Kapitel 122 - Wieso sah er so blass aus? - Teil 1
„So ist es gut", meinte Huilan nickend, als sie Bahes Haltung beobachtete.
Zuvor hatte sie eine Ewigkeit lang an ihm rumgenörgelt und ständig an ihm herum gezerrt, bis er seine aktuelle Körperhaltung einnahm.
Nun standen seine Beine mit gebeugten Knien etwas weiter als hüftbreit auseinander und er hielt seinen linken Arm gerade ausgestreckt vor sich, während sein rechter Arm angewinkelt zurückgezogen war und seine Faust, die mit dem Handrücken nach unten zeigte, an seinen unteren Rippen lehnte. Der Grund für Huilans Nörgeleien war seine schiefe Haltung gewesen. Wie er daraufhin lernen durfte, war es wichtig, dass sein ausgestreckter Arm unbedingt parallel zum Boden und sein Oberkörper gerade und aufrecht ausgerichtet waren.
„Und jetzt?", fragte Bahe.
„Führe mal mit deinem rechten Arm einen Fauststoß nach vorne aus", antwortete Huilan.
Bahe tat wie ihm geheißen und stieß seinen rechten Arm nach vorne, bevor er vor lauter Schwung einen Schritt nach vorne machte.
„Bleib so stehen und überlege, was gerade passiert ist", kam sofort von Huilan das nächste Kommando.
„Ich habe das Gleichgewicht verloren", erwähnte Bahe das Offensichtlichste.
„Was noch?"
„Hmm...", gab Bahe nachdenkend von sich und blickte an sich hinunter, ehe er meinte: „Meine Haltung ist wieder schief geworden?"
„Vollkommen richtig. Durch die schiefe Haltung hast du dein Gleichgewicht verloren und musstest einen Ausweichschritt nach vorne machen", lobte Huilan seine Einsicht.
„Aber kann ich so nicht mehr Kraft in meinen Schlag legen?", hakte Bahe nach.
„Das stimmt, aber was passiert wohl, wenn dein Gegner ausweicht und du gleichzeitig dein Gleichgewicht verloren hast?", gab Huilan zu bedenken.
„Hmm...", nickte Bahe verstehend.
„Ein wirklicher Kampf verzeiht keine Fehler. Du solltest einen Angriff, der zu einem unsicheren Stand führt nur dann ausführen, wenn dir keine andere Wahl bleibt oder du dir zu hundert Prozent sicher bist, dass du den Gegner damit ausschaltest", erklärte Huilan. „Deswegen werde ich dir zunächst in erster Linie beibringen, wie du deinen sicheren Stand bewahrst. Bewegungsreihenfolgen kommen später, da sie für einen Anfänger noch viel zu fortgeschritten sind."
„Ok...", seufzte Bahe. Er konnte ihre Argumente ja durchaus verstehen.
„Dann zurück zum Fauststoß, was ist noch schief gelaufen?"
„Äh...", kratzte Bahe sich verdattert am Kopf.
„Deine Fäuste", kicherte Huilan diesmal und verwirrte Bahe damit noch mehr.
„Anfänger wie du können nichts dafür", zwinkerte sie ihm einen kurzen Moment später zu. „Du hattest deine Daumen in den Fäusten. Das habe ich zu Beginn extra nicht korrigiert, weil ich gehofft habe, dass du vielleicht von selbst drauf kommst. Wieso könnte das ein Problem sein?"
„Um ehrlich zu sein, habe ich mir da noch nie Gedanken drum gemacht", zuckte Bahe mit den Schultern. „Sind die Daumen in der Faust nicht besonders gut geschützt?"
„Genau das Gegenteil ist der Fall", erklärte Huilan. „Triffst du mit deiner Faust ein Ziel, während der Daumen sich in der Faust befindet, kann er brechen oder aus dem Gelenk springen. Deswegen wird er immer außen an die Faust angelehnt."
„Alles klar", nickte Bahe und probierte es sofort aus, um ein Gefühl für die Daumenhaltung zu bekommen.
„Gut", meinte Huilan wenig später. „Dann kommen wir nun zu den letzten Punkten für heute. Wenn du einen Fauststoß ausführst, sollte dein anderer Arm immer eine gegengleiche Bewegung machen. Das sieht dann etwa so aus."
Bahe beobachtete Huilan genau, als sie sich, wie zuvor er selbst, in den tiefen, breitbeinigen Stand begab und einen Fauststoß vollführte. Als sie den Fauststoß begann, zog sie ihren ausgestreckten linken Arm zurück und legte ihn an ihren Oberkörper an, so dass sich über den gesamten Prozess des Fauststoßes quasi die Positionen der Arme vertauschten.
„Damit kannst du nicht nur besser das Gleichgewicht halten, sondern wärst theoretisch direkt für den nächsten Schlag bereit", erklärte Huilan weiter.
Bahe nickte.
„Achte nochmal auf meine Fäuste", meinte Huilan, als sie die Fauststöße noch ein paar Mal wiederholte.
„Ah, deine Fäuste drehen sich!", bemerkte Bahe plötzlich, als er sah wie sich der Handrücken während der Stoßbewegung nach oben drehte.
„Gut aufgepasst", nickte Huilan anerkennend. „Achte bei deinem Training darauf, dass du auch immer diese Drehung ausführst."
„Hmm, mache ich", stimmte Bahe ihr zu.
„Dann wäre da noch die Frage, mit welchem Teil deiner Faust du eigentlich zuschlägst?", warf Huilan eine Frage in den Raum, mit der sich Bahe noch nie auseinander gesetzt hatte.
Nachdenklich ballte er eine Faust und überlegte womit er wohl eine in der Nähe stehende Parklaterne treffen würde, wenn er zuschlagen würde.
„Gar nicht so einfach zu sagen", musste er schließlich gestehen.
„Wirklich gut, dass dir das jetzt schon auffällt", nickte Huilan ein weiteres Mal anerkennend. „Vielen asiatischen Kampfsportstilen sagt man nach, dass der Treffer stets mit den Fingerknöcheln des Zeige- und Mittelfingers anzustreben ist, während es aber auch Stile gibt, die den Treffer mit den Knöcheln des Mittelfingers, Ringfingers und kleinen Fingers präferieren. Es gibt keine pauschale Antwort. Es hängt stark von deinem Training, der Situation und des jeweiligen Kampfsportstils ab. Für den Anfang sollte dein Ziel sein, den Zeigefinger- und Mittelfingerknöchel zu nehmen. So trainierst du zusätzlich zur reinen Technik auch noch deine Armmuskeln etwas mehr."
„Das dürfte ich hinkriegen", grinste Bahe. „Aber wie oft sollte ich diesen Fauststoß denn üben?"
„Nun, ich würde vorschlagen, dass wir für eine Woche eine Pause vom täglichen Training einlegen, da ich meine Großeltern besuchen werde und in diesem Zeitraum kaum morgens so früh hier sein kann", sagte Huilan. „Während dieser Zeit solltest du täglich mindestens eintausend Fauststöße ausführen."
„Uff... Eintausend? Am Stück?", hakte Bahe nach.
„Im Idealfall", lächelte Huilan. „Aber für den Anfang reichen bei deiner Ausdauer auch schon hundert am Stück. Sollte der Muskelkater zu heftig werden, kannst du die eintausend Fauststöße auf ein erträgliches Maß reduzieren. Versuche aber immer das bestmögliche Ergebnis aus dir herauszuholen."
„Danke, Huilan", sagte Bahe aus tiefster Seele. Ihm entfiel viel zu häufig, dass dieses Mädchen vor ihm gerade einmal vierzehn war und sich trotz all ihrer Verpflichtungen früh morgens noch die Zeit nahm, ihn in eine fittere Version seiner Selbst zu verwandeln.
„Hättest du das Konditionstraining heute Morgen nicht am Stück geschafft, wären wie niemals zur ersten richtigen Kampfsportaufgabe übergegangen", winkte Huilan ab.
„Nein, dass meinte ich nicht", schüttelte Bahe mit einem Lächeln den Kopf. „Ich bin dir dankbar, dass du dir noch immer die Zeit nimmst, mich zu trainieren. Ich weiß das wirklich sehr zu schätzen."
„Oh", gab Huilan überrascht von sich und kratzte sich verlegen am Kopf, ehe sie meinte: „Ich will nur nicht, dass ein Schüler der Chin-Familie ewig so schwach bleibt."
„Autsch... Der hat gesessen!", rief Bahe und fasste sich gespielt ans Herz.
„Lass den Quatsch, und trainiere lieber noch ein Bisschen", grinste Huilan.
„Wie ihr befehlt, Meisterin!"
„Was habe ich zum Thema Meisterin gesagt?", meinte Huilan mit zuckender Augenbraue als sie bereits die Faust hob.
„Nun... ich denke, wir sollten heute ausnahmsweise einmal vorzeitig das Training beenden...", erklärte Bahe belustigt und nahm die Beine in die Hand.
„Wir sehen uns in einer Woche!", schrie er noch und ließ die verdutzte Huilan allein im Park zurück.
Ja, was soll ich sagen... Offensichtlich habe ich nicht einmal 4 Kapitel im Januar geschafft und im Februar gar nichts...
ABER!
Im März gibt es zumindest schon mal eins... und übermorgen, das Nächste ;-)
Das ist nämlich schon geschrieben!
Und danach... sehe ich weiter...
RiBBoN
PS: Diejenigen interessiert, Klein-RiBBoN wächst und gedeiht prächtig. Aber ich sage es euch... Nachwuchs nimmt wirklich VIEL Zeit in Anspruch... puh...^^
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro