Die Prophezeiung der Hüter
Die Prophezeiung der Hüter
Die Nacht erstreckte sich über ganz Mittelerde und hüllte das Land in tiefe Dunkelheit. Der Himmel war klar und der Mond hatte seinen höchsten Punkt bereits erreicht, denn sein Licht ließ die Stadt Minas Tirith selbst in der tiefsten Finsternis der Nacht glänzen. Es war die Stadt der Könige...die Stadt Gondors und obwohl sich die Bewohner bereits alle zur Nachtruhe zurückgezogen hatten, so war es keineswegs eine Nacht wie jede andere.
Fernab des Palastes...mitten im Herzen von Minas Tirith, begab sich eine dunkel gekleidete Person mit einem Umhang auf direktem Wege zu den Stadtarchiven. Sie versicherte sich, dass sie nicht beobachtet wurde und verschaffte sich mit Hilfe eines kleinen Dolchs Zutritt durch ein Fenster, ehe sie einstieg und sich nun direkt im Archiv von Minas Tirith befand, wo sämtliche Schriften aufbewahrt wurden. Und nun nahm die Person die Kapuze ihres Umhanges ab, woraufhin niemand anderes als die Hüterin Melina zum Vorschein kam. Schon seit dem Abend hatte sie sich in Minas Tirith aufgehalten und nur auf den perfekten Moment gewartet, um sich Zutritt zum Archiv verschaffen zu können.
Zu den Öffnungszeiten wäre es zu riskant gewesen, denn Melina befand sich bereits seit Tagen auf der Flucht vor schwarzen Reitern, die in der Umgebung ihr Unwesen trieben. Für die Hüterin bestand keinerlei Zweifel daran, dass die schwarzen Reiter im Dienste Saurons standen und Jagd auf sie und die anderen Hüter machten.
60 Jahre waren seit der Schlacht der fünf Heere vergangen und obwohl es zunächst ruhig in Mittelerde geblieben war, so war das Böse doch niemals ganz verschwunden. Nein! Die Finsternis rührte sich in Mordor und Melina konnte spüren, dass sich etwas zusammenbraute. Etwas, das im Begriff war, alles und jeden in ganz Mittelerde zu verändern.
Melina zündete eine kleine Fackel und begab sich schließlich auf die Suche nach Schriften, die den Legenden und Mythen der Hüter zugewiesen waren. Zwar war sich Melina nicht sicher, ob sie überhaupt etwas finden würde, aber ihre letzte Spur hatte sie nach Gondor geführt und sie musste jedem noch so kleinen Hinweis nachgehen. Und nach ein paar Minuten des Suchens wurde Melina tatsächlich fündig, als ihr eine ziemlich alte Schriftrolle ins Auge fiel, die sich ohne Zweifel schon mehrere Jahre in den Archiven befinden musste.
Sie zog sie aus dem Regal und rollte sie kurzer Hand auseinander. Die Schrift war schon etwas verblasst und die Fackel spendete minimal Licht, aber dennoch konnte Melina die feinen Linien erkennen, die auf das Pergament gezeichnet worden waren.
Fünf Hüter wurden einst erwählt,
nach langer Zeit sie sind zurückgekehrt!
Sie stellen müssen sich dem Einen,
zum Sieg sie müssen sich vereinen.
Der Kreis des Blutes sich vollendet,
es des Einen Untergang beendet.
Zur Rettung sie sind auserkoren,
durch sie der Eine wird wiedergeboren.
Mehr gab das Pergament nicht her, aber Melina war sich ziemlich sicher, dass es sich um eine Art Prophezeiung handelte und noch etwas machte sie stutzig. Denn es machte ganz den Anschein, als wäre der Text nicht vollständig. Denn das Pergament war unterhalb der letzten Zeile zerfetzt und das war Melina Antwort genug: jemand war ihr bereits zuvor gekommen!
,,Das Archiv! Seht drinnen nach!", erklangen auf einmal männliche Stimmen und Melinas Instinkt identifizierte sie zweifellos als die Wächter von Minas Tirith.
Blitzschnell löschte sie die Fackel und rollte die Prophezeiung zusammen, ehe sie das Pergament gut verstaute und sich ihre Kapuze wieder überzog. Da wurde auch schon krachend die Tür aufgetreten und die Wächter der Stadt platzten in den Raum, während sie kurzer Hand ihre Armbrüste auf Melina richteten.
,,Ergebet Euch!", zischte Einer und für einen Moment verharrte Melina.
Dann griff sie kurzer Hand zu einer Eisenstange, die sich neben ihr befand und schlug die ersten Soldaten nieder. Sie wollte sie keineswegs umbringen, sondern lediglich außer Gefecht setzen und die ersten Gegner wanderten ins Land der Bewusstlosigkeit. Als nur noch ein Schütze übrig war, sah dieser Melina streng an und richtete seine Armbrust auf sie.
,,Zeit, sich zu ergeben! Kapituliert...oder es wird Euer Untergang!"
,,Lasst mich nachdenken...nein!", brachte sie hervor, woraufhin der Soldat sie völlig perplex ansah.
,,Ihr...seid eine Frau!"
,,Tja, Überraschung!"
Und mit diesen Worten zog Melina ihm die Eisenstange über den Schädel und er stürzte ohnmächtig zu Boden. Melina sah kurz auf ihn herab und schüttelte den Kopf.
,,Immer diese Frauenfeindlichkeit! Wir sprechen uns wieder, wenn wir euch allen den Kragen gerettet haben."
Dann begab sie sich nach draußen und eilte auf den Hof, der sich in der Nähe befand. Melinas Pferd stand noch genau da, wo sie es zurückgelassen hatte und kurzer Hand schwang sich die Hüterin auf den Rücken des Rappen, als auch schon die Stimmen weiterer Soldaten erklangen, die offenbar den Tumult mitbekommen hatten.
,,Wird Zeit, dass wir verschwinden!", raunte Melina ihrem Pferd zu und trieb es kurzer Hand an, woraufhin der Rappe im rasanten Tempo Richtung Ausgang preschte.
,,HALTET SIE AUF!!!", rief ein Soldat und Melina jagte regelrecht aus der Stadt Minas Tirith heraus.
Im rasanten Tempo ritt sie auf den Wald zu und ließ die weiße Stadt hinter sich. Sie wusste noch nicht, wohin der Weg sie jetzt führen würde, aber sie wusste, dass sich ab nun alles verändern würde.
***
Fernab in der Stadt Thal, nahe des Zwergenkönigreichs Erebor, ahnte am nächsten Morgen niemand etwas von den Ereignissen, die sich in der vergangenen Nacht in Gondor abgespielt hatten. Die Hüterin Sofia war bereits seit einigen Stunden auf den Beinen und führte ihr Pferd durch die Stadt, wobei sie von König Bain begleitet wurde.
,,Musst du wirklich gehen?", brachte Bain hervor, während er und Sofia aus der Stadt Thal heraustraten und die Hüterin sah ihn mit einer Mischung aus Entschlossenheit und Traurigkeit an.
,,Es ist Zeit weiterzuziehen, Bain. Ich kann nicht ewig hierbleiben...so gerne ich euch auch alle habe."
,,Ich verstehe!", brachte Bain hervor und Sofia warf ihm einen ermutigenden Blick zu.
,,Keine Sorge! Es ist bestimmt kein Abschied für immer."
,,Das hoffe ich!", setzte Bain an, ehe er Sofia dankbar ansah. ,,Ich möchte dir danken, Sofia. Du warst immer für mich und meine Schwestern da. Du hast dich um uns gekümmert...auch, nachdem Vater...", sagte Bain und brach ab, woraufhin Sofia ihn zuversichtlich ansah und ihm eine Hand auf die Schulter legte.
,,Er wäre jetzt sicher sehr stolz auf dich. Und auch auf deine Schwestern...genau wie ich es bin."
,,Ich hoffe, dass du weißt, wie sehr er dich geliebt hat.", erinnerte Bain sie und Sofia brachte ein schwaches Nicken zustande.
,,Ja, das weiß ich. Und ich habe ihn auch geliebt. Mehr...als alles andere."
Der Blick von Sofia verlor sich in der Ferne und sie hatte das Gefühl, als wären Bain und die Stadt nun plötzlich nicht mehr bei ihr. Stattdessen befand sie sich in einer anderen Zeit...die weit zurück in ihrer Erinnerung lag.
***
,,Ist das wirklich notwendig?", beschwerte sich Sofia, als Bard sie kurzer Hand gepackt hatte und über die Türschwelle trug.
,,Wir wollen doch nicht mit Traditionen brechen. Außerdem habe ich dir doch versichert, dass ich dich auf Hände tragen werde."
,,Na, wenn das so ist...nur zu, eure Majestät!", gab sie neckisch zurück und Bard lachte, ehe er sie schließlich langsam auf ihre Füße stellte und kurz darauf legte er seine Arme von hinten um sie und zog Sofia zu sich heran.
,,Du bist wunderschön!"
,,Das sagst du mir jetzt bestimmt schon zum hundertsten Mal.", erwiderte sie und Bard schmunzelte.
,,Wirklich? Ist mir gar nicht aufgefallen."
Sofia verdrehte ein wenig die Augen, musste aber ein wenig grinsen. Sie konnte noch kaum glauben, dass Bard und sie nun wirklich miteinander verheiratet waren. Aber es war die Wahrheit: sie waren Mann und Frau! Und mehr noch...sie waren König und Königin von der Stadt Thal, was Sofia immer noch wie ein Traum vorkam. Und obwohl nur ein paar Monate seit der Schlacht um den Erebor vergangen waren, so fühlte es sich manchmal immer noch an wie ein Traum, aus dem die Hüterin nie wieder erwachen wollte.
,,Versprich mir, dass uns nichts und niemand trennen wird.", sagte Sofia, als sie sich zu Bard umdrehte und dieser lächelte sie zuversichtlich an.
,,Ich verspreche es!"
***
,,Sofia? Alles in Ordnung?"
Sofia zuckte ein wenig zusammen, als die Stimme von Bain sie wieder in die Wirklichkeit zurückholte. Es war nicht das erste Mal, dass sie sich regelrecht in ihren Erinnerungen verloren hatte und jedes Mal fühlte es sich so unglaublich real an, als hätte Sofia den Moment aufs Neue durchlebt.
,,Wie? Oh, ja...ich hab nur...", setzte sie an und Bain wusste bereits, was sie sagen wollte.
,,Du hast an Vater gedacht, nicht wahr?"
,,Ja! Er fehlt mir in jeder einzelnen Sekunde und ich wünschte, er wäre jetzt hier.", brachte Sofia traurig hervor und nun war es Bain, der ihr eine Hand auf die Schultern legte und Sofia konnte immer noch kaum glauben, wie erwachsen er inzwischen war und wie ähnlich er Bard sah.
,,Mir fehlt er auch...uns allen. Aber du hast gesagt, dass er immer bei uns ist...in unseren Herzen."
,,Ja, das stimmt!", erwiderte Sofia und Bain lächelte leicht.
,,Dann denk auch du immer daran. Egal, wohin du auch gehst...er wird dich immer begleiten."
,,Ich weiß!"
Sofia rang sich ebenfalls zu einem Lächeln durch, denn Bain hatte natürlich Recht. Bard war bei ihr, auch wenn sie ihn nicht sehen konnte. Aber fühlen konnte sie ihn und zwar in jedem einzigen Moment.
,,Wirst du zurückkommen?", fragte Bain mit einem Mal, woraufhin Sofia mit den Schultern zuckte.
,,Ich weiß es nicht, Bain. Vielleicht ist es an der Zeit, dass ich meiner Aufgabe als Hüterin folge...wohin auch immer sie mich führt. Und außerdem, hier erinnert mich alles an euren Vater, also..."
,,Ist es vielleicht das Beste, wenn du vorerst Abstand von Thal hältst...ich verstehe schon.", gab Bain etwas geknickt von sich und Sofia warf ihm einen zuversichtlichen Blick zu.
,,Bain, ich bin so stolz auf dich und deine Schwestern. Ihr habt Thal nach dem Tod von Bard so gut aufrecht erhalten und ihr seid unglaublich stark. Ich weiß es und jeder andere weiß es auch. Ihr müsst nur an euch glauben."
,,Ja, schon...aber ohne dich...", setzte er an, aber Sofia unterbrach seine Selbstzweifel.
,,Werdet ihr auch sehr gut zurechtkommen. Hab Vertrauen, Bain! Ihr schafft das schon. Ich glaube an euch."
Bain und Sofia tauschten einen kurzen Blick, ehe sie sich umarmten und für einen Moment so verharrten. Zwar würde es kein Abschied für immer sein...aber für sehr lange Zeit und sie wussten nicht, wann sie sich wiedersehen würden.
Schließlich löste sich Sofia aus der Umarmung und warf einen letzten Blick auf Bain, der fast das Ebenbild von ihrer großen Liebe Bard war und den sie mit groß gezogen hatte.
,,Versprich mir, dass du auf dich aufpasst, Sofia.", bat Bain sie und Sofia nickte.
,,Das mache ich!"
,,Und wenn du mal die Gelegenheit hast...", setzte er an, woraufhin sie vielsagend nickte.
,,Schaue ich bei euch vorbei...versprochen!"
Ein Lächeln erschien auf dem Gesicht von Bain und Sofia spürte, dass es an der Zeit war zu gehen. Sie griff nach den Zügeln von ihrem Pferd und führte es ein paar Schritte nach vorne, ehe sie sich in den Sattel schwang und einen letzten Blick auf Bain warf, der ihr neugierige Blicke zuwarf.
,,Wie lautet denn das erste Ziel?"
,,Auenland!", erwiderte sie, woraufhin Bain die Stirn runzelte.
,,Die Heimat der Hobbits?", hakte er nach und Sofia nickte zustimmend, während sich erneut ein zuversichtliches Lächeln auf ihrem Gesicht ausbreitete.
,,Ja! Es wird Zeit für ein Wiedersehen mit einem alten Freund!"
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