2. Kapitel
Lorbeerjunges blinzelte träge, als sie aufgeregtes Quieken vernahm, eindeutig Plätscherjunges. Sie hob den Kopf und spitzte die Ohren. Die Sonne musste bereits aufgegangen sein, denn auch ihre anderen Baugefährten waren schon wach. „Guten Morgen Lorbeerjunges", maunzte ihr Wurfgefährte Strudeljunges, der gerade von ihrer Mutter Nebeldunst geputzt wurde. Fröhlich hüpfte Pfützenjunges um. „Hey, Lorbeerjunges, hörst du mir überhaupt zu?", drang die Stimme von Plätscherjunges an ihr Ohr. „Ich habe gesagt Mama hat endlich erlaubt dass wir dir das Lager zeigen weil du jetzt zwei Monde alt bist!" Lorbeerjunges stellte die Ohren auf. Schon seit mehreren Sonnenaufgängen hatten ihre Geschwister begonnen, mit den Jungen von Eisblume durch das Lager zu streunen, doch Nebeldunst hatte sie selbst jedes Mal zurückgehalten, mit den Worten, sie sei noch zu jung, um das Lager zu verlassen. So hatte Lorbeerjunges oft allein mit den drei Königinnen in der Kinderstube zurückbleiben müssen. Wenigstens war ihre Mutter immer bei ihr geblieben und hatte ihr eine Geschichte erzählt oder sie zum Laufen ermutigt, wenn Eisblume und Wellenmeer nach draußen gegangen waren, um sich in der Blattgrüne-Sonne den Pelz zu wärmen. Jeden Sonnenuntergang erzählten Tropfenjunges, Sprudeljunges und Spritzjunges, die Jungen aus dem anderen Wurf und ihre Geschwister aufgeregt von den Abenteuern und Erlebnissen, die der Tag gebracht hatte. Viele unbekannte Namen kamen darin vor und Lorbeerjunges brannte danach, endlich selbst die Pfoten in den Bach zu tunken und den Ältesten einen Besuch zu erstatten. Heute sollte es endlich soweit sein? Sie sprang auf die Pfoten und wollte mit ihren Geschwistern aus dem Bau wackeln, doch die hellgraue Pfote ihrer Mutter hielt sie zurück und sie spürte die warme, raue Zunge über ihr Fell bürsten. „Du sollst perfekt an deinem ersten Tag außerhalb der Kinderstube aussehen, mein Schatz!" murmelte Nebeldunst und entließ sie endlich in die Freiheit. Erwartungsvoll schlüpfte sie durch den Ausgang der Kinderstube und trat auf die Lichtung.
Für ein paar Momente blieb Lorbeerjunges, überwältigt von den vielen neuen Eindrücken, wie angewurzelt stehen. Sie wusste gar nicht, wo sie zuerst hinsehen sollte! Überall waren Katzen, die geschäftig herumliefen. Der Sand, der den Boden des Lagern bedeckte, fühlte sich rau und zugleich weich unter ihren Ballen an und viele unbekannte Gerüche drangen ihr in die Nase. Mit den meisten wusste sie nichts anzufangen, doch sie erkannte einen Hauch von dem Fisch, den die Königinnen immer fraßen. Lorbeerjunges spürte eine Pfote an ihrer Flanke. Sie blickte sich um, es war Sprudeljunges, die sie anstubste. „Na komm schon! Wir führen dich herum." Die anderen fünf waren schon vorausgelaufen und die Kätzin folgte ihr eifrig. Einige Schweiflängen neben die Kinderstube schmiegte sich ein weiterer Bau an den Lagerwall, der deutlich größer war. Tropfenjunges schnippte mit ihrem Schweif in seine Richtung. „Das ist der Kriegerbau", erklärte die grau getüpfelte Kätzin. Neugierig trat Lorbeerjunges ein paar Schritte vor und lugte durch den Eingang. Es war ein sauber ausgefegter Bau mit zahlreichen, spiralförmig angeordneten Moosnestern, die einen intensiven Duft verströmten. Lorbeerjunges meinte, auch einen Hauch von Lichthimmels Geruch aufzuschnappen, doch es könnte auch Einbildung sein. Pfützenjunges drängte sich neben sie. „Wir können später mal einen Krieger fragen, ob wir uns dort umsehen dürfen." Seine Schnurrhaare zuckten. „Oder wir gehen einfach so!" hinter ihnen drängte Sprudeljunges zum Weitergehen. Eifrig trabte Lorbeerjunges hinter den anderen her, die vor einem weiteren, kleineren Bau halt machten. Strudeljunges lief bereits hinein und schnippte mit dem Schweif, die anderen folgten. Neugierig sah Lorbeerjunges sich um. Der Bau war in ein angenehme Halbdunkel getaucht und drei Nester fanden Platz auf dem Boden. Sie waren von struppig aussehenden Katzen besetzt. Zwei von ihnen schienen zu schlafen, doch ein grau und weiß gescheckter Kater ob den Kopf und irrte mit seinen trüben Augen hin und her, bis er die Jungen erblickte. „Wie schön, dass ihr mal wieder vorbeischaut, Junge." miaute er heiser. Sein Blick richtete sich auf Lorbeerjunges, doch er schien nicht richtig zu fokussieren und seine Augen flackerten. „Nieseljunges, Schneejunges und Lachsjunges, wer ist die kleine Kätzin dort und wo ist Muscheljunges?" krächzte er. Lorbeerjunges blinzelte verwirrt. Strudeljunges lehnte sich zu ihr und flüsterte: „Das ist Graupelwolke, der Vater von Bachminze. Er ist ein bisschen wirr im Kopf, und denkt, wir sind andere Katzen, die schon längst auf der Akademie sind. Seine Geschichten sind aber trotzdem die besten aus dem Ältestenbau, sag einfach nichts was ihn aus dem Konzept bringt..." Die Kätzin schluckte und versuchte, die neuen Informationen zu verarbeiten. Sprudeljunges wandte sich bereits wieder zum Gehen. „Wir kommen vielleicht wann anders noch mal wieder, Graupelwolke, wir haben noch viel zu tun!" Mit einem letzten Blick auf den Ältesten, der immer noch abwesend auf die Stelle starrte, an der sich Sprudeljunges gerade noch gestanden hatte, verließ Lorbeerjunges wieder den Bau und trat auf die Lichtung. Sie standen direkt am Ufer des kleinen Baches, der sich munter plätschernd seinen Weg durch die Lichtung bahnte. Er glitzerte in der hellen Sonne und warf kleine Muster auf ihr goldbraunes Fell. Bis auf Pfützenjunges und Tropfenjunges waren bereits alle in den Bach gesprungen und auf die andere Seite gepaddelt. Er war maximal eine Schweiflänge tief und zwei bis drei Schweiflängen breit, doch Lorbeerjunges zögerte noch am Ufer. Sie war noch nie im Wasser gewesen. Spritzjunges beugte sich herunter und schöpfte eine Pfote voll Wasser auf ihren Pelz. Lorbeerjunges quiekte, als das kühle Nass ihr Fell durchdrang und sprang zurück. Auch Tropfenjunges neben ihr hüpfte ins Wasser und durchquerte den kleinen Bach. „Los, du schaffst das, es ist einfacher als du denkst" munterte Pfützenjunges sie auf. „Am Anfang hab ich mich auch nie getraut aber du kannst ja nicht für immer auf einer Hälfte des Lagers bleiben! Schwimmen ist wie laufen nur ohne Boden." Mit diesen Worten schwamm auch Pfützenjunges auf die andere Seite und spritzte sie fröhlich nass. Lorbeerjunges wusste nicht so recht, ob sie das Wasser mochte. Einerseits war es eine schöne Abkühlung an diesem heißen Tag, doch das Gefühl, wenn ihr das Fell am Körper klebte war nicht angenehm. Schließlich gab sie sich einen Ruck und streckte die Vorderpfoten in den kleinen Bach und spürte, wie das Wasser sanft ihre Ballen umschmeichelte. Als sie sich komplett hineingleiten ließ, erschauerte sie. Jetzt war es ihr doch ein wenig zu kalt. Das Wasser umstrich ihren Körper von allen Seiten und sie bemerkte mit Erschrecken, dass sie den Boden unter den Pfoten verloren hatte. Es war kaum Strömung vorhanden und die kleine Kätzin strampelte mit den Pfoten und reckte den Kopf verzweifelt in die Luft, um nicht unterzugehen. Sie trieb bereits in Richtung des Lagerwalls, als sie plötzlich untertauchte. Für einen Moment sah sie nur Wasser. Geistesgegenwärtig hatte sie den Atem angehalten und strampelte, mittlerweile panisch. Da spürte Lorbeerjunges spitze Zähne in ihrem Nackenfell und wurde wieder in die Luft gehoben.
Ganz schwach vor Erleichterung ließ sie sich sanft auf der anderen Seite des Bachs absetzen, wo sie sich erst einmal schüttelte, dass die Tropfen flogen. Das mit dem Schwimmen konnte ruhig noch eine Weile warten. Sie drehte sich zu der Katze um, die sie gerettet hatte, und schnurrte fröhlich, als sie das goldgelbe Fell erkannte. Lichthimmel schnurrte ebenfalls und berührte mit der Nase ihr Ohr. Ihr Vater hatte sie in letzter Zeit beinahe täglich in der Kinderstube besucht. „Hey Lorbeerjunges, wie schön dich hier draußen zu sehen! War das dein erster Schwimmversuch gerade?" Der Kater zuckte mit den Schnurrhaaren. „Normalerweise lernen die Jungen unter Aufsicht ihrer Eltern das Schwimmen, aber jetzt bin ich ja da. Und mach dir keine Sorgen, schon bald wirst auch du es gut können." Die Kätzin nickte kläglich und warf ihren Wurfgeschwistern einen wütenden Blick zu. Ihr Vater strich ihr beschwichtigend mit dem Schweif über das Rückenfell, welches schon beinahe von der Sonne getrocknet worden war, die mittlerweile ihren höchsten Stand erreicht hatte. Die anderen wedelten ihr mit den Schweifen zu und mit einem letzten Blick zu Lichthimmel sprang sie zu den Jungen. „Was zeigt ihr mir jetzt?", wollte sie wissen. Tropfenjunges nickte mit dem Kinn in die Richtung eines weiteren Baus, der direkt an den Bach gebaut war. „Das ist der Heilerbau, aber da dürfen wir nicht rein." Lorbeerjunges' Blick huschte weiter zu einem hohen Fels, aus dem der Bach zu entspringen schien. Er warf seinen Schatten zwei Fuchslängen weit über die Lichtung, fast erreichte er ihre Pfoten. Mehrere Katzen lagen in seinem Schatten und gaben sich die Zunge oder teilten sich einen Fisch. Tropfenjunges huschte zu einem Haufen aus Fischen, der dicht neben diesem Felsen lag. „Hey, wollen wir uns alle zusammen einen Fisch teilen? Es ist ja schon Sonnenhoch." Lorbeerjunges kam neugierig näher. Sie hatte bisher nur vorgekauten Fisch essen dürfen und Milch und Wasser trinken. Ob Nebeldunst es ihr erlauben würde? Spritzjunges zerrte bereits einen kleinen Barsch vom Fischhaufen und die anderen Jungen verteilten sich um ihn herum und zupften kleine Stücke heraus. Zögerlich kauerte sich auch Lorbeerjunges neben sie und nahm vorsichtig ein kleines Stückchen in den Mund. Langsam kaute sie. Der Geschmack war ihr bereits bekannt, doch das Fleisch war viel fester und intensiver als ihr Brei. Begeistert schluckte sie es herunter und nahm einen weiteren Bissen. Schnell war der ganze Fisch von den sieben Jungen aufgegessen und sie schleppten die Gräte zu einem weiteren Haufen, auf dem sich bereits weitere stapelten. Auch die anderen Katzen erhoben sich und versammelten sich zu Patrouillen oder gingen wieder ihren Aufgaben nach. „Fehlt eigentlich nur noch der Anführerbau, dann kennst du das ganze Lager", miaute Strudeljunges. „Aber da dürfen wir sowieso nicht rein." Plätscherjunges sah sich um. „Wollen wir Lorbeerjunges jetzt unsere Spiele zeigen oder sie den anderen Katzen vorstellen?" Andere Katzen? Sie hatte bereits gesehen, dass der Clan viele Krieger zählen musste und nach der beunruhigenden Begegnung mit Graupelwolke verspürte sie wenig Lust, noch so viele andere Katzen kennen zu lernen und im Übrigen war sie auch ziemlich müde von all den neuen Sachen. Sie riss Maul zu einem herzhaften Gähnen auf. Bevor sie etwas erwidern konnte, kam auch schon Nebeldunst aus der Kinderstube und winkte sie zu sich. „Mittagsschlaf!" Pfützenjunges murrte, doch er trabte folgsam zu Kinderstube, gefolgt von den anderen Jungen. Müde ließ sich Lorbeerjunges in das große Nest sinken und kuschelte sich an ihre Geschwister. Sie war schon beinahe eingedöst und bekam gerade noch mit, wie Flutwelle, der Gefährte ihrer Mutter, hereinkam und ihr etwas ins Ohr murmelte, dann versank sie in ihre Welt der Träume.
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