Kapitel 10-3
Der Fels grub feine Risse in Namis Visier, holte sie aber gleichzeitig zurück ins Hier und Jetzt. Ihr Körper drehte sich, gab ihr einen kurzen Blick nach oben. Sie konnte für einen Sekundenbruchteil Bibis Gesicht sehen. So voller Hass. Was hatte sie getan? Die Schwerkraft zog sie nach unten. Ein herausragender Fels fing ihr Genick brutal auf und überstreckte ihren Rücken. Die Schmerzen machten sie unfähig, sich zu bewegen, und sie glitt weiter nach unten, schrammte an der Felswand entlang, die fast senkrecht abfiel. Ein Kribbeln erfüllte jegliche Körperpartie, während er immer wieder von den einzelnen Stößen durchgeschüttelt wurde. Endlich erreichte sie den Boden. Sie fiel seitlich, konnte sich nicht auf einen guten Sturz konzentrieren. Ihr Geist drohte abzudriften. Ein jäher Schmerz holte sie zurück, als ihr Arm durch den Aufprall verdreht wurde. Sie schrie, bis ihr die Stimme versagte. Obwohl sich alles in ihr taub anfühlte, nahm ihr Körper doch den Schmerz war. Sie rollte sich herum, versuchte den Arm zu entlasten. Er ließ sich nicht bewegen, schien noch immer verkehrt zu liegen. Ein erneutes Rollen brachte sie mit dem Gesicht nach unten zum Liegen. Ihr rechter Arm ragte in die Höhe, wurde nun aber zumindest nicht mehr belastet. Sie konnte nichts sehen, obwohl das Donnergrollen doch den Himmel erhellen müsste. Die Luft wurde ihr knapp. Sie wand sich, wie ein Fisch auf dem Trockenen. Sie musste in einer Senke gelandet sein, die sich mit Säure gefüllt hatte. Ihre Atemeinheit ließ die Flüssigkeit nicht durch, konnte aber auch keinen Sauerstoff zu ihr befördern. Mit eisernem Willen versuchte sie die Beine zu mobilisieren. Sie hatte das Gefühl, gelähmt zu sein. Verzweifelt atmete sie ein und aus, aber da war nichts mehr übrig. Wie in dem Moment, als sie die Sauerstoffkonzentration gesenkt hatte. Nein! Sie wollte nicht sterben – nicht so! Mit Gewalt brachte sie es fertig die Beine anzuziehen. Der Tümpel war nicht besonders tief und ihre Knie berührten den Boden. Sie stieß sich ab und konnte so ein Stück weit nach vorne robben. Es war ihr fast unmöglich weiterzumachen, aber sie brachte das Kunststück ein weiteres Mal fertig.
Vor ihr fühlte sie Felsgestein, eine Erhöhung, der Rand der Senke. Sie streckte ihren Rücken durch und hob den Kopf gen Himmel. Luft! Gierig atmete sie ein, ehe ihr die Kraft ausging und sie zurück in die Säure sackte. Ein letztes Mal robbte sie nach vorne, dann ragte ihr Oberkörper aus dem Gewässer heraus. Hektisch füllte sie die Lungen mit Luft. Es war ein unglaublich befreiendes Gefühl. Und gleichzeitig fürchtete sie bei jedem Atemzug, es könnte wiederum der Letzte sein. Als würde sie gleich wieder in den Tiefen landen und um ihr Leben kämpfen. Nun da das Leben in sie zurückkehrte, verstärkte sich erneut der Schmerz in ihrem Arm. Sie hob ihre Körpermitte an und griff mit der Linken nach ihm. Mit der nächsten Körperdrehung gelangte sie auf den Rücken und zog ihren rechten Arm mit sich. Ein Brennen zog wie ein gleißender Blitz durch die gebrochene Stelle. Wie befreiend es sein würde den Schmerz herauszuschreien, aber sie musste weiteratmen. Sie beherrschte sich mit ganzer Kraft.
Nami legte den Kopf in den Nacken und atmete flach ein und aus. Der Regen platschte auf ihr Visier und rann in Rinnsalen ab. Ein Blitz zerriss den Himmel und hellte die Dunkelheit um sie herum auf. Sie starrte mitten in eine scheußliche Fratze. Der Geifer rann aus den Mundwinkeln des Lilim und perlte auf ihren Helm. Seine ganze Gestalt wirkte noch makaberer und krankhafter als gewohnt, nun da der Regen ihn langsam auflöste. Doch sein Trieb sie zu töten war wohl stärker, als die sicherlich unsägliche Tortur, die ihm die Säure zufügte. Ein weiterer Blitz gab ihr die Sicht auf noch mehr der Gestalten frei. Sie blickten abwartend zu ihr herab. Namis zitternde gesunde Hand griff zu dem Armband an ihrem rechten Arm. Nein, so würde sie nicht sterben. Sie drückte den Knopf, um sich zu erlösen, einen würdigen Tod zu sterben. Nichts geschah. Sie drückte immer und immer wieder, hämmerte mit letzter Kraft auf den Auslöser ein. Die Lilim hüllten sie ein, griffen mit gierigen Klauen nach ihrem Körper. Und sie lebte noch.
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