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Kapitel Vier

Die Stute schnaubte erschöpft, während ihre Hufe über das morsche Holz des Burgtores klapperten. Raylan unterdes schüttelte den Kopf, weil es ihm schwarz vor Augen zu werden drohte. Sein Pferd knickte mit einem Bein beim Laufen ein, der Dolch eines Angreifers hatte auch sie ziemlich schwer getroffen. Der Ruck, der dabei durch seinen Körper ging, ließ Raylan wieder aufschrecken und er griff sich an die blutende Schulter. Der Schmerz pochte unter seiner Handfläche und als er die Hand wieder wegnahm, war sie voller Blut. Die rote Farbe, die so bitter nach Eisen stank, ließ ihm übel werden und er erbrach sich mitten in den Burghof. Dabei verlor er nun endgültig den Halt und rutschte vom Rücken des Pferdes. Er kam unsanft auf dem harten Stein auf und blieb liegen. Er hatte keine Kraft mehr, aufzustehen. Aus der Ferne hörte er einen lauten Schrei. Dann verlor er das Bewusstsein.

Zwei Wachen kamen schnell herbeigeeilt, als sie den Schrei der Magd hörten. Sie erblickten den ohnmächtigen Mann auf dem Boden des Burghofes und drehten ihn vorsichtig auf den Rücken. Einer von den beiden deutete auf die schwere Wunde an dessen Schulter und sie berieten sich tuschelnd.

„Was ist passiert?" Die laute Stimme des Königs hallte durch den Burghof und die Wachen erhoben sich eilig. Der Schrei war auch ihm nicht entgangen. Sie verbeugten sich tief, als der König an ihnen vorbeischritt. Er beäugte den bewusstlosen Fremden, der in seinem Hof zusammengebrochen war, und entdeckte wohl die Wunde an seiner Schulter. „Bringt ihn hinein. Der Heiler soll sich um ihn kümmern." Mit diesen Worten schenkte er dem Fremden keine Aufmerksamkeit mehr, sondern er drehte sich auf dem Absatz um und ging wieder hinein. Der lange Mantel um seine Schultern wehte dabei in einem weiten Bogen hinter ihm her. Die beiden Wachen, die zuerst an Ort und Stelle gewesen waren, griffen jetzt unter die Schultern des Mannes und zogen ihn hoch. Einer von ihnen keuchte unter der Last, denn der Fremde war ziemlich schwer und seine Füße schleiften über den Boden. Die Tatsache, dass er nicht bei Bewusstsein war, machte das Ganze nicht einfacher. Im Gegenteil. Aber sie schleppten ihn ins Innere der Burg, wie es ihnen der König geheißen hatte.

„Heiler!", brüllte einer von ihnen schon, noch bevor sie überhaupt annähernd bei dessen Arbeitszimmern angekommen waren. Dennoch streckte ein älterer Mann, dessen Haar schon durchgehend grau war, sofort den Kopf aus einem der Räume. Als er sah, dass die beiden ihm einen Kranken brachten, winkte er und rief: „Bringt ihn her!" Die beiden Wachen zwängten sich gemeinsam mit dem Fremden durch die enge Tür und ließen ihn auf eines der Betten fallen. Froh, es geschafft zu haben, atmete einer von ihnen tief aus und streckte sich. Vermutlich würde sein Rücken morgen davon schmerzen. „Geht jetzt", sagte der Heiler und scheuchte sie hinaus. Dabei klapperten die Reife an seinen Armen wie die Ringe am Schwanzende einer Klapperschlange, als wollte er sie warnen, ihn bei seiner Arbeit zu stören. Die Tür fiel hinter den Wachen ins Schloss und er fing an, den Kranken, den man ihm gebracht hatte, zu untersuchen. Natürlich entdeckte er dabei auch die Wunde an der Schulter des Mannes. Ein Blick in dessen Gesicht verriet ihm, dass er schon eine Menge Blut verloren hatte. Daher würde es die erste Tat sein müssen, die Wunde zu reinigen und zu nähen. Weitere Verletzungen konnte er auf den ersten Blick nicht erkennen. Mit ein paar geschickten Handgriffen, die seine vom Alter zittrigen Finger noch zuließen, öffnete er die Rüstung und zog sie mit einigen Mühen unter dem massigen Körper hervor. Danach strich er sich erst einmal mit der Hand über die Stirn, denn es stand einiger Schweiß darauf. Früher hätte er es ohne Probleme geschafft, den Mann zu drehen, aber er war eben doch alt geworden. Während er das blutverschmierte Hemd aufknöpfte, entdeckte er, dass sein Patient eine Kette um den Hals trug. Er wog den Anhänger, der nicht gerade leicht war, in seinen Händen und betrachtete ihn genauer. Es war ein Schwert aus feinstem Stahl, um dessen Schneide sich blaue Rosen wanden. In der Schneide waren ein paar Worte eingraviert. Der Mann, der vor ihm lag, war ein Mitglied der Bruderschaft. Schnell riss er die Kette von dessen Hals und schob sie in die Tasche seines Gewandes. Wenn der König davon erfahren sollte, würde er ihn sofort der Burg verweisen oder schlimmer, egal, wie schwer verletzt er war. Das wäre ein sicheres Todesurteil, denn mit dieser Wunde würde er nicht mehr weit kommen.

„Nun, wie geht es ihm?" Der Heiler erschrak und drehte sich ein wenig zu schnell um. Sein Herz pochte wie verrückt, es war solche schnellen Bewegungen nicht mehr gewohnt. Er hatte gar nicht gehört, dass der König an ihn herangetreten war. Hastig deutete er eine Verbeugung an und stotterte: „Er ist verwundet, mein König. Aber ich kann ihn behandeln."

„Verwundet?"

„Ja, mein König. Die Verletzung wurde durch einen Dolch zugefügt. Es muss in einem Kampf passiert sein." Der Höhergestellte verzog missmutig das Gesicht.

„Also gut, sagt mir Bescheid, wenn er aufgewacht ist. Ich will wissen, aus welchem Grund er hergekommen ist." Dann wandte er sich zum Gehen und der alte Mann verbeugte sich erneut. Ein schmerzhafter Stich ging durch seinen Rücken, als er sich wieder aufrichtete.

„Mh" Er schlug die Augen auf und spürte sofort das schmerzhafte Pochen in seiner Schulter. Er griff sich an die schmerzende Stelle und fühlte den leichten Stoff eines Verbandes. Als er hinsah, erkannte er, dass seine Schulter und seine Hände in weißes Leinen gewickelt waren.

„Oh, Ihr seid wach!" Abrupt setzte Raylan sich auf, als der die Stimme hörte und sah sich suchend um.

„Wo bin ich?" Er sah sich in dem Raum um, in dem er sich befand. Er war vollgestellt mit Regalen, in denen sich die seltsamsten Dinge befanden. Kräuterfläschchen und Medizinpullen standen wild verstreut zwischen Büchern. In einem anderen Regal stapelten sich Schriftrollen und Notizen, von denen einige schon Ecken hatten. Eines war voll mit Gläsern, er wollte gar nicht genauer hinsehen, was sie enthielten. Keines davon stand gerade, sogar die an den Wänden hingen schief. Und inmitten all dieses Chaos stand ein kleiner Schreibtisch, auf den unerbittlich das Wachs von zahlreichen Kerzen tropfte. Es hatten sich schon kleine Säulen aus Wachs gebildet. Und das schummerige Licht in dem Raum machte eine komische Atmosphäre. Jetzt trat hinter einem der Regale ein schmächtiger alter Mann hervor, dessen Kutte zu lang für seine Füße zu sein schien. Denn als er auf ihn zukam, stolperte er und fiel beinahe hin. Aber er konnte sich gerade noch einmal aufrappeln und strich seine Kutte glatt, während er sagte: „Ich bin Maelech, wer seid ihr?"

„Raylan von Akemaris. Wo bin ich hier?", wiederholte er sich und musterte den alten Mann genau. Dieser verzog beunruhigt das Gesicht.

„Ihr seid am Hof des Königs. Ihr seid hierher geritten und im Hof der Burg zusammengebrochen. Wisst ihr das nicht mehr?"

„Der König?", fragte Raylan erstaunt. Dann erinnerte er sich wieder. „Ich muss ihn sprechen." Er sprang von der Liege auf. Ein plötzliches Stechen in seiner Schulter ließ ihn zusammenzucken und er zog tief Luft in seine Lungen.

„Ihr solltet Euch lieber schonen. Übrigens ..." Der Heiler zog einen Gegenstand aus der Tasche seines Kittels und reichte ihn ihm. „Das hier solltet Ihr besser nicht tragen, wenn Ihr dem König gegenüber steht. Er hat nichts mehr übrig für die Gemeinschaft, der ihr angehört. Aber das wisst Ihr ja sicher."

Raylan nahm die Kette entgegen und streifte sie sich über den Hals. Niemand würde ihn davon abhalten, das Zeichen seiner Bruderschaft zu tragen. Er griff nach seinem Hemd und gerade als er es sich überstreifen wollte, wurde die Tür zu den Gemächern des Heilers aufgestoßen und eine Wache trat ein.

„Heiler Maelech." Die silbern bemantelte Wache nickte mit dem Kopf zur Begrüßung. Sie wollte weitersprechen, aber dann erblickte sie Raylan und verstummte. Der Wachmann drehte sich um und wollte aus der Tür treten, aber Raylan sagte: „Bleibt. Ich wollte ohnehin gerade gehen." Mit diesen Worten marschierte er an der Wache vorbei hinaus aus den Gemächern des Heilers. Nachdem die eisenbeschlagene Tür sich hinter ihm geschlossen hatte, zog er sich das Leinenhemd über den Kopf und sah sich um. Der Gang, in dem er stand, führte nur in eine Richtung – nach links. Also gut, dann da lang, dachte er sich und fing an, den schmalen Weg hinunterzulaufen. Als sich der Gang teilte, entschied er sich, nach rechts zu gehen. Er wich ein paar elegant gekleideten jungen Frauen aus, die ihn neugierig musterten und hinter vorgehaltener Hand tuschelten. Er aber ignorierte sie, denn jeden Schritt, den er machte, stach es in seiner Schulter und er war konzentriert, die Schmerzen auszuhalten. Von weiter vorne drang der laute Schall eines hitzigen Gespräches an seine Ohren und er ging instinktiv schneller. Vor ihm erstreckte sich plötzlich eine große freie Fläche, über deren marmornen Boden die Sonnenstrahlen in einem wilden Reigen tanzten. Abrupt blieb er stehen, überwältigt von der Schönheit des Platzes. Der Platz war von hohen Säulen umgeben, um die sich Efeu rankte. Auf der linken Seite des Platzes jedoch waren keine Säulen, dort schlossen sie an ein großes Tor an, das in den Thronsaal führte. Davor stand der König, der heftig mit einer anderen Person – Raylan schätzte, dass es ein Berater war – diskutierte. Zumindest schien der Mann von adligem Stand zu sein. Das verriet seine edel bestickte Kleidung.

Er räusperte sich. „Verzeiht, mein König. Ich muss ..."

„Ah, Ihr seid aufgewacht." Mit einer Handbewegung schickte der König den Berater weg und sagte: „Der Hauptmann der Stadtwache hat mir von dem Überfall auf Euch berichtet. Wieso hatte man es auf Euch abgesehen?"

„Ich komme im Auftrag eurer Tochter, mein König. Eine Botschaft wurde abgefangen, sie war an den Anführer der Kinder des Jenseits gerichtet. Die Hohepriesterin ist äußerst beunruhigt und denkt, dass er etwas plant."

„Meine Tochter? Sanaha?" Erstaunt runzelte der König die Stirn. „Wieso kam sie nicht selbst zu mir?"

„Sie wollte versuchen, die Botschaft zu entschlüsseln, Hoheit. Ein Teil davon ist in einer fremden Sprache verfasst."

Der bärtige Mann in den königlichen Gewändern griff beinahe instinktiv an den Anhänger um seinen Hals. Seine Finger schlossen sich so fest darum, dass die Knöchel weiß hervortraten. Und sein Blick war abwesend, als wäre er in einer anderen Welt. Er murmelte ein paar Worte in einer anderen Sprache, aber Raylan konnte nicht verstehen, was er sagte. Dann schüttelte er mit einem Mal den Kopf und sagte: „Folgt mir. Ich lasse meine Tochter zu mir rufen." Die Wachen öffneten die Tore zum Thronsaal, als der König ihnen zunickte und diese gingen mit einem bedrohlichen Knarzen nach innen auf. Mit einem Fingerzucken und wenigen Worten schickte der König eine der Wachen los, um seine Tochter zu holen. Vorsichtig setzte Raylan einen Fuß auf den Boden des Saals und flüsterte: „Der heilige Saal". Diesen Namen trug der Thronsaal nicht umsonst – in ihm war der erste große König von Sabarien ernannt worden. Er, der die dunklen Götter einst verbannt und ihre Seelen tief unter dem Thronsaal in Gräbern eingesperrt hatte. Fasziniert schaute Raylan sich um – es war so lange her gewesen, dass er das letzte Mal einen Fuß in diesen Saal gesetzt hatte. Aber alles war noch wie immer. Während er dem König folgte, schossen zahlreiche Erinnerungen durch seinen Kopf. Er sah an eine Säule gelehnt seinen Vater, der sich angeregt mit dem Hauptmann der königlichen Wache unterhielt und dabei lachte. Und sich selbst als kleinen Jungen, der am Rock seines Vaters hing, um nichts zu verpassen. Seine Mutter unterhielt sich mit einer der Damen des Hofes über feine Stoffe und edle Düfte. Der neueste Tratsch wechselte die Besitzer und verbreitete sich. Es war, als wäre er wieder jung, ein Bursche von 10 Jahren, unschuldig und nichtsahnend. Raylan schüttelte den Kopf und die Erinnerungen verschwanden. So würde es nie wieder sein. Denn sein Vater war im letzten Krieg gegen das dunkle Königreich gefallen, als er versucht hatte, den letzten König zu beschützen. Als dann nach dem Krieg Edain von Noth König geworden war, hatte man ihn und seine Mutter verstoßen, zusammen mit allen anderen Mitgliedern der Bruderschaft. Man hatte sie aus der Stadt geworfen wie Gesindel – als hätten sie nie jahrhundertelang ihr Leben für den Schutz des Amuletts riskiert und gegeben, so wie sein Vater. Im Gegenteil. Man hatte ihnen die Schuld am Tod des Königs gegeben. Und daran, dass das Amulett fast in falsche Hände geraten war.

Und jetzt stand er hier, im Auftrag der Hohepriesterin, um dem zu dienen, der seine Sippe verbannt hatte. Welch Ironie des Schicksals. Wieso tue ich das eigentlich? Er blieb stehen und seufzte. Obwohl sie verbannt worden waren, hatten sich die Ältesten seiner Bruderschaft immer noch der Königstreue verschworen. Seine Treue zum Königshaus hatte er wohl von ihnen übernommen, obwohl er manchmal großen Hass auf König Edain verspürte, das konnte er nicht leugnen. Aber Hass und Unmut waren der Ehre eines Mannes nicht zuträglich. Er unterdrückte die aufkommende Wut.

„Kommt ihr?", rief der König, der mittlerweile auf seinem Thron Platz genommen hatte. Er sah wahrlich imposant aus auf dem mit Blättern und Rosen verzierten Thron. Vor den Stufen, die zu dem großen Stuhl hinaufführten, kniete ein Mann in einer schwarzen, verdreckten Kutte. Raylan erkannte ihn sofort wieder. Es war der Mann, der ihn als erstes attackiert hatte. Der, dem seine Stute die Rippen gebrochen hatte. Stumm blieb er ein paar Schritte von ihm entfernt stehen und schaute hoch zum König. „Dieser Mann ist der Einzige, der den Angriff auf Euch überlebt hat. Seine Rippen sind gebrochen. Der Heilungsprozess wird schmerzhaft werden, wenn er überhaupt so lange lebt. Aber ..." Der König erhob sich. „Ich frage mich ... Wie konntet Ihr einen Kampf gegen eine Überzahl von drei Männern gewinnen?"

„Glück, mein König?"

„Nein", dieser schüttelte den Kopf, „Das glaube ich Euch nicht. Ihr habt einen der Männer mit bloßen Händen getötet. Dies gelingt keinem einfachen Mann. Wer seid Ihr?" Raylan schluckte. Wenn der König herausfand, dass er ein Mitglied der Bruderschaft war, stünden seine Chancen schlecht. Was sollte er sagen? Er spürte, dass ihm warm wurde und er anfing, zu schwitzen. „Nun?"

Mit einem lauten Knarzen öffneten sich die Tore zum Thronsaal und der Heiler stolperte herein. Verwirrt – und gleichzeitig erleichtert, weil er so für einen Moment um eine Antwort herumkam – drehte Raylan sich um. Mit einer Hand hielt der alte Mann seine Kutte hochgerafft und mit der anderen schleppte er die schwarze Rüstung, die Raylan gehörte.

„Ihr habt eure Rüstung vergessen, mein Herr!" Raylan marschierte ihm entgegen und bückte sich, um nach dem Leder zu greifen, das auf dem Boden dahin schliff. Dabei rutschte die Kette aus seinem Hemd und der Anhänger baumelte in der Luft. Das entging dem König nicht. Dessen Augen verzogen sich zu Schlitzen, als er den Anhänger erkannte.

„Ihr ... Ihr seid von der BRUDERSCHAFT!", brüllte der König und raste die Treppen hinunter auf ihn zu – wie ein Wirbelwind, voller Zorn. Er packte Raylan am Kragen und drückte ihn gegen eine der Säulen des Thronsaales. „Euresgleichen sind in meinen heiligen Hallen nicht willkommen! Ihr seid ein Verräter!" Fetzen von Spucke wurden in Raylans Gesicht geschleudert, als der König ihn anschrie. „Wachen! Nehmt diesen Verräter fest!" Männer in silbernen Rüstungen eilten herbei und packten ihn, hielten seine Arme hinter seinem Rücken fest, dass es schmerzte. Vor allem in seiner verletzten Schulter brannten höllisch die Schmerzen und er atmete schwer. Er konnte spüren, wie es unter dem verletzten Fleisch pochte und roch das Blut, das den Mullverband wieder rot färbte. Er wurde auf die Knie gezwungen und fühlte, wie sich eiserne Ringe um seine Handgelenke legten. Mutlos senkte er den Kopf. Es war ein Fehler gewesen, hierherzukommen. Er hätte lieber an seiner Verletzung sterben sollen. Denn der Dank für seine Treue war jetzt Gefangenschaft.

„Vater!" Erneut schwangen die Tore in einem großen Bogen auf und die Hohepriesterin schwebte in ihrem weißen Kleid herein. Ein Schimmer der Hoffnung huschte über Raylans Gesicht, als er sie sah. Sanaha blieb abrupt stehen, als sie ihren Gefährten gefesselt in der Ecke knien sah. Auf ihrer Stirn bildete sich eine große Zornesfalte. „Was hat das zu bedeuten?"

Der König sah seine Tochter voller Unverständnis an. „Wie könnt Ihr es wagen, mit diesem Verräter zusammenzuarbeiten?", schrie er und baute sich vor der Hohepriesterin auf. Aber trotz der Tatsache, dass ihr Vater zwei Köpfe größer als sie war, ließ sich die Priesterin nicht von seiner ungestümen Art einschüchtern.

„Am besten sprechen wir nicht hier darüber", sagte sie und deutete auf die Tür des Ratszimmers, das gleich an den Thronsaal anschloss. Dabei entdeckte sie den gefangenen Sektenanhänger und runzelte die Stirn. Ohne die Antwort ihres Vaters abzuwarten, öffnete sie die Tür und wartete stumm, bis er hindurchgetreten war. Sie schloss sie so fest hinter ihm, dass das Holz krachte und atmete tief durch. Dann sagte sie nur: „Verräter? Ist es Verrat, eine Botschaft zu überbringen? Eine Botschaft, die vom dunklen König an Jedan Evayherys gerichtet ist! Das, Vater, ist kein Verrat. Es ist Treue, die Ihr offensichtlich nicht verdient habt!" Der König keuchte entsetzt und stemmte erbost die Arme in die Seiten.

„Ihr wagt es, mir zu sagen, was ich verdient habe?"

Jetzt brüllte auch Sanaha. „Jawohl! Denn scheinbar könnt Ihr nicht mehr zwischen Freund und Feind unterscheiden! Dieser Mann dort, der Sektenanhänger, ist euer Feind! Aber nicht Lord Raylan! Er war Euch selbst treu, als ihr ihn verstoßen habt, genau wie seine Familie und seinen Orden! Seid Ihr wirklich so verblendet?" Sie schlug vor Wut mit der Faust, in der sie die Botschaft hielt, gegen die Brust ihres Vaters, sodass dieser vor Schreck ein paar Schritte zurücktaumelte und sich die schmerzende Stelle rieb. Die kleine Schriftrolle fiel zu Boden und rollte in eine der Fugen zwischen den marmornen Fliesen. „Lasst ihn frei oder Ihr könnt euch meiner Unterstützung nicht mehr sicher sein!" Sanaha hob mit vor Wut zitternden Fingern das Schriftstück auf, eilte durch die Tür hinaus und zu dem knieenden Raylan hinüber. Sie wog sein Gesicht in ihren Händen und strich sanft über seine Wange. Der Blick in seinen Augen war getrübt, er wagte nicht, sie anzusehen.

„Ich habe versagt, Hohepriesterin. Bitte vergebt mir."

Sanaha lächelte kurz unsicher, dann wurde ihr Blick wieder ernst. „Ihr habt nicht versagt. Ihr kamt für mich hierher, obwohl Ihr wusstet, wie gefährlich es für Euch war. Ihr wurdet verletzt. All das meinetwegen. Diese Schuld kann ich nicht begleichen." Sie erhob sich und wandte sich an ihren Vater, der ihr aus dem Raum gefolgt war und in einigem Abstand die Szene beobachtete. Aber jetzt sprach sie ruhig, beinahe flehend. „Lasst ihn frei."

Missmutig winkte der König mit den Händen und die Wachen lösten seine Fesseln. In seinem Gesicht spiegelte sich die Verärgerung darüber, von seiner eigenen Tochter so behandelt worden zu sein. Aber er sagte nichts, er bedachte sie nur mit einem verächtlichen Blick. Raylan kämpfte sich mühselig zurück auf die Beine und versuchte, seine verletzte Schulter dabei so wenig wie möglich zu belasten.

„Danke", sagte Sanaha kurz angebunden. Sie streckte das vergilbte Schriftstück ihrem Vater hin, welcher es mit grimmigem Blick entgegennahm. Als er es genauer betrachtete, stellte er fest, dass das Siegel das der Familie von Dathenór war. Diese Botschaft stammte also wirklich vom dunklen König selbst.

„Ihr sagt, sie war an Jedan Evayherys gerichtet? Eine Zusammenarbeit mit dem dunklen König wäre Hochverrat."

„Er ist ein Verräter, Vater", knurrte die Hohepriesterin beinahe. „Es ist eure Entscheidung, was in dieser Sache zu tun ist. Ich jedoch werde weiter versuchen, die letzten Zeilen der Botschaft zu übersetzen. Sie enthalten eine Information, die wir nicht kennen sollen. Aber ich werde herausfinden, welche es ist."

„Tut das." Der König gab ihr die Schriftrolle zurück. „Und verzeiht, dass ich so harsch mit Euch sprach."

„Nein. Ich verzeihe Euch nicht. Ihr solltet darüber nachdenken, wer Eure wahren Feinde sind. Sonst habt Ihr bald niemanden mehr, der Euch unterstützt." Mit diesen Worten marschierte sie zielstrebig auf die Tore des Thronsaals zu – ja, stürmte in ihrer Wut beinahe aus dem Saal - und Raylan beeilte sich, hinterherzukommen.

„Ich kann es nicht glauben!", keifte sie, kaum dass sich die Tore hinter ihnen geschlossen hatten, und warf erbost die Arme in die Luft. „Wie kann mein Vater nur so sein? So – so engstirnig!" Eine Magd, die gerade ihren Weg kreuzte, erschrak ob ihres Geschreis und beeilte sich, davonzukommen. Ein leises Schluchzen drang aus dem Mund der Hohepriesterin. „Er ... Er gibt immer noch der Bruderschaft die Schuld für den Tod seines Vaters. Ich hätte es wissen müssen! Ich hätte Euch niemals hierher schicken dürfen!"

„Lady Sanaha ..." Raylan sah sie mit sanftem Blick an und öffnete den Mund, um etwas Beschwichtigendes zu sagen, aber sie unterbrach ihn.

„Nein! Ich war so töricht zu glauben, mein Vater würde Euch zuhören, wenn er erführe, dass ich Euch schickte. Ich habe euer Leben riskiert. Ich habe eure Treue ebenfalls nicht verdient." Sie fuhr herum und ihr weißes Kleid flog dabei um ihre zierlichen Knöchel. Mit schnellen Schritten lief sie über den gepflasterten Vorhof des Thronsaals hinaus zu den Treppen, die in den Burghof hinunterführten. Raylan eilte ihr hinterher und hielt sie am Arm auf, als sie die Treppen hinuntersteigen wollte.

„Es war richtig von Euch, mich zu schicken. Wenn Euch der Angriff getroffen hätte ... Ich hätte es mir nie verziehen, wenn mein Bruder Euch etwas angetan hätte ..." Sie sah ihn mit großen Augen an.

„Euer Bruder?", fragte sie erstaunt.

„Ja", seufzte Raylan. „Er fügte mir diese Wunde zu. Er hat den Hinterhalt angeführt."

Sanaha keuchte fassungslos und stemmte die Arme in die Seiten. „Euer eigener Bruder ... Ist er es, den der König im Thronsaal gefangen hält?"

„Nein." Ein kurzer Ausdruck der Trauer huschte über das Gesicht des stämmigen Mannes. „Ich habe ihn im Kampf getötet." Mit diesen Worten ging er an der Hohepriesterin vorbei die Stufen hinunter und sie blieb mit offenstehendem Mund auf der obersten Stufe zurück.

Ihre Augen folgten dem Bruderschaftler, während er die Stufen hinunterstieg und auch noch, als er sich auf sein Pferd schwang. Das Klackern der Hufe seines Pferdes hallte noch in ihren Ohren, als er schon längst aus ihrem Sichtfeld verschwunden war.

Raylan lenkte sein Pferd aus der Stadt hinaus. Es war Zeit für ihn, zum Lager der Bruderschaft zurückzukehren, denn die Nacht hielt allmählich ihren Einzug über das Land. Der Pfad zum Lager war steinig und jeder unregelmäßige Schritt der Stute stach wie ein erneuter Dolchstoß in seiner Schulter. Das Vorderbein des Pferdes knickte bei jeder noch so kleinen Unebenheit weg und die Stute schnaubte qualvoll. „Oh, mein Mädchen", seufzte Raylan und schwang sich von ihrem Rücken. „Was für ein trauriges Bild wir doch heute abgeben, nicht wahr?" Er fuhr mit der Hand durch ihre seidig weiche Mähne und lehnte seine Stirn an ihre. Ihr warmer Atem drang in sein Hemd und gab ihm ein Gefühl der Geborgenheit an diesem seltsamen Tag. Für einen Moment hielt er so inne, dann führte er sie am Zügel weiter in Richtung des Lagers. Es war nicht mehr weit. Sie humpelte und er hielt seinen Arm schonend an seine Brust gedrückt.

Schon bald breiteten sich vor ihm die Zelte aus, in denen seine Sippe lebte. Er führte die Stute zwischen zweien davon hindurch und band sie mit dem gesunden Arm an eine Stange vor dem rechten Zelt, in dem er lebte. Kaum hatte er sie festgebunden, streckte auch schon eine Frau ihren brünetten Schopf aus dem Eingang des Zeltes. Seine Mutter.

„Raylan, mein Sohn!", rief sie erleichtert. „Ich dachte schon, Ihr ..." Dann entdeckte sie, dass er seinen Arm komisch angewinkelt hielt und setzte sofort ein besorgtes Gesicht auf. Sie packte den Kragen seines Hemdes und zog es zur Seite, sodass der weiße Verband deutlich zum Vorschein kam. „Was ist passiert?", fragte sie schockiert.

„Lasst uns hinein gehen, dann erzähle ich Euch alles." Er schob seine Mutter mit der gesunden Hand in das Zelt und folgte ihr. Die schwere Vorlage fiel auf den rechteckigen Eingangsbereich und schirmte die Dämmerung draußen ab. Aber im Inneren der Behausung war es bis auf den Schein des Feuers auch nicht anders. Raylan setzte sich auf eine der schmalen hölzernen Bänke am Feuer und nahm einen Schluck von dem Gebräu, das auf dem Rost über den Flammen stand. Er seufzte wohlig, als die warme Flüssigkeit seine Kehle hinunter rann und seinen Bauch mit einer angenehmen Hitze erfüllte. Seine Mutter, Kaynalá war ihr Name, schob die andere Bank ein wenig zurück, bevor sie sich breitbeinig daraufsetzte. Mit einer Hand rückte sie einen Eimer, der übel roch, zu sich heran. Raylan rümpfte angewidert die Nase. „Mutter?"

„Verzeiht, mein Sohn. Mir ist heute den ganzen Tag schon so übel." Sie machte eine kurze Pause und schluckte. „Aber was ist mit Euch? Was ist da passiert?" Sie deutete auf den blutigen Fleck auf seiner Schulter.

Raylan zögerte. Wie viel konnte – sollte er ihr erzählen? „Es ... Ich wurde in der Stadt angegriffen. Mutter ..." Nein, er würde ihr nicht erzählen, dass er seinen Bruder getötet hatte. Seine Mutter wartete immer noch darauf, dass ihr ältester Sohn nach Hause zurückkehrte. Das konnte er ihr nicht antun. „Mutter, ich werde mich hinlegen. Es war ein langer Tag." Er stand auf und hauchte seiner Mutter einen Kuss auf die Stirn. „Schlaft gut."

Er spürte den besorgten Blick seiner Mutter auf sich, als er sich von ihr abwandte. Mit einer Hand streifte er sich das blutige Hemd über den Kopf und warf es in eine Ecke des Zeltes. Das einfache Bettgestell krachte, als er sich darauf fallen ließ. Er starrte noch eine Weile an den Himmel des Zeltes und hörte, wie seine Mutter weinte. Er hörte, wie sie aufstand und durch das Zelt schlurfte. Er drehte den Kopf nach links und sah, wie sie sein zerrissenes Hemd aufhob. Sie wanderte damit zurück zum Feuer und warf es hinein. Kurz loderten die Flammen auf, während sie sich durch den dünnen Stoff fraßen, und seine Mutter begann, zu singen. Raylan schloss die Augen und genoss die herrliche Stimme der Frau, die ihn großgezogen hatte. Das Lied, das sie sang, war traurig. Es war das Lied des schwarzen Drachen. Aber dennoch liebte er das Lied, denn sie hatte es ihm schon immer vorgesungen, als er noch ein kleines Kind gewesen war. Er hatte sich wahnsinnig gefürchtet dabei, aber er hatte gewusst, bei seiner Mutter konnte ihm nichts passieren.

„Hm hm hm hmmmm...

Hm hm hm hmmmm...

Der schwarze Drache

Er kommt über das Meer

Sein Feueratem

Vernichtet jedes Heer.

Hm hm hm hm hmmmm ...

Hm hm hm hm hmmmm ...

Geritten von ihm

Dem schwarzen Prinzen

Entkommt ihm niemand

In diesem Land.

Hm hm hm hm hmmmm ...

Hm hm hm hm hmmmm ...

Wenn er dich findet,

deine Seele entschwindet

Wie ein Licht,

das die Dunkelheit nicht durchbricht.

Hm hm hm hm hmmmm ...

Hm hm hm hm hmmmm ...

Und wenn er kommt

Sich zu holen,

was ihm wurd' gestohlen

Hm hm hm hm hmmm ...

Hm hm hm hm hmmm ...

Wird sein Feuer uns alle richten

So wie es geschrieben steht

In den alten Geschichten

Hm hm hm hm hmmm ...

Hm hm hm hm hmmm ...

Tod wird er bringen

Wenn er kommt über das Meer

Und seine Ahnen singen

Wenn er vernichtet jedes Heer.

Hm hm hm hm hmmm ...

Hm hm hm hm hmmm ...

Wie seine Mutter den Refrain des Liedes noch einmal sang, hörte er nicht mehr. Er war längst in die Welt der Träume hinüber gewandert.

In dieser Nacht träumte er davon, dass der dunkle Prinz über das Land hereinfiel und ein Krieg ausbrach, den sie nicht gewinnen konnten.

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