Kapitel 68 - Wahnwitz - Teil 2
Das Knurren der Wölfe holte sie alsbald aus ihrer sprachlosen Starre und ließ sie eifrig ihren kleinen Festungsverschlag verteidigen.
Bahe hatte alle Mühe die Tür gegen die ständigen Rammstöße der Wölfe geschlossen zu halten und konnte sich am aktiven Kampf nicht beteiligen. Aber zumindest hielt sich Bewen diesmal an seine Aussage und brachte genau wie der Rest alle Kraft auf, um die Wölfe durch die Lücken des Verschlags abzustechen.
Es war ein langwieriger Prozess. Die Wölfe waren unglaublich wendig und wichen den meisten Angriffen geschickt aus. Selbst Teras Pfeile fanden nur selten ihr Ziel.
Es war kein Wunder, dass der Rest der Spieler in den Labyrinthgängen dieser Wolfshorde erlegen war.
Aber es gab nicht nur schlechte Neuigkeiten. Die Wölfe waren individuell wesentlich schwächer als der Vielfraßgigant. Lediglich ihre Anzahl war das Problem.
Na ja... lediglich... war dann doch untertrieben.
Mit einem Stoß wurde Bahe mal wieder zurück geschmissen. Hastig warf er sich erneut von innen gegen die Tür und schloss den kleinen Spalt, der sich gerade aufgetan hatte.
„Kommt ihr voran?", fragte er.
„Nicht wirklich", antwortete Nolen und schüttelte den Kopf.
„Es geht...", meinte Tera. „Meine Pfeile machen einfach zu wenig Schaden. Selbst wenn ich treffe. Ich brauche mindestens 4 Pfeile pro Exemplar, bevor diese verdammten Wölfe verrecken."
„Bei mir sieht es auch nicht viel besser aus", sagte Bewen ausnahmsweise mal ernsthaft. „Ich habe bisher erst vier der Viecher getroffen. Einen konnte ich töten, den Rest nur verletzen. Diese Hütte hier ist ja zur Verteidigung schön und gut, aber durch die winzigen Öffnungen hat man offensiv kaum Möglichkeiten."
„Hey, da tut sich was!", rief Nolen plötzlich. „Die Wölfe ziehen sich zurück."
Gespannt lauschten alle auf die Umgebung und lugten durch Ritzen und Spalte in den Mauern, um irgendetwas ausmachen zu können.
Dann wurde es still.
„Sind sie abgehauen?", fragte Tera schließlich in die ungewohnte Stille hinein.
„Ist unwahrscheinlich", sagte Bewen. „Ich meine... das hier ist ein Tutorial zum Kampftraining. Wäre doch idiotisch, wenn die Monster vor den Spielern weg rennen..."
„Oh Scheiße...", fluchte Nolen plötzlich.
„Was ist?", verlangte Bahe zu wissen.
„Macht euch bereit, die Wölfe versuchen es über das Dach!", rief Nolen aufgeregt.
„Hä? Wie sollen die Viecher da rauf kommen?", fragte Bewen.
„Die springen vom gegenüberliegenden Festungsgebäude hier rüber!"
„Und was machen wir jetzt?", fragte Tera. „Die Dachbalken sind doch total brüchig. Die halten den Aufprall niemals aus!"
„Haltet die Speere nach oben!", meinte Bahe, während er fieberhaft nach einer Möglichkeit suchte, die Wölfe erfolgreich zu bekämpfen.
Nolen und Bewen kamen derweil Bahes Aufforderung nach und richteten ihre Speere zum Dach hin aus, was sich angesichts der Enge der Räumlichkeit als gar nicht so einfach erwies.
Kaum waren die Speere senkrecht gestellt, krachte auch schon ein Wolf auf das Dach und fiel mitsamt des morschen Holzes auf sie hinunter.
Tera schrie spitz auf und hielt sich die Arme über das Gesicht, während Bahe in all dem Chaos einem erneuten Aufprall an der Tür stand halten musste. Er war so abgelenkt gewesen, dass die Tür fast aufgestoßen worden war.
Trümmerteile prasselten auf seinen Rücken. Einige auch auf seinen Kopf, aber er biss die Zähne zusammen.
Schadensmeldungen öffneten sich vor ihm, als er kleinere Verletzungen davon trug. Grimmig betrachtete er seine übrig gebliebenen 33 HP, ehe er die Benachrichtigungsfenster schloss. Er fühlte sich zunehmend beschissen und hustete sich erneut in der staubigen Luft die Seele aus dem Leib. Seine Bedürfnisse, wie Hunger und Durst meldeten sich mittlerweile auch. Verdammt, sie mussten dieses Tutorial endlich hinter sich bringen.
Ein Blick über die Schulter verriet ihm, dass die beiden Speerkämpfer tatsächlich erfolgreich gewesen waren. Der durch das Dach gefallene Wolf war auf die beiden spitzen Enden ihrer Speere gefallen und zuckte noch im letzten Todeskampf.
„Alle ok?", fragte Nolen ehe ihn ein erneuter Hustenanfall befiel.
Bahe und die anderen Beiden nickten nur, um nicht noch mehr Staub einatmen zu müssen.
Der Wolf gab ein letztes Fiepen von sich, bevor er erschlaffte und sich ein weiteres Benachrichtigungsfenster öffnete:
„Fuck it! Der ganze Aufwand nur für einen einzigen Erfahrungspunkt?", regte sich Bewen auf. „Raoie ist sowas von Hardcore, was dass Farmen betrifft. Ich frage mich wirklich, wie die Gildenanführer es zu Level 100 geschafft haben..."
„Du darfst nicht vergessen, dass wir gerade zu viert sind. Eigentlich wären es wohl 4 Exp", versuchte Tera ihn zu beschwichtigen.
„Ja, klar... 4 Exp sind so viel besser...", rollte Bewen die Augen.
„Leute, falscher Zeitpunkt zum diskutieren", fuhr Nolen dazwischen. „Wir müssen uns was ausdenken, bevor der nächste Wolf durch das Dach geflogen kommt."
„Werdet erst mal schnell den Wolf von euren Speeren los", wies Bahe sie an und sagte dann: „Am besten wir öffnen die Tür."
„Hast du den Verstand verloren?!", blaffte Bewen.
„Nein, keine Sorge", rümpfte Bahe die Nase und begann seine Idee zu erklären: „Das Dach können wir nicht kontrollieren, die Tür aber schon. Anstatt uns vollkommen zu verbarrikadieren und weiter mit der Ungewissheit von einem plötzlichen Eindringen leben zu müssen, ist es doch viel besser sie kontrolliert herein zu lassen. Die Tür ist keine besonders große Öffnung. Mit euren Speeren, meinem Schwert und Teras Pfeilen als weitere Deckung sollten wir den kleinen Bereich auf jeden Fall verteidigen können."
„Machen wir's!", stimmte Nolen zu und auch Tera nickte.
„Verdammt! Na gut", gab sich auch Bewen geschlagen, der umständlich versuchte seinen Speer aus dem Kadaver zu ziehen, der noch immer auf ihren Speerspitzen hing.
Es dauerte einige qualvolle Sekunden, bis die beiden endlich den toten Wolf von ihren Speeren bekommen hatten. Die ganze Zeit über blickten sie sorgenvoll immer wieder nach oben. Doch es kam kein weiterer Wolf angesprungen.
„Seid ihr soweit?", fragte Bahe, nachdem einem weiteren Stoß stand gehalten hatte.
Alle nickten und Bahe riss mit Kraft die Tür auf. Ein Wolf hatte erneut zum Sprung gegen die Tür angesetzt und wurde von dem plötzlichen Öffnen vollkommen überrascht. Mit voller Wucht sprang er regelrecht in die Speerspitzen, die Bewen und Nolen genau rechtzeitig gesenkt hatten.
Diesmal sah Bahe, wie zwei schwere Schadensmeldungen über dem Wolf aufragten, ehe ein weiteres Fenster erschien:
Hastig schloss Bahe das Fenster und hieb sein Schwert diesmal mit der flachen Seite mit aller Wucht gegen den erlegten Wolf, um ihn von den Speeren zu schieben.
„Haha! Friss das, du Fellknäul!", freute sich Bewen, ehe er mit Nolen gemeinsam an den Speeren zog, um Bahe zu helfen, den Kadaver zu lösen.
Danach sprang Bahe schnell zurück und blickte durch die offene Tür hinaus auf das offene Festungsgelände.
Zwanzig Augenpaare waren wütend knurrend auf sie gerichtet.
„Ich weiß ja, ich hab's schon mal gesagt", meinte Bewen gut gelaunt mit breitem Grinsen. „Aber worauf warten wir noch? Töten wir ein paar Wölfe!"
Bahe kam nicht umhin zu bemerken, wie Teras und Nolens Mundwinkel gefährlich nach oben zuckten und auch er selbst begann amüsiert zu lächeln.
Teil 3/3! :-)
RiBBoN
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