Glitschig (2)
Agema starrte das Einmachglas fassungslos an, oder besser gesagt, das was in dem Glas war.
"Ist das...?"
"Ja."
"Aber..."
"Ja."
"Aber..."
"Sowas brauchst du ganz dringend! Wir wissen hier doch alle, was du mit dieser aufgeblasenen Rüstung und dem riesigen Schwert kompensierst!", meinte Emarce schnippisch und zeigte grinsend ihre spitzen Zähne.
"Wollt Ihr mir gerade ernsthaft einen... einen Penis in einem Glas andrehen?!"
Emarce warf den Kopf zurück und brach in schallendes Gelächter aus.
"Genau! Einen langen Schwanz, das ist genau das was du brauchst! Nimm ihn, du hast ja keinen!"
Agema stand so heftig auf, dass er seinen Stuhl einfach umwarf.
"GENUG!", brüllte er, "Die Leichenfledderin hat uns zu genüge bewiesen, dass sie des Vergehens, wegen dessen sie verhaftet wurde, schuldig ist. Sie hat Gardisten beleidigt und sich im Verhör äußert unkooperativ verhalten.
Ihr, Fledderin, seid verhaftet, auf Lebenszeit.
In die Abbix-Mienen auf Reuef mit Euch!
Da könnt Ihr Euch endlich als nützlich erwiesen!
Ich würde Euch ja in Muds an die Front schicken, aber da wäre Euch nicht zu vertrauen!"
Emarce nahm das Glas wieder in die Hand und zuckte mit den Schultern.
"Ja, die Moorfront von Muds. Der große Grabekrieg. Das Testfeld der brutalsten aller Massenvernichtungswaffen. Ja, da war ich schon. Ist wirklich kein schöner Ort... aber ich fürchte auf die Abbix-Mienen habe ich auch nicht wirklich Lust. Ich werde also ausbrechen müssen.", kommentierte sie trocken.
Agema schnaubte. "Ihr wollt hier ausbrechen? Nachdem Ihr es uns gesagt habt? Viel Glück!"
"Danke", antwortete Emarce schnippisch und zog den Riemen ihrer Tasche fester über ihre Schulter.
Dann machte sie einen Ausfallschritt nach vorn, auf den Fürsten zu und schleuderte das Glas auf ihn.
Es traf klirrend auf die golden verzierte Paraderüstung auf und zerschellte daran. Grüngelbliche Flüssigkeit spritzte auf, während Agema seine Arme hoch riss und die Augenlieder und Lippen fest zusammen presste, um sich davor zu schützen.
Seine Hand traf das konservierte Fortpflanzungsorgan im Flug und katapultierte es schwungvoll in das Gesicht des Gardisten auf der rechten Seite der Tür.
Der Boden zu Agemas Füßen war nun mit jener übel riechenden Flüssigkeit bedeckt, und es schien, als fürchtete sich der Hauptherr der Garde davor, darauf auszurutschen. Zugegebenermaßen wäre es in seiner Rüstung vermutlich auch schwer gewesen wieder aufzustehen.
Der rechte Gardist seinerseits war im Moment damit beschäftigt einen Hysterieanfall zu erleiden und zu versuchen das abgetrennte Körperteil, das nun auf seiner Schulter ruhte, zu entfernen, ohne es berühren zu müssen.
Das Grinsen auf Emarce' Gesicht wurde noch breiter und sie zog ein schmales Messer aus ihrer Tasche.
"Halt! Waffe fallen lassen!", brüllte der eine, noch einsatzfähige Gardist und zog umständlich sein Schwert.
Die Fledderin wich zum Ende der Verhörzelle zurück, presste ihre Hände, eine davon immer noch das Messer haltend, an die Wand und biss sich, mit einem Ausdruck äußerster Konzentration, auf die Lippe.
"Ich sagte halt! Sofort aufhören!", schrie der Gardist.
"Eher nicht.", murmelte Emarce.
"Hört auf Euch dem Gesetz zu widersetzen!"
Emarce stieß sich von der Wand ab, sprinte durch den Raum und sprang mühelos auf den Tisch.
Ihre leichten, heruntergelaufenen Lederstiefel hatten fast keine Sohle mehr und machten kaum ein Geräusch auf der hölzernen Oberfläche.
Jahrelang war Emarce über alte Schlachtfelder und durch Schützengräben geklettert, oder vor den verschiedenen Garden davon gerannt, diese Übung kam ihr jetzt zu Gute.
Sie sprang erneut ab und trat, in einer einzigen flüssigen Bewegung, dem immer noch wie versteinert da stehenden Agema gegen die Brust.
Mit einem weiteren Klirren fiel der Fürst hinten über und landete auf den Scherben, die den Boden bedeckten.
Ein Stöhnen verließ seine Lippen und langsam hob er seine Hand zu seiner Stirn.
"Euer Durchlaucht!", rief der unbehelligte Gardist besorgt und eilte, an Emarce, die mittlerweile zur Tür sprintete, vorbei, auf seinen Vorgesetzten zu.
Emarce schob ihr Messer zwischen die Tür und den Türrahmen und bewegte es konzentriert hin und her.
Immer wieder traf ihre Klinge auf einen Widerstand und erzeugte ein widerliches, metallisches Kreischen. Sie versuchte den Widerstand mit der Schneide ihres Messers zu fassen zu kriegen und zur Seite zu schieben, doch dies erwies sich als schwieriger, als die Dämonin angenommen hatte.
Gerade als die Klinge zur Seite kippte und das Schloss ein befriedigendes Klicken von sich gab, wurde Emarce harsch am Riemen ihrer Tasche zurückgezogen.
Mit wütend blitzenden, roten Augen fuhr sie zu ihrem Angreifer herum.
Der Gardist, dem der Penis ins Gesicht geflogen war, starrte ihr ebenso wütend entgegen. Das gelbgrüne Öl-Alkoholgemisch, das Emarce zur konservierung von Organen benutzte, tropfte von seinem Gesicht und seiner Rüstung.
"Hier geblieben. Ihr kommt hier nicht raus, bis die Eskorte kommt, die Euch zu Eurer neuen Behausung in Reuef bringt. Ihr wusstet worauf Ihr euch einlasst, als Ihr begonnen habt Leichen zu fleddern und Gardisten anzugreifen."
"Lass mich los, Drecksack.", fauchte Emarce, "Du hast da übrigens was in deinem hässlichen Gesicht."
Der Gardist schnaubte. "Ihr nennt mich dreckig? Erinnert Ihr Euch überhaupt noch in das letzte Mal, als Ihr mit Wasser in Kontakt gekommen seid?"
"Pha!", schrie die Fledderin und stach ihr Messer nach vorn, auf eine kleine Lücke am Ellenbogen der Rüstung zielend.
Sehr zu ihrem Nachteil war sie es allerdings nicht gewöhnt diese Stelle bei Schattengardisten auszunutzen, die noch lebten.
Mühelos wich der größere Dämon ihr aus.
Zwar musste er sie für dieses Manöver loslassen, doch dafür schaffte er es nun sich zwischen sie und die Türe zu positionieren.
Mit einem wütenden Kampfschrei stürzte sich Emarce auf ihren Gegner, das Messer hoch erhoben.
Leider schien sich das Interesse des Gardisten, seine Visage ruiniert zu bekommen, erheblich in Grenzen zu halten, und statt sich abstechen zu lassen, oder wenigstens zur Seite zu springen, zog er sein Schwert und nahm eine defensive Position ein.
Emarce konnte nicht mehr anhalten.
Sie stieß das Messer nach forne, während sie in den Gardisten stolperte, in der Hoffnung sein Schwert abblocken zu können.
Der Gardist riss seine Klinge nach oben, einem Jahre lang antrainierten Reflex Folge leistend, um Emarce' Angriff abzuwehren, der nur leider nicht der Angriff einer geschulten Kriegerin, sondern der einer verzweifelten Kriminellen war.
Ein stechender, brennender Schmerz explodierte auf Emarce' Gesicht, ihr Messer rutschte Wirkungslos an der Rüstung des Gardisten ab.
Vor Qualen brüllend ging sie in die Knie und drückte ihre freie Hand auf ihre Wange.
Der metallische Geschmack ihres Blutes breitete sich in ihrem Mund aus und warme Flüssigkeit quoll zwischen ihren Fingern hervor.
Sie atmete tief durch, um den Schmerz unter Kontrolle zu bekommen und richtete sich wieder auf.
"Du verdammter Taugenichts! Sieh nur, was du angerichtet hast!", kreischte Emarce und klatschte ihre blutige Hand in das Gesicht des Gardisten.
"Ich hoffe du bekommst die Erbkrankheit auch!"
Dann nahm sie die Beine in die Hand und floh aus der Verhörzelle.
"Emmi, halt sie auf!", rief Emarce während sie um eine Ecke sprintete.
"Wird gemacht.", zischte Emarce' Schatten, den sie Emmi getauft hatte, und löste sich von ihrem Körper.
"Könntest du gebrauchen.", kommentierte die Fledderin und warf dem Schatten ihr Messer zu.
Emmi nickte zustimmend, fing die Waffe auf und eilte zurück, Richtung Zelle.
Schon bald hallte das Klirren von Metall auf Metall durch die Gänge.
Emarce ließ sich davon nicht aufhalten und bog um eine weitere Ecke, die Hand wieder auf ihre schmerzende Gesichtshälfte gepresst.
Die Blutung hatte schon abgenommen, also war der Schnitt nicht allzu tief, das beruhigte sie.
Ihre Lederstiefel machten ein platschendes Geräusch auf dem steinernen Boden, während sie den langen Gang der Gardenwache entlang rannte.
"Stehen bleiben!"
Unweit von Emarce flog eine Türe auf und fünf Gardisten stürmten hindurch.
Die Eskorte, die sie in das Gefangenenlager in Reuef bringen würde.
Emarce fluchte, macht auf dem Absatz kehrt und ergriff die Flucht. "Da ist die Fledderin! Ergreift sie!", brüllte die Anführerin der Eskorte und schwang ihr Schwert drohend über dem Kopf. "Leckt mich, ihr Bastarde!", schrie Emarce über ihre Schulter und rannte schneller.
In Gedanken legte sie sich einen Plan zurecht. Ihr Blick flackerte über die Fenster.
Dann war Emmi wieder da. "Bitte um Vergebung, Marce. Ich bin gestorben. Sie haben das Messer."
"Wir kaufen ein neues... oder wir klauen eines. Ein Problem nach dem anderen."
"Was jetzt."
"Die Fenster. Hilf mir nach oben. Wir springen."
"Natürlich."
Der Schatten glitt mühelos die Wand nach oben, legte sich auf die Fensterbank und streckte Emarce die Hand entgegen. Ohne zu zögern ergriff die Kleinkriminelle sie. Mit einem kräftigen Ruck zog Emmi ihren Körper auf die Fensterbank.
Emarce wickelte sich einen Fetzen ihrer zerfledderten Robe um die Hand und schlug auf die Scheibe ein. Kleine Risse zogen sich augenblicklich durch das Glas und ein stechender Schmerz fuhr durch Emarce' Knöchel. Sie fluchte, schüttelte ihre Hand aus und schlug wieder zu.
Klirrend zersprang die Scheibe. Die Risse wurden immer breiter und zogen sich immer weiter das Fenster nach oben. Glassplitter regneten herab. Kurz zögerte Emarce, dann sprang sie durch den Scherbenregen ins Freie.
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