Kapitel 3: Die mächtige Jungfrau (Teil 1)
Die Runenpriester aber wirkten weiter fort in ihrem neuen Tempel und so kam es, dass sie eines Tages alle höheren Runen hatten entstehen lassen und auch um deren Anwendung wussten. Und somit hatten sie also ihre Schriftsammlung vollendet und alles Wissen um die Runen darin festgeschrieben, mit Ausnahme der Erzrunen und der Rune der Götter.
Und der Bund zählte aber mittlerweile schon siebzig Mann, und war also eine große Gemeinschaft geworden. Und zu ihm zählten aber nur Männer, denn den Frauen war das Anrecht verwehrt, Runenpriester zu werden, obgleich sie von altersher schon immer eine
höhere magische Kraft besaßen denn die Männer.
Und der oberste Runenpriester aber, welcher war Lenker und Leiter des Bundes schon von Anfang an, war ein Mann mit dem Namen Odalon und dieser Name stammte aus der Sprache der Runen und bedeutete Schützer des Lebens, denn Oda ist das Leben und Lon aber bedeutet Schirmer oder Schützer.
Und Odalon aber besaß die Rune des Allwissenden, welche war eine höhere Rune aus den Runen Schicksal, Weisheit und Licht.
Eines Tages aber, als er diese Rune schon längere Zeit in sich trug, konnte er in einer gedanklichen Erscheinung sehen, wo Diejenigen zu finden waren, welche in der Lage sein würden, eine Erzrune zu tragen. Und also sandte er aus etliche Runenpriester an jene Stätten, wo diese sich aufhielten.
Und so zogen aber einige aus weit nach Osten wo einstens die Sumerer lebten, zu finden einen reichen Gärtner, welchen Odalon gesehen hatte.
Und es zogen einige aus nach Nordwesten auf die Halbinsel der Etrusker, zu finden einen besonderen Burgenbauer, welchen Odalon gesehen hatte.
Und einige zogen aus nach Süden bis ans andere Ende der Wüste, zu finden einen listigen Gelehrten, welchen Odalon gesehen hatte.
Und sie fanden also alle diese, wie es Odalon ihnen verheißen hatte, und die Gefundenen konnten mit Leichtigkeit die Runenprüfung bestehen, so dass sie also konnten aufgenommen werden in dem Bunde. Und also reisten sie alle zurück zu dem Tempel der Runenpriester an dem Fuße der großen Pyramiden, und gingen hin, zu vereinigen die höchsten Runen der drei Runenarten auf jene gefundenen Priester.
Und diese Auserwählten aber waren wahrhaftig alle in der Lage die höheren Runen in sich zu vereinigen, so dass der Bund der Runenpriester nun endlich im Besitz der Erzrunen war.
Und sie waren alle erfreut darüber und feierten ein großes Fest.
Sie waren aber erstaunt über die Macht der Erzrunen, denn die Träger konnten alle Dinge Wirklichkeit werden lassen allein durch die Kraft ihrer Gedanken und waren also nicht an bestimmte Zauber gebunden gleich bei anderen Runen.
Der Eine aber, welcher die Rune der unerschöpflichen Naturkraft besaß, war der Herr über die Natur und konnte die vier Naturkräfte Erde, Wind, Feuer und Wasser also gebrauchen wie er wollte.
Der Zweite aber, welcher die Rune des mächtigen Kriegers besaß, war unverwundbar und war in keinem Wettkampf zu besiegen, welcher Art dieser auch war, und er besaß gleichermaßen mit einem Schlage ein edles und anmutiges Verhalten gleich einem König.
Der Dritte aber, welcher die Rune der völligen Geistesmacht besaß, konnte in eines jeden Kopf hinein ohne Mühe, um zu lesen seine Gedanken oder ihn zu lenken nach gut Dünken, und sein Wissen war mit einem Schlage angefüllter um das Hundertfache.
Und die Runenpriester hielten dies alles in ihrer Schriftsammlung fest und benannten diese besonderen Runenträger in voller Ehrfurcht als Erzrunenpriester. Und sie erkannten, dass die Vereinigung der Erzrunen würde auch alle diese besonderen Fähigkeiten vereinigen, so dass die entstehende Rune also wahrhaftig die Rune der Götter wäre, mit welcher würde alles möglich werden.
Es kam aber unter ihnen die Frage auf, wie sie denn nun die drei Erzrunen sollten vereinigen. Denn sie erkannten, dass sie nun jemanden mussten finden, der eine noch weitaus höhere magische Kraft besitzen musste, denn die Erzrunenpriester. Dieses erschien ihnen aber allzu unmöglich, hatten sie doch schon allein viele lange Zeit gebraucht, bis dass sie diese besonderen Priester gefunden hatten.
Und es bekümmerte sie, dass sie nahe vor dem Ziele waren und es aber wohl nicht erreichen würden.
Und Odalon grübelte also darüber herum und fand keine Ruhe zum Schlaf. Und er konzentrierte sich auf die Rune des Allwissenden in ihm und sandte seine Gedanken in die Ferne, zu finden den Auserwählten, aber er fand nicht das was sie suchten.
So verbrachte er die halbe Nacht zu, gebrauchte seine Rune immer wieder aufs Neue und fand aber nichts. Nach einigen Stunden aber war er erschöpft von seinen Taten, denn seine magische Kraft war nahe dem Ende, so dass er nicht mehr konnte weitermachen, und also sank er daraufhin dann doch in einen tiefen Schlaf.
Es erschien ihm aber ein Traum. In diesem stand er an einem großen Fluss und blickte auf die andere Seite. Dort aber saß ein reifes Mädchen unter einem Baum, und pflückte verträumt an einer Blume. Und ihr schwarzes Haar war lang und wehte leicht um sie herum und Odalon konnte hören, dass sie leise und sanft vor sich hin summte.
Sie war aber vollkommen von Tieren aller Arten umringt, welche um sie herum lagen zu lauschen ihrem himmlischen Summen. Und Odalon sah, dass auch die Tiere in der Ferne zu dem Baume hin strebten, wo das Mädchen saß, und sie kamen von allen Seiten und mit völliger Ruhe und Sanftheit herzugeschritten.
Odalon aber war erstaunt, denn er konnte selbst wilde und reißende Tiere sehen, Wölfe,Schakale selbst Skorpione, doch alle taten dem Mädchen nichts, sondern strahlten ein Bildnis des Friedens aus, gleich dem Mädchen selbst, und kamen herzu und legten sich in ihrer Nähe nieder und lauschten ihr.
Und das Mädchen saß aber einfach nur da und tat nichts weiter als zu summen und sie blickte dabei auf ihren Schoß herab zu der Blume, an welcher sie ohne einen bestimmten Gedanken herumpflückte.
Und Odalon aber schaute sich dies alles an und war erstaunt, wie weit entfernt manche Tiere von ihr waren und sich dennoch daran machten, zu ihr zu kommen.
Und als er gen Himmel schaute, sah er, dass selbst die Vögel dort droben, welche in weiter Ferne über ihnen weg flogen, zum Baume hin wurden abgelenkt, so dass sie für einen Moment ihre gerade Bahn verließen und näher zum Baume hin flogen, bevor sie wieder weiterzogen auf altem Pfade.
Und für einen kurzen Moment blitze es ihm vor den Augen und er konnte viele lange Linien der Kraft sehen, welche von dem Mädchen in alle Richtungen ausgingen. Da aber erkannte er, dass diese Linien von der Ausstrahlung ihrer magischen Kraft zeugten und dass diese also wirkte bis in weiter Ferne, und mit einem Male fühlte er sich unendlich klein und machtlos angesichts des Vorhandenseins einer solch gewaltigen magischen Kraft.
Das Mädchen aber hielt plötzlich inne und verstummte und blickte auf von ihrem Schoß direkt in die Augen des Odalon und sah ihn fest und tief an. Und ihre Augen aber waren noch heller als blau, sondern waren gar hellgrau und Odalon aber hatte noch nie zuvor in seinem ganzen Leben solche Augen gesehen und in dem Moment, da sie ihn anblickte, war es um ihn geschehen und er spürte plötzlich die starke anziehende Kraft gleich den Tieren und wäre also beinahe in den Fluss gestürzt, denn er hatte wie von selbst damit begonnen, langsam auf sie zu zu schreiten.
Es geschah aber, dass er noch rechtzeitig um sein Verhalten merkte und also zum Stehen kam. Und das reife Mädchen aber sah ihn einfach nur weiterhin an und gleichwohl in ihren Augen die Unschuld abzulesen war, strahlten sie gleichermaßen ein ungeheures Wissen aus und Odalon wollte unbedingt zu ihr kommen und konnte sich aber gleichermaßen nicht mehr rühren.
Das Mädchen aber sagte daraufhin mit einer sanften, ruhigen Engelsstimme zu ihm: „Ich habe auf dich gewartet, Runenpriester."
Und ein starkes Gefühl der Liebe flutete in das Herz des Odalon, so dass er nun wollte auf jeden Fall zu ihr kommen, aber sein Verlangen war nicht von männlicher Gier, sondern er wollte sich ihr ehrfürchtig nahen, allein um zu sein in ihrer Nähe und zu lauschen ihrer Stimme gleich den Tieren, und wollte ihr also dienen und sie schützen vor allem Übel.
Kaum aber hatte sie ihm ihre Worte entgegnet, da erhoben sich die Tiere aus ihrer lauschenden Haltung, da sie um das Dasein des Odalon merkten, und schauten also zu diesem hinüber. Und die Wölfe und Schakale knurrten aber von dem Moment an, da sie ihn sahen, und fletschten die Zähne und bellten ihn an und stellten sich schützend vor das Mädchen.
Da aber hob das Mädchen die Hand leicht nach oben gleich der Weise, wie man eine Rune gebraucht, und die Tiere verstummten und wurden also wieder friedlich und legten sich wieder besänftigt zu ihren Füßen. Dann aber drehte sie ihre Handfläche nach innen und winkte Odalon leicht und sanft zu sich und Odalon konnte aber zugleich in seinem Kopfe ihre Stimme hören, welche ihm sagte: „Komm!"
Und Odalon begann wahrhaftig auf sie hinzu zu gehen und schreitete also hinaus auf den rauschenden Fluss und ging über ihn auf das Mädchen zu, ohne aber zu versinken. Er war aber weder überrascht noch erstaunt darüber, denn er war mit einem Male von einer völligen Ruhe und Klarheit durchzogen und schritt langsam immer weiter voran.
Als er aber die Hälfte des Flusses überquert hatte, da begann alles vor ihm zu schimmern und zu verschwimmen, so als wäre das Mädchen mit den Tieren unter dem Baume nur ein Bild aus Wasser, in welches er nun hinein schritt, und bald darauf ward das Bildnis vor ihm in Wellen aufgelöst und in dem Moment aber erwachte Odalon aus seinem Traum.
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