Drei
Meine Augen scannten unruhig die Höhle ab, während ich immer noch erschöpft und desorientiert auf dem kalten Boden saß. Das hier konnte kein Zufall sein, etwas Seltsames ging vor sich. Wo waren die anderen hin? Eben waren sie noch hier gewesen. Das konnte ich mir unmöglich eingebildet haben. Verwirrt rieb ich mir die Augen. Vielleicht war das alles nur ein Albtraum. Wenn ich nur fest daran glaubte, würde ich wieder wach werden und in meiner Küche stehen.
Ich kniff die Augen fest zusammen, atmete mehrmals tief ein und aus, und murmelte immer wieder leise: „Das ist nur ein Traum." Als ich die Augen wieder öffnete, stockte mir der Atem. Vor mir stand ein kleines Mädchen. Vielleicht acht oder neun Jahre alt, ungefähr so alt wie mein kleiner Bruder. Mein Herz begann wieder heftig zu pochen.
Ich betrachtete das Mädchen genauer. Sie hatte lange, braune Locken, die wild um ihr Gesicht fielen, und große, strahlende Augen, die neugierig in die Welt blickten. Ihr Gesicht war von Sommersprossen übersät, was ihr eine verspielte Ausstrahlung verlieh. Ein süßes Lächeln zierte ihre Lippen, als sie mich ansah. Sie trug ein einfaches, aber farbenfrohes Kleid und dreckige Schuhe, die darauf hinwiesen, dass sie gerne draußen spielte. An ihren kleinen Händen klebten bunte Farbflecken, als wäre sie gerade aus einer Bastelstunde gekommen. Unter ihrem Arm hielt sie ein abgenutztes Stofftier, das sie liebevoll an sich drückte.
Trotz ihrer jungen Jahre strahlte sie eine beeindruckende Unabhängigkeit aus. Sie stand dort, stolz und aufrecht, als hätte sie schon viel erlebt. Etwas an ihr berührte mein Herz. Es war, als würde sie eine Geschichte erzählen, nur durch ihre stille und zugleich lebhafte Präsenz.
Ich konnte nicht anders, als zu lächeln, während ich sie ansah. Doch das Lächeln verging schnell, als ich realisierte, dass auch sie wie aus dem Nichts aufgetaucht war.
„Es ist kein Traum", sprach sie ruhig und sah mich mit einem liebevollen, fast mütterlichen Blick an. „Ich weiß, es ist unheimlich und angsteinflößend, wenn man das erste Mal hier ist. Aber du brauchst dich nicht zu fürchten. Hier wird dir nichts passieren." Ihre Stimme war beruhigend, fast hypnotisierend.
Trotz ihrer beruhigenden Worte konnte ich meine Angst nicht abschütteln. Die Umgebung war düster und surreal. Es fühlte sich immer noch an, als wäre ich in einem Albtraum gefangen.
„Aber... wer bist du?", fragte ich zögernd. Meine Stimme zitterte vor Verwirrung und Unsicherheit.
Ein sanftes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht, als sie antwortete: „Ich bin die Hüterin des Wassers und ebenso eine Auserwählte wie du. Du kannst mich Ara nennen."
Ara. Der Name klang vertraut und doch fremd zugleich. Ich versuchte, meine Gedanken zu ordnen. Wie hatte ich hierher gefunden? Und vor allem, wo befand ich mich überhaupt?
„Du befindest dich in einer anderen Welt", erklärte Ara in ruhigem Ton. „Eine Welt zwischen Traum und Wirklichkeit. Sie wird Elysia genannt. Hier existieren keine Grenzen, und alles ist möglich. Doch keine Sorge, ich werde dich sicher durch diese Welt führen."
Elysia. Allein der Klang des Namens ließ mich an ferne Orte und Zeiten denken. Diese Welt war magisch und surreal. Die Höhle um uns herum schien sich ständig zu verändern, als ob die Wände atmen und leben würden. Ein sanfter, leuchtender Nebel schwebte in der Luft und ließ alles in einem mystischen Licht erscheinen. Der Boden unter meinen Füßen fühlte sich weich und nachgiebig an, wie Moos, obwohl er aus Stein bestand. Von irgendwoher kam das leise Plätschern von Wasser, das wie Musik in meinen Ohren klang. Die Luft war erfüllt von einem süßen, blumigen Duft, der mich an eine Mischung aus Lavendel und Jasmin erinnerte.
Die Höhlenwände schimmerten in sanften Blau- und Grüntönen, und manchmal schienen sie fast durchscheinend zu werden, als könne man durch sie hindurch in andere Welten blicken. Es war, als ob sich hinter jeder Ecke ein neues Geheimnis verbarg, ein weiterer Teil von Elysia, der nur darauf wartete, entdeckt zu werden. Über uns wölbte sich ein unendlicher Sternenhimmel, obwohl wir in einer Höhle waren. Die Sterne funkelten in Farben, die ich nie zuvor gesehen hatte – ein tiefes Smaragdgrün, schillerndes Violett und goldene Töne, die wie flüssiges Licht wirkten.
Ara streckte ihre kleine, von Farbe befleckte Hand nach mir aus. Ich hatte wohl keine andere Wahl, als ihr zu vertrauen. Langsam nahm ich ihre Hand, und sie führte mich in die Dunkelheit der Höhle. Doch es war nicht so dunkel, wie ich zuerst gedacht hatte. Je weiter wir gingen, desto heller wurde es.
Immer wieder sah ich zu Ara auf, die mich ermutigend anlächelte. Ihre Aura der Ruhe und Sicherheit gab mir den Mut, diese neue Welt zu erkunden, auch wenn meine Unsicherheit noch nicht ganz verflogen war.
Wir gingen weiter, aber plötzlich wurde mir schwindelig, so stark, dass ich beinahe das Gleichgewicht verlor. „Warte, damit wird es besser", sagte Ara ruhig. Sie zog etwas aus ihrer Tasche und hängte es mir um den Hals.
Der Anhänger, den sie mir gab, war ein wunderschöner, filigran gearbeiteter Stern aus silbernem Metall. Die fünf Zacken des Sterns wölbten sich in sanften Kurven nach außen, und im Zentrum des Sterns befand sich eine kleine Kapsel aus klarem Glas. In dieser Kapsel schimmerte ein geheimnisvolles Pulver, das in einem sanften Gelb-Rot leuchtete, als würde es das Licht in sich aufnehmen und zurückstrahlen. Der Sternenanhänger fühlte sich kühl an meiner Haut an, und als er meine Haut berührte, spürte ich eine plötzliche, angenehme Wärme, die von meinem Hals ausging und sich durch meinen ganzen Körper ausbreitete.
Es war, als ob der Anhänger mein inneres Gleichgewicht wiederherstellte, als ob er die Energie um mich herum lenkte und fokussierte. Ein sanftes Kribbeln lief über meine Haut, und ich fühlte mich plötzlich leichter, fast als könnte ich fliegen. Meine Gedanken klärten sich, und die Schwere, die auf meiner Brust gelastet hatte, verschwand. Ein Gefühl von Frieden und Sicherheit erfüllte mich, als ob der Anhänger mich beschützte und mir Kraft gab.
„Es ist eine Art Amulett", erklärte sie. „Es enthält ein spezielles Pulver gegen den Schwindel. Wir haben alle so eines, es wurde speziell für uns hergestellt." Tatsächlich fühlte ich, wie der Schwindel langsam nachließ. „Danke", sagte ich erleichtert und versuchte, zu lächeln.
Ara nahm meine Hand und wir gingen weiter. Nach und nach fühlte ich mich kräftiger. „Wie heißt du eigentlich?", fragte sie neugierig.
„Mein Name ist Tara."
„Es freut mich, dich kennenzulernen, Tara." Wir setzten unseren Weg fort, und ich spürte eine seltsame Verbindung zu Ara. Ihre bloße Anwesenheit beruhigte mich.
Plötzlich hielt sie an und zog ihre Kette hervor. Sie drückte den Anhänger in eine kleine Nische in der Höhlenwand. Dort leuchtete ein Feld mit sechs Symbolen auf. Ara legte ihren Anhänger in das Symbol des Wassertropfens, das perfekt passte. Ein Teil der Höhlenwand schob sich nach oben, Staub rieselte herab. Ein weiteres Zeichen dieser seltsamen Welt.
Wir traten durch die geöffnete Tür in einen großen Raum. In der Mitte schwebte ein glühender Feuerball. Ich blinzelte vor Überraschung, konnte meinen Blick kaum abwenden.
Ara hielt meine Hand fester und zog mich hinein. Die Erde bebte leicht, als sie die Tür hinter uns schloss. Plötzlich bemerkte ich drei weitere Mädchen, die nebeneinander in einer Reihe standen. Jedes von ihnen schien mit einer ganz eigenen Energie verbunden zu sein, die die Luft um sie herum erfüllte.
Das erste Mädchen war Lavea, die Hüterin des Feuers. Ihre langen, roten Haare wirkten wie flammende Strähnen, die sich bei jeder Bewegung leicht wellten. Ihre braunen Augen glühten mit einer Intensität, die fast an ein loderndes Feuer erinnerte. Ihre Haut schien von einer warmen, inneren Glut durchzogen zu sein, die sie in einem sanften, rötlichen Schein erstrahlen ließ. Lavea trug ein eng anliegendes, feuerrotes Kleid, das sich wie ein zweiter Haut um ihren Körper schmiegte. Um sie herum war die Luft leicht verzerrt, als würde eine unsichtbare Hitze von ihr ausgehen. Ihre Haltung war selbstbewusst und herausfordernd, und es schien, als könne sie mit einem einzigen Blick alles um sich herum in Flammen aufgehen lassen. Ihre Lippen waren zu einem schmalen, skeptischen Lächeln verzogen, als sie mich musterte.
Neben Lavea stand Tierra, die Hüterin der Erde. Sie hatte braune Haare, die zu einem lockeren Zopf geflochten waren, der über ihre Schulter fiel. Ihre Augen waren von einem tiefen Grün, das an die Blätter eines alten Waldes erinnerte. Ihre Haut war von einem sanften, goldenen Ton, und sie trug ein langes, grünes Kleid, das mit feinen Stickereien verziert war, die an Blätter und Ranken erinnerten. Tierra stand fest auf dem Boden, und es wirkte, als sei sie eins mit der Erde unter ihren Füßen. Ihr Lächeln war freundlich und beruhigend, und es schien, als könne sie die Natur um sie herum zum Leben erwecken, nur durch ihren Willen. Ein leichter Duft von frischem Gras und feuchter Erde umgab sie, und ich fühlte mich in ihrer Nähe sofort geerdet und sicher.
Das dritte Mädchen war Lani, die Hüterin der Luft. Sie war die Kleinste unter uns und das obwohl sie nicht die jüngste zu sein schien. Ara war definitiv jünger als sie. Lani wirkte fast zierlich. Ihre lockigen, schwarzen Haare umrahmten ein Gesicht mit heller Haut und strahlend grünen Augen, die vor Neugier funkelten. Sie trug ein luftiges, weißes Kleid, das bei jeder Bewegung um sie herum wehte, als würde ein unsichtbarer Wind mitspielen. Um Lani herum konnte ich eine ständige, leichte Brise spüren, die sanft an meinen Haaren zog und mir ein Gefühl von Leichtigkeit vermittelte. Ihre Anwesenheit war wie ein frischer Hauch, der den Raum mit einer fast elektrischen Spannung füllte. Sie schien immer in Bewegung zu sein, als ob sie von der Luft selbst getragen würde.
Schließlich kam ich zu Ara zurück, der Hüterin des Wassers. Ihre braunen Locken schimmerten wie glitzernde Tropfen im Licht, und ihre strahlenden Augen hatten die Tiefe eines Ozeans. Sie war diejenige, die mich in diese Welt geführt hatte, und ich spürte eine beruhigende Welle von Vertrauen in ihrer Nähe.
Plötzlich trat eine weitere Gestalt aus den Schatten des Raumes. Diese Person strahlte eine majestätische und geheimnisvolle Aura aus. Zoraida, wie Ara sie vorstellte, sie war eine der Geheimnissvollen gestalten, jene von der ich nur hatte die Augen sehen können. Sie stand dort, in einer eleganten, dunkelblauen Robe, die mit silbernen Sternen und Mondphasen bestickt war. Ihre violetten Augen waren tief und durchdringend, und ihr langes, schwarzes Haar fiel wie ein dunkler Vorhang um ihr Gesicht. Ein sanftes, silbernes Licht umgab sie, als ob sie selbst die Dunkelheit erhellte. Ihre Präsenz war sowohl beeindruckend als auch einschüchternd.
„Endlich sind alle Auswählten vereint", begann Zoraida mit einer Stimme, die wie ein Echo aus dem Raum hallte. Ihre Stimme war zugleich sanft und kraftvoll, und sie hatte etwas Vertrautes, das mich faszinierte.
„Wenn die fünf Auserwählten, einer jeder Zacke zugehörig, vereint sind, wird der Stern seine Prophezeiung erfüllen können", erklang eine Stimme. Es war dieselbe Stimme wie Zoraidas, aber sie schien nicht aus ihrem Mund zu kommen. Ein weiteres Rätsel dieser seltsamen Welt.
„Endlich sind alle vereint, und der Stern wird seine Bestimmung erfüllen können", sagte Zoraida mit fester Stimme. „Lavea ist die Hüterin des Feuers. Nutze deine Macht, um Gutes zu tun." Sie sah zu dem Mädchen mit den langen roten Haaren. Lavea warf mir einen misstrauischen Blick zu.
„Die Hüterin der Erde ist Tierra", fuhr Zoraida fort. „Nutze deine Macht, um Gutes zu tun." Tierra, lächelte freundlich , nickte leicht.
„Lani ist die Hüterin der Luft. Nutze deine Macht, um Gutes zu tun." Lani sah jünger aus als ich und blickte mich neugierig an.
„Ara ist die Hüterin des Wassers. Nutze deine Macht, um Gutes zu tun."
Mein Kopf drehte sich. Was ging hier vor sich? Ich konnte den Druck auf meiner Brust spüren. Warum war ich hier? Und warum hatte ich das Gefühl, Teil von etwas Größerem zu sein?
„Tara ist die fünfte im Bunde", sagte Zoraida schließlich. „Nun seid ihr gemeinsam in der Lage, eure Bestimmung zu erfüllen."
Ein Schwindelgefühl überkam mich, und ich stolperte auf Ara zu. „Ara, ich glaube, dein Anhänger funktioniert nicht!", rief ich verzweifelt.
Ara blieb ruhig. „Unsere Zeit heute geht zu Ende", sagte sie sanft. „Setz dich auf den Boden, damit du nicht stürzt." Sie legte ihre Hand auf meine Schulter. „Manchmal reicht es, zu vertrauen und aufmerksam zu sein", fügte sie hinzu, während meine Sicht verschwamm. „Dann können wir uns auf ungewöhnliche Weise helfen lassen."
Ihre Worte hallten in meinem Geist wider, als ich ins Nichts abtauchte.
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