspanntem Gesichtsausdruck. Es sieht aus, als würde er seine Backenzähne ganz fest aufeinander beißen.
„Ich schätze mit Lucca", zischt Pietro.
„Ja. Hast du ein Problem damit?"
„Du solltest aufpassen. Er ist gefährlich."
„Weil er in einer Gang ist?" Als ich das sage, klinge ich belustigter als ich es beabsichtige.
„Nicht nur deshalb. Er und seine Freunde glauben, dass die Legenden von Pergula tatsächlich wahr sind... davon hat er dir doch auch erzählt, oder? Das ist völlig irre." Noch gestern hätte ich darüber dieselbe Meinung gehabt wie Pietro, doch nach all dem, was passiert ist, bin selbst ich von der Wahrheit hinter den Legenden überzeugt. Trotzdem sage ich: „Ja, das ist es. Woher kennst du überhaupt die Legenden von Pergula?"
„Von meinen Eltern... die... also die Legenden kennt hier so gut wie jeder.... das ist eine Geschichte, die man den Kindern gerne erzählt", antwortet er darauf. Irgendetwas an der Art und Weise, wie er das sagt, macht mich stutzig. Ich bin mir nicht sicher, ob ich ihm das glauben soll, doch ich hake nicht weiter nach.
Insgeheim frage ich mich aber, ob Pietro vielleicht mehr weiß, als er mir verrät. Schließlich ist Maria Vecca seine Großmutter. Hat sie ihm von Bernardo Falcini erzählt, der vor über fünfzig Jahren begonnen hat, Elementträger zu eliminieren? Zu gerne würde ich ihn danach fragen, aber dann müsste ich vermutlich von dem Tagebuch und von Kates Fähigkeiten erzählen. Außerdem klingt das alles absolut abgefahren und unrealistisch. Ich habe Angst, dass Pietro mich möglicherweise auslacht oder für verrückt erklärt, wenn ich mich zu sehr für die Legenden interessiere. Deshalb bleibe ich lieber still.
Noch ein paar Mal versucht Pietro über Lucca zu lästern, doch immer wieder wimmele ich ab. Erneut habe ich das Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Genau wie damals, als ich bemerkt habe, dass die Bellucos Lucca von dem Foto gelöscht haben. Diesmal jedoch schiebe ich es in den Hintergrund meiner Gedanken. An dem ersten Tag in der neuen Schule will ich mich nicht über Pietros seltsames Verhalten wundern.
Schließlich sieht auch Pietro ein, dass ich nicht über Lucca sprechen möchte. Zum Glück stoßen bald auch schon unsere neuen Klassenkammerad:innen zu uns uns, sodass Pietro gar keine Gelegenheit mehr bekommt, das Thema Lucca anzuschneiden. Stattdessen reden wir über das, was in diesem Schuljahr wohl auf uns zukommen wird. Viele von meinen Mitschüler:innen fragen mich, was mein Eindruck von dem italienischen Gymnasium ist und ob ich mich hier wohl fühle. Als es schließlich zur nächsten Doppelstunde klingelt, machen wir uns gemeinsam auf den Weg zum Klassenzimmer. Diesmal setze ich mich neben Pietro und auch für den Rest des Tages halte ich mich an ihn.
Obwohl ich in beinahe jedem Fach neben Pietro sitze, werde ich nicht nur von ihm, sondern auch von meinen anderen Mitschüler:innen umringt, die mich alle freundlich begrüßen und mir die Klassenräume zeigen. Unter den ihnen hat sich scheinbar herumgesprochen, dass ich Stella auf Pietros Party aus dem Wasser gezogen habe und deshalb ist die Rettungsaktion ein beliebtes Gesprächsthema.
Alle wollen wissen, wie es mir ging, als ich ins Wasser gestürmt bin und wie ich mich jetzt als Heldin fühle. Als das Wort Heldin fällt, muss ich lachen. So würde ich mich nun wirklich nicht beschreiben. Die Fragen sind ziemlich lästig, doch ich beantworte sie geduldig, damit das Interesse an der Rettungsaktion bald abklingt. Meiner Erfahrung nach wird ein Thema immer uninteressanter, je mehr man darüber spricht.
Auch die Lehrkräfte sind alle ziemlich nett. Bis auf die Englischlehrerin, Signora Montgomery. Mit der haben wir einen richtigen Drachen erwischt. Meine Klasse muss sie nun schon seit beinahe drei Jahren ertragen und ihren Schilderungen nach hasst sie Kinder und Teenager. Na, da hat sie sich ja den richtigen Job ausgesucht.
„Und sie hat überhaupt kein Verständnis dafür, wenn man keine perfekte Aussprache hat. Deshalb meckert sie ständig an uns herum", erklärt Pietro mir.
Nach diesen Ankündigungen bin ich gespannt, was da wohl auf mich zukommt. Tatsächlich ist Signora Montgomery eine kleine, schlanke Frau mit einer strengen Ausstrahlung. Ihre Miene ist starr und ernst. Ihr Gesicht zeigt nicht mal den Anflug eines Lächelns, als sie die Klasse begrüßt. Bevor sie mit dem Unterricht beginnt, teilt sie uns in Lerngruppen ein, die für das ganze Schuljahr bestehen bleiben. Dann sollen wir von unseren Ferien erzählen. Signora Montgomery unterbricht meine Klassenkamerad:innen tatsächlich ziemlich häufig und meckert an deren Aussprache oder Grammatik herum.
Als sie erfährt, dass ich Engländerin bin, werde ich augenblicklich zu ihrer Lieblingsschülerin, denn sie lobt mich schon in der ersten Stunde ständig und bedauert sogar vor der Klasse, dass ihr schlechtester Schüler, Pietro, und ich eine Lerngruppe bilden. Das ist mir ziemlich unangenehm, doch als ich etwas auf diesen unverschämten Kommentar erwidern möchte, stößt Pietro mich von der Seite an und schüttelt nur mit dem Kopf.
„Mach dir nichts draus", sage ich zu ihm nach dem Unterricht, „ich glaube, der kann man es nicht Recht machen. Wenn du willst, üben wir so viel miteinander, bis du zum Klassenbesten wirst."
„Nach dir, Brionny", meint er lachend, doch er nimmt mein Angebot an. Dann möchte er wissen, ob ich Lust habe, die Woche mal mit ihm und ein paar Leuten aus der Klasse schwimmen zu gehen. Ich sage ihm, dass ich mir das nochmal überlegen werde. Auch wenn ich es nicht zugeben möchte, ein bisschen freue ich mich über die Einladung.
Das Lächeln auf meinem Gesicht bemerkt auch Kate, die ich in der Schule immer nur kurz zu Gesicht bekommen habe, da sie ja einen ganz anderen Zweig des Gymnasiums besucht. In diesen Momenten wurde sie immer so sehr von ihren Mitschüler:innen umringt, dass ich keine Gelegenheit hatte, mit ihr zu sprechen.
„Also war der erste Tag gut", stellt sie fest.
„Ja, und deiner?"
„Mega gut."
Wieso frage ich eigentlich? Bei Kate läuft im Normalfall alles gut. Ich glaube, das liegt an der positiven Einstellung, mit der sie die Sachen angeht. Egal, wie schrecklich etwas zu sein scheint, meine Schwester kann allem etwas Gutes abgewinnen. Manch einer sollte sich Kate in dieser Hinsicht zum Vorbild nehmen. Ich besonders.
„Ich bin mit Pietro in einer Klasse."
„Du hast's gut. Ich kannte niemanden aus meiner Klasse. Davide und Vittoria besuchen nämlich auch den klassischen Zweig des Gymnasiums", seufzt sie.
„Aber dafür kennst du deine neuen Klassenkamerad:innen jetzt", stelle ich fest.
„Ja, und morgen kommen zwei von ihnen zu uns nach Hause", sagt sie grinsend. Darüber schüttele ich lächelnd den Kopf. Nicht nur, dass es ihr total leicht fällt, neue Bekanntschaften zu schließen, sie lädt sie dann auch noch gleich zu uns nach Hause ein.
Auf der ganzen Zugfahrt zurück reden Kate und ich ununterbrochen. Sie erzählt mir von ihrem Tag und den Leuten, die sie kennen gelernt hat und auch ich berichte, was ich so erlebt habe.
Zu Hause angekommen machen wir uns etwas zu essen. Dann setzten wir uns mit Marias Tagebuch in Kates Zimmer und lesen weiter.
Zunächst holt meine Schwester all die Tage nach, die sie verpasst hat, als wir uns gestritten haben. Dann lesen wir zusammen weiter von Maria, ihrer Schwangerschaft, ihrer Hochzeit mit Bernardo, ihrem Umzug in eine kleine Wohnung mit Garten in Rom. Von da an ging es abwärts in ihrer Beziehung zu Bernardo. Ihr frisch gebackener Ehemann ließ sich kaum noch zu Hause blicken, ging selbst sonntags ins Büro und sprach nur noch von den Elementen. Sie fühlte sich vernachlässigt, fand jedoch nicht den Mut, ihre Probleme anzusprechen. Außerdem war sie Bernardo vollkommen hingegeben. Ich habe den Eindruck, sie existierte beinahe nur noch als seine Marionette.
Mit ihren Eltern zerstritt Maria sich wegen ihres abgebrochenen Studiums und schließlich brach sie auf Drängen Bernardos den Kontakt zu ihnen vollkommen ab.
Am 27. Dezember 1957 wurde ihr Sohn Giacomo geboren. Pietro hat erzählt, Maria Vecca sei seine Großmutter. Sein Vater heißt jedoch Alessandro, nicht Giacomo. Also muss Maria später noch ein Kind bekommen haben.
Nach Giacomos Geburt fehlen vier Jahre von Marias Leben. In dieser Zeit hat sie ziemlich wenig in ihr Tagebuch geschrieben. Scheinbar ist in den vier Jahren nach Giacomos Geburt nicht besonders viel passiert oder Maria fand einfach nicht die Zeit zum Schreiben. Schließlich jedoch sollte sich alles verändern und Kate und ich erfahren endlich, was Maria so sehr erschüttert hat, dass sie die Warnung auf der ersten Seite des Tagebuches verfasste.
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