Das Biest Mosai - 1.1. Gnaeo
1.1. Gnaeo
(Bild: Gnaeo)
Es war eine Ära, die der Historiker Matthia Leon später als eine Zeit der >Kanonen und Schwerter< beschreiben würde. Ein Zeitalter an der Grenze zu einer neuen Art der Kriegsführung, in dem eine neue Waffengattung langsam Überhand nahm, doch die alten Künste des Kampfes, noch zu verbreitet waren, um bereits obsulet zu sein.
In diesem Zeitalter, genau genommen vierhundertzweiundsechzig Jahre nach dem letzten Neustart der Zeitrechnung, landete ein großes Schiff in Fihl-Dehered an, dem prächtigsten Hafen des Königreichs, das damals noch Ahnahn hieß. Der Umbruch war auch hier an den Docks der Chorr langsam zu spüren, doch für den gesamten Kontinent Peruna galt dies besonders.
Konzentrierte man sich nur auf das Königreich Ahnahn, das damals aus dem ahnahnischen Teil der Chorr auf dem Festland und den Kolonien Ishtland und Carot bestand, dann blickte man auf einen untypisch langen Zeitraum von Konfliktlosigkeit mit anderen Ländern, der jedoch nicht mehr lange aufrecht erhalten werden konnte. Ahnahns beide Inselkolonien lagen zusammen im Norden des Neal-Kanals und wurden von den flügeltragenden Sasanliern auf Ishlant und den Äxte schwingenden Ts von Carot bewohnt.
Das anlandende Schiff war von der östlichen der beiden Zwillingsinseln über den Kanal gekommen und trug deshalb die rot schwarzen Farben der Ts auf seinen Segeln und einen Wolfskopf als Galionsfigur. Auch wenn die Farben dieses kriegerischen Volkes dunkel und aggresiev waren, zeigte sich der Kapitän des Schiffes, wie alle T mit einer milchig weißen Hautfarbe, fast farblos hellen Augen und dem Haar so weiß wie eine Seemöwe und kurz geschnitten, mit wenig Liebe fürs Frisieren, denn es war von Meerwasser und Wind so zerzaust, dass man sich nicht sicher sein konnte, ob es geschnitten worden war, oder doch eher abgebissen. Von Hüten hielten T recht wenig, doch sie liebten ihre Äxte, die Seefahrt und Prügelein umso mehr und auch dieser junge T bidelte da keine Ausnahme.
Es handelte sich dabei um Lord Gnaeo von Carot, der da von seinem Schiff abstieg und sportlich den Pier entlang joggte, ein freches Lächeln verzierte sein Gesicht und sein teuer aussehender, rot schwarzer Reiseumhang flatterte dabei hinter ihm her. Seine Axt hatte er an Bord gelassen, schließlich sollte er sich in einem Hafencafe in der Stadt mit einer alten Freundin treffen und seine Waffen vermutlich nicht brauchen, auch wenn seine Verabredung nie sehr sparsam damit war, ihm etwas anzudrohen, wenn sie sich ärgerte.
Als er vor dem Cafe angekommen war, richtete er sich noch einmal seine Kleidung und schnaufte durch um lässig zu wirken und nicht verraten zu müssen, dass er hergelaufen war. Traditionell war der Lord der T gleichzeitig ihr Anführer, hinter den sie sich geschlossen zu stellen hatten und damit auch der Admiral der t-ischen Flotte.
Auch wenn der Junge damit praktisch wie ein König vor seinem Volk stand, durfte er sich dennoch nicht so nennen, seit die Chorr vor etwas über einhundert Jahren seine Insel kolonialisiert hatten, gab es keinen König der Ts mehr und das Lordtum war zum höchsten Titel aufgestiegen. Und als solch ein Lord, geziemte es sich schließlich nicht gehetzt zu wirken.
Nein, er war auch nicht gehetzt, niemand konnte behaupten, dass er sich allzusehr zu seinem Treffen verspätete hatte, oder dass das Brechen des Großbrahmsegels in dem Sturm der vergangenen Nacht seine Schuld gewesen wäre.
Beim Eintreten entdeckte er seine Freundin etwas versteckt im hinteren Teil des Cafes an einer Fensterbank sitzen und ihn wie es zu erwarten gewesen war, tadelnd ansehen. Sie war eine zierliche junge Chorr, mit den für die Küstenchorr typischen großen Ohren, die sich wie ein Platanenblatt aufgefächert spannten und einem Teint, der einen kupferstich hatte, dennoch ging von ihr eine Bedrohliche Aura aus, als er sich zu ihr setzte.
>Du bist zu spät.< kritisierte sie mit einem scharfen Blick aus ihren olivgrünen Augen heraus und als Gnaeo sich nicht entschuldigte, sondern nur grinsend die Schultern zuckte, schob sie ihm eine Tasse Tee entgegen >Weil du mich warten hast lassen, habe ich schon für dich bestellt. Schwarztee mit Milch und Zucker.<
Gnaeos Grinsen verfiel augenblicklich und er musterte die Tasse angewiedert >Warum hasst du mich so sehr, Chori?<
Nun machte sich auf ihrem jungen Gesicht ein hinterlistiges Lächeln breit und sie steckte ihre Hände lässig in ihre, viel weniger teuer aussehende Reisekleidung. Sie wollte im Gegensatz zu ihm offensichtlich kein Aufsehen erregen, deshalb fiel ihr das für Chorr typische rabenschwarze Haar in breiten Wellen ins Gesicht, um so wenig wie möglich davon zu zeigen >Weil man eine Prinzessin nicht warten lässt!<
>Da ich dich zu diesem Treffen eingeladen habe-< entgegnete der T und schob den Tee wieder von sich weg >kann ich also als Gastgeber garnicht zu spät kommen, wenn du verstehst. Prinzessin, du bist nur zu früh.<
Chori, die jüngste Tochter des Königs, lehnte sich unbeeindruckt zurück >Prinzessin bleibt Prinzessin mein Lieber. Und damit kannst du dir deine Ausflüchte sonst wo hin stecken.<
Gnaeo fasste sich betroffen spielend an die Brust, doch sein Gesicht wurde schnell wieder ernst >Die lerzte Prinzessin wie man hört. Ich habe den Kontakt zu deinen Geschwistern verloren.<
Chori hielt einen Moment ein in ihrem Tee zu rühren, doch sah davon nicht auf sondern starrte in dessen hell braune Tiefe mit ernstem Gesicht. Eine Kellnerin huschte an ihrem Tisch vorbei und Gnaeo hielt die süße Chorrdame mit der schokoladebrauben Haut am Ärmel auf >Bitte einen Tee mit Zitrone.< bestellte er in der Gemeinsprache, weil er nicht wusste welchen Dialekt des Chorr die Bedienung sprach. Die junge Dame lachte hell auf und sauste dann weiter. Enttäuscht, verwirrt und ein wenig entnervt blickte ihr der T hinterher, doch konnte in dem schmalen Lächeln, das sich auf Choris Gesicht wieder fand, die Antwort darauf finden, warum seine Bestellung so kalt ignoriert worden war. >Ich habe ihr gesagt, dass du Witze machst, wenn du nach Tee mit Zitrone verlangst. In diesem Gasthaus wirst du nur deine Enttäuschung serviert bekommen.<
Gnaeo zog scharf die Luft ein und funkelte das Mädchen mit seinen blassen Augen an, dessen Lächeln mittlerweile wieder in boshafter Weise zu seiner vollen Größe herangewachsen war >Du treibst diesen Scherz zu weit, meine Teuerste.<
>Ich wollte nur in friedlichem Protest deutlich machen, dass wir uns auch in der Zwölfsternstadt hätten treffen können. Bei mir im Palast, hättest du alles bestellen können, was du gewollt hättest, mein Bester.<
>Zu freundlich.< ätzte Gnaeo zurück >Bekommen hätte ich jedoch nur eine Tasse heiße Schokolade, wie ich dich kenne. Deine Vorliebe für süßes Gesöff teilst du zu großzügig mit anderen Leuten.<
Chori kicherte >Nur mit dir. Doch sag mir dennoch, warum wir uns hier treffen mussten. In der Zwölfsternstadt wäre ich Gastgeberin gewesen und hätte mich nicht mit Ausflüchten abfinden müssen. Aus Höflichkeit tue ich übrigens so, als wüsste ich nicht, dass du dein Großbramsegel ruiniert hast.<
Der T verschränkte empört die Arme vor der Brust >Es ist nicht ruiniert!< beharrte er >Es ist nur angeknackst. Ein Test der Materialeigenschaften! Das Ergebnis lässt zu wünschen übrig und beweist mal wieder, dass die Schiffe der Chorr, denen der T eindeutig unterlegen sind.<
Chori nickte unbeeindruckt, was Gnaeo dazu veranlasste, den Fokus schnell wieder auf die eigentliche Frage zu lenken >Wir treffen uns hier weil ich der Atmosphäre erstens in der Zwölfsternstadt nicht traue. Die Berater des Königs wollen mir alle an den Kragen, und wenn ich ehrlich sein soll, dir bestimmt auch. Und zweitens hatte ich gehofft, dich gleich mit zu nehmen, wenn du meinem Rat folgst. Wir dürfen keine Zeit verlieren! Ich hab ein Schiff, ich hab einen Kurs, ich habe eine Besatzung für dich.<
>Welchem Rat?< fragte Chori, die Augen misstrauisch zu schmalen Schlitzen verengt und die Arme ebenso vor der Brust verschränkt >Soll ich das Königreich etwa im Stich lassen, wie es meine Geschwister getan haben? Meinen Vater verlassen und ihn in seinem vernebelten Zustand den Beratern übergeben, die nur auf sein Ableben warten?<
>Im Gegenteil!< empörte sich Gnaeo >Das würde meinem Volk nur schaden! Nein.< er griff nach Choris Hand um die defensive Haltung auf zu brechen >Ich hab eine Idee wie du deinem Vater den Rücken stärken kannst. Du bist die Letzte, die ihm geblieben ist, ich verstehe, dass du ihm nicht von der Seite weichen kannst.<
Das Mädchen zeigte sich tatsächlich umgänglicher und setzte ein wohlwollenderes Gesicht auf >Wie?< Sich zurücklehnend sah sich der T bereits als der Gewinner dieser Diskussion >Der außenpolitische Druck, dem sich Ahnahn ausgesetzt fühlt wächst von Tag zu Tag. Bald wird der lange Frieden Geschichte sein. Denn die Jentyponier-< er schwang seine geballte Faust herzhaft in die Luft und schimpfte sie weiter Bastarde >warten genauso wie des Königs Berater auf den der Finkoharz-Abhängigkeit verschuldeten innenpolitischen Nidergang deines Vaters!< er seufzte >Willst du ihn nicht außenpolitisch stärken, damit er die Zeit gewinnt, wieder zur Besinnung zu kommen?<
Chori zögerte, wieder misstrauisch die Arme verschrämkend >Meine Schwester hat das schon einmal versucht, indem sie den Atonischen Kronprinzen geheiratet hat. Das hat uns auch nicht geholfen, also hoffe ich, dass du eine bessere Idee hast. Ich werde König Ruidy von Jentyponien sicher nicht heiraten!<
Gnaeo verzog das Gesicht >Nein.< versicherte er >Das ist eine viel zu altmodische Idee, die sich schon oft als wenig hilfreich herausgestellt hat! Man muss an diese Sache kreativ heran gehen!<
>Ich weiß, dass du mich hier begeistern willst.< Chori hob eine Augenbraue >Aber im Moment machst du mir mit deinen Ansagen nur Angst.<
>Du bist ein schwieriges Publikum!< beschwerte sich der T, doch grinste sogleich wieder von einem seiner, im Vergleich zu den Chorr, kümmerlich kleinen Ohren, zu dem anderen >Ich rate dir eine Titelträgerin zu werden, genau wie ich einer bin!< er pasuierte um die Begeisterung seines Gegenübers zu empfangen, doch ihm schlug nur tiefe Skepsis entgegen >Warum sollte das helfen? Dich nimmt man mit deinem Titel doch auch nicht ernster.<
>Schließ nicht von dir auf andere.< kommentierte Gnaeo und ließ die Schultern nun kraftlos hängen. Sie war in der Tat ein schwieriges Publikum >Es ist nicht wahr, dass man mich mit meinem Titel nicht ernst nimmt. Letztes Monat, war ich auf einer internationalen Konferenz der maritimen Mächte. Wenn man vom Göttlichen des Atems mit einem Titel ausgezeichnet wurde, dann hat man unter Seeleuten plötzlich ein hohes Gewicht. Ich kann zwar keine Flauten bezwingen, doch das müssen die ja nicht wissen, wenn du verstehst.< er grinste wieder >Wenn du einen Titel hast, hast du zumindest schon einmal einen Göttlichen gesehen. Und damit hast du bereits schon fast einen Draht zu dessen Gott.<
Er beobachtete, wie sich Chori nachdenklich auf die Lippe biss, wie ein Fisch, dessen Maul sich um den Haken schloss, also setzte er noch eines drauf >Wenn in diesem Königreich bereits zwei von einem göttlichen Gesegnete sind, sollte uns niemand mehr so schnell angreifen. Oder würdest du dich einer Armee entgegen stellen, die von einem Feuerspukenden Wahnsinnigen angeführt wird, oder von jemandem, der deine Lebenszeit durch einen einzigen Blick zum Ablaufen bringt? Ich habe auch einmal von einem Titelträger gehört, der die Herzen seiner Feinde explodieren ließ!<
Chori kaute weiter >Dafür müsste man jedoch zuerst einen Göttlichen finden, der mir einen Titel gibt. Ihr Aufenthaltsort ist schwer zu bestimmen und sie sehr selten. Es gibt kaum Informationen über sie. Oder was sie als Preis für ihre Titel verlangen.<
>Quäle dich doch nicht mit solchen Details meine Liebe!< Gnaeo war nun wieder so guter Laune, dass er sogar einen Schluck von dem Schwarztee mit Milch und Zucker nahm, ohne es bewusst zu merken. In seinem Hinterkopf registrierte er nur beiläufig, dass er seltsamerweise nun mehr Durst bekommen hatte, als vor dem Schluck >Ich kenne doch einen Göttlichen. Meinen nämlich! Ich bringe dich zum Göttlichen des Atems und damit ist die Sache gegessen, genossen und genesen.<
Es verging ein stiller Moment, bevor Chori lächelnd den Kopf schüttelte >Ich denke nicht, dass ich auf dieses Detail vergessen werde.< Sie konnte jedoch nicht mehr fertig ausführen, dass die Wanderpriester von törichten Abenteurern erzählt hatten, die auf der Suche nach einem Titel von dem bebettelten Göttlichen getötet worden waren, denn plötzlich ließen sie die erklingenden Schiffsglocken der verankerten Schiffe im Hafenbecken aufhorchen.
Nach zwei drei Anschlägen stimmte sogar die Wachglocke der Stadtwache mit ein und jeder Einwohner und vor allem jeder Matrose von Fihl-Deharet wusste was das zu bedeuten hatte. Das Cafe leerte sich in Windeseile, Goldstücke wurden ohne auf Wechselgeld zu warten auf die Tische geknallt und jeder Seewasser verkrustete Schiffsjunge, jeder Kapitän auf Landgang und jeder Fischer der nur ein Buttermesser zur Verteidigung dabei hatte strömte auf die Straße und machte sich im Laufschritt zum Hafen auf.
Auch Chori und Gnaeo beeilten sich nach draußen. Chori hatte ihren Bogen mit genommen und spannte ihn nun hastig auf, während der T sich insgeheim ärgerte, dass er seine Axt auf dem Schiff gelassen hatte. Nicht dass er sie jetzt schon brauchen würde, doch es hätte auf alle Fälle berindruckender ausgesehen als der zierliche Bogen der Chorrpronzessin. Kampfbereit wollte Chori schon losstarten und ohne Rücksicht auf die Lacken und den Schlamm, den der alltägliche subtropische Monsunregen auf den Straßen von Ahnhan zurück ließ, den anderen folgen, doch Gnaeo hielt sie zurück. >Ein Lord der T läuft nicht!< sagte er und zwinkerte frech >Und die Printessin der Chorr tut das auch auf keinen Fall, das gebührt die Ehre.<
Sie schien davon nicht überzeugt zu sein und runzelte die Stirn >Also willst du dir die Freude nehmen lassen?<
>Die Freude schnell am Hafen zu sein? Nein ich will dir eine andere Freude machen.< um die Vorzüge eines Titels weiter zu demonstrieren stieß sich Gnaeo mit einem leichten Sprung vom Boden ab und begann damit elegant durch die Luft zu schweben, als wäre er schwerelos. Er überschlug sich einmal, ohne die geringste Mühe und gelangte so hinter Chori, wo er auch landete. Er kicherte >Lass uns hin fliegen!< Er packte die Prinzessin an den Schultern, die sich jedoch halb zu ihm umdrehte >Von mir aus, aber nur wenn du versprichst, dass es schneller geht als zu Fuß.<
Gnaeo nickte und festigte seinen Griff um ihre Schultern, bevor sich Chori plötzlich begann viel leichter und noch leichter zu fühlen, bis sie glaubte, nur noch Gnaeo würde sie am Boden halten. Dies währte jedoch nicht lange, denn gleich darauf zog sie der T mit sich in die Luft und sie schwebten zusammen höher und höher, bis sie sich über den Köpfen der unter ihnen zum Hafen laufenden Matrosen befanden. Dann schob sie Gnaeo vorwärts und das in einem Tempo, das zwar nicht sehr viel schneller war, als wären sie gelaufen, doch das dennoch umso mehr Spaß machte. Chori war es nicht ungewohnt zu fliegen, doch auf ihrem geflügelten Wasserdrachen Bahara zu sitzen, war dennoch ein anderes Gefühl, als sich nirgendwo fest halten zu können und wie ein Blatt im Sturm durch die Luft zu fegen. Ihre langen Haare flatterten wild im Flugwind und die Chorr unter ihnen hoben die Köpfe, als sie an ihnen freudejuchzend vorbei brausten. Vergnügt lachend landeten die beiden an den Docks am Hafen und obwohl sich Chori unwohl fühlte, sich plötzlich tonnenschwer vorzukommen, strich sie ihre zerzausten Haare aus einem freudig grinsenden Gesicht.
>Siehst du?< fragte Gnaeo ebenso grinsend, doch sein Lächeln verfiel, als ein junger Chorr im Laufschritt zu ihnen stieß und sie mit seinem eigenen Lächeln anblitze.
Er trug die Uniform eines Kapitänsleutnants der Handelsmarine, was ihn edel aussehen lassen sollte, doch seine Körperhaltung zeigte die entspannte Pose eines alten Freundes. >Chori!< begrüßte er die Prinzessin, doch zeigte Gnaeo nur wenig Aufmerksamkeit >Dachte ich mir doch, dass ich dich erkannt hätte! Willst du mit mir mit auf der Carinya raus fahren? Mein Großbrahmsegel ist noch heil.< nun zwinkerte er dem T zu und grinste.
Gnaeo verschränkte die Arme vor der Brust und verfluchte diesen dummen Daiv Delan innerlich, doch ganz auf einen Kommentar konnte er auch nicht verzichten >Als wäre dir noch nie was auf deiner verehrten Carinya kaputt gegangen!<
Auch wenn Daivs Uniform pompös ausgesehen hatte, war er dennoch nur ein Kapitänleutnant der Handelsmarine. Bei den Chorr durften nur Adelige einen Befehlsposten in der Kriegsmarine einnehmen und das war Daiv Delan auch bei der großzügigsten Auslegung dieses Wortes in keinstem Fall.
Daiv zuckte mit den Schultern, wobei die Fransen seiner Epulette wild baumelten >Natürlich ist uns schon mal was kaputt gegangen, doch wir haben uns dabei nicht erwischen lassen. Nimms nicht so schwer, endlich können wir den großen Lord der T auch einmal aufziehen. Aber schau, genau zur rechten Zeit sind sie mit dem Austauschen deines Ersatzsegels mit dem neuen Tuch fertig geworden.<
Er zeigte zu Gnaeos Rúgosía rüber, doch das Staunen über das neue Segel, das im zügigen Kanalwind gewiss rein und weiß und wie ein Wolkenturm ausgesehen hätte, wurde von dem Schuss der Hafenbatterie unterbrochen, die nun angefangen hatte zu feuern. Hinter den Kugeln zog sich ein Rauchschweif über die Küste und wurde von dem tropisch warmen Wind zu ihnen herüber geweht. Der Einschlag ins Meerwasser weiter draußen in der Bucht war zwar nicht mehr zu hören, doch sie konnten die Kugeln aufspritzen sehen, als sie auf der Wasseroberfläche aufprallten. Zu kurz, zu unenthusiastisch gezielt um etwas zu treffen, doch dies war auch nur eine Warnung gewesen. Wenn sich die Hafenbatterie von Fihl-Dehered erst einmal warmgeschossen hatte, würde Feuer auf ihre Gegner herab regnen. Die drei Freunde waren jedoch alarmiert davon, dass bereits geschossen wurde, niemand wollte verpassen mit dabei gewesen zu sein und um sie herum pullten bereits einige Schiffe von den Docks.
>Also Chocho!< richtete sich Daiv an die Prinzessin und zwickte ihr vergnügt in die Nase >Kommst du jetzt mit auf die Carinya oder bleibst du beim T? Entscheide schnell.<
Chori verscheuchte die Hand des anderen Chorr mit einem Klaps und verzog das Gesicht >Ich werde bei Gnaeo an Bord gehen. Ich muss ihm noch einiges an Gelegenheit bieten, mich von der Idee zu überzeugen, mit der er mir die ganze Zeit in den Ohren liegt.<
Daiv nickte und ignorierte sichtlich das Grinsen des T >Dann tüchtig ran ihr beide!< er grinste nun ebenfalls >Für jeden Treffer der Rúgosia gebe ich einen aus!< damit verschwand der Kapitänsleutnant, denn die Schiffsglocke der Carinya leutete bereits aufgeregt, da sie ohne Kommandant nicht auslaufen konnte.
Chori beobachtete ihn noch dabei wie er in der Menge an wuselnden Matrosen verschwand, doch ein weiterer Schuss der Hafenbatterie ließ sie sich zu Gnaeo umwenden, der ihr triumphierend lächelnd einen Arm zum Einhaken anbot. Schulterzuckend nahm sie ihn an und sie begann ebenso triumphierend zu grinsen, als der T sie beide wieder schwerelos werden ließ.
Fast hätten sie sich bei dem wilden Flug in der frisch aufgezogenen Takelage der Rúgosía verheddert, als Gnaeo mit ihnen einen engen Kreis um sein Schiff zog, doch dies wäre ein kleineres Übel gewesen, im Vergleich zu der Situation, in der sie sich jetzt befanden, denn verheddern, konnten sie sich noch immer. Die Mannschaft der Rúgosía bestand aus Chorr und kannte ihren geborgten Kapitän noch nicht gut und Gnaeo fühlte das neue Schiff noch nicht richtig, auch wenn er seinem geschwungenem Rumpf und den achtundzwanzig Schießscharten bereits wohlwollend zugeneigt war.
Doch Zuneigung alleine, brachte sie auf keinem Fall aus diesem Gewirr aus gleichzeitig auslaufender Schiffe heraus, die in überstürzter Freude nach draußen ins tiefere Wasser wollten. Auch Gnaeo wollte schnell die Küste hinter sich lassen, doch ihm waren dabei die Aporrhai, die Duthersi, die Laegena und die sich bereits mit dem Mastgestänge ineinander verknoteten Nonion und Turgida im Weg. >Was soll denn das? Tempo, Tempo!< meckerte Gnaeo und hielt seinen ersten Offizier beim Vorbeieilen auf >Herr Fai! Signalisieren Sie dieser Schnecke von Aporrhai, dass sie sich gefälligst zur Seite pullen soll!< Doch da war nichts zu machen, die Schiffe vor ihnen bewegten sich nicht.
Weit Steuerbord schlängelte sich die kleine, geschickte Carinya zwischen den anderen Mitstreitern durch, mit seelenruhiger Hand gesteuert, denn als Veteran im Konvoidienst, war sie es gewohnt immer wieder durch einen ungeordneten Haufen an Handelsschiffen zu kreuzen. Ihr Kommandant Daiv Delan hing dabei in der Takelage, als lägen seine Tage als rotzfrecher Kadett nicht schon einige Zeit hinter ihm und schwenkte der Rúgosía dabei grüßend mit seinem Hut. Seine Worte konnten sie dabei nicht hören, doch alleine der Anblick ließ Gnaeos Gemüt überkochen und er verwünschte das strahlende Gesicht des Chorr.
Die ersten Schiffe hatten ihre Angreifer bereits erreicht und der Krach ihrer Kanonen ließ Gnaeos Groll nur noch größer werden. >Also nun zum zweiten Teil unsere Demonstration.< raunte er zu Chori und nahm einen festeren Stand ein >Herr Fai, ich will allen meinen Bordkameraden raten, sich gut festzuhalten!< dann hockte er sich in einem langen Ausfallschritt hin und ließ die Handflächen auf das Deck klatschen. Seine Stirn runzelte sich deutlich bei dem Versuch all seine Kraft zu sammeln und mit einem lauten Ausruf, wie er für die T typisch war, sprang er dann wieder auf, riss die Arme in die Luft und das Schiff gleich mit. Mit purer Willenskraft ließ er das eigentlich tonnenschwere Gefährt leichter werden und schweben, doch seine Kraft reichte nicht dafür aus, um das ganze leicht für ihn zu machen.
Die teils panische, teils vergnügt quiekende Mannschaft sah das Wirrwarr an Schiffen zwar unter sich davon ziehen, doch hin und wieder spürten sie auch das kurze Nachlassen an Höhe und bangten schon um ihre Sicherheit, die Sicherheit des Schiffs und die Sicherheit ihrer ganzen Flotte. Die seeligen Nichtswisser unter ihnen sperrten nur verdutzt Münder und Augen auf und sahen dem fliegenden Monstrum, entsetzt von dessen Anblick, nach und störten sich nicht einmal an der Dusche mit Seewasser, welche das abrinnende Wasser des Unterschiffs über ihnen verteilte. Chori fluchte beindruckt und Gnaeo lächelte verkniffen.
Das letzte Stück des Fluges gestaltete sich eher als Versuch das Fallen des Schiffes abzubremsen und es sanfter nach unten gleiten zu lassen als es einem unkontrolliertem Fall auszusetzen, sodass Gnaeo es bei erster Gelegenheit, den Göttern dankend, auf ein freies Fleckchen Wasser aufsetzen ließ. Doch dies geschah noch immer wuchtig und abrupt genug, dass die Besatzung der etwa fünfzig Meter hinter ihnen liegende Eponides von der resultierenden Bugwelle völlig überschwappt wurde und das arme, nichtsahnende Schiff zum Beuteln brachte.
An Deck der Rúgosía trat Totenstille ein und die Gesichter der Mannschaft zeigten ihre Faszination, doch auch ihr Entsetzen. Nur ein purourroter zahmer Papagei, der einem Vollmatrosen gehörte, krächtzte in die allgemein geltende Stille hinein >Ts sind doof. Ts sind doof.< bevor er von dessen peinlich berührten Besitzer zum Schweigen gebracht wurde. Gnaeo war jedoch zu erschöpft und zufrieden mit sich selbst, um dieser Frechheit des Federviehs zu antworten. Er riss sich zusammen, richtete seine ausgelaugten Knochen gerade und gab seinem ersten Offizier den Befehl, die Männer sofort an die Kanonen zu schicken. Dann übernahm er dämlich grinsend das Steuer und ließ Chori sich dabei wundern, ob ihr Freund das Rad, oder das Rad ihren Freund hielt. Sie trat zu ihm und klopfte ihm auf die sichtlich verspannte Schulter >Bei allen Winden, ich wusste nicht, dass du das kannst!< entfuhr es der Chorr leicht entrüstet, leicht amüsiert. Gnaeos Grinsen glich weiterhin dem eines Betrunkenen >Ich auch nicht meine Liebe. Doch sei so gut und hilf mir, dass wir einen Hauch vom Wind anfallen. Ich glaube nicht, dass ich mich jetzt noch bewegen sollte.<
Lachend, drehte Chori das Ruder leicht Backbord und folgte mit dem Blick dann den Kugeln der benachbarten Schiffe und erkannte mit plötzlichem Bedauern, dass keine davon bis jetzt getroffen hatte. Ihre Gegner, die stolzen großen Schiffe aus Jentyponien, diese verdammten von ihrem König unterstützen Piraten, schaukelten unbeeindruckt und selbstsicher vor den Wellenkämmen der Bucht hin und her, genau außer Reichweite ihrer Kugeln. Das ganze war ein Spiel.
Die Jentyponier wollten die Chorr nach draußen locken, wo sie nicht mehr von der Hafenbatterie geschützt wurden und die Piraten mit ihren langen Jagdkanonen im Vorteil gewesen wären und die Chorr wollten ihre Gegner von ihrem Hafen vertreiben und wahrscheinlich auch eine Priese dabei abstauben. Die Takelage über ihr knarrte ungeduldig, wie das Schnauben eines Pferdes, nur Minuten vor dem großen Rennen. Die Rúgosía wollten vorpreschen und gegen die Jentyponier kämpfen. Spannung viel über die gesamte Flotte. Diese frechen Jentyponier waren nun in den letzten Monaten immer öfter aufgetaucht und versuchten ihrerseits eine Priese zu erbeuten, doch vor allem war ihr Ziel die Kampfkraft der Chorr einzuschätzen und mal zu schauen was sich in den Häfen von Ahnahn für eine Bewaffnung so finden ließ. Da braute sich etwas gefährliches zusammen und Chori wusste nicht, ob sich ihr Vater auf eine Seeschlacht mit Jentyponien einlassen konnte. Sein Urteilsvermögen war dafür wohl bereits zu geschwächt.
Endlich waren alle Mitglieder der Stückmannschaften an ihren Kanonen und die Rúgosía damit feuerbereit. Zu langsam, wie Gnaeo bemerkte, der noch immer am Steuerrad hing, doch er konnte bereits mit kräftigerer Stimme den Befehl zum Feuern geben. Die Rúgosía schickte ihre Kugeln nun mit der selben Entschlossenheit zu den Jentyponiern, doch mit ebensowenig Erfolg wie der Rest der Flotte und das frustrierte alle Anwesenden Chorr und T auf dem Schiff. Der Krach schwoll an und die frische Seeluft füllte sich mit dem Gestank von Pulverdampf, doch die Treffer blieben aus. So hielt man die Jentyponier zumindest auf einer Kanonenlänge Abstand und sie würden sich bald damit begnügen, die Chorr aufgeschäucht zu haben und sich wieder verziehen, bevor der nächste Regenschauer die See aufpeitschte, doch Chori verstand die Frustration über diese Pattsituation und so überraschte es sie nicht, dass sich Gnaeo schließlich von dem Steuerrad abgestoßen, wieder zu seiner Mannschaft stellte und es bei Befehlen alleine nicht belassen konnte.
Chori beobachtete, wie Gnaeo in einem letzten Kraftackt eine Kanonenkugel ergriff und sie wie ein Kugelstoßer, an seinem Schlüsselbein abstützte. Doch eigentlich sollte nicht einmal ein Kugelstoßer so viel Eisen stämmen können. Mit der anderen Hand ergriff er seine Axt und mit einem tiefen Luftholen warf er die Kanonenkugel in die Höhe und schmetterte sie mit seinem Axtblatt wie einen Ball in die Ferne. Sie schoss durch die Luft, schneller als das eine Kanone geschafft hätte und reichte auch weiter, als sie gedacht hatten. Plötzlich brach Jubel auf dem Schiff aus, die Mannschaft der Rúgosía feierte ausgelassen, dass ihr Captain einem Piraten, den Fockmast weggeschossen hatte. Auch Gnaeo jubelte ausgelassen und drehte sich zu Chori um >Wo ist die Carinya? hat dieser Daiv das gesehen?<
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