Ein Tanz in der Hauptstadt - 4.1. Chori
Der Plan war simpel. Musste er auch sein, denn sie hatte nur zwei Personen zu seiner Ausführung verfügbar und somit waren ihre Möglichkeiten limitiert. Chori und Gnaeo würden das volle Potential der Talente, die ihnen ihre Titel beschafft hatten, nutzen müssen, um dieses Chaos unter Kontrolle zu bringen, schließlich konnten sie zu zweit die Banditen durch pure Waffengewalt unmöglich in die Flucht schlagen.
Gnaeo lief etwas tiefer in den Wald hinein und brachte sich somit in Position. Viele Eigenschaften der Physik waren zu dieser Zeit noch nicht erforscht, viele Phänomene noch nicht erklärbar und so wusste er nichts von Schalldruck und kompressiblen Schallübertragungsmedien, doch er wusste, dass er seine Fähigkeiten als Schurke des Atems so einsetzen konnte, dass seine Stimme viel Lauter und auch bedrohender erschien. Er konnte wie ein wahres Monster klingen und ließ seine Stimme nun in einem wilden Knurren aus dem Dschungel heraus schwingen.
Seine Freunde und die Prister konnten es sofort hören, doch gegen die Geräusche des Kampfes unten auf der Ebene, wo sich das Lager der größeren Wandergruppe befunden hatte, kam er erst nach dem zweiten Versuch an. Dann aber sahen Angreifer so wie Angegriffene, mit einem mal erschrocken aus. Drachen waren in diesem Teil des Landes äußerst selten, doch es packte sie die Furcht, bei diesem enormen Knurren, das sie nun hören konnten. Wenn sie sie einen von ihnen aufgeweckt haben könnten, wäre das ihrer aller Ende.
Gnaeo knurrte noch einmal laut um auf sich aufmerksam zu machen und erhob sich dann in die Lüfte, brauste über seine Freunde hinweg und ließ sich in einem Sturzflug auf die Ebene herunter. Nun war Chori am Werk. Nachdem Gnaeo ihr Publikum auf die Idee eines Monsterangriffs eingestimmt hatte, konnte sie leicht mit ihren Verstand Fähigkeiten, den herumfliegenden T wie ein Drache in den Augen der panischen Reisenden und Banditen aussehen lassen. Am besten gelang dies, wenn sie sich selbst an den Rand der Böschung stellte und ebenfalls ihre Stimme einsetze. >Drache! Drache!< rief sie und deutete auf Gnaeo.
Bei all jenen die nicht leichtgläubig genug waren um durch das Geräusch alleine schon eingeschüchtert zu werden, war wohl ein lauter, wahnsinniger und fliegender T schrecklich genug. Auch in ihren Gesichter breitete sich nun noch mehr Angst als zuvor aus.
Die Reisegruppe und die Angreifer zerstreuten sich, einige kamen sogar die Böschung, auf der Chori und ihre Gefährten standen, hinauf gerannt und wollten sich in den Wald flüchten. Chori schoss Pfeile auf all jene atonische Männer, die sie als Banditen identifizieren konnte, während Jaenun mit gezückter Machete und zur Waffe erhobenem Essbesteck die Priester in ihrem Rücken versuchten von dem Chaos und den näher kommenden Leuten abzuschrimen.
Nachdem sie beschossen worden waren, gingen manche der Banditen zum Gegenangriff über, sie feuerten ihrerseits Pfeile auf Gnaeo und Chori, doch der T hatte aus der Luft heraus leichtes Spiel mit ihnen während die Königin durch ihre Illusionen es vermochte, die Angreifer stets daneben treffen zu lassen.
Die Kontrolle schien zu ihnen zurück zu kehren, doch da ließen die Priester die Situation wieder schwieriger werden. Ihr Flehen den Verletzten hinterher zu laufen und sie zu behandeln wurde lauter, doch ihre beiden Verteidiger wurden daraufhin zu ihren Bewachern. Sie wussten nicht wer Bandit und wer Zivilist war und wollten den Angreifern keine Chance geben, sich für Choris Schüsse bei ihnen zu rechen. Die Versuchung den Verletzten zu helfen bestand glücklicherweise jedoch nicht lange, die junge Schützin stürzte nach einigen Momenten zu ihnen und scheuchte ihre Freunde und die Priester nach Osten zurück in das Dickicht des Dschungels, wissend, dass Gnaeo ihnen folgen würde. Sie schlugen bewusst eine Richtung ein in die nur wenige der angegriffenen Reisenden geflohen waren und liefen schneller als es die alten Priester aus eigener Kraft geschafft hätten. Das war jedoch kein Problem mehr als Gnaeo wieder zu ihnen stieß und seine Lieblingsfähigkeit als Schurke des Atems einsetzte, die alten Geistlichen federleicht machte und sie tragen konnte.
Eine halbe Stunde später, sammelte sich die kleine Reisegruppe zwischen den gigantischen Wurzeln eines riesigen Amasbaums und schnauften tief durch.
>Wir haben mehr getan, als wir eigentlich hätten müssen.< versuchte Gnaeo eben eine Diskussion mit dem Jüngsten aller Priester zu beenden, dessen Meinung nach sie nicht hätten fliehen sollen. >Euch sicher in die Hauptstadt zu bringen, ist unsere einzige Aufgabe im Moment. Und somit unsere höchste Priorität.< doch er sah dabei Chori an, als er sein Argument vorbrachte.
>Meine persönliche Priorität war es jedoch der schwangeren Frau zu helfen, deren Arm gebrochen war und die vor uns fast gestürzt wäre.< mischte sich, wie es zu erwarten gewesen war, Lehni ein, verschränkte die Arme vor der Brust und stand dem Jüngsten der Priester bei. Er war alles andere als einverstanden gewesen, dass man nicht mehr geholfen hatte, solch eine Szene des Chaos und der Brutalität hatte er bis jetzt noch nie gesehen gehabt, auch wenn er und Jaenun stets von Armut bedroht gewesen waren, hatte es der Jae immer geschafft, sie aus dem größten Ärger draußen zu halten. Es gab Bandenkriege und Kriminalität in der Zwölfsternstadt, es gab Morde und Bordelle, Betrügerein und Überfälle, doch Lehni hatte noch nie erlebt, wie Frauen und Kinder anscheinend sinnlos umgebracht worden waren. Sollte jemand in der Seeweggasse einen Dolch gezogen nach deinem Geld verlangen, dann wurde dieses Ausgehändigt und beide Parteien gingen ihrer Wege, doch die atonischen Banditen schienen sich das Fragen ersparen zu wollen und empfanden es wohl als noch einfacher einer Leiche ihr Geld abzunehmen.
Die Abwesenheit einer Stadtwache hier draußen erklärte wohl die großen Unterschiede besser als alles was sich Lehni in seinem aufkommenden Heimweh als Erklärung zerecht legen konnte. Diese schwangere Frau ließ ihn nicht los. Für ihn war es absurd wie sich das Blutvergießen mit dem fast schon Komödien reifen Hilfeversuch seiner Freunde mischen konnte.
>Ihr habt nicht einmal gesehen, wo die Frau hingelaufen ist!< argumentierte Gnaeo, auch wenn er die Szene nicht mitverfolgt hatte, traute er sich diese Behauptung aufzustellen.
Auch Findrick ergriff Partei, doch zur Überraschung aller schloss er sich dem T an >Und von einem gebrochenen Arm wird man nicht sterben.<
Duch diesen Zuspruch bestärkt trat Gnaeo näher an Lehni, hob dessen Arm am Handgelenk in die Höhe und demonstrierte allen das Brotmesser, das der Sasanlier noch immer in der geballten Faust hielt >Wenn du gelernt hast einmal mit dieser Waffe jemanden umzubringen, dann berücksichtigen wir vielleicht deine Meinung in allen Sachen Verteidugung.< er ließ die Hand wieder fallen >Bis dahin wirst du auf meine und Choris Erfahrung hören.< er drehte den Kopf in Jaenuns Richtung >Und das selbe gilt für dich, Gepäckträger!<
Auch wenn der Jae unfreiwillig in die Diskussion hinein gezogen worden war, blickte er nur langsam und widerwillig auf. Er reichte Royni gerade Wasser und hatte sich bis jetzt darauf konzentriert die ältesten Priester zu versorgen und sein Blick sagte deutlich aus, dass er Gnaeo zwar gehört hatte, aber einiges dazu sagen wollen würde, hätte er die Kraft zum Streiten. >Ich werde nie jemanden umbringen.< murmelte er nur und wandte sich wieder Royni zu, suchte die Absolution in dessen Gesicht. Er war es gewesen, der die jüngeren Priester zurück gehalten hatte, als diese zum Helfen fast ausgeschwärmt waren. Ihm war es am wichtigsten gewesen, dass sie zusammen blieben und das er die Machete, die nun neben ihm lag, nicht verwenden hatte müssen. Royni lächelte und legte ihm eine Hand auf die Schulter.
Da Jaenun sich dieses mal aus dem Streit heraus hielt und sich die Priester und ihre Freunde mittlerweile untereinander bitter böse waren, hätte Chori einschreiten müssen, doch sie zögerte. Die Szene erinnerte sie an die Zeit als ihr Vater noch lebte und König gewesen war. Als seine jüngste Tochter hatte sie sich eigentlich stets in der Gewissheit gewogen gehabt, dass sie sich über ihre Zukunft keine Gedanken hatte machen müssen, sowohl finanziell nicht, als auch was ihren Lebensweg betroffen hatte.
Es war alles ganz klar gewesen, sie hatte vier Geschwister gehabt, die alle mit samt ihrer zukünftigen Kindern vorrangig Anrecht auf den Thron gehabt hatten und sie war damit glücklich gewesen, sorgenfrei auf Reisen gehen zu können, Wanderpriesterin oder Admiralin der Marine, Ministerin für Finanzen unter ihrem Bruder, oder Schutzpatronin über die Weisenkinder der Stadt zu werden. Alles Wege, die zu beschreiten, typisch für die jüngsten Kinder der Oberschicht, in ihrem Reich, waren und somit auch für sie.
Als ihre Großmutter regiert hatte und ihr Vater noch Kronprinz gewesen war, hatte er seine Kinder sehr gerne gehabt und sie hatten ihn geliebt. Sie hatte es genossen mit ihm im Garten zu spielen oder auf seinem Schoß zu sitzen und die großen Zierfische im Gartenteich zu füttern.
Doch als er König geworden war und all seine Berater, Minister und Gläubiger sich ebenso immer wieder und wieder unablässig gestritten hatten, wie ihre Freunde nun, hatte sich etwas in seiner Wesensart langsam geändert. Der Schicksalstag an dem die Veränderung am deutlichsten zum Vorschein gekommen war, stellte den Beginn ihres Familiendramas dar. Es war der Tag an dem der größte Teil seiner Berater, des Königs Ängste so stark erweitert und verfestigt hatten, dass er seine eigene Frau der Verschwörung, gemeinsam mit dem ehemaligen Lord der T, für schuldig befunden und sie verbannt hatte.
Daraufhin hatten sich ihre Geschwister, einer nach dem anderen, abgewandt. Sie konnten sich nicht mehr sicher an der Seite eines Mannes fühlen, der seiner eigenen Familie nicht mehr vertraute. Ihre Schwester musste einen hohen Preis führ ihr Entkommen aus Ahnahn zahlen, wenn sich Chori das Land, das ihr Gemahl regierte, so ansah, doch zumindest war sie versorgt. Von den anderen Geschwistern hatte sie schon so lange nichts mehr gehört und sie wusste nicht ob sie Mitleid oder Ärger über sie empfinden sollte, schließlich hatten sie Chori mit ihrem verrückten Vater alleine gelassen.
Zu bleiben war ihre Entscheidung gewesen, irgendwer musste doch für den alten Mann sorgen, irgendwer musste ihm den Rücken frei halten.
Doch nun steckte sie in seinen Schuhen, Sasanlier und T stritten sich unentwegt, verschiedenste Interessen wollten unter einen Hut gebracht werden. Doch sie konnte es nicht. Der Gedanke von tagelangen Diskussionen zwischen Ministern und Beratern, Vertretern der verschiedenen Volksgruppen von Ahnahn und am Schluss ihre Entscheidung, mit der so und so niemand zufrieden sein wurde, brachte ihr das Grauen.
Sie konnte nicht einmal diesen Vorgeschmack im Dschungel von Atonien lösen, auch wenn jeder ein Urteil von ihr hören wollte. Doch sie konnte weder voll und ganz zu einem Pragmatisten wie Gnaeo stehen, noch zu einem Opportunisten wie Findrick, einem Idialisten wie Lehni oder einem Realisten wie Jaenun, denn alle hatten irgendwie recht.
Chori entschloss sich dazu nichts zu sagen und ihren Freunden nur ein Zeichen zu geben, dass sie sich wieder in Bewegung setzen würde und die anderen ihr folgen sollten.
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Random Peruna Fact #4: Gnaeos Trigger zeigt sich, wenn jemand die Insel Carot als "karottenförmig" bezeichnet.
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