5. Kapitel: Die Beerdigung
Zufrieden räumte Sven am nächsten Morgen die Bierflaschen weg. Es war ein schöner Abend mit Freunden gewesen. Lutz hatte zur Überraschung Chicago am Flughafen getroffen und ebenfalls zum Treffen eingeladen. Und als dann auch noch zufällig Nils vorbei gekommen war, war Sven so glücklich gewesen, wie schon lange nicht mehr. Zu fünft hatten sie über die alten Zeiten gequatscht, sich aber auch über ihre jetzigen Leben ausgetauscht.
Doch so schön der Abend gewesen war, desto schlimmer war der folgende Tag. Heute sollte Paulines Großvater beerdigt werden, sie hatte ihnen allen Trauerkarten mit Bitte zur Teilnahme geschickt, soviel hatten die Jungs gestern zusammen gezählt.
Nachdem Sven das Chaos im Garten beseitigt hatte, war es auch schon Zeit sich fertig zu machen. Er suchte sein Jackett und ein weißes Hemd aus seinem Schrank. Sein Vater half ihm mit einer schwarzen Krawatte aus, dann fuhr Sven auch schon mit dem Rad los. Vor dem Friedhof warteten schon, wie vereinbart, die anderen Roten. Sogar mit Rahul und Ranjit, die erst in den Morgenstunden eingetrudelt waren.
„Hi." Sven begrüßte alle mit Handschlag, dann gingen sie in die Kirche und blockierten eine Bankreihe weit hinten. Vorne, dass konnte Sven erkennen, saßen fünf junge Frauen zusammen. Und als die eine jetzt aufstand und sich umdrehte, blieb sein Herz stehen. Sie sah ganz anders aus, als früher. Ihr dunkles Haar fiel ihr als Zopf lang den Rücken runter, sie trug eine schwarze Jeans und ein dunkles Shirt, doch unverkennbar, Jacky.
Jacky hatte die Roten schon von weitem gehört, wollte sich aber vergewissern, dass sie es wirklich waren. Als sie jetzt aufstand und so tat, als würde sie ihre Tasche suchen, beobachtete sie Sven, der wie erstarrt dastand. Jacky unterdrückte ein Lächeln, als der Pastor die Kirche betrat und die Beerdigung begann.
Eine Stunde später fanden sich die Klapperschlangen mit einer verheulten Pauline im Café ein und übernahmen das Bedanken bei allen Gästen. Überraschenderweise war Paulines Großvater sehr bekannt gewesen, denn die Kirche war voll gewesen. Viele Gäste kannten die Freundinnen, doch ein deutlich größerer Teil musste wohl aus Nachbarstädten kommen. Immer wieder nahmen sie Briefumschläge und Beileidsbekundigungen an und wiesen die Leute dann freundlich auf die Kuchentafel hin. Als auf einmal die gesamte Rote Sieben von ihnen stand, hob sogar Pauline den Blick. Schweigend musterten sich die beiden Banden, bevor Sven als Anführer einen Umschlag aus seinem Jackett zog und ihn Pauline reichte.
„Unser aller Beileid", sagte er und versuchte Jacky nicht allzu sehr anzustarren.
„Danke", sie nickte und sah dann Pauline an, doch die war schon wieder weggetreten.
Als schließlich Henriette das Café betrat und eine Rede an alle richtete, suchten sich die jungen Frauen einen Tisch für sich alleine, weit abseits von den anderen.
„Habt ihr gesehen, wie die Jungs alle erwachsen geworden sind?", Sarahs Augen funkelten. „Da möchte man sich ja gleich einen angeln."
„Sarah!", rief Nixe schockiert. „Wir sind hier auf einer Beerdigung!"
Kalliope lachte. „Meistens beginnt jetzt der fröhlichere Teil, bei dem man sich Geschichten von früher erzählt."
„Trotzdem nicht unbedingt passend, von Jungs anzufangen", murrte Nixe und schnappte sich das letzte Stück Butterkuchen. „Sind wir denn schon weiter mit unserer Einladung?" Da sie nebenbei kaute, verstanden die anderen nicht, was sie sagten.
„Sind wir schon weiter mit unserer Einladung?", fragte Jacky und erntete, für sie völlig unbegründet, einen bösen Blick von Nixe.
Kalliope griff unauffällig nach ihrer Tasche und förderte einen Stift und ein Notizbuch zu Tage.
„Ich habe zu Hause mal überlegt. Mehr als sie selber entführen oder eine Nachricht zu hinterlassen, ist mir nicht eingefallen."
„Ich glaube, eine Nachricht hinterlassen wäre am besten", Jacky sah enttäuscht auf den leeren Kuchenteller.
„Das ist doch langweilig", murrte Nixe missmutig. Sie hatte sich schon auf eine Rache an Tosse gefreut. Auch wenn die beiden in Freundschaft auseinander gegangen waren, gab es einige Aktionen, die Nixe ihm nicht verzogen hatte. „Können wir nicht etwas mehr, ich weiß nicht, Panik bei ihnen auslösen?"
Pauline grinste, ganz froh darüber, dass ihre Freundinnen sie ablenkten. „Nur weil die Einladung harmlos ist, muss es der Empfang ja noch lange nicht sein."
„Ja", Sarah rieb sich erfreut die Hände. „Ich bin so aufgeregt."
Die anderen lachten laut, dann vertieften sie sich in ihre Planung.
Die Rote Sieben, denen das Lachen der Klapperschlangen nicht entgangen war, steckte die nun ebenfalls die Köpfe zusammen.
„Die planen etwas", wisperte Sven und warf einen Blick über die Schulter zu Jacky. Die Mexikanerin war gerade aufgestanden und fragte am Nachbartisch nach Kuchen.
„Man könnte meinen, sie wären langsam erwachsen geworden", Nils verdrehte die Augen. Und auch Tosse und Rahul sahen missmutig drein. Doch im Inneren freute sich jeder der Sieben über etwas Abwechslung in dem eintönigen Berufsleben.
Svens Blick wanderte zu Lutz, doch der Blonde hob abwehrend die Hände. „Kalliope und ich waren uns von Anfang an einig, die Bandensachen aus unserer Beziehung zu lassen."
„Sie brechen auf", flüsterte Rahul, und hatte anscheinend vergessen, dass er gegen neue Bandenaktivitäten war. Sein Bruder Ranjit warf ihm einen irritierten Blick zu.
Und wirklich. Die Klapperschlangen standen bei Henriette, umarmten sie alle nacheinander und gingen dann.
„Sollen wir hinterher?", Lutz sah fragend zu Sven, der den Kopf schüttelte.
„Wie Nils meinte, wir sind zu alt für so etwas. Lasst uns ebenfalls aufbrechen und heute Abend wieder treffen."
Die anderen nickten zustimmend. Dann verabschiedeten sie sich alle von Henriette, sprachen ihr noch einmal ihr Beileid aus und verstreuten sich in alle Himmelsrichtungen.
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