IV
„Du benötigst meine Hilfe, welch seltene Worte von einem, der nie in einem Skelett aus Holz und Segeltuch stand und meinem Zorn ausgeliefert war", raunte die Grausame Mistress, und ihr Leib schlug fauchend gegen die Klippen. „Mir!", brüllte sie, „der Herrin über Salz und See! Der Königin über Wellen und die Kalten Gräber! Der Hüterin tausender Schätze und noch mehr verlorener Seelen, deren Körper ich nahm, während die Tränen ihrer Witwen mich nähren. Was willst du, Felsentochter?"
Auf den Wangen der Lady glitzerten die Spuren ihrer Tränen. „Nichts ist mir geblieben, Grausame Mistress. All jene, die nur noch der puren Willkür der Götter ausgeliefert sind, beten zu Euch. Ich möchte...einen Handel abschließen. Damit mein Herz seinen Frieden findet."
Das Lachen des Meeres klang wie wisperndes Wasser und gleichzeitig wie peitschende Wogen. „Du möchtest einen Handel abschließen, obwohl du noch so viel hast... So viel... Ein Haus, ein Hemd, ein Herz, eine Seele. All das hast du noch. Erst, wenn deine Seele allein in meinen Händen liegt, kannst du mit mir handeln!", donnerte die Grausame Mistress.
Die Lady rief nach ihr, doch erntete nur das Donnern der Wellen gegen die Klippen. Mutig trat sie aus ihrem Turmzimmer, nur in ihrem dünnen Unterkleid, und ging den langen Weg hinab zum Meer. Dort fand sie das kleine Boot eines Fischers, und sie ruderte hinaus auf die See, während der Wind ihr den Regen und die Gischt um den Körper schlug und auf ihrer Haut stach wie tausend Nadeln. Das dünne Leinen des Kleides wurde durchsichtig und sie zitterte, als die Wellen das Boot herumwarfen und immer mehr Wasser sich auf den Planken sammelte.
Voller Angst erhob sich die Lady, während das Boot unter ihr bockte. „Grausame Mistress, ich bin in deinen Händen! Niemand ist kann für mein Schicksal garantieren! Meine Seele und mein Körper sind dir ausgeliefert!"
Die Grausame Mistress war überall, unter ihr, über ihr, um sie herum, sie umschloss ihren Körper und fauchte in ihren Ohren. Ihre Stimme war das Donnern der See, lauter und gewaltiger als je zuvor. „Allein in meinen Händen bist du nun, Felsentochter! Und einen Handel willst du. Um deine Seele? Dein Leben, wie alle anderen auch? Oder ist es etwas anderes?"
„Zwei Dinge möchte ich!"
Eine Welle riss die Lady beinahe von den Füßen, und das Meer grollte. „Zwei gleich", zischte das Meer. „Und du weißt, dass alles einen Preis hat!"
„Ja", sagte die Lady. „Doch ich bin bereit, ihn zu zahlen, denn mein Leben kennt nur noch Leid, seit der Prinz mir mein Herz stahl. Nichts kann mir mehr genommen werden."
„Furchtlos bist du, Felsentochter. Und dumm, wie alle, die mich um Hilfe anflehen. Mit einem einzigen Schlag kann dir alles genommen werden, was dir lieb und teuer ist, so einfach, wie ein Kind eine Spinne tötet. Dennoch, was verlangst du?"
„Ich möchte, dass mein Reich wieder Glück erfährt. Es soll wohlhabend werden, und die Tränen der Zurückgebliebenen sollen trocknen, wenn sie erfahren, dass ihr Leid ein Ende hat."
„Mir, der Königin des Meeres, befiehlst du, etwas zu trocknen? Wie dumm von dir! Doch nun, dein erster Wunsch soll dir erfüllt werden. Jede Träne, die du im vergangenen Winter vergossest, soll zu einer Perle werden, ebenso wie jede Träne, die du noch vergießen wirst. Du wirst in Perlen schwimmen, und der Wohlstand soll dein sein."
„Ich habe noch einen weiteren Wunsch!", rief die Lady. „Das Klagen meines Herzens soll beantwortet werden!"
„Den Prinzen verlangst du", flüsterte die Mistress. „Er soll der Deine werden, nicht wahr? Das möchtest du."
„Ja!", antwortete die Lady. „Er soll meine Liebe vom ganzen Herzen und von tiefster Seele erwidern, auf dass wir glücklich sind bis ans Ende unserer Tage!"
„Es sei dir gewährt", lachte die Grausame Mistress donnernd. „Doch vergiss niemals den Preis. Eine Seele für deine Wünsche. Der Tag wird kommen, an dem du dir wünschst, dass du dich niemals mit mir eingelassen hättest, und das Kalte Grab wartet."
„Wessen Seele wird es sein?", fragte die Lady voller Angst. „Meine?"
„Deine möchte ich nicht. Noch nicht. Nun geh, kehre zurück dorthin, wo du herkamst, und erfreue dich deinem Glück!", donnerte die Mistress und warf das Boot verächtlich auf den Strand zurück.
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