20 - Der Irrwald wehrt sich
Unwohl versucht die junge Trainerin sich durch den Irrwald zu orientieren.
Seitdem sie den Wald betreten hatte, ist es die alles verschluckende Stille, die sie konstant umgibt. Keine Geräusche von außen scheinen in den Wald hineinzudringen und alle Geräusche, die sie innerhalb des Waldes verursachen, werden innerhalb weniger Millisekunden von der Natur verschluckt. Was Brigaron aber nicht davon abhält, nah bei seiner Trainerin zu bleiben und sich immer wieder wachsam umzusehen.
Selbst ebenso stummbleibend, versucht sie den Weg im Blick zu behalten. Nur einmal falsch abbiegen und sie landen in einer Sackgasse. Und ein paar Mal häufiger und man findet im schlimmsten Fall nie wieder heraus. Doch ist das nicht ihre größte Sorge aktuell.
Seufzend hält Violene inne und mustert die erneute Weggabelung, welche sich vor ihnen aufgetan hat. Tatsächlich hat sie es geschafft, so langsam den Überblick zu verlieren, wie viele Weggabelungen sie schon genommen haben. Und wie der Irrwald es so will, sehen all jene Weggabelungen sich gerne sehr ähnlich.
„Ich meine, wir müssten als Nächstes die linke nehmen", meint Brigaron dann mit tiefer brummender Stimme, wobei er seinen weißen Arm dahin ausstreckt, „Das Dorf sollte eigentlich gar nicht mehr so weit entfernt sein." Aber wir scheinen uns im Kreis zu bewegen.
„Ich glaub, genau das ist es, was mir so Angst macht... Wenn meine Vermutung stimmt, dann wartet dort im schlimmsten Fall Flordelis. Und allein die Atmosphäre im Irrwald ist... irgendwie schon viel kühler als sonst...", erwidert seine Trainerin langsam, unsicher die Bäume um sich herum betrachtend. So ein dumpfes Gefühl des beobachtet Werdens nicht ganz loswerden können.
Zur Antwort ansetzen wollen, hält Brigaron plötzlich inne und hebt alarmiert mehr den Kopf. Ohne noch länger zu zögern, zieht er seine Trainerin an der Schulter zu sich und drückt sie fest an seinen Bauch. Beschützend dreht er sich dabei halb zur Seite, kaum prallt eine große lilane Klaue an seinem Rückenpanzer ab.
Mit einem leichten Lächeln vergewissert er sich kurzerhand, das es seiner Trainerin gutgeht, nur um dann umso kampfbereiter aufzusehen und sie hinter sich zu bugsieren. Entschlossen gibt er einen Kampfruf von sich und hebt seine Arme, worauf Pflanzenranken aus dem Boden und auf den plötzlichen Gegner zuschießen.
„Was...?!", perplex versucht sie, dem plötzlichen Geschehen zu folgen, wie Brigaron sie wieder losließ und sich beschützend vor sie stellte, nur um ein Trombork mit seiner Attacke Pflanzsäulen an Ort und Stelle zu fixieren, bevor dieses in den Schatten der anderen Bäume verschwinden konnte. Dabei fällt ihr Blick aus dem Augenwinkel auf Brigarons Rückenpanzer, auf dem sich leichte Kratzer wie von einer Klaue gebildet haben. Und sie ist sich ziemlich sicher, die waren vorhin noch nicht da.
Tief bedrohlich brummend versucht Trombork einen seiner Arme zu heben, indem er sich kurzerhand einen Zweig gebildet hat. Doch mehr als ein tiefes, bedrohliches Grummeln kriegt das wilde Pokémon nicht zustande, als weitere Pflanzenranken auch seine Arme fixieren.
Wow... ich habe von dieser Art Pokémon schon öfters gehört. Immerhin gab es schon genügend Berichte mit Begegnungen diesem Gegenüber, die anscheinend alle sehr bedrohlich verliefen. Aber meistens passierte dies, wenn vorher etwas anderes geschah. Was ist nur passiert, das dieses wilde Pokémon so aufgebracht ist?
„Hey, wir wollen deinem Wald doch nichts tun!", bestimmt tritt Violene neben Brigaron und lässt ihren Blick auf dem wilden Pokémon ruhen, welches die beiden Eindringlinge noch immer feindselig anstarrt. Für Trombork ist es ganz logisch: Sie ist ebenso ein Mensch wie er. Und Menschen haben hier nichts zu suchen. Erst recht nicht hier an diesem Platz!
„Ich muss nur zum Pokémon-Dorf. Die Pokémon dort könnten in Gefahr sein!", versucht Violene es weiter, wobei Tromborks Blick sich bei der Erwähnung des Dorfs nochmal mehr verfinstert. Es würde den Champ nicht wundern, würde Trombork gleich einen erneuten Angriff versuchen. Zögernd will sie einen erneuten Versuch starten, die Wogen wenigstens etwas zu glätten, als hinter Trombork aus den Schatten des Waldes eine menschliche Gestalt auftaucht. Und es sind die roten Haare und die für ihn typische Flammenfrisur, woran Violene ihn direkt wiedererkennt.
„Du?! Verschwinde aus diesem Wald, aber sofort!"
Während ihr Blick auf dem stummen Flordelis ruht, Panik und Angst zugleich ihren Körper durchflutet, hält das wilde Trombork tatsächlich für einen Moment inne. Kurzerhand verengt sein Auge sich, mustert er mehr den jungen Menschen auf der Lichtung und überlegt.
Sie hatten mit vielerlei Reaktionen gerechnet, von Begeisterung zu Verwunderung, aber nicht mit so einer negativen. Etwas an diesem Menschen ist anders, das verraten ihm auch die Bäume, mit dessen Wurzeln er verbunden ist. Könnte es denn wirklich sein?
Unwillig lässt er so langsam von seinem drohenden Verhalten ab und lockert seine Anspannung. Die menschliche Figur hinter ihm hat dabei noch immer keinen einzelnen Muskel bewegt, geschweige denn seine Mimik verändert, seitdem der junge Champ ihn so harsch ansprach.
Kaum nickt das wilde Trombork unmerklich, löst sich die menschliche Silhouette auf und ein Zoroark steht plötzlich an derselben Stelle.
Zwischen Unglaube und Erleichterung schwankend, legt Violene behutsam eine Hand auf Brigarons Arm und bedeutet ihrem Pokémon so, Trombork aus seiner Attacke freizulassen. Dieser sieht aus dem Augenwinkel zu seiner Trainerin, sich vergewissern wollen, dass dies auch wirklich seine Trainerin und keine weitere Illusion ist. Nur um dann langsam die Pflanzenranken zurückzurufen und seine kämpferische Haltung aufzugeben.
„Danke", erwidert das Trombork daraufhin trocken, die Chance nutzend und seine Arme etwas bewegend, „Ihr scheint also nicht zu diesem Menschen zu gehören?"
„Nein", entschieden schüttelt Violene den Kopf, nachdem sie sich wieder gefasst hat, „Ich bin tatsächlich auf der Suche nach ihm, um ihn aufzuhalten. Und nichts anderes."
Kurz tauschen Zoroark und Trombork einige Blicke miteinander aus, noch einmal mehr abwägend, wie sehr sie dem jungen Menschen glauben wollen. Worauf Zoroark dann einen Schritt nach vorne geht und das Wort ergreift: „Vor kurzem kam dieser Mensch in unseren Wald und hat viele Pokémon verjagt. Wir wollten ihn davon abhalten, das Dorf zu finden. Aber er war in Begleitung eines Pokémon, das noch nie jemand von uns gesehen hatte. Und hat sich so den Weg zum Dorf erzwungen."
Bei diesen Worten erst einmal schlucken müssen, versucht Violene sich die erneut aufkommende Angst nicht gänzlich anmerken zu lassen: „Lasst mich das Dorf erreichen, ich werde alles geben, um ihn aufzuhalten. Damit er nie wieder das Dorf oder euren Wald aufsuchen wird. Ich bitte euch."
„Versuche nicht uns reinzulegen, Mensch. Die Bäume werden mir verraten, wie du wirklich handeln wirst. Wenn du uns angelogen hast, wirst du unseren Wald nie wieder verlassen können!", drohend mustert Trombork den jungen Champ entschieden, welche nur ebenso entschieden nickt.
„Einverstanden."
Kaum hatte sie das Wort über die Lippen gebracht, bewegen die Bäume hinter ihr sich urplötzlich und eröffnen ihr und Brigaron einen gänzlich neuen Weg.
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