Kapitel 5: Obadia und das Vermächtnis der Runenpriester (Teil 1)
Der Prophet Obadia besaß nun schon einige Jahre seine hohe Stellung und auch das weitere Aufwachsen seiner Tochter Obsidia verlief in besten Bahnen. Da erwachte in seinem Denken der frühere Plan, nochmals zu reisen zu dem Tempel der Runenpriester nahe den Pyramiden, auf dass er alle Geheimnisse dort würde ergründen können und auch die Schriften über die Runen retten.
Und als es wiederum geschah, dass der Kaiser Augustus Einkehr hielt in Alexandria, da trat er vor diesen und sprach in seiner eindrucksvollen Weise: „Herr, weit ist es gekommen mit dem Glanze Roms, welcher gleichermaßen auch zu finden ist in deinem Angesichte! So konnte auch ich als ein geringer Diener das Meinige tun, um dich vor allem Bösen zu schützen und dir davon zu unterrichten.
Doch weit mehr könnte ich sehen und wissen, wenn ich die Nähe der Menschen suche und mit ihnen spreche! Denn nichts, was diese auch nur im Geringsten denken oder vorhaben, bleibt verborgen vor dem Auge meines Geistes! Und also bitt ich euch Herr, gebt mir das Recht auch außerhalb dieses Palastes meine Macht zu gebrauchen, und ich werde hinreisen von Stadt zu Stadt und von Dorf zu Dorf, um all das zu erfahren, was die Menschen fernab von Alexandria in ihren Herzen tragen!"
Und Augustus aber sah kein Falsch in dem Anliegen des Obadia und also gab er dem Praefectus Aegypti Anweisung, alles Nötige zu veranlassen, dass Obadia konnte schon bald mit Schutz und Geleit hinausreiten in die anderen Städte Ägyptens. Und der Praefectus Aegypti versprach dem Augustus dafür Sorge zu tragen, dass Obadia würde alsbald wie möglich abreisen können, und daraufhin verbeugte sich Obadia würdevoll vor dem Augustus und dankte ihm.
Augustus aber sprach sogleich zu ihm: „Du brauchst mir deinen Dank nicht zollen, denn eigentlich müsste ich d i r dankbar sein für dein Vorhaben! Es gibt nichts Besseres, um in der Provincia Aegyptus Ruhe und Frieden zu bewahren, denn dass ein mächtiger Gesandter aus Alexandria umherreist und dem Volke zeigt, dass wir ihrer Sorgen gedenken und uns ihrer annehmen! Und was wäre wohl da besser, wenn nicht der höchste Ratgeber selbst aus Alexandria kommt?! Die Menschen werden im Antlitz des Propheten Obadia sehen, mit welcher Weisheit und Weitsicht Rom über Ägypten gebietet."
Daraufhin verbeugte sich Obadia nochmals vor Augustus und sprach: „Eure edlen Worte beschämen mich, o Kaiser, und sind meiner nicht wert. Habt dennoch tausend Dank für diesen Euren Fürspruch!"
Und am Abend desselben Tages aber gab es ein großes Fest im Palaste, denn der Kaiser blieb noch bis zum nächsten Tag in Alexandria, und bei diesem Feste wechselten der Prophet Obadia und der Kaiser nochmals einige vertrauensvolle Worte, denn Augustus kannte Obadia ja schon seit der Zeit, wo er als kleiner Junge dereinst so würdevoll vor ihm aufgetreten war.
Und er fragte ihn aber auch nach seiner Tochter Obsidia, denn er wusste ja darum, dass Obadia nun schon seit vielen Jahren Vater war. Und als Obadia dem Kaiser Augustus von ihr berichtete, fragte dieser ihn, wie es denn nun mit ihr weitergehen sollte, wenn Obadia würde in die Ferne reisen.
Obadia aber versicherte dem Augustus, dass er an alles gedacht hatte, denn noch am selben Abend hatte er Obsidia heimlich fortgebracht zu ihrer früheren Ziehmutter, welche sie hatte dereinst als neugeborenes Kindlein mit der Muttermilch versorgt. Und Obsidia aber hatte geklagt und gejammert vor Obadia, dass dieser sie so lange allein lassen wollte für die nächste Zeit, doch Obadia hatte sie getröstet und ihr versichert, dass sie bei jener Frau am Besten aufgehoben war, und dass sie sich würden alsbald wiedersehen.
Dieses Alles aber hatte Obadia niemand Anderem gesagt, auf dass er seine Tochter in Sicherheit wusste vor allem Übel, und sogar dem Kaiser selbst sagte er also nichts Weiteres, obgleich dieser ihm danach fragte. Der Kaiser Augustus hielt sich aber nicht weiter damit auf, denn er wollte am nächsten Tag schon wieder weiterziehen, so dass er lieber das Fest in vollen Zügen genoss, anstatt längere Befragungen vorzunehmen.
Und gleich am nächsten Tage aber, nachdem der Kaiser war abgereist aus Alexandria, da brach auch der Prophet Obadia mitsamt einigen Wächtern des Praefectus Aegypti zu seiner Reise durchs Land auf und viele Menschen, die davon gehört hatten, säumten die Straßen, um einmal einen Blick auf diesen besonderen Manne werfen zu können, und der Prophet Obadia freute sich darüber und hob dann und wann die Hand und winkte ihnen würdevoll und gütig zu.
Und so begann die lange Reise des Propheten Obadia durch ganz Ägypten, mit dem wahren Ziel, dass er wollte nochmals Einkehr halten in dem Tempel der Runenpriester.
Zuvor aber reiste Obadia erst in alle anderen Städte des Landes, zu vollbringen den Auftrag, den er selbst dem Kaiser vorgeschlagen hatte, denn nur so konnte er seine wahren Absichten verbergen. Im Weiteren aber nahm er dies alles auch auf sich, weil er wahrhaftig auch einmal selbst hören und sehen wollte, was das einfache Volk so tat und dachte, hatte er doch viel zu lange Zeit nun schon hinter den Mauern Alexandrias verweilt.
Und also ritt Obadia von Stadt zu Stadt und von Dorf zu Dorf und blieb allezeit immer an die drei oder vier Tage dort und er hörte sich die Schwierigkeiten der Menschen an und gleichermaßen aber gebrauchte er auch seine Rune des Allwissenden, zu schauen in die Herzen des Volkes.
Und die Menschen strömten allezeit in Scharen zuhauf, wenn der Prophet Obadia in ihre Stadt kam, denn sie alle hatten ja zuvor schon so viel über diesen geheimnisvollen Manne gehört und also war es nicht verwunderlich, dass sie die Neugier übermannte, als sie davon hörten, dass der Prophet Obadia in ihren Ort würde Einkehr halten.
Und die Bewohner der Dörfer und Städte überkam aber allezeit eine große Ehrfurcht, wenn Obadia mit seiner Reiterschar vor ihnen stand, denn mit seinem weißem Stirnhaar und den weißen Augenbrauen und dem unglaublich festen Blick hatte Obadia eine größere Ausstrahlung auf sie alle, als es sich diese zuvor gedacht hatten, und also gab es niemanden unter ihnen, der zu sprechen wagte, wenn der Prophet Obadia seine weise und eindrucksvolle Stimme erhob.
Obadia aber erfuhr nun von all den Dingen, mit denen die Menschen ihr Schaffen und Tun hatten, und er konnte auch bei Vielen erkennen, dass diese unzufrieden waren mit der Herrschaft Roms, doch hielt sich ihr Ärger in Grenzen und also gab es keinen unter diesen, der eine ernste Gefahr für die Regentschaft des Praefectus Aegypti sein könnte, noch dass sich eine Gruppe von Verschwörern unter dem Volke herausbildete.
Dies zu erkennen beruhigte das Herz des Obadia ein wenig, denn solange kein allzu großer Hass des Volkes gegenüber den Römern vorhanden war, konnte er selbst auch weiterhin mit freiem Gewissen seinen Dienst als römischer Würdenträger fortführen, obwohl er sich selbst immer noch als Ägypter fühlte.
Und so eilte Obadia von Dorf zu Dorf und von Stadt zu Stadt und wirkte in dieser Weise und schon bald aber war er mehr denn sieben Monate auf Reisen.
Auf dem Rückweg nach Norden aber erst kehrte er ein in die Stadt Memphis, von wo einst sein großer Aufstieg begonnen hatte. Und auch hier war er hoch willkommen und beliebt, wussten doch die meisten Bewohner der Stadt noch darum, dass er einst einer der Ihren gewesen war, und Obadia tat das Seine und sprach gewaltige Reden und hörte sich die Sorgen der Menschen an.
Gleichermaßen versäumte er es auch nicht, die früheren Freunde seiner Mutter aufzusuchen, und die meisten von diesen waren noch am Leben und gaben sich ihm zu erkennen und Obadia gab ihnen Brot und Trinken als Dank für alles, was sie dereinst für ihn und seine Mutter getan hatten.
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