13 - Zuviel des Guten
Lächelnd begrüßen Violene und Urs sich in der Eingangshalle, passend zum gerade angebrochenen Sonnenaufgang. Beide bereit für einen neuen Trainingstag. Doch ahnt niemand von ihnen, was währenddessen nicht unweit entfernt in Sinnoh geschieht.
* * * * * * *
Wie immer verbirgt ein unerbittlicher Nebel den höchsten Abschnitt des Kraterbergs.
Doch verhindert er nicht, dass zwei größere Flugzeuge diesen durchqueren und auf der Spitze des Berges landen konnten. Mit entschlossenem Gesichtsausdruck und aufrechten Gang befehligt ein Mann von großer Statur mehrere andere Menschen, die hektisch verschiedene Geräte und andere Dinge in Position bringen. Ein schmales Lächeln auf den Lippen habend fährt er mit der Hand über die Überreste der alten Ruinen, zielsicher die Speersäule durchquerend.
Zufrieden beobachtet er, wie sämtliche Geräte und technische Spielereien in Position gebracht werden. Über ein knappes Jahr hat er gebraucht, um seine Recherchen zu vervollständigen, das notwendige Geld aufzutreiben und genügend „Mitarbeiter" für das bevorstehende Unterfangen zusammenzutrommeln. Aber all das war es ihm wert. Noch können die anderen nicht ahnen, welches Unheil auf sie zukommen wird. Und wenn es so weit ist, wird es zu spät sein.
Grinsend gibt er den Befehl.
* * * * * * *
Jubelnd bemerkt Violene, wie Lucarios Attacke einen erfolgreichen Treffer nach sich zog. Erneut trainieren sie mit der Augenbinde und der Herausforderung, dass beide Trainer ihren Partnern keine verbalen Anweisungen geben dürfen. Umso mehr freut sie sich über den kleinen Erfolg. Doch haben sie die bisherigen Trainingskämpfe mit Urs gelehrt, scharf aufzupassen, dass man nicht zu nachlässig wird, wenn es scheinbar gut aussieht.
Schon im nächsten Moment dabei den nächstmöglichen Schritt zu planen, konzentriert sie sich erneut auf ihren Partner und auf die Auren, welche sich vor ihr befinden.
Plötzlich durchzuckt ein undefinierbarer Schmerz ihren Körper und raubt ihr für einen kurzen Moment die Luft zum Atmen. Noch bevor ein Laut über ihre Lippen kommen kann, verkrampfen sich ihre Muskeln und sie fällt voran auf die Knie. In der nächsten Sekunde hat Lucario sie beschützend aufgefangen, seine Trainerin fest umarmt und hält ihren Körper so davon ab auf dem harten Boden aufzukommen. Dumpf nimmt sie die Stimme ihres Partners und auch Urs Stimme wahr. Doch kann sie die Worte, welche diese sagen, nicht verstehen.
Verschiedene Bilder und Szenarien tauchen vor ihrem inneren Auge auf. Bilder von der Ruine auf der Spitze des Kraterbergs. Bilder, wie da schwarze Hubschrauber landen und undefinierbare Menschen seltsame technische Geräte und verschiedene Kisten hervorholen. Das Bild von zwei großen Pokémon, die sich aufgrund von fürchterlichen Schmerzen krümmen. Und zum Schluss das Bild von einem grinsenden erwachsenden Mann, dessen roten Haare ihr nur zu gut bekannt vorkommen. Mit einem Blick, als wüsste er, dass sie diesen Moment sieht.
Dann wird ihr alles schwarz vor Augen...
Besorgt bemerkt Lucario, wie die letzte Anspannung innerhalb weniger Augenblicke aus dem Körper seiner Trainerin gewichen ist. Ohne Urs Reaktion abzuwarten, löst er Violenes Augenbinde und hebt sie hoch. Kurz wirft er einen undefinierbaren Blick zu dem jungen Mann, nur um dann direkt zum Pokémon-Center zu laufen. Verwirrt hebt Schwester Joy den Blick, als die Tür sich öffnet und sie zuerst Lucario erblickt. Kaum fällt ihr Blick aber auf seine Trainerin, erahnt sie schon das Problem, holt eine Liege und bedeutet dem Stahl-Pokémon Violene auf der Liege zu platzieren.
Während Schwester Joy seine Trainerin mit schnellen bestimmten Schritten nach hinten bringt, schaffen auch Urs und dessen Lucario es ihn einzuholen. Mit einer stummen Geste zeigt Lucario auf die Tür, hinter der Schwester Joy dabei erst vor wenigen Sekunden mit seiner Trainerin verschwand.
„Es bleibt uns wohl nichts anderes als jetzt abzuwarten...", murmelt Urs mit sorgenvollem Gesichtsausdruck, selbst nicht ganz wissend, wie er das Passierte einordnen soll. Haben sie es mit dem Training übertrieben? Oder geschah etwas, was diese angehende Aurahüterin zu sehr mitnahm?
Als Teampokémon seiner Trainerin hätte er ahnen müssen, dass irgendwas nicht stimmt. So kommt es, dass er im Eingangsbereich unruhig auf und ab läuft und sich davon auch nicht durch Urs oder dessen Lucario abhalten lässt. Sie waren so auf das Training und den Kampf fokussiert; kann es sein, dass er dadurch nicht mitbekommen hat, was mit seiner Trainerin los ist? Eins ist sicher für das Auren-Pokémon. So ein Fehler darf ihm nie wieder passieren!
Diesmal war es in einem Trainingskampf und sie waren gleich um die Ecke eines Pokémon-Centers, aber nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn... Entschieden schüttelt Lucario den Kopf und fixiert die Tür, hinter der seine Trainerin, nun schon seit vor über einer halben Stunde, verschwunden ist. Immerhin hat der andere Mensch sich still dazu entschieden, auf dem Sofa zu sitzen und den Boden anzusehen. Vielleicht war ja doch das Training schuld...?
Erleichtert sieht Lucario auf, als die Tür sich nach all der Stille zum zweiten Mal öffnet! Doch steht nicht wie erwartet Violene vor ihnen, sondern allein Schwester Joy mit einem Klemmbrett.
Diese sieht kurz von Lucario zu Urs, welcher sein Partner-Pokémon wiederum in der Zwischenzeit zurückgerufen hatte. Nur um dann nochmal einen Blick auf ihr Klemmbrett zu werfen: „Ihr Zustand ist so weit stabil. Leider konnten wir nicht herausfinden, was genau diese Ohnmacht bei ihr verursachte. Daher möchte ich sie noch für eine Nacht unter Beobachtung haben, um sichergehen zu können, dass bleibende Schäden auszuschließen sind."
„Danke, Schwester Joy", atmet Urs sichtlich erleichtert auf, als sein Blick auf Violenes Lucario fällt, „Gibt es die Möglichkeit, dass wir zu ihr können?"
„Nur wenn ihr mir versichert leise zu sein und keine unnötige Aufregung zu verursachen!", mahnend sieht sie dabei noch einmal von Urs zu Lucario und zurück, welche beide entschlossen nicken. Zufrieden über diese Antwort bedeutet Schwester Joy den beiden, ihr durch die Tür in einen langen Gang zu folgen. Vorbei an mehreren davon abgehenden Zimmern, bis sie vor einer dieser Türen halten. Der Blick durch das große Sichtfenster in den Raum hinein wird durch einen zugezogenen Vorhang verhindert.
Mit ruhigen Bewegungen öffnet Schwester Joy die Tür, betritt dann zuerst das Zimmer und winkt die beiden Besucher hinter sich mit rein. Mit einem letzten Blick kontrolliert sie, ob sich irgendwas an dem Zustand ihrer Patientin verändert hat. Dabei kommt Chaneira mit einem Lächeln auf die Drei zu, und signalisiert, das alles in Ordnung ist.
„Bitte bleibt nicht mehr allzu lange bei ihr zu Besuch, damit sie sich in Ruhe erholen kann", mit diesen Worten verlassen Schwester Joy und Chaneira das Krankenzimmer und lassen Lucario und Urs mit der schlafenden Violene alleine.
Sofort hat Lucario den Stuhl am Bett von seiner Trainerin in Beschlag genommen und mustert seine Trainerin besorgt, eine Pfote auf ihre Hand gelegt. Mit einem vorsichtigen Lächeln beobachtet Urs das Verhalten dieses Pokémon, beeindruckt von der engen Freundschaft, die die beiden anscheinend haben müssen. Doch bemerkt er dabei auch den Monitor, auf welchem der regelmäßige Puls von Violene zu sehen ist. Verbunden durch einige Elektroden, während die junge Trainerin unbemerkt von all dem friedlich im Bett zu liegen scheint.
„Du wirst sehen, Lucario, deiner Trainerin wird es schon bald besser gehen! Gib ihr nur ein bisschen Schlaf"
„Luca... cario."
Mit einem aufmunternden Lächeln zu Lucario verlässt Urs dann auch das Zimmer.
Schweigend verharrt Lucario im Sitzen neben dem Bett und mustert seine Trainerin, noch immer rätselnd, wie das geschehen konnte. In dieser Position bleibt er, selbst als mehrere Stunden vergehen und sowohl Chaneira als auch Urs abwechselnd versuchen, ihn zu überreden, mal rauszugehen und etwas zu essen. Mehrere Male lehnt er diese Angebote ab und gibt beiden zu verstehen, das Zimmer nicht verlassen zu wollen. Worauf dann Schwester Joy Chaneira beauftragte ihm Essen mit ins Zimmer zu bringen und zu erlauben, dass er die kommende Nacht mit im Zimmer bleiben kann. Mit einer dankbaren Geste nimmt er das Essen dann tatsächlich an, ein stückweit zur Überraschung von Urs und Schwester Joy.
So vergehen die Stunden, bis die Sonne beginnt im Meer unterzugehen. In Gedanken versunken bemerkt Lucario, wie der Himmel sich dadurch bunt verfärbt und langsam in Dunkelheit den Sternen des Nachthimmels weicht.
Ein plötzliches Husten lässt ihn aufhorchen.
Im nächsten Moment berührt eine Hand seine Pfote und lässt ihn aufatmend lächeln: „Dir geht es gut!"
„Wie... sollte es mir denn sonst gehen...?", erwidert Violene mit angeschlagener Stimme, wobei sie ein sicheres Schmunzeln versucht. Betonung auf versucht. Erst nach einigen Augenblicken realisiert sie die Elektroden auf ihrer Haut, sowie die dazugehörigen Kabel und das sich ihre Umgebung seit dem letzten Mal deutlich verändert hat.
Den fragenden Blick seiner Trainerin bemerkend, setzt Lucario zur Antwort an: „Du bist im letzten Trainingskampf gegen den jungen Mann zusammengekippt und hast dein Bewusstsein verloren. Ich konnte dich nicht beschützen, es tut mir leid..."
„Ich wurde ohnmächtig...?", wiederholt Violene die Antwort mit einem fragenden Unterton und versucht dabei ihre letzten greifbaren Erinnerungen sortieren zu können. „Ich weiß nicht... es schien alles gut, aber plötzlich war da so ein Schmerz und dann habe ich Bilder gesehen. Mehrere Bilder, vom Heiligtum auf dem Kraterberg, als wäre ich gerade live vor Ort."
Die Besorgnis darüber noch immer nicht ganz abschütteln können, umschließt Lucario die Hand seiner Trainerin mit beiden Pfoten und bittet mit leiser Stimme: „Zeig sie mir, bitte zeige mir, was du gesehen hast..."
Mit einem sanften Lächeln bemerkt die Trainerin seine Reaktion und schließt die Augen. Versucht, das Gesehene wieder hochzuholen, sich wieder vor Augen zu führen und achtet dabei auf Lucarios Aura. Im nächsten Moment reichen sich beide Aurenformen von Mensch und Pokémon Hand und Pfote. Und Lucario sieht die Bilder, die seine Trainerin erst vor einigen Stunden zum ersten Mal sah.
„Er ist es, oder nicht? Er ist zurück."
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro