23.2. Daiv
Das Segeltuch schlug auf der Wasseroberfläche auf und der Leichnam versank langsam in den schwarzen Fluten. Knapp Steuerbord voraus glitzerte der Leuchtturm von Humbreen in der schwarzen Nacht und lud besonders die wenigen Jae unter der Besatzung der Königin Chori, dazu ein, sich nach Hause zu wünschen und die Jentyponier zu verfluchen, denn diese blockierten die Frostnerbucht mit verbissenem Eifer. Nicht jedoch Kapitän und Fürst Jaearon von Humbreen, der eigentlich das meiste Heimweh nach seinem Hafen verspüren sollte. Er blieb konzentriert und las weiter die Ansprache der Totenfeier vor, die er für jeden einzelnen Unglücklichen abänderte, je nach Stand des Verstorbenen.
Wieder wurde ein Leichnam platschend der See übergeben und Daiv sah ihm dabei zu, wie er in dem öligen Wasser versank. Er hatte gemischte Gefühle gegenüber dieser gesamten Veranstaltung. Einerseits befanden sie sich zwar so nahe an der camonischen Küste, wie ihnen das möglich war, um den Jentyponiern auszuweichen, denn sie befanden sich noch tief in jentyponisch kontrollierten Gewässern und hatten deshalb eigentlich keine Minute zu verlieren. Andererseits stand den Verstorbenen auch eine angemessene Beisetzung zu und er hoffte, dass die Abhandlung einer solchen, auch sein schlechtes Gewissen mildern würde. Er war nämlich für deren Tod verantwortlich zu machen.
Nachdem er das Kommando der Echino übernommen gehabt hatte, waren gleich mehrere Probleme auf einmal aufgetaucht. Wie es zu vermuten gewesen war, hatten sich die jentyponische Besatzung, nicht damit abgefunden den Lituoliern dabei zu helfen, die Echino in einen sicheren Hafen zu bringen und sich nicht nur der Meuterei, sondern auch des Landesverrats schuldig zu machen. Ihre Kooperation war jedoch damals, so wie heute, extrem wichtig gewesen, denn der Rammangriff der Königin Chori auf die Echino, hatte diese schwer beschädigt und sie hatte in einem kleinen Sturm vor Jentyponien, noch einmal mehr gelitten, sodass sie unter der Wasserlinie aufgebrochen war. Die schwachen Pumpen der kleinen Echino liefen nun Tag ein Tag aus, ununterbrochen, damit das Schiff nicht ihrem ehemaligen Kapitän auf den Meeresboden folgen würde. Das hatte die Männer natürlich über die Maßen angestrengt. Jeder musste mithelfen, damit sie alle zusammen nicht untergingen. Und die jentyponischen Offiziere und Seesoldaten, die sich ergeben gehabt hatten, waren somit nicht nur Zeugen der Meuterei gewesen, sondern auch Zeugen der Kooperation zwischen den jentyponischen Matrosen und den lituolischen Kapitänen.
Der Großteil der Besatzung hatte damit gerechnet, dass sie nie wieder nach Jentyponien zurück kehren würden, wenn der Krieg einmal vorbei war und die freigelassenen Offiziere erst einmal Aussagen, gegen jeden Einzelnen von ihnen machen könnten. Damit hatten sie sich nicht abfinden wollen. Eine weitere offizielle Anfrage, ob man die jentyponischen Offiziere nicht verschwinden lassen könnte, um keine Zeugen zu haben und so zu tun, als hätte es keine Meuterei gegeben, hatte Daiv ablehnen müssen. Es war lituolisches Gesetz, dass Kriegsgefangenen nichts zustoßen durfte. Doch die schwere körperliche Arbeit an den Pumpen, die Erniedrigung nun unter den Lituoliern zu dienen und die Angst nie wieder nach hause kommen zu können, hatte die Stimmung auf der Echino in eine gefährliche Pulvermischung verwandelt. Daiv hatte die Zwickmühle von Anfang an gerochen und hatte versucht mit Respekt und Anstand, den Jentyponiern entgegen zu kommen, um eine Katastrophe zu verhindern. Doch sie hatten schon einmal gemeutert und damit war die Hemmschwelle erschreckend klein geworden.
Nun nach etwa drei Wochen ununterbrochener Plackerei und Angst, wäre das Fass beinahe zum Überlaufen gebracht worden. Das hatte Daiv dazu veranlasst, einen drastischen Schritt zu gehen und er hatte den Schlüssel zu den Zellen der Offiziere, für eine Stunde unbeaufsichtigt gelassen, während er für alle sichtbar, zusammen mit Choyon in seine Achterkajüte geschlüpft war, um ein üppiges Mahl einzunehmen.
Am nächsten Morgen waren die Offiziere ermordet vorgefunden worden.
Seit dem war die Stimmung auf der Echino entspannter, wenn auch nur, da Daiv kaum Untersuchungen zu dem Vorfall anstellen hatte lassen. Keiner der jentyponischen Matrosen wollte irgend etwas während dieser Nacht bemerkt haben. Sie alle hatten Zeugen, die darauf schworen, die gesamte Zeit beisammen gewesen zu sein und somit hatte Daiv es dabei belassen.
Als er Kapitän Jaearon einen Bericht über die Vorkommnisse vorgelegt hatte, schien dieser nicht einmal darüber überrascht gewesen zu sein. >Was ist mit dem Schlüssel, Bursche.< hatte dieser nur gefragt und Daiv hatte den Kopf geschüttelt >Der war in meiner Obhut. Die Jentyponier kennen ihr Schiff besser als wir. Wahrscheinlich sind die Gitter der Zellen irgendwo lose.<
Auch Jaearon hatte es dabei belassen und lediglich eine Bestattungszeremonie, in der Nacht darauf, angeordnet, wie es Offizieren zustand. Außerdem sollten die Gitter repetiert werden.
Daiv war nicht stolz auf seine Entscheidung, doch war auch nicht übermäßig erschüttert über sein Handeln und Jaearons Gelassenheit dieser Sache gegenüber, ließ ihn auch ruhiger werden. Eine verdammte Schande, dass es soweit hatte kommen müssen, doch der liebe Frieden an Deck, war schon immer die wichtigste Voraussetzung für die Seefahrt gewesen und das wussten beide Kapitäne.
Der letzte Leichnam wurde über Bord gehievt und Jaearon verlautbarte, dass der Namensgebergott, die Armen Kerle aus dem Meer in die Ewigkeit führen würde. Die Chorr, so wusste Daiv, brauchten in ihrem Weg in das Jenseits, keinen Göttlichen, der ihnen die Hand reichte. Ihre Geister fanden alleine den Weg zurück an Land, indem sie sich an den glitzernden Glasperlen der chorrischen Leuchttürme orientierten und sich dann mit dem Weltenfluss Yash'hari verbanden. Doch die Jentyponier waren in ihrem Glauben, wie alle nativen Perunianer, den Jae ähnlich und so war Daiv dankbar dafür, dass Jaearon die Lesung zu der Totenfeier übernommen hatte. Daiv hätte nicht genau gewusst, was er sagen hätte sollen.
Nun da dieser traurige Teil der Nacht zu ende war, wurde Daiv zusammen mit Choyon, zurück auf die Echino gepullt. Dort liefen die Pumpen noch immer eifrig und die Matrosen hatten für die Zeremonie, nur wenig Interesse geheuchelt. Das war Daiv auch nur recht so, denn der Wasserstand in der Bilge war zwar nun konstant und stieg nicht mehr, doch war er konstant hoch.
Es war wichtig, dass sie endlich Reinke erreichten, einen der größten camonischen Häfen. Im neutralen Camo würde man die Echino repetieren können und dann so schnell wie möglich nach Norden gelangen, um die Neal Inseln zu infiltrieren. Natürlich war es ärgerlich, dass man Humbreen nicht hatte anlaufen können, denn nach Daivs letzten Informationen, befand sich Lehni noch immer dort, doch Reinke lag wenigstens nur eine Nachtfahrt lang, backbord achteraus und es gab so und so keine Zeit zu verlieren. Das Lockbuch, dass er von Kapitän Shwimmer erbeutet hatte, enthielt die aktuellen Signalcodes für die jentyponische Flotte. Wenn sie schneller waren, als sich diese ändern konnten, würden sie damit in der Lage sein, den Jentyponiern vorzuspielen, dass die Echino die Königin Chori aufgebracht hatte und nicht umgekehrt. Sie könnten ihren Feind also in einer falschen Sicherheit wiegen und dann zuschlagen. Doch dafür brauchten sie die Zeit auf ihrer Seite, eine jentyponische Mannschaft und ein heiles Schiff.
Obwohl Daiv die Echino bis jetzt nur im kaputten Zustand befehligt hatte, kannte er ihre Segeleigenschaften und Mannschaft nun doch bereits ganz gut. Das war seiner langen Zeit der Gefangenschaft auf diesem Schiff verschuldet und er musste zugeben, dass er es definitiv auch schlechter hätte treffen können. Sie war nicht die Carinya - nichts kam an die Carinya heran - doch für eine einfache Transporterslup, konnte sie schon eine ordentliche Geschwindigkeit an den Tag legen, wenn man wusste was man ihr abverlangen konnte. Und so freute sich Daiv ganz besonders, als sie endlich, an diesem grauen Frühsommermorgen, den Hafen von Reinke sahen, denn er wollte die Echino unbedingt ausprobieren, wenn sie ihr volles Potential entfalten konnte.
An diesem Morgen gab es ein reges Treiben auf dem camonischen Hafengelände. Das war nichts Besonderes, denn Camo handelte mit der gesamten Welt und galt im Moment als das reichste Königreich Perunas. Ständig kamen Waren aus Camos zahlreichen Kolonien, hier am Festland an und wurden emsig weiter in die anderen Königreiche verkauft, was auch den kriegstreibenden Nationen zugute kam. Doch bei all dem Gewusel in der Hafenbucht, stach doch ein Segel, für die beiden Ausgucken der Königin Chori und der Echino, fast zeitgleich und mit großer Besorgnis, heraus.
Choyon trat zu Daiv, der sich gerade mit dem Rudergänger unterhielt, der nicht genau wusste, wo sich die Rederei befand, die sie ansteuern wollten und meldete den Fund ihres Ausgucks mit ernster Miene >Kommodore Daiv! Wir haben im Hafen ein jentyponisches Schiff gesichtet!<
Sofort warf sich Daiv eine Kapuze über, um seine Chorrohren zu verstecken und suchte mit seinem Fernrohr die Mastgestänge der anderen Schiffe ab. Es waren zahlreiche, doch auch ihm fiel die stattliche Brigg sofort auf, die Backbord voraus vertäut lag.
Auch Choyon hatte sofort seine Kapuze aufgesetzt, denn solch einen Fall hatten sie bereits als Möglichkeit eingeschätzt gehabt.
Es handelte sich der Aufschrift nach zufolge um die Linguli. Sechzehn Schießscharten auf beiden Seiten, an Deck zwei Jagdkanonen. Nicht das Schlimmste, was Daiv je gesehen hatte, aber der sichere Tot für die Echino, würde es zu einem Gefecht kommen. Die Linguli wurde gerade mit neuen Spieren und Munition beladen und das Unterschiff wurde von Belag befreit, um sie wieder schneller werden zu lassen. Dieses Unterfangen hatte sie auf das Trockendock gesetzt. Sie machte einen guten, gesunden Eindruck, doch sie wäre so knapp vor Jentyponien, nicht in Reinke stehen geblieben, hätte es keinen Notfall gegeben und da sie Munition nachlud, war es wohl zu einem Zwischenfall mit den Lituoliern gekommen.
>Da!< Choyon zeigte backbord neben die Linguli. Dort befand sich die ehemals lituolische Nonion, tief im Wasser und schwer beschädigt. Eifrige Camonen und Jentyponier arbeiteten noch immer an ihrer Reparatur. Sie mussten sie als Priese aufgebracht haben und Daiv biss wütend die Zähne zusammen.
Nun war es Zeit ihre Signalcodes zu testen. Die Königin Chori hatte bereits vorsorglich beim Einlaufen in den Hafen, eine jentyponische Flagge setzen lassen, um so zu tun, als wäre sie die Priese der Echino. Sie fuhr auch langsamer, war absichtlich an Deck unterbesetzt und versuchte eine lahme Ente zu spielen. Auf der Backbordseite, die dem Hafen noch abgewandt war, hatte sie Fässer ausgebracht, die sich mit Wasser gefüllt hatten und ihr eine leichte Schlagseite verliehen, als wäre sie dort getroffen worden. Daiv ließ deshalb auch die jentyponische Flagge setzen und umschoten, während er gleichzeitig seinen Rudergänger - einen Jae - dazu anhielt, endlich Kapitän Shwimmers Uniform in Daivs Achterkajüte anzuziehen. Die Jae hatten zwar hundert mal Beschwerde eingereicht, dass sie nicht wie Jentyponier aussahen, doch Daiv konnte kaum einen Unterschied feststellen und war davon überzeugt, dass ein Jae noch immer hundert mal besser als Jentyponier durchging, als das ein Chorr tun würde.
Und es musste durchgehen. Sie konnten sich nicht auf ein Gefecht einlassen, ihr Schiff war viel zu schwach und beschädigt und in diesem Hafen, war das Risiko groß, Camos Neutralität zu verletzten, würde hier offen gekämpft werden. Trotzdem mussten sie die Linguli irgendwie übernehmen und die Nonion befreien, es war schließlich unmöglich, die Nachricht entwischen zu lassen, dass sich die Echino in Richtung Norden aufgemacht hatte, obwohl sie doch Gefangene nach Süden transportieren sollte. Würde in Jentyponien bekannt werden, dass die Echino nie dort angekommen war und sich nun wieder in ahnahnischen Gewässern befand, würden sie kein feindliches Schiff mehr täuschen können, ob ihre Signalcodes nun fehlerfrei waren, oder nicht.
Die Aufgabe war also wahnwitzig, doch deshalb gefiel sie Daiv auch so gut. Er ließ die jentyponische Flagge zur Begrüßung dippen, die Königin Chori tat es ihm nach und die Linguli und Nonion, antworteten alles andere als schüchtern. Sie dippten sogar zweimal und schienen sich zu freuen, jentyponische Schiffe zu sehen. Von der Linguli, die als Brigg definitiv der Slup vom Rang her überlegen war, kam nach einem Moment die Frage, streng dem Protokoll folgend, nach der Erkennungsnummer der Echino, indem sie eine gelbe Flagge schwangen und sie vollzog gleich danach den ersten Teil des Signalcodes, dem die Echino richtig antworten sollte. Daiv ließ zwei blaue Kreuzflaggen und eine Rote schwenken und die Erkennungsnummer noch einmal setzten, bevor er die jentyponische Fahne dann wieder dippte. Dann ließ er die wahren Jetyponier an seinem Deck, in gezwungenen Jubel ausbrechen, obwohl sie sich definitiv vor dem anderen jentyponischen Schiff, fürchteten. Dabei glitten sie ruhig und ohne aufgehalten zu werden, weiter und weiter auf die Linguli und Nonion zu. Die Königin Chori blieb ihr dabei so dicht auf den Fersen, wie das für ein angeblich beschädigtes Schiff, angebracht war.
Daiv ließ den Rudergänger, der nun Kapitän spielen musste und seinen eigenen Hut tief in sein Gesicht zog, an dem nächsten freien Dock neben der Nonion anlegen und gleich darauf eine wichtige Flagge setzen: Admiral an Bord.
Auch dafür hatte er sein geliebtes Codebuch befragt und er wusste, dass nur ein einziges Detail, die erste Etappe seines Plans zum Scheitern bringen könnte. Wüsste die Linguli, dass sich der Admiral nicht auf der Echino befinden konnte, weil er entweder auf der Linguli verweilte, oder sie ihn im Norden gesehen hatten, dann würde alles auffliegen. Wäre das nicht der Fall, dann müsste sich die Kapitänin der Linguli, so schnell wie möglich zu ihnen auf die Echino begeben, um sich mit ihrem Admiral zu besprechen. Dort könnte man sie ergreifen, ohne einen Schuss abgeben zu müssen.
Daiv betrachtete das verfeindete Schiff auf dem Trockendeck noch einen Moment lang, bevor er sich mit den anderen in der Achterkajüte auf die Lauer legen würde. Sie verweilte dort, ruhig, ein perfektes Ziel, könnte er es nur riskieren, sie direkt anzugreifen. Doch auch ihr Ersatzplan barg ein enormes Risiko mit sich, dem er zwiespältig gegenüber stand. Einerseits liebte er die Aufregung, die kleinen Tricks und Täuschungen, die auf hoher See zum Handwerk gehörten. Andererseits hielt er diese Spannung nicht mehr so gut aus, wie er dies früher getan hatte. Es war seltsam, er dachte, dass er sich nach seiner langen Gefangenschaft auf der Echino, wieder erholt hatte, doch ihm war trotzdem, als hätte er auf der Carinya etwas verloren, das er bis dahin nicht wieder gefunden hatte. Und anstelle dessen, hatte eine eigenartige Angst sein Herz ergriffen, eine Furcht vor der Hilflosigkeit, die er auf der Echino erfahren hatte. Mosai hatte seine Hand geleitet, als er sich am hilflosesten gefühlt hatte, davon war er überzeugt und er fragte sich, was er noch alles vollbringen könnte, würde er einem der Göttlichen als Titelträger dienen. Hätte er die Fähigkeit hinüber auf die Linguli zu fliegen, Feuer zu spucken oder die Erde erbeben zu lassen, dann könnte er diese Sache leicht beendet sehen, ohne die anderen in Gefahr zu bringen.
Doch er hatte keinen Titel. Er musste somit darauf vertrauen, dass seine Tricks ausreichten, um die Jentyponier zu fassen.
Nun blieb nur Warten. Kapitän Jaearon, Choyon, Chothan, sie alle hatten sich in der Achterkajüte der Echino versteckt und ihre Jentyponier am Deck antreten lassen. Sie sollten die Kapitänin der Linguli mit all den Ehren empfangen, die in der jentyponischen Marine üblich waren und von denen weder die Chorr, noch die Jae einen Ahnung hatten. Dann sollten sie die Kapitänin und ihre Offiziere zu der Achterkajüte bringen. Das war natürlich auf reichlich Widerstand getroffen, schließlich hatte man aus eben der selben Angst vor Entdeckung, die Offiziere der Echino loswerden wollen. Doch Daiv hatte versichert, dass die Kapitänin der Linguli, gewiss zu verwirrt und tief in Gedanken das Schiff betreten würde und sich keine Gesichter merken könnte. Außerdem wusste sie nichts von der Meuterei und man konnte argumentieren, dass die Jentyponier, als Kriegsgefangene zu der Kooperation gezwungen worden waren.
Die Chorrbesatzung hatte man während dessen nach unten zu den Pumpen geschickt, schließlich drohte das Schiff noch immer unter zu gehen, sollte man das Wasser in der Bilge nicht auf konstantem Stand halten.
Auf der Echino wurde also verhalten Lobgesänge auf die Kapitänin der Linguli und den Admiral gesungen und gejubelt als sie endlich reagiert hatte und ihr Boot zu ihnen gepullt worden war. Daiv drückte sein fast verheiltes Ohr an das Holz der Achterkajüte um sich anzuhören, wie die Lage da draußen aussah.
In der kleinen Kajüte wurde es heiß und stickig, während sie sich alle um die Tür herum kauerten und auf das Öffnen dieser lauerten. In Camo war der Frühsommer weit aus spührbarer als in den Gewässern vor Jentyponien und die Anspannung trug ihren Teil dazu bei, dass sich die kleine Gruppe, mit ihren gezogenen Waffen, wünschte dass nun endlich etwas geschehen möge. Es war nicht wirklich Angst wahrnehmbar, aber definitiv der Wunsch dieses Unterfangen über die Bühne zu bringen.
Doch es passierte nichts. Der Befehl zum auswerfen einer Strickleiter für die Kapitänin wurde in Jentyponisch gegeben, das Pullen der Leiter, ihr Schlenkern und Reiben, war zu hören und der Jubel wurde lauter, doch weiter geschah nichts. Blicke huschten zwischen den Chorr hin und her und auch Kapitän Jaearons Stirn runzelte sich. Was wenn die jentyponische Besatzung die Gelegenheit genutzt und sie an die Linguli verraten hätte?
Zu ihrem Unglück, war genau das passiert. Die Tür ging nun doch auf, plötzlich und überraschend und gezogene Degen starrten den Lituoliern entgegen, zusammen mit den verstimmt aussehenden jentyponischen Offizieren der Linguli.
Die Lituolier holten zwar erschrocken Luft, doch da sie alle erfahrene Kämpfer waren, reagierten sie schnell auf die schockierende Situation. Natürlich taten sich besonders Chothan und Choyon hervor, die als Weiße Klingen wussten, dass ein Zögern tödlich sein konnte.
Sie preschten vor und schlugen die Waffen der Jentyponier zur Seite und schufen so einen Korridor, der Daiv, Jaearon und dem armen, verkleideten Rudergänger nutzte. Die jentyponischen Befehlshaber waren nur zu viert, Kapitänin Rheophax von der Linguli, ihr erster Offizier, der die Nonion befehligen sollte und zwei Fähnriche. Sie alleine trugen Waffen, dennoch waren die restlichen verräterischen jentyponischen Matrosen ebenso gefährlich, denn es waren viele und ihre Anzahl gab ihnen einige Möglichkeiten um die Lituolier zu ergreifen. Daiv musste sich also vor sehen. Er packte den armen Rudergänger am zu langen Ärmel und zog ihn mit sich zur Gallerie, die der Königin Chori zugewandt war. Er fuchtelte dabei mit seinem Degen und hielt die Matrosen auf Abstand, während Choyon und Chothat, heldenhaft die Offiziere in Schach hielten.
An der Backbordreling angekommen, zog Daiv den Rudergänger hinter sich und bildete zusammen mit dem alten Jaearon, einen armseligen kleinen Igel. Sie waren nun durch die herangeströmten jentyponischen Matrosen, die sich ihren Offizieren nun beweisen wollten, von den beiden Mitgliedern der Weißen Klingen abgeschnitten. Diesen schien jedoch nicht die Puste ausgehen zu wollen, denn sie kämpften Rücken an Rücken, als wäre diese Situation nur eine Aufwärmübung für sie. Es wurde in Jentyponisch Befehle gebellt, die Matrosen Grölten auf, in einer bedrohlichen Art und Daiv vermutete, dass Kapitänin Rheophax jedem Matrosen ein Goldstück versprochen hatte, der ihr Daivs Kopf brachte. Die Hafenarbeiter und Passanten unten an den Docks sahen angespannt dem Treiben auf der Echino zu, doch wollten sich nicht einmischen, solange nicht fest stand, was da oben vor sich ging. Es würde die camonische Hafenwache wohl bald gerufen werden und dann hatten sie erst richtige Probleme.
Eine Gruppe Zuschauer, die sich sicher nicht zurück hielt und drauf und dran war einzugreifen, waren die Chorr und Jae von der Königin Chori. Ihr Schiff lag längsseits von der Echino, nur einen Katzensprung entfernt und sie hatten beteits Säbel, Entermesser und Pfeile gezogen, sodass sie nur noch auf den Befehl ihres Kapitäns warteten. Dieser wechselte einen Blick mit Daiv. Ihnen war beiden klar, dass sie die Neutralität Camos brachen, wenn sie hier offen gegen die Jentyponier kämpften, doch ihnen blieb nichts anderes übrig. Daiv würde nicht mehr zurück in die Kriegsgefangenschaft gehen und den Vorteil der Codebücher verschwenden, den er sich gerade erst erarbeitet hatte. Ein Nicken von Jaearon an die Königin Chori später, warf seine Mannschaft auch schon wild schreiend jede Trosse und jeden Haken nach der Echino und legten Planken über die Reling der beiden Schiffe, alles um so schnell wie möglich entern zu können. Jaearon bedachte diesen Sturm seiner Mannschaft mit einem scheuen Lächeln, doch dann zog er an Daiv mit einem erschrockenem Gesicht und rief >Owe mit eich!<
Daiv hatte zwar nicht genau verstanden, was der Kapitän ihm sagen wollte, doch instinktiv wusste er doch, dass er sich duckte und zusammen mit Jaearon und dem Rudergänger hinter der Reling Deckung fand. Gerade noch rechtzeitig, denn da sausten schon die Pfeile der chorrischen Bogenschützen henüber zu der Echino und brachten einige der jentyponischen Gegner zu Fall.
Es war wichtig, dass die Königin Chori eingriff. Es gab ihnen einen Moment Zeit, bevor die Hafenwache auftauchte. Doch es würde auch helfen den nächsten Streich der Jentyponier aufzuhalten, denn Kapitänin Rheophax gab Befehle, die das Bild an Deck gravierend veränderten. Die unbewaffneten Jentyponier ließen sich auf kein Gefecht mit den Lituoliern ein, sie stürmten auf ein mal den Niedergang hinunter, in den Bauch des Schiffs. Zur selben Zeit pullte Verstärkung von der Linguli und Nonion herüber. Rheophaxes eigene Männer, mit schlagkräftigen Waffen. Daiv wusste, dass er etwas unternehmen musste. Es sah deutlich danach aus, dass die jentyponischen Matrosen dazu angehalten worden waren, seine Chorr an den Pumpen zu überwältigen und das Schicksal des Schiffs in ihren Händen zu halten. Sie würden dann bestimmen, ob die Echino unterging oder nicht und hätten ein Druckmittel gegen die Lituolier. Schließlich würden sie Festsitzen, müssten sie auch die Flagge der Königin Chori streichen.
Daiv konnte das nicht zu lassen. Er sammelte einige Männer der Königin Chori ein und versuchte einen Ausbruch, quer über das Deck, gegen die anstürmenden Gegner von der Linguli und Nonion. Er schaffte es auch, durch wilde Entschlossenheit mit seiner kleinen Gruppe den steuerbord Niedergang zu erreichen und den jentyponischen Matrosen nachzusetzen. In den engen Gängen im Bauch des Schiffs war es schwierig Vorteile auszunutzen, ob man nun viele oder wenige Mann mit hatte, doch einen entscheidenden Aspekt hatte Daiv sich trotzdem behalten. Ohne Waffen mussten sich die Jentyponier ergeben, oder würden unter Deck sterben, wo auch immer man sie in den engen Gängen fand. Das Waffenarsenal des Stückmeisters war backbord und wurde von vier Chorr bewacht, die schwer bewaffnet waren, also musste sich Daiv keine Sorgen darüber machen, dass sein Vorteil erlosch und sich die Gegner womöglich Entermesser besorgen könnten.
Trotzdem fühlte er sich so lange angespannt, bis die Pumpen unter Kontrolle waren. Das stellte sich nicht als übermäßig lange Zeitspanne heraus, denn bald waren alle Matrosen wieder eingefangen, oder tot. Die Gefangenen ließ er einsperren, die Pumpen besetzen und mit dem Rest der verbleibenden Lituolier, wollte er zurück an Deck gelangen. An ein überraschend ruhiges Deck.
Es waren weder die trüben Gesänge der kriegerischen Jentyponier zu hören, noch das Geklirre von Schwertern oder die schmerzenden Hilferufe von Gegnern wie Freunden. Es war absolut ruhig, als hätte die Welt da oben auf Daiv gewartet. Er näherte sich dem Niedergang also vorsichtig und ging gerade nur so viele Stufen nach oben, um über den Rand der Treppe auf das Deck sehen zu können. Dort schien man tatsächlich auf ihn gewartet zu haben. Die Lituolier hielten zähneknirschend ihre Waffen still, die Jentyponier blickten zufrieden grinsend zu Kapitänin Rheophax, die zu Daivs Überraschung hinter Kapitän Jaearon hervor spähte und ihm einen Dolch an den Hals gelegt hatte.
>Kommt heraus, Kommodore Delan. Dieses Schauspiel hat bereits zu viel unserer Zeit gekostet und die Nachmittagsflut wird uns das nicht vergeben.<
Daiv duckte sich instinktiv zurück in den Niedergang, auch wenn er wusste, dass er schon längst entdeckt worden war. Er sah Chothan und Choyon, wie diese ebenso unwillig und voller Anspannung abwarten mussten, welche Situation sich nun ergab. Doch auf Jaearons Gesicht war die Ruhe eines alten Mannes zu sehen, der sich damit abgefunden hatte, dass sein Leben darin bestanden hatte, seinem Reich zu dienen und er dies bis zum Schluss so tun würde.
Daiv kaute auf seiner Unterlippe herum, bevor er endlich das Wort ergriff >Was wollt Ihr von mir?<
>Das Codebuch, die Echino, die Königin Chori und Eure Freiheit.< antwortete Kapitänin Rheophax kühl und kalkuliert. Also im Grunde alles. Alles für Jaearon von Humbreens Leben.
Das war ein Preis den Daiv zahlen wollte. Auch wenn er den älteren Kapitän kaum verstehen konnte, auch wenn sie unterschiedlichen Völkern angehörten und von einander bis vor kurzen noch nie etwas gehört hatten, war Kapitän Jaearon doch Teil seiner Freunde. Daiv würde sich schon irgendwie wieder aus der Linguli befreien, ihm würden neue, noch wertvollere Informationen irgendwie in die Hände fallen und damit würde er den Verlust seines Codebuches wieder ausgleichen können. Er würde Jaearon retten und ihm würde dies nicht zum Nachteil verkommen. Die Götter würden seine Loyalität belohnen.
Er zog das Codebuch aus seiner Manteltasche und stieg den Niedergang hinauf. Die Lituolier japsten erschrocken darüber, dass Daiv tatsächlich dazu bereit war, ihren Vorteil aufzugeben und ihre Blicke verfolgten jeder seiner Schritte, als würden sie ihn fragen wollen, warum ihm nichts Besseres eingefallen war.
Doch sie mussten ihn das nicht fragen, jemandem war zum Glück etwas Besseres eingefallen. Aus dem Topprigg der Königin Chori pfiff ein Pfeil an ihnen vorbei, schoss Kapitän Jaearons Hut von seinem Kopf und traf mit der Kopfbedeckung Kapitänin Rheophax in ihr Gesicht. Diese Ablenkung nutzte der Jae um sich zu befreien und der Kampf wurde mit voller Wucht wieder aufgenommen. Daiv steckte das Codebuch weg und hob seinen Säbel ohne weiter zu zögern. Noch hatten sie eine Chance, um diese prekäre Lage zum Guten zu wenden.
Als er das Deck der Echino entlang lief und sich einen Weg zu Chothan und Choyon bahnte, fielen ihm die camonischen Hafenwächter auf, die sich mittlerweile auf dem Pier aufgestellt hatten und das Treiben auf dem jentyponischen Schiff mit streng wachsamen Augen beobachteten. Sie griffen jedoch nicht ein, wie Daiv bemerkte, sie wollten wohl nur ihr eigenes Eigentum beschützen und abwarten, wer den voranschreitenden Kampf gewann und mit wem man anschließend über Reparationszahlungen verhandeln musste. So gesehen, war es eigentlich ein Nachteil der Gewinner dieses Scharmützels zu werden, doch dieser Umstand war nicht mit der Bedrohung für ihr Königreich aufzuwiegen.
Ein unerwarteter Stoß gegen seine Schulter katapultierte Daiv plötzlich flach auf die Planken seines Schiffs und sein Säbel schlitterte aus seiner Hand. Es war ihm noch nichts weiter passiert, doch er wusste genau, dass sich das schnell ändern konnte. Er rollte sich zur Seite, einen Hieb erwartend. Er war durch dieses Manöver tatsächlich einer Attacke von oben entgangen und hatte sich in Sicherheit bringen können, doch war dadurch noch weiter von seiner Waffe getrennt worden. Nun befand er sich verteidigungslos Auge in Auge mit seinem jentyponischen Gegner, der ihm nach eilte. Daiv riss instinktiv die Arme nach oben, um Kopf und Thorax zu schützen. Für letzte Gedanken blieb keine Zeit.
Doch es ließ ihn kein Säbelhieb zusammenzucken, vielmehr der plötzliche Klang einer vorbei sausenden Kanonenkugel und deren Einschlag hinter ihnen. Er riss die zugekniffenen Augen wieder auf, rollte sich weiter über das Deck und fragte sich zurecht, wer da geschossen hatte. Das Knallen einer Kanone war nicht zu hören gewesen, nur das Sirren der Kugel, als diese knapp über ihnen die Luft zerschnitten hatte. An der Reling zog er sich wieder auf die Beine und sah hinter sich in die chaotische Menge. Sein Gegner war im Gewirr aus Körpern verschwunden, vielleicht gehörte er sogar bereits zu jenen leblosen Seelen, die auf das blutverschmierten Deck gesunken waren.
Sein nächster Schub von Aufmerksamkeit galt der Kanonenkugel. Es gab keine Rauchfahne der er folgen konnte, doch der Panik an Land nach zu urteilen, war sie über die Echino hinweg geflogen und irgendwo auf den Piers eingeschlagen. Die Hafenwächter schienen sich um das Trockendock zu scharren und Daiv versuchte zu erkennen, was dort vor sich ging. Eine zweite Kugel flog da über sie hinweg, nun knapper und der Chorr konnte ihrer Bahn mit den Augen genau folgen, bis sie sich krachend durch den Rumpf der gerade im Trockendock aufgebockten Linguli bohrte und dort ein zweites Loch verursachte. Mit prickelnden Wangen drehte sich Daiv zum Meer und suchte aufgeregt die anderen Schiffe dort ab. Sie alle zogen chaotisch an der Echino und Königin Chori vorbei, manchen hatten hastig ihre Leinen losgemacht, um dem seltsamen Beschuss von stummen Kanonenkugeln zu entkommen, andere da sie auf der Echino Piraten vermuteten. Doch eines der Schiffe kam direkt auf Daiv zu und es dippte dabei aufgeregt seine Signalflaggen: 'Admiral an Bord!'
Bei den Göttern, bei den großen und kleinen, den der Chorr, der Jae und den der T! Das war doch die Elphidia!
>Streicht die Flagge! Streicht die jentyponische Flagge und zieht die Lituolische auf!< befahl Daiv augenblicklich der kleinen Besatzung, die sich noch auf der Königin Chori befand und er hoffte, dass auch jemand von der Echino ihn gehört hatte. Er durfte nicht zulassen, dass man sie für Jentyponier hielt, und Gnaeo dem Trugschluss erlag, dass man die Königin Chori tatsächlich mit Gewalt befreien musste. Nein, er sollte sich mit seinen verrückten Fähigkeiten darauf konzentrieren, Kanonenkugeln auf die Linguli zu schleudern.
Dieser Wunsch ging jedoch nicht in Erfüllung, denn das nächste Geschoss, traf die Echino, noch bevor Daiv zum Flaggenmast eilen hatte können, um selbst die lituolische Flagge zu setzen. Während dem Einschlag warf es den Chorr gegen die Reling und das Knacken von Holz und bersten Trossen, ließen für ihn deutlich werden, dass wohl der Bug getroffen worden war. Die Pumpen liefen noch immer mit voller Kapazität unter Deck und so würden sie nicht sofort sinken, doch Gnaeo musste davon abgehalten werden, sie weiter zu treffen. Daiv hüpfte also auf dem Deck auf und ab, fuchtelte wild mit den Armen und schrie hinüber zu der Elphidia, dass Gnaeo – dieser wahnsinnige Wunderknabe – doch erkennen solle, wen er da vor sich hatte. Außer Atem und ohne Fernglas war er darauf angewiesen mit zusammengekniffenen Augen hinüber auf die Elphidia zu spähen und zu erraten, ob Gnaeo ihn gesehen hatte, doch er glaubte von dem befreundeten Schiff, zumindest ein verwundertes Zögern wahrzunehmen. Diese Chance ergriff er, um die Kiste neben dem Fahnenmast zu durchwühlen und nach der lituolischen Flagge zu suchen. Das blieb erfolglos und so schnappte er sich das nächst beste, was er für eine Kommunikation mit Gnaeo verwenden konnte: Das Signal für die Beschimpfung, dass die Elphidia doch Tiedenfieber an Bord hätte.
>Ja! Ja!< japste er vergnügt und voller Aufregung, als weiterhin Schüsse von der Elphidia ausblieben und er ließ das Signal hängen, während er sich in das Rigg schwang und versuchte, in der Hoffnung sich so stärker von den kämpfenden Gestalten an Deck abzuheben, über die Saling hinaus, nach oben zum Eselshaupt zu klettern. Er brauchte dafür jedoch viel länger, als er es gewohnt war. Die Echino war nicht ideal aufgeriggt und er erkannte auch, wie schwach er nach seiner langen Gefangenschaft geworden war. Doch er schaffte es schließlich weit genug, um sich an der Bramrah in ein Tau zu krallen und ohne sich im Springstropp zu verheddern, der Elphidia abermals wild zu winken. Unter ihm tobte noch immer das Gefecht wie ein Wirbelsturm über das Deck, das Geklirre und Geschrei drang deutlich zu ihm nach oben und von hier aus konnte er auch sehen, wie Luftblasen aus dem schmierigen Hafenwasser Steuerbord an die Oberfläche kamen, wo Gnaeo sie wohl unter der Wasserlinie mit der Kanonenkugel getroffen hatte.
Sein Gesicht verzog sich missbilligend bei diesem Fund. Es war nun umso wichtiger, mit Gnaeo Kontakt aufzunehmen.
Er versuchte auf der Elphidia etwas zu erkennen, doch dort blieb weiter hin alles verdächtig ruhig >Hey! Hey Gnaeo! Du fauler verpennter Landlubber! Hier drüben! Ich bin es! Daiv!< versuchte er mit seiner mächtigsten Kapitänsstimme herüber zu rufen und damit gegen den Kampflärm anzukommen. >Ich freu mich so dich zu sehen! Mosai muss dich geschickt haben!<
>Ich freu mich auch dich zu sehen!< erklang die Antwort überraschender Weise hinter Daivs Rücken und als sich der Chorr umwand und vor Schreck fast von der Bramrah gefallen wäre, erkannte er Gnaeos Gestalt über ihm schweben. Er war wohl herüber gekommen, während Daiv in die Takelage geklättert war und hatte dabei den Schutz der Sonne genutzt, die immer wieder vorsichtig hinter den dichten Wolken hervor spähte. Auch jetzt war Gnaeo noch immer von gleißendem Sonnenlicht umrahmt und seine weißen Haare und die blassen Augen ließen ihn in Daivs Gedanken wie ein Geist aussehen. Ein wunder schöner Geist.
Gnaeo reichte ihm eine Hand um ihn zu stabilisieren >Na na Bruder. Jetzt nicht schlapp machen!<
Daiv wollte seine Hand schon schockiert wegziehen, doch das hätte ihm wohl endgültig das Gleichgewicht mit entrissen >Bruder? Was ist in dich gefahren?<
Er fing Gnaeos Blick auf, der lange und vielsagend war. Der T grinste dabei nicht, so wie er es sonst tun würde, in seinen Augen war kein Spott zu finden, nur große Verbundenheit und Daiv verstand, dass der Verlust der Carinya, sie beide zu Bründern machte.
Gnaeo brauchte nicht viel Erklärung dafür, was vorgefallen war, oder wen man bezwingen musste. Er verstand augenblicklich, dass man am Besten die Gefangenen der Nonion befreien sollte, um den Lituoliern endgültig die Überhand an Manneskraft zu gewähren und verspracht während das geschah, die Jentyponier gemeinsam mit seinen T in Schach zu halten. Daiv nahm den Auftrag, die Nonion zu befreien gerne an und nachdem das gelungen war, musste auch Kapitänin Rheophax eingestehen, dass sie dieses Scharmützel im Hafen von Camo, verloren hatten.
Doch auch die Lituolier hatten Verluste erlitten. Es waren nicht nur vierundzwanzig Chorr, T und Jae bei den Kämpfen um ihr Leben gekommen, auch die Echino hatte mittlerweile solch großen Schaden genommen, dass sie bei Anbruch der Dunkelheit, auf dem Grund des Hafens verschwunden war. Und all dem nicht genug, mussten sie auch noch Geld verlieren.
Die Camonen waren dafür bekannt, ein habgieriges Völkchen zu sein. Die Hafenwache hatte Gnaeo, Kapitän Jaearon und Daiv, gleich nach dem Kampf in einem Zimmer der Hafenfestung festgesetzt und verhandelten nun unnachgiebig, wer für dieses ganze Schauspiel aufkommen musste. Auf ihrer Rechnung waren verständliche Posten zu finden, wie der Bruch der camonischen Neutralität, in dem man in ihren Häfen einen Konflikt ausgetragen hatte, der Camo nicht betraf. Es waren aber auch unverständliche Posten zu finden, wie die Beseitigung der Echino und die Kosten für deren Reparatur.
>Wenn sie beseitigt werden muss, dann kann sie nicht mehr repetiert werden. Warum müssen wir dann dafür zahlen?< Gnaeo hatte glücklicher Weise diese Verhandlungen in seine Hand genommen. Jaearon war kein reicher Fürst und konnte kaum etwas zu dem Tilgen ihrer Schulden beitragen und Daiv war so und so ein armer Schlucker. Er war weder reich geboren worden, noch hatte er bis jetzt viel Priesengeld erbeuten oder behalten können und so blieb er definitiv der stille Zuhörer in dieser Angelegenheit. Und nicht einmal das, er hörte nur mit halbem Ohr der verdrehten camonischen Erklärung zu, dass die Echino ja reperiert hätte werden können und die camonischen Hafenarbeiter, praktisch schon den Auftrag dazu bekommen hätten, doch der größte Teil seiner Aufmerksamkeit galt der Frage, warum Gnaeo eigentlich hier in Camo aufgetaucht war.
>Von mir aus!< wischte Gnaeo alle nervenden Erklärungen vom Tisch und verschränkte dann die Arme vor der Brust >Ihr sollt die Linguli als Zahlung für die Echino bekommen. Das ist viel großzügiger, als ihr es eigentlich verdient hättet!<
>Ihr solltet euch freuen, dass wir so großzügig sind und euch nicht in den Kerker werfen! Ihr habt eine Kampfhandlung auf unserem Grund und Boden zu entschuldigen! Da ist jeder Preis gerechtfertigt, den wir verlangen!<
>Was verlangt ihr denn noch?<
Der camonische Verhandler grinste unter seiner Halbmaske hervor >Die Linguli hat unter eurem Beschuss schwer gelitten! Die Reinigung und Reparatur wurde von Kapitänin Rheophax noch nicht bezahlt worden und jetzt müssen wir schon wieder ein Loch stopfen lassen. Diese Rechnung ist noch offen.<
Gnaeo rieb sich die Schläfen und Daiv war froh darüber, dass man ihm die Streitaxt abgenommen hatte, denn er war sich sicher, dass der T diese nun liebend gerne zücken haben wollte.
>Schön. Dann bekommt ihre auch noch die Nonion.< er streckte seine Hand aus und verlangte mit einem eindringlichen Blick, dass keine weiteren Forderungen gestellt werden sollten. Mehr lag auch nicht auf dem Verhandlungstisch, denn die Elphidia würde der Lord der T niemals hergeben und die Königin Chori wollte niemand.
Der camonische Verhandlungspartner lächelte zufrieden und schlug ein. >Geschäftlich rein.< sagte er und Gnaeo wiederholte das camonische Mantra >Geschäftlich rein.<
>Ich erlaube mir die Herren auf einen Schluck Wein einzuladen, jetzt wo diese unangenehme Sache abgeschlossen ist.< der camonische Beamte grinste und solch einer netten Einladung, konnte man nicht widersprechen.
Obwohl Daiv normaler Weise jederzeit in Feierlaune war und sich eine solche Gelegenheit nicht entgehen lassen würde, war er dennoch in diesem speziellen Fall, höchst unkommunikativ und überließ Gnaeo, Kapitän Jaearon und der immer gut gelaunten Choyon das Reden. Er war dafür in tiefen Gedanken versunken, besorgt darüber, im Moment kein Schiff mehr zu haben. Das kratze nicht nur an seinem Ego, sondern machte auch einen breiten, roten Strich durch seine Rechnung. Ohne Echino oder Linguli, würde er die jentyponischen Piraten nicht täuschen können und das Codebuch, das er erbeutet gehabt hatte, wäre nutzlos. Er musste schleunigst an ein neues jentyponisches Schiff heran kommen und das noch bevor die jentyponischen Gegner ihre Codeworte würden ändern können.
Selbst Gnaeo waren Daivs sorgenvolle Miene und seine Stille Art aufgefallen, obwohl sich der T normaler Weise nicht damit rühmen konnte, in solchen Angelegenheiten besonders aufmerksam zu sein. Er sprach den Chorr beim Hinausgehen darauf an und Daiv umriss kurz seine Sorgen, während sie an den Piers entlang zur Elphidia stapften. Das war das Schiff auf dem Daiv nun residieren sollte, im Moment konnte er sich nur Passagier nennen. Die überlebenden Jentyponier hatten man auf die Königin Chori und die Elphidia aufgeteilt, die befreiten Chorr der Nonion waren ebenso in die Mannschaften dieser beiden Schiffe aufgenommen worden und so waren beide lituolische Vehikel hoffnungslos überfüllt. Gnaeo konnte also seine Hilfe dabei gebrauchen, auf der Elphidia die Ordnung aufrecht zu halten, doch es war dennoch nicht das selbe wie ein eigenes Kommando zu haben. Er vermisste seine Carinya.
>Am Liebsten wäre es mir, wenn wir ein neues jentyponisches Schiff aufbringen könnten. Und zwar so schnell wie möglich, damit ich mit diesem Köder zu den Neal-Inseln gelangen kann. Ich weiß nicht, ob ich dafür deine Hilfe verlangen darf, Gnaeo. Ich weiß nicht einmal was du hier in Camo machst!<
Der T hatte sich all die Sorgen und gescheiterten Pläne genau angehört und blieb nun vor dem Boot stehen, das sie von den Pieren zu der Elphidia bringen sollte >Ich war auf dem Weg den kleinen Artheon zu retten.< antwortete er schließlich und blickte nachdenklich zu seinem Schiff hinüber, das halb im niedrigen Nebel des Abends verdeckt lag, der über das stinkende Hafenwasser davon zog.
>Ich dachte du warst auf dem Weg die Neal-Inseln zurück zu erobern.< stichelte Daiv ein wenig belustigt und ohne viel Ahnung davon, was sich an der Front der beiden Jae-Spionen zugetragen hatte.
>Ja das denkt Chori auch.< antwortete Gnaeo und grinste solch ein dreckiges Grinsen, das es zum schmutzigen Hafenwasser passte >Ich dachte aber dass meine Fähigkeiten bei der Rettung von Jaeartheon besser aufgehoben wären.<
>Bis jetzt?<
>Bis jetzt!< Gnaeo strahlte bis über beide Ohren bei der Vorstellung, eine jentyponisches Schiff zu jagen und aufzubringen.
Die Aufregung die man bei der Jagd eines ebenbürtigen Gegners empfand, kannte Daiv nur zu gut und deshalb wusste er genau, was Gnaeo dachte. Dennoch zögerte er >Doch wenn Jaeartheon Rettung braucht-<
>Er ist entweder bereits tot oder er wird von den Manengrundern als wichtiger Gefangener so sehr gehegt und gepflegt, dass er gar nicht mehr zurück will. Ich gebe dir sieben Tage. Wenn wir innerhalb dieser Zeit kein jentyponisches Schiff überwältigt haben, kann ich dir nicht weiter helfen. Dann setze ich dich in Lituolien ab und fahre weiter um Jaeartheon zu befreien.<
Gnaeo streckte eine Hand aus und Daiv schüttelte diese lächelnd >Abgemacht!<
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