Kapitel 90 - Unterschiedliche Ziele - Teil 1
„Ich sage wir schlagen sofort los! Umso länger wir warten, umso mehr Vorbereitungszeit haben unsere Feinde!", rief ein junger Magier enthusiastisch und hämmerte seine Faust auf den Tisch.
„Ganz meine Rede! Ein ehrenvoller Kampf wird auf dem Schlachtfeld geschlagen und nicht als Feigling in einer Festung sitzend!", unterstützte Trullus begeistert den jungen Spieler aus Trachtenburg.
„Verflucht noch mal, Salamander, du solltest dich doch zurückhalten!", beschwerte sich ein noch jünger wirkender Spieler, welcher offensichtlich der Anführer der Söldner aus Trachtenburg war. „Stattdessen bekräftigst du diesen Hornochsen auch noch!"
„Was heißt hier Hornochse?!", verlangte Trullus wütend zu wissen.
„Ist doch klar was er meint", antwortete Salamander abschätzig und rümpfte die Nase. „Du bist nicht nur so blöd wie ein Ochse, du riechst obendrein auch wie einer."
„Das reicht!", schrie Trullus und sprang auf. „Ich fordere euch zu einem Duell! Wir werden sehen wer danach noch große Töne spuckt!"
„Oh, ein Duell?", grinste Salamander und stand ebenfalls auf. „Ich kann es kaum erwarten..."
„Salamander, setz dich hin", sagte eine Frau zur Linken des Anführers eisig.
„Ach, komm schon, Zelia..."
„Setz dich!", zischte die Spielerin.
„Ach, fuck it!", fluchte Salamander, setzte sich aber anschließend wieder auf seinen Platz.
Kaiwen sah schon wie Trullus in großes Gelächter verfallen wollte, als sie ihm schnell zuvor kam und ihm zuflüsterte: „Trullus, vielleicht ist es besser, wenn wir eine kurze Pause einlegen. Diese Idioten verstehen deine Genialität nicht."
Dabei stricht sie ihm aufreizend mit den Händen von den Schultern über die Brust und wieder nach oben, ehe sie sich von ihm löste und meinte: „Dieser Salamander muss erst mal seinen Kopf abkühlen. Schließlich bringt es nichts, wenn du ihn im Duell tötest. Dann fehlt uns ein Spieler im Kampf gegen die Goblins."
„Du hast natürlich recht, Angel Eye", sagte Trullus, nachdem er nachgedacht hatte und erklärte der Allgemeinheit im Zelt: „Wir legen eine Pause ein, damit sich gewisse Idioten abregen können. Es bringt keinen was, wenn wir uns gegenseitig umbringen und dadurch die Mission gefährden."
Danach drehte er sich um und verließ das Zelt.
„Was zum-", wollte Salamander schon wieder wütend hochfahren, als der Anführer aus Trachtenburg dazwischen fuhr: „Halt die Schnauze und bleib sitzen, sonst wirst du für die nächsten zwanzig Missionen der Gilde gesperrt! Hast du mich verstanden?"
Salamander schnaubte wütend, blieb ansonsten jedoch still.
„Du gehörst nicht wirklich zu ihm, oder?", fragte der Anführer an Kaiwen gewandt.
„Hmmm? Wie kommst du denn auf sowas?", antwortete Kaiwen unschuldig mit einer Gegenfrage.
„Ach bitte... ich kenne keine Spielerin, die sich freiwillig mit dem Idioten abgeben würde...", sagte der Anführer seufzend.
Das brachte Kaiwen zum Lachen.
„Womit allerdings die Frage aufgeworfen wird, was genau ein Orakel an der Front einer solchen Mission zu suchen hat...?", fuhr der Anführer ungerührt fort.
„So ganz auf dem Kopf gefallen bist du nicht", nickte Kaiwen und erklärte: „Die Mission ist mir egal. Im Grunde könnt ihr den ganzen Ruhm für euch einheimsen. Ich suche lediglich einen Spieler, der schon vor Bekanntwerden dieser Mission hier an diesem Ort gewesen sein sollte. Trullus war nur ein Mittel zum Zweck, um hierhin zu kommen."
„Bist du nicht ein wenig sehr informativ, Angel Eye?", meinte die Spielerin Zelia. „Was würde wohl passieren, wenn wir Trullus von deinem eigentlichen Ziel erzählen?"
„Nur zu", meinte Kaiwen schlicht. „Der naive Vollidiot ist so liebestrunken, dass er solche Worte nur als Affront eurerseits werten würde..."
„Schade... ich hatte gehofft, dass du vielleicht hier das Sagen hast", gab der Anführer zu verstehen. „Letztlich müssen wir also doch mit diesem Trullus arbeiten..."
„Oh, so schlimm ist es eigentlich gar nicht. Ich hätte durchaus meine Wege, dafür zu sorgen, dass er euren Vorstellungen nach handelt...", bemerkte Kaiwen beiläufig.
„Und was willst du im Gegenzug dafür?", fragte Zelia.
„Eigentlich nichts von Bedeutung. Ich möchte mich beim Angriff der Goblins nur beschützt wissen und nicht auf Trullus setzen müssen."
„Gut", nickte der Anführer. „Sprich mit ihm, so dass er sich meinem ursprünglichen Verteidigungsplan anschließt, verstanden? Wenn du das schaffst, haben wir einen Deal."
Danach stand er auf und verließ gefolgt von Zelia und Salamander das Zelt.
Kaiwen blieb allein zurück und runzelte nachdenklich die Stirn. So locker wie sie sich gegeben hatte, war sie keineswegs.
Die Spieler aus Trachtenburg wurden von Spirits of Dawn, einer der großen Gilden Raoies angeführt. Natürlich war es nicht der Gildenanführer, der die Söldner in dieser Mission führte. Aber der hiesige Anführer wirkte auf Kaiwen schon mysteriös genug.
Ihre Fähigkeit Überprüfen war bei ihm nahezu nutzlos gewesen. Eine Berufsklasse hatte sie vergebens gesucht... Einzig sein Level und seinen Namen hatte sie durch ihre Fähigkeit erfahren.
Magnifus... ein Level 39 Spieler...
Kaiwen war sich ziemlich sicher, noch nie ihm gehört zu haben.
Dennoch wollte sie sich lieber möglichst gut mit dieser Gilde stellen. Spirits of Dawn war zwar nicht für brutales und ungerechtes Vorgehen bekannt, aber es war immer besser fähige Freunde zu haben, als nutzlose Liebessklaven...
„Uäh... Allein der Gedanke an einen Liebessklaven wie Trullus ist schon widerlich!", murmelte Kaiwen über sich selbst amüsiert, ehe sie wieder ernst wurde.
Ihr einziges Ziel der Reise hierher war das Auffinden von Anael gewesen...
Und wer war nicht da?
Ja, genau... Anael...
Ihre ganze Aktion war solch eine Lachnummer!
Als sie im Dorf ankam und Anael nirgendwo auffinden konnte, hätte sie diesen Stallion am liebsten umgebracht. Nein, nicht nur umgebracht... Sie war in großer Versuchung gewesen die Schattengilde anzuheuern, um ihn auf Level 0 herunter zu morden...
Wozu hatte sie schließlich die schmachtenden Blicke und das liebestrunkene Gesülze dieses irren Trullus ausgehalten, wenn es sie letztlich nicht zu ihrem Ziel brachte?
Nur durch große Selbstbeherrschung war sie ruhig geblieben und sich so Trullus gegenüber nicht verraten.
Dennoch nagte seine Idiotie seitdem sie das Dorf betreten enorm an ihren Nerven. Und es war reiner Zufall gewesen, dass sie eine Unterhaltung der NPC-Soldaten mitbekam, in der es darum ging, dass einer ihrer Truppmitglieder in der Nacht das Weite gesucht hatte.
Natürlich verstrickte Kaiwen diese Soldaten unmittelbar danach in einem ausführlichen Gespräch, bis sie verstand, dass es vermutlich genau um ihren gesuchten Anael handelte, der verschwunden war.
Sie wusste, dass Anael auf jeden Fall für eine Mission hier war. Die würde er also nicht einfach so in den Wind schlagen... Nicht, wenn er auch nur ansatzweise etwas auf sich hielt und im Spiel möglichst schnell voran kommen wollte.
Schließlich brachten Missionen erheblich mehr Erfahrungspunkte als stupides Farmen von Monstern.
Trotzdem blieb die Frage, wohin er verschwunden war...
Da sie keinen Anhaltspunkt finden konnte, blieb ihr nur übrig darauf zu pokern, dass er noch einmal hier aufschlagen würde...
Verdammt, wie sie diese Ungewissheit hasste!
Wieso konnte mit diesem ehemaligen Progamer nicht einmal etwas glatt gehen?
Mürrisch erhob sich Kaiwen und trat aus dem Zelt, um Trullus zu suchen. Unabhängig von Anael musste sie im Kampf gegen die Goblins zunächst erst mal am Leben bleiben. Die Gilde Spirit of Dawn war die gefundene Lösung zu diesem Problem und Trullus...
Trullus... war lediglich das Mittel zum Zweck.
Überraschung!
Teil 2 / ?
Bis Sonntag?
RiBBoN
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