Kapitel 11
Wir stiegen von unseren Rädern und schoben sie vorsichtig über den Rasen zu einer Eiche, wo wir sie parkten. Dann liefen wir zum Haus rüber. Zauber lag in der Luft, das hatte ich sofort gemerkt, seitdem wir das Grundstück betreten hatten. Inzwischen schien ich ein Gespür, dafür entwickeln zu haben.
Die Tür öffnete sich und eine von einem Ohr zum anderen grinsende Frau stand im Rahmen. Sie hatte ein Messer und einen Zweig in der Hand, den sie offenbar bearbeitet hatte. Interessiert trat ich näher.
„Berenike", begrüßte sie mich freundlich. „Schön, dass du da bist!"
„Die Freude – Freude ist ganz-ganz auf meiner-meiner Sei-Seite", stotterte ich, bemüht höflich.
Sie winkte ab. „Ich bin Xenia. Ich hoffe, Alex hat dir keine Horrormärchen erzählt. Er ist Spitzenreiter darin", verkündete sie und lud mich ins Haus ein. Ein paar Tiere lugten um die Ecke am Ende des Flurs, bevor sie mich ins Wohnzimmer führte, das mit Fernseher, Soundanlage und sogar einem Beamer ausgestattet war. Tatsächlich wirkte hier alles eher menschlich. Die Regalwand und Sitzgarnitur waren aus dem Möbelhaus der Stadt und die Bilderrahmen sahen verdächtig nach Massenware aus. Belustigt ließ ich mich auf das Sofa nieder.
„Möchtest du einen Tee?", erkundigte sich Xenia und verschwand auch schon.
Alex verdrehte die Augen.
„Horror-Horrormär-märchen?", fragte ich.
„Naja, über unsere Welt", erwiderte er und wechselte abrupt das Thema: „Ich glaub, Schischi, Nari, Leo und Ödeli würden dich gerne treffen. Hast du was dagegen?"
Schon im nächsten Moment stürmten, flogen und krochen ein Luchs, eine Wüstenrennmaus, ein Papagei und eine Schlange ins Wohnzimmer.
„Ist sie es?", hörte ich sie flüstern. „Was macht sie hier?", fragte ein anderer. „Wird sie den Frieden bringen?", erklang ein anderes Stimmchen und zuletzt: „Psst. Wollt ihr wohl still sein."Das Letzte kam von der Maus, die ganz böse die anderen anschaute.
„Darf ich vorstellen? Unsere Beschützer oder Seelentiere. Der Luchs gehört zu mir", verkündete er stolz. Das besagte Tier versetzte: „Mein Name ist Leo." Dann verbeugte es sich.
Woraufhin die Schlange sich ebenfalls vorstellte und „Schischi" zischelte, die Maus piepste „Nari" und der Papagei krähte „Ödeli". Ich lächelte sie an und nickte ihnen anerkennend zu. „Sie gehören zu meinem Vater Remno und meinem Bruder Paul", erklärte er und deutete auf die Maus und die Schlange. „Ödeli ist Mamas Vertrauter."
Ich nickte fasziniert. „Nur du hast zwei. Falls du dich wunderst", fügte er hinzu.
„Und Maxima", versetzte Schischi und schlagartig war es still im Raum.
„Hätte ich das nicht sagen dürfen?", flüsterte die Schlange erschrocken.
„War-rum?", wollte ich wissen und fixierte Alex.
„Weil sie vor ein paar Jahren zur zweiten Oberhexe wurde. Die Gemeinde der Hexen ist gespalten. Deshalb sind mein Vater und Paul nicht hier", berichtete er, aber offensichtlich widerwillig. Die Schlange bekam einen bösen Blick zugeworfen.
„Ich ver-versteh – versteh das alles alles nicht", seufzte ich frustriert.
„Wusstest du, dass Alex Beschützer heißt?", fragte da Xenia von der Tür und stemmte sie mit ihrem voll beladenen Tablett auf. Ihrem Sohn warf sie einen warnenden Blick zu. „Er ist dein Beschützer", fuhr sie weiter fort.
„Wenn du mich willst", fügte Alex unbehaglich hinzu. Ihm war die Situation mehr als unangenehm.
„Papperlapapp. Die Dankwarts waren schon immer die Wächter der Oberhexe. Du willst doch nicht deinem Bruder das Feld überlassen?", fauchte Xenia.
Der Kopf der Schlange ruckte hoch und sie zischte wütend.
„War-rum?", wiederholte ich in Alex Richtung und er seufzte schwer.
Seine Mutter nickte ihm ermutigend zu und er begann:
„Als du zur nächsten Stadt-Oberhexe wurdest, gab es einen Streit zwischen Maxima und Spinnweb. Die Zeiten stehen schlecht um die Welt, unser zu Hause wird von dem Verhalten der Menschen bedroht und ausgerechnet da wird die nächsten 7. Jahrhunderte eine Hexe herrschen, die kaum Macht hat, weil sie nicht sprechen kann", beschämt blickte er an ihr vorbei. „Ich weiß, du bist nicht machtlos, aber für uns ist die Sprache Ausdruck der Magie. Ein kleiner Fehler genügt und es kommt zu großen Katastrophen."
„Denkt nur an die Titanic", seufzte Xenia theatralisch. „Damals saß ein Hexer im Ausguck und er hat wegen eines Ausdrucksfehlers den Eisberg vergrößert statt verkleinert. Sein Schock war so groß, dass er danach gar nichts mehr zustande gebracht hat."
„Ich weiß nicht, warum du immer diese Geschichte anbringst? Der 2. Weltkrieg hätte verhindert werden können", fügte der Papagei ein und plusterte sich auf. „Wenn die Hexen damals zusammengehalten hätten und sich auf die passenden Töne beim Friedensgesang geeinigt hätten, aber nein. Auf mich hört ja keiner." Danach schmollte er und die anderen verdrehten die Augen.
„Was sie sagen möchten, ist dass, es schwierig ist, richtig zu zaubern, wenn man nicht Herr über seine Stimme ist", erklärte die Maus streng. Alle nickten zustimmend und ich schrumpfte in mich zusammen.
„Wir wollen nicht, dass du dich schlecht fühlst. Alles passiert aus einem Grund, sagte Spinnweb immer", verkündete Alex und blickte streng zu seiner Mutter. „Leider haben ihr das nicht alle abgenommen." Traurig wandte sich Xenia ab und schaute zum Fenster, als eine Träne über ihre Wange kullerte. „Ich glaub sie sich selber auch nicht", flüsterte sie leise. Alex schüttelte genervt den Kopf und rief aufgebracht: „Am Schluss ist irgendwas passiert. Sonst hätte sie niemals den Platz freigemacht. Darauf müssen wir vertrauen."
„Sie war eine sagenhafte Frau!", bekräftigte der Luchs. „Du könntest nicht zufällig sagen warum?", erkundigte sich die Rennmaus hoffnungsvoll. Aber ich schüttelte nur erschrocken den Kopf. Ich hatte keine Ahnung, was sie alle von mir erwarteten.
„Papperlapapp", verkündete Xenia.
„Könntest du ihr jetzt endlich die Erinnerung zeigen?", wollte Alex wissen.
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