
Kapitel 18
Das leise Säuseln des Windes klang Tyara in den Ohren und schien sie ganz und gar zu erfüllen. Die Schatten änderten ihre Formen in einem Wilden Tanz des Grauens. Sie klammerte sich nur an dem Hals der Pegasusdame fest.
Es war schwer, trotzdem zwang Tyara sich die Gedanken abzustellen. Vor ihren Augen tauchte immer wieder das Bild ihres eigenen zerfleischten Körpers auf.
Doch Myleas Wärme spendete ihr Trost. Sie musste nur den Weg zurück finden. Eny wollte bei Jano warten. Hoffentlich hatte nichts Anderes sie angegriffen. Doch als sie durch die Bäume sanken und die Äste ihr freie Sicht gewährten, seufzte Tyara erleichtert auf, als sie Eny unverletzt neben Jano knien sah. Doch gleich spannte sie sich wieder an.
Eny war nicht allein. Neben ihr saß die Rotlocke, das Mädchen mit den wirren Haaren. Ruckend landete Mylea und schnaubte, als Tyara ihr dankte. Mit einem letzten gutmütigen Blick verschwand sie wieder.
"Da bist du ja.", flüsterte Eny. "Lyania ist eben gekommen." Das kleine strohblonde Mädchen wies zu der Rotlocke. "Kann sie bleiben?"
Tyara schwieg einen Moment. Es passte ihr nicht, obwohl sie nicht wusste warum. Trotzdem nickte sie grimmig. Sie ließ sich neben Eny nieder. "Kannst du ihn heilen?", fragte sie Lyania scharf.
Diese musterte den am Boden liegenden Jungen kritisch. "Ich denke schon.", meinte sie schließlich langsam. "Dann fang an."
Lyania zuckte zurück, stand dann aber rasch auf. Selbst in der Dunkelheit glühte ihr Gesicht fast so sehr wie ihre Haare. Sie durchbohrte Tyara mit Blicken. "Ich muss erst ein paar Kräuter holen."
Tyara seufzte resigniert. "So lange wird er nicht mehr durchhalten!" Sie zeigte aufgebracht auf den schon ziemlich blass aussehenden Jungen. "Hast du vielleicht eine bessere Idee?", fragte Lyania provokant.
"Nein, aber ich komme mit", beschloss Tyara grimmig. "Bleibst du bei ihm?", fragte sie an Eny gewandt weiter. Nun wieder mit etwas mehr Wärme in ihrer kalten Stimme. Eny nickte und Tyara stand auf. Die Rotlocke schaute sich das ganze skeptisch an, wiedersprach jedoch nicht, als Tyara sie begleitete.
In Schweigen gehüllt schritten sie dahin. Keiner hatte groß Lust mit dem Anderen zu reden. Tyara ging das Ganze viel zu langsam, während es Lyania nicht zu interessieren schien das gerade das Leben eines Jungen am seidenen Faden hing. Das machte Tyara rasend, doch wusste sie auch, dass es nichts als Ärger bringen würde, die andere darauf anzusprechen.
So pflückte sie einfach nur ergeben die Blätter, die die Rothaarige ihr gezeigt hatte und hoffte, dass sie bald wieder zurück sein würden.
Nach einer gefühlten Ewigkeit schienen ihre Gebete endlich erhört worden zu sein, denn Lyania entschied, dass sie genug gesammelt hatten. Für mehr hätte ich auch gar keine Hand mehr frei gehabt, dachte Tyara verbittert, hatte jedoch die nötige Selbstbeherrschung sich nichts anmerken zu lassen. Dennoch bestimmte sie auf dem Rückweg durch den dichten Wald das Tempo.
Wesentlich schneller als auf dem Hinweg kamen sie wieder bei Jano und Eny an. Die blonde war ziemlich aufgelöst. Ein großer Stein fiel ihr vom Herzen, als sie die beiden Mädchen auf sich zu kommen sah. "Er ist fast Tod", schluchzte sie.
"Hör auf zu weinen", stöhnte Lyania genervt und stieß die kleinere grob zur Seite, um sich zu Jano nieder zu knien. Stillschweigend beobachteten Tyara und Eny gebannt, wie sie die Blätter zerdrückte. Bei einigen, mit langen Stängeln, tröpfelte sie ihm den austretenden Saft direkt in den Mund und zwang den Jungen zu schlucken.
Andere wiederum drückte sie auf die Wunde oder zerquetschte sie zu einem Brei. "Könnt ihr mal große Blätter suchen? Am besten stabile?", fragte sie nach einer Weile konzentrierten Arbeitens schließlich. Tyara und Eny nickten wie mechanisch und stolperten orientierungslos in den Wald vor ihnen.
"Was denkst-", fing Eny an, kam aber nicht viel weiter, da ein spitzer Schrei aus ihrem Mund drang. "Was ist los?", rief Tyara aufgebracht und stürzte besorgt zu der blonden hin. Nicht noch eine Verletzte!
Doch es war etwas ganz anderes. Um genau zu sein, jemand ganz Anderes. Rian. Nervös strich der Braunhaarige sich eine seiner wirren Locken aus dem Gesicht und murmelte eine halbherzig Entschuldigung richtung Eny, die sich langsam von ihrem Schrecken erholte.
"Was machst du hier?", rief Tyara aufgewühlt. Auch wenn diese Frage ziemlich unnötig war. "Dasselbe wie ihr", kam sofort die lässige Antwort zurück - Auch wenn das sicher nur schauspielerei war. Seine Nervosität kam nämlich trotzdem durch. "Nein, wir suchen nämlich möglichst große Blätter. Jano ist verletzt!", sagte Eny nüchtern.
"Was...?", wollte Rian nachfragen, gab dieses aber sofort wieder auf und preschte stattdessen den Weg zurück den er gekommen war, nur um Sekunden später mit mehreren riesigen, Palmenartigen Blättern zurück zu kommen. "Wohin?", fragte er ernst. Die sonstige Coolnes, war aus seinem Gesicht gewichen. Stumm rannten Tyara und Eny voraus.
"Da seid ihr ja endlich", begrüßte Lyania sie unfreundlich und nahm die Blätter direkt in die Hand. Mit ein paar sicheren Handgriffen hatte sie einen Umschlag gebastelt, den sie auf Janos Wunde drückte. Und tatsächlich, es wirkte. Nach und nach kehrte wieder ein wenig Farbe zurück in sein Gesicht und der entkräftete Junge begann sich langsam wieder zu regen.
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