
30
Die Hand, die ihn fest am Kragen gepackt hatte, riss ihn in die Höhe. Ben taumelte, dann fiel er rücklings auf den Boden. Verwirrt blinzelte er. "Ach du scheiße, Gott, was machst du denn?" Quentin beugte sich über ihn. "Hör damit auf, bitte!" Er hatte Tränen in den Augen. Mühsam rappelte Ben sich auf. "Die Insel, ich will jetzt dorthin und Tammy..!"
"BEN! Verdammte Scheiße hör mir zu!" Sein Bruder packte ihn an den Schultern und schüttelte ihn.
"Die Insel ist nicht real! Okay? Es gibt sie nicht, sie war dein Komatraum! Du warst nie auf einer Insel, es gab nie ein Schiff! Verstehst du nicht?" Quentin atmete tief durch. "Du musst sie vergessen! Wenn du leben willst, dann musst du das alles vergessen!" Ben schwieg. "Bitte tu mir das nicht an, Benny boy.." flüsterte Quentin. Dann ließ er sich auf den Boden fallen. Ben setzte sich neben ihn. Sie ließen die Beine baumeln und blickten über die Häuser der Nachbarschaft. Allmählich kamen die Sterne zum Vorschein. Der Mond tauchte alles in ein silbriges Licht. Die Straßenlaternen gingen an.
Lange schwiegen sie sich an, bis die Nacht endgültig hereingebrochen war. Vorsichtig hatte Quentin nach Bens Hand gegriffen. Nun saßen sie eng beieinander und sahen ins Leere. "Wann hat mich denn je einer gefragt?" sagte Ben schließlich schwach. "Was meinst du?" fragte Quentin. "Na, ob ich das will." "Ob, du was willst?" Ben seufzte.
"Es hat mich nie einer gefragt, ob ich leben will."
Quentin nickte.
"Sie haben mich einfach auf diese Welt gesetzt. Mit ein glückliches Leben vorgegaukelt. Aber dieses Leben war nur Einbildung. Jeder hat es erkannt. Jeder außer mir."
"Ben." sagte Quentin nach einer Weile. "Das Universum fragt dich nicht nach deinen Wünschen, es macht einfach...weil es kann."
"Und was ist, wenn ich dagegen bin?"
Schweigen.
"Dann sag es dem Universum."
"Ich will nicht." flüsterte Ben. Eine Träne rollte sein Gesicht hinab. Es kribbelte, aber er machte keine Anstalten, sie wegzuwischen. "Das ist auch okay Ben, sag es!"
"Ich...Ich will nicht leben, Quin, ich will es nicht! Ich wollte es nie!"
"Und doch sind wir hier.", sagte Quentin.
Und Ben brach zusammen. Er lehnte sich in die Umarmung seines Bruders und weinte. Die Schluchzer hallten durch die Nacht und alle Sterne weinten mit ihm. Quentin strich ihm sanft über den Rücken. Schweigend lagen sie sich in den Armen. Stunden vergingen, ohne dass einer das Wort ergriff. Erst, als sich die ersten rötlichen Streifen am Himmel abzeichneten, lachte Ben.
"Was ist?", fragte Quentin. "Eine Insel...Absurd!", sagte Ben. "Tja, Jedem das Seine. Du bist das Wrack!" Sie lachten. "Quin?"
"Ja?"
"Warum passiert mir so viel Scheiße?"
"Weil du toll bist!"
"Hä?"
"Menschen, die selbst scheiße sind, würden nicht bemerken, dass um sie herum alles den Bach runter läuft." sagte Quentin. "Also sucht Scheiße sich, die Unschuldigen aus." Ben nickte.
Er lehnte seinen Kopf an Quentins Schulter und schlief ein.
Und das erste Mal seit Monaten war die Insel verschwunden.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro