Die Schenke (5)
Sofort als Emarce die Türe der Schenke "Zum roten Fluss-Buschkraut" aufschlug, wurde sie von dem fröhlichen Lärm einer vollen Kneipe begrüßt.
Haufenweise Dämonen schaarten sich um raue Holztische. Eine kleine Gruppe Musiker spielte im Hintergrund ein fröhliches Sauflied. Bedienungen wuselten zwischen den Tischen umher und versorgten die Gäste mit reichlich Essen und Trinken.
Cator, der stolze Besitzer der Schenke, war ein bekanntes Gesicht auf dem Schwarzmarkt und hatte ein Händchen dafür zu bekommen was er wollte. Seine Spelunke mit hochwertiger Nahrung zu versorgen, war kein Problem für ihn.
Im Moment stand er hinter der Theke und plauderte mit einigen Gästen, die wohl, genau wie Emarce, eher weniger legalen Tätigkeiten nachgingen. Ihrer Kleidung nach gehörten sie zu irgendeiner Bande.
Die Fledderin nickte ihrem Kumpel zu und bahnte sich ihren Weg durch die Tische zum Tresen nach vorne. Der Walddämon zog verwirrt die Augenbrauen nach oben.
Plötzlich wurde Emarce die Tatsache, dass sie nur ein dünnes Unterkleid trug, schmerzlich bewusst.
Jeder in der Schenke schien sie abschätzig anzustarren.
"Hey, Cator, schmeiß mal diese hässliche Hure raus!", brüll jemand.
Die Kleinkriminelle schnellte zu der Stimme herum. "Warum?", keifte Emarce, "Angst, dass dich eine vor deiner Frau erkennt? Aber mach dir keine Sorgen! Aus deinem Körper schlage ich erst Profit wenn du tot bist, und leider bist du das noch nicht."
"Fledderin.", schnaubte der Dämon verächtlich und wand sich wieder seinen Leuten zu.
"Marci!", rief Cator begeistert, "Was treibt dich denn in meine Arme? Und wo hast du deine Kleider gelassen?"
Einige Dämonen lachten.
"Das übliche eben. Die Garde, der Blutschwund, der Wassergraben...", antwortete die Fledderin und zuckten mit den Achseln, "Das gleiche Zimmer wie immer?"
Cator verdrehte seine senfgelben Augen und lachte. "Sicher Marci, deine Sachen sind noch drin, du alter Parasit."
Der schlanke Walddämon war in Umbrae einer der wenigen seiner Art, kämpften die Walddämonen von Pappel doch eigentlich auf der anderen Seite des Krieges.
Cators Familie lebte jedoch schon seit Generationen auf Umbrae, dem größten Kontinent der Welt hinter der Welt. Die meisten von ihnen waren sogar eingezogen worden. Der Schankwirt selbst war diesem Schicksal nur entgangen, weil er als Betreiber einer Spelunke, das Volk mit Nahrung versorgte.
"Oi, Valdius, bringst du Marci nach oben?", brüllte Cator nun über die Schenke hinweg. Seine Armreife klimperten.
Auf der anderen Seite der Kneipe hob ein großer, muskulöser Schattendämon, der gerade noch damit beschäftigt gewesen war zwei zankende Jungspunde auseinanderzuzerren, den Kopf.
Valdius war Cators Gatte seit fast neun Jahren.
Er war ein Veteran von den gnadenlosen, eisigen Schlachtfeldern in Nordeis, auf denen er sein rechtes Bein verloren hatte. Unter dem großen Kriegshelden General Fulgur hatte er gekämpft.
Nach seiner Verletzung hatte der Soldat die Schlachten hinter sich lassen dürfen und war nach Umbrae zurückgekehrt, um Cator im "roten Fluss-Buschkraut" zu helfen.
Nun humpelte der immer noch eindrucksvolle Veteran mit klapperndem Holzbein durch die Schenke auf Emarce zu.
Er gehörte zu den größten Schattendämonen, die die Kleinkriminelle kannte, und wäre er in einen Kampf geraten, so hätte sie trotz seiner Verletzungen jeder Zeit auf ihn gewettet.
Als er Emarce schließlich erreichte, überragte er sie über mehr als einen Kopf und erneut ging ihr auf, dass ihr Cator manchmal nur deshalb klein vor kam, weil sein Gatte so riesig war.
Die Fledderin und der ehemalige Soldat bahnten sich nun schweigend ihren Weg zu der Treppe, die in das Obergeschoss mit den Fremdenzimmern führte.
Erst, als der Lerm von unten bedeutend leiser wurde, meldete Valdius sich zu Wort.
"Was ist mit deinem Gesicht passiert?"
"Die Garde. Wollten mich einlochem, bin abgehauen."
"Die Garde."
"Ja."
Valdius lachte. "Ja, natürlich war es die Garde. Ehlende Feiglinge und Schmarotzer, alle samt. Tun so als seinen sie so tapfere und mutige Kämpfer, weil sie ein paar Kleinkriminelle verhaftet haben, aber den wahren Wahnsinn des Krieges haben sie nie gesehen. Die Abbix-Waffen nie gespürt. Nie sind ihre Kameraden neben ihnen im Dreck verreckt, und sie mussten hilflos zusehen. Ich hasse diese Drecksäcke. Die sind doch alle nur in der Garde, weil die Garde nicht an die Front muss."
Nun war es an Emarce zu lachen. "Hassen wir die nicht alle."
Der Veteran nickte.
"Du hasst sie, ich hasse sie, sogar Caror hasst sie, weil sie seine Kunden und Zulieferer einen nach dem anderen an die Front und in die Arbeitslager werfen. Naja, und weil sie korrupt und verdammt verdorben sind." Der große Schattendämon strich sich nachdenklich durch die langen, schwarzen Haare. "Cator ist viel zu gut von Herzen für diese vermaledeite Zeit."
Erneut brach Emarce in Gelächter aus. "Du siehst ihn durch die Augen eines Verliebten, Val. Er kann ein richtig mieser Halsabschneider sein, wenn er etwas will. Es gibt einen Grund aus dem das alte Schlitzohr hier in Essen schwimmt, während draußen eine Hungersnot wütet."
Valdius schüttelte den Kopf. "Er gibt den Hungernden die Reste umsonst. Er könnte ihnen ihren letzten Schap aus der Tasche ziehen, für ein paar Brotkrusten oder Funcha-Schalen, aber er gibt sie umsonst her. Er lässt sogar dich konstant hier pennen, ohne, dass du auch nur einen Misanom zahlen musst."
Emarce zuckte mit den Schultern. "Klar ist er nett, aber er macht sich damit auch Verbündete. Und mich lässt er hier pennen, weil ich ihn mit den besten Augen für seine schöne bunte Sammlung versorge. Cator ist hart genug für diese Zeit. Und in der zu leben hat doch eh keiner verdient."
Valdius schüttelte resigniert den Kopf.
Mittlerweile standen die beiden vor der Tür, hinter der Emarce ihr ständiges Zimmer hatte.
"Da hast du recht... Gute Besserung Marce. Bis später.", verabschiedete sich Valdius und lief wieder nach unten. "Danke. Wir sehen uns!", rief die Fledderin ihm nach. Dann kramte sie den Zimmerschlüssel aus ihrer Tasche hervor und schloss die Tür auf.
Das Zimmer im "Roten Fluss-Buschkraut" in dem Emarce sich seit Jahren so dreist einnistete, war klein, aber gemütlich.
An einer Wand stand eine True, voll mit sämtlichen Habseligkeiten der Fledderin, die sie nicht in ihrer Tasche mit sich herumtrug. Ein großes, aber schlichtes Bett stand in der Mitte des Raums, vor dem das große, weiche Fell eines Xachofs ausgebreiet war. Emarce hatte es selbst mitgebracht, da Cator es abstoßend fand Zimmer mit toten Tieren zu verzieren.
Ein Stapel Holz lag in einem schiefen Kamin, den Emarce sogleich entzündete.
Am Rande des Raums führte eine Tür in ein kleines Badezimmer.
Dieses steuerte die Fledderin nun an.
Das Badezimmer enthielt eine kleine Latrine, die in eine Jauchegrube unter der Schenke führte, die das Gebäude beheizte, und einen großen, hölzernen Waschzuber. Auf der Fensterbank vor dem kleinen, scheibenlosen Fenster stand ein Eimer mit einem Seil daran.
Unter der Öffnung rauschte der Fluss Öntros vorbei, an dessen Rand das rote Fluss-Buschkraut wuchs, nach dem die Spelunke benannt war.
Emarce warf den Eimer aus dem Fenster und zog ihn dann, gefüllt mit kaltem, klaren Wasser wieder herauf. Sie kippte es in den Zuber und wiederholte den Prozess, bis die Wanne voll war.
Zwar scheute die sich der Körperhygiene, aber nachdem sie dem Blutschwund heute so nah gekommen war, wollte sie kein Risiko eingehen. Sie zog ihr dreckiges Unterkleid aus und begab sich widerwillig in den kalten Waschzuber.
Als die Fledderin sich gewaschen hatte, zog sie einige beliebige Kleider aus der True und wünschte sich insgeheim sie könnte deren Farben erkennen. Hoffentlich war der Kontrast der Kleider zueinander nicht allzu scheußlich.
Sie wählte ein neues Unterkleid, das vermutlich weiß oder cremefarben war. Sie glaubte sich zu erinnern, es von einer Adeligen gestohlen zu haben, in deren Festung sie einst eingebrochen war. Bei dem Oberkleid entschied sie sich für ein dunkles aus dickem Stoff. Sie hielt es mit einem breiten Gürtel zusammen und hüllte sich in einen dicken Pelz. Dann schlüpfte sie in ein paar militärischer Stiefel, die einmal der toten Kriegsheldin und Heerführerin der anderen Seite, Staub von Muds gehört, hatten. Sie waren Emarce zu groß, aber es würde schon klappen. Schlussendlich hängte sie ein neues Messer an ihren Gürtel.
Dann schnappte sich die Fledderin ein kleines Notizbuch und ein Stück Holzkohle und schrieb das Rezept für das Heilmittel sorgfältig auf. Was sie damit machen würde, wusste sie noch nicht.
Es zu veröffentlichen würde tausende retten. Es zu verkaufen würde sie so reich machen, dass sie in Geld würde baden können. Es der Königin zu übergeben, wie es der offizielle Befehl vorschrieb, kam nicht in Frage.
Nachdenklich legte die Fledderin das Büchlein zurück in die True, bedeckte es vorsorglich mit einigen Kleidern und beschloss erst einmal genau darüber nachzudenken und niemandem davon zu erzählen. Sie wollte ja nicht bestohlen werden.
Knurrend erinnerte Emarce Magen die Kriminelle daran, dass sie seit dem Vortag nichts gegessen hatte und sie kehrte nach unten in die Schankstube zurück, nicht ohne ihr Zimmer gleich doppelt abzuschließen. Der Wert ihrer Habseligkeiten war schließlich gerade stark gestiegen.
Mittlerweile war es Nacht und die Schenke war fast leer. Die Musiker waren wohl nach Hause gegangen.
Ein paar alter Dämonen betranken sich in einer Ecke. Zwei Soldaten aßen Suppe an einem sonst leeren Tisch.
Eine Gruppe vermumter Gestalten saß am Tresen, verleibte sich schmatzend gebratenes Gemüse ein und schlurfte leise flüsternd ihre Getränke.
Emarce schätzte sie als Räuber oder Attentäter ein und setzte sich möglichst weit von ihnen entfernt an einen Tisch. Sie wollten heute wirklich keinen Ärger mehr.
Kaum hatte Cator sie dort entdeckt, brachte er ihr eine Schale duftender Gemüsesuppe, Cator servierte kein Fleisch, und einen Becher mit starkem Losch. Dann setzte er sich grinsend zu ihr. Seine Augen funkelten. "Blauer Pelz. Hübsch. Ich hätte ihn aber nicht mit dem roten Kleid und den grünen Stiefeln kombiniert."
Emarce verdrehte die Augen. Der Walddämon kicherte.
"Diese netten Gäste da drüben an der Bar sind dir bestimmt aufgefallen, oder."
Die Fledderin nickte.
"Die haben etwas erwähnt, das dir gefallen könnte."
"Hm.", machte Emarce mit vollem Mund.
"Sie haben gesagt sie hätten den Kriegshelden, Ritter Feroci überfallen. Sie sagen er sei tot."
Hastig schluckte die Fledderin.
"Feroci? Der Feroci?"
"Anscheinend ja."
"Niemals! Man kann Ritter Feroci nicht einfach töten. Der Kerl ist eine Legende!"
"Er hat wohl geschlafen. Sie sagen, sie hätten ihn von hinten erstochen. Er sei ausgeblutet."
Emarce zögerte nur kurz. Diese Chance war fast zu gut, um wahr zu sein. Ritter Feroci. Sie würde reich werden.
"Wo?"
Cator grinste.
"Die Straße bei Kesseldorf. Hier in Umbrae. Nimm mir was Schönes mit. Sein Brustpanzer würde an der Wand gut aussehen, obwohl sich seine Hände eingelegt bestimmt auch gut machen würden."
Die Fledderin und der Schankwirt lachten.
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