Check die eigene Klasse
Wird man als guter oder normaler Schüler durch einen Lehrer in die "Bad- Student's"- Zone in den hinteren Bankreihen umgesetzt, ist dies im Normalfall ein Zeichen.
Entweder ist es dir nicht gelungen, den Lehrer von deinem allmächtigen, unantastbaren Wissen zu überzeugen - was schlecht wäre.
Oder dein ständiges Melden nervt den Lehrer, so dass er Abstand sucht.
Oder der Lehrer hält es für wahrscheinlich, dass dein kognitives Vermögen so kompetent ist, dass die um dich herum sitzenden Mitschüler nur davon profitieren könnten. Dies ist dann sicherlich ein Kompliment des Lehrers, wird aber zumeist von uns Schülern missverstanden. Es fehlt zumeist die Einsicht in diese Notwendigkeit.
Da ich in den meisten Fächern in der ersten Reihe sitze (und neben meiner Clara), hatte mich das Umsetzen in Deutsch nach den Winterferien in die letzte Bankreihe zwischen einige Jungen mehr als befremdet.
'Hallo! Herr Lehrer!', schrie damals mein Geist in aller Stille.
'Hallo! Ich bin doch immer lieb und aktiv in ihrem Unterricht!'
'Hallo?'
'Bitte nicht umsetzen! Das verwirrt nur den Klassenspiegel!'
Es half nichts! Kein stilles Betteln und Fluchen. Ich musste in Deutsch in die Outlaw- Zone ziehen- umgeben von Jungs.
Heute - im Blickwinkel meines aktuellen Forschungsinteresses- ein überraschender Vorteil.
Zu Beginn der Deutschstunde blickte ich verklärt hinaus- in die Welt außerhalb der Schule.
Die warme Frühlingssonne zeigte der Natur dort ein breites und hell- warmes Lächeln an diesem Morgen. Das machte mich glücklich.
Nur kurz jedenfalls.
Denn irgendwann schweift der Blick zurück in die bitter- düstere Umgebung des Klassenraumes. Hier hinten scheint der Raum noch weniger von Licht durchflutet. Vermutlich soll den Schülern der hinteren Bankreihen damit nur eines vor Augen gehalten werden- die geistige Umnachtung, welche ihnen ein normales Leben im Licht erschwert.
Und dazwischen ich!
Das blonde Positivum! Lebensfroh und schlau!
Passt nicht!
Nun gut! Dann wollen wir einmal das Umfeld genauer betrachten. Wollen checken, wie sich Jungs so in der Klasse benehmen- oder nicht benehmen. Und dafür- nur zur Umsetzung dieser Studie sitze ich hier hinten wirklich einmal gut.
Also? Willkommen in meiner Klasse, dem Irrenhaus der Klasse 9/1.
Neben mir - am Fenster- sitzt Niels. Er ist ein guter Mathematiker, hat aber so - naja- kleinere Phobien, die ihn irgendwann ins "Aus" geschossen haben. Wann genau dies war, daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Auch nicht daran, wann oder warum Niels hier in der letzten Reihe gelandet ist. Er ist wie ein Ein- Meter- Achtzig- Riesenbaby. Irgendwie immer still. Wohl auch gutmütig (hoffe ich). Daher liegt nahe, dass es auch eine Phobie war, welche ihn hierher brachte.
Rechts neben mir- in der Mittelreihe also hinten- sitzt Albert. Und Jap!- Der Name ist mehr als Programm. Schon mehrfach habe ich mir die Frage gestellt, ob seine Eltern bei der Namensgebung betrunken waren oder mit Drogen hantiert haben, denn dies wäre eine logische Erklärung. Albert ist der Lauteste in der Klasse. Wenn er einen ADHS- Test durchstehen müsste, so sicherlich mit positivem Ausgang- nicht für sich, eher für das Testergebnis. Dieser Junge hat mich schon zur Weißglut gebracht, als ich noch in allen Fächern auf der sonnigen Seite des Klassenraumes sitzen durfte. Albert mag es die Lehrer mit dem Geo- Dreieck zu blenden oder mit seinem Umfeld zu quatschen. Dann kippelt er wieder oder wankt mit dem Stuhl herum.
Neben Albert sitzt Johannes. Er sieht eigentlich noch ganz akzeptabel aus, nur die braune "Heldenfrisur" auf dem Kopf nervt. Johannes hat dunkle Augen, und sein Lieblings- Outfit besteht aus einem Paar Nike's, dunklem V-Shirt, schwarzer Lederjacke und Jeans. Wenn sein Charakter nicht so mies wäre und sein IQ nicht geringer als der eines Toasters, so hätte Johannes Chancen, einen guten Kumpel abzugeben.
Toralf Specht ist der Letzte, der hier in der letzten Bankreihe rechts sitzt. Toralf ist Sitzenbleiber und gibt sich gern als "Lone Wolf"- Typ- jetzt nachdem er gemerkt hat, dass er mit seiner Art nicht besonders glänzen kann. In den Pausen geht er zu seiner alten Klasse oder drückt sich hinter dem Stromhäuschen bei den Rauchern herum.
Vor mir sitzt unser kleiner Klassenstreber Arthur. Nicht einmal die anderen ruhigen Looser der Klasse haben Interesse daran, sich mit ihm anzufreunden, da dies ihren ohnehin schlechten Ruf noch weiter in den Keller bringen könnte. Hier ein Paar Fakten über ihn: Nach drei Sekunden auf eine Lehrerfrage ist sein Finger oben- ist dies nicht der Fall, so hat ihn womöglich ein Papierkügelchen wie in Französisch abgelenkt oder er hat eine Biene auf seinem Tisch bemerkt. Zudem hat er keinen Style- Harry Potter- Brille, Zahnspange, zu große Hosen und klassische Star Wars- T-Shirts. Sein stetiges Grinsen verbessert sein Erscheinungsbild nicht- attraktiv wie ein Frettchen. Und noch niemals kam er zu spät oder hatte unvollständige Hausaufgaben.
Neben Arthur- und sie passen gar nicht zusammen- Felix. Ein Übersportler, gut aussehend und mit Bad- Boy- Charme- großkotzig in den Pausen, kleinlaut im Unterricht. Felix ist groß und hat ein fast makelfreies Gesicht mit gesunder Dauerbräune. Felix hatte schon in der 7. Klasse gesichert eine Freundin aus der Parallelklasse und seither immer mal neue Liebeleien.
Kurz um: Ich bin von den Schlimmsten in meiner Klasse umzingelt in Deutsch und allein der Gedanke daran, dass unser Deutschlehrer den Sitzplan wohl nicht mehr abändern wird, bringt mich innerlich zum heulen und Kopf gegen die nächstbeste Wand klopfen.
Vor Arthur und Felix sitzen Carolin und Annika. Annika war einmal meine beste Freundin- über lange Jahre. dann zogen ihre Eltern um in einen anderen Stadtteil. Caro konnte diese Chance nutzen und Annika für sich vereinnahmen. Schade eigentlich.
Hier in der Fensterreihe vorn sitzt noch der Alexander Hiebl. Über Alexander kann ich noch nicht viel sagen, da wir ihn erst zum Schuljahrbeginn neu in die Klasse bekommen haben. Dank ihm bin ich nunmehr nicht der einige Blondschopf der Klasse. Alexander sitzt allein in der Bank. Dies ist wohl der Grund, weshalb er alle Lehrer ab und zu bequatscht und nicht nur fachlich. Er sieht auch ganz passabel aus für einen Jungen, ist extrem groß - aber Klappergestell- Typ. Alexander ist wohl auch Handballer.
Schräg vor mir - in der Mittelreihe ist Georg, der neben unserer Klassenziege Bianca sitzt- eine Bestrafung. Georg ist voll ruhig im Unterricht, versucht aber in den Pausen cool bei den Jungs- Gruppen herum zu stehen. Er würde wohl am Ehesten vom Typus zu Arthur passen- beide sind echt gut in den Leistungen. Georg hat sich noch in keine Keilerei der Jungs eingemischt- entweder ist er dazu zu clever oder er hat einfach Angst zu unterliegen. Da er aber neben Bianca sitzt, erfährt er neuesten Pausenhof- Klatsch, wenn sich Bianca herab lässt, mit Georg zu reden.
Die zweite Reihe der Mitte ist von Stella, einer aus Slovenien stammenden Schülerin und Steven besetzt. Steven mogelt sich so durch die Schule. Er ist recht faul und postet die meisten Anfragen auf Hausaufgaben und Ergebnisse im Klassen- Chat. Steven spielt Fußball im Verein und ich habe mal gehört, dass seine Eltern sich oft zoffen.
Linus und Anne sitzen in der ersten Reihe davor. Anne ist eine brave Musterschülerin. Linus sollte auf ein Musikgymnasium wechseln, da er wohl sehr begabt sein soll. Aber er hatte wohl Angst vor dem Internatsleben, wollte dann doch hier bleiben. Auch Linus merkt man im Unterricht kaum. Er hat gute Noten, so wie ich auch.
Rechts vorn in der Reihe- meine Freundin Clara.
Daneben mein Wunschplatz! Leer!
Hinter ihr sitzt Franka, eine Wiederholerin und Paul. Oh wie ekelig- Paul popelt grad in der Nase. Mich schüttelt dieser Anblick. Jungen scheinen gern zu popeln. Es ist wie ein unbewusstes Tun, passiert einfach ganz beiläufig. Paul wird doch nicht? Oh Gott- Bäh- nein, ich sage Euch nicht, was er gerade getan hat. Reimt Euch das zusammen.
Memo an mich: Paul heute nicht mehr die Hand geben!
Vor Toralf haben wir noch Murad, der neben Celina sitzt. Seine Eltern haben einen gut besuchten Döner- Laden in der Stadt. Viele von den Jungen gehen da gern hin. Murad fühlt sich wie der King- und gibt sich auch so. Er hat eine total hübsche ältere Schwester, die in Olivers Klasse geht. Aber nach der Schule sieht man Aisha meistens nicht mehr irgendwo. Ich denke, Aisha und Murad müssen zu Hause ganz schön mit anpacken.
So! Das war es! Eine ganz normale Klasse mit Jungenüberschuss 12:9 !
Die 9/1 eben!
Ich befürchte, wenn ihr Eure Klasse auch einmal so durchcheckt, entdeckt ihr die gleichen "voll normalen" Charaktere sicherlich wieder. Schau ich in die Nachbarklassen, dann sieht es hier "Am Anger" ähnlich aus.
Naja- fast.
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