13.2. Chori
Ehre gebührte definitiv der tapferen kleinen Anaria, jenem langsamsten Schiff, das sich am Ende von Daiv Delans Konvoi befunden hatte und bereits verloren geglaubt gewesen war. Sie hatte sich nach der ersten Sichtung der Angreifer nicht auf einen Kampf eingelassen, sondern war schnurstracks umgekehrt und hatte sich zurück zur ahnahnischen Küste durchgeschlagen. Dort war die Warnung vor den jentyponischen Aggressoren auf alarmierte Ohren gestoßen und man hatte sofort damit begonnen, eine Flotte zusammenzustellen, deren Aufgabe es war, die Neal Inseln zurück zu erobern.
Chori hatte vermutete, dass Daiv als nächstes in Carot Halt machen würde, wenn er es schaffte den Angreifern zu entkommen und so war sie auf dem Rücken ihres Drachen Bahara, genau dort hin geeilt und hatte Daiv und die schwer beschädigte Kalas, wegen schlechtem Wind und fehlenden Reparaturen, um zwei Tage überholt. Gnaeo und Chori waren also bereits informiert gewesen, als Daiv, Lehni und die Besatzung der Carinya und der Kalas im Hafen Alingot eingelaufen waren. Dort konnten die beiden beschädigten Schiffe repetiert werden, während Chori, die beschlossen hatte die Sache nun selbst in die Hand zu nehmen, mit ihrem Gefolge nach Ishtland segelte und versuchen würde die Sasanlier um Hilfe zu bitten. Die Carinya und Kalas würden unter Choyons Befehl nachkommen, wenn sie wieder einsatzbereit waren.
Am Anfang der Reise war die Stimmung auch sehr gut gewesen, nicht nur Choris Sorge um die Freunde war eine Wohltat für deren aufgeriebenen Nerven, sondern auch Daivs großzügige Kanonentaufe von Lehni, war ein freudiger Akt gewesen. Aufgrund der Tapferkeit die der Sasanlier bei der Verteidigung ihrer königlichen Hoheits Fregatte Carinya bewiesen hatte, war Lehni vom Kapitän eben dieses Schiffs, von einer Landratte zu einem echten Seemann ernannt worden. Und wie es bei solchen Anlässen Brauch war, hatte Daiv ihm mit dem Ruß einer, in eben diesem Kampf abgeschossenen Kanone, einen Schnurrbart auf sein zierliches Gesicht gemalt. Lehni war darüber so stolz und entzückt gewesen, dass er sich seit dem den rechten Kringel dieser Bemalung, nicht von der Wange waschen wollte.
Doch je näher sie der Küste von Ishtland kamen, desto angespannter war die Stimmung des Sasanliers geworden und da man seine Launen im Normalfall weder überhören noch übersehen konnte, zog es auch die anderen Mitglieder ihrer Reisegemeinschaft mit runter. Daiv versuchte zu vermitteln, besonders jetzt, da sie nun auf der Hafenanlage von Tister, auf eine Kutsche warteten, die sie in das Inland bringen sollte. >Ich dachte du wärst erfreut darüber, wieder in deine Heimat zu kommen. Warum bist du so verstimmt?<
Doch dieser Versuch traf nur auf taube Ohren.
Wie ihnen Lehni auf der Fahrt mehrfach erzählt hatte, waren Sasanlier wohl das territorialste Völkchen von ganz Peruna. Man blieb normalerweise sein ganzes Leben lang in dem Stamm, in den man hinein geboren worden war und kommunizierte kaum mit dem benachbarten Grüppchen an Artgenossen, was bei dieser zerklüfteten und felsigen Insel, auch nicht sonderlich schwer war. Man konnte Kilometer weit fliegen, bevor man wieder ein bewohnbares Tal fand und so lebten die Sasanlier Stämme jeder für sich, isoliert von den anderen und ohne sich zu vermischen. >Die Jaefürsten mögen einander nicht.< hatte Lehni ihnen auf dem Schiff neunmalklug erklärt und bedeutungsschwer in ihre Gesichter geblickt >Doch die Sasanlier hassen die Sasanlier eines anderen Stamms.<
Gemischt wurde unter den Stämmen anscheinend auch nicht, das würde nicht nur mit Empörung gestraft werden, sondern manchmal auch mit Gewalt. Sollte man ein Mitglied eines anderen Stamms ehelichen wollen, so musste man in eine der Städte ziehen, die von den Chorr errichtet worden waren. Dort sah man die Sache lockerer, es waren liberalere, moderne Plätze in der Kunst und Kultur, Philosophie und Handel betrieben wurde. Lehni schwärmte immer wieder von Laumranea, der zweitgrößten Stadt, in die er hinein geboren worden war.
Doch noch schlimmer als der Argwohn gegenüber den übrigen Bewohnern der Insel Ishtland, war die Abneigung, die Sasanlier erleben mussten, die es gewagt hatten auf das Festland zu gehen. Diese wurden bei dem Verlassen ihrer Heimat, automatisch als Geächtete angesehen, egal aus welchem Grund sie nach Ahnahn übergesetzt hatten und konnten selbst in den Städten, bei ihrer Rückkehr, mit Anfeindungen rechnen. Man stank nach Ahnahn und hatte alsbald keine Heimatgemeinschaft mehr. Auch Lehni war von diesem Schicksal betroffen, doch ihm war diese Konsequenz schon als Kind bei seiner Abreise bewusst gewesen und als Betroffener dieses unfairen Systems, nahm ihm der Trotz der Ausgestoßenen, die Angst vor der Gewalt. Vielleicht taten seine drei Beschützer aber auch ihren Beitrag dazu.
Und auch wenn all diese schwierige Hindernisse in Sachen Diplomatie zwischen Sasanliern und Chorr, die Lage in der sich Lehni befand und die Dringlichkeit der Angelegenheit, alles seine Berechtigung dazu hätte, dem Sasanlier auf den Magen zu schlagen, war all dies doch nicht der Grund für seine schlechte Laune. Er hatte es schon bei dem Erhalt seiner Mission gesagt und er würde es wieder sagen >Diese animalischen Instinkte haben keinen Platz mehr dazu verdient, unser Handeln zu bestimmen! Ich werde mit der Gouverneurin sprechen, eben weil ich ein Ausgestoßener bin und nicht obwohl ich ein Ausgestoßener bin!< doch was er anstelle dessen nun Daiv antwortete, waren keine selbstsicheren Phrasen mehr, im Gegenteil, er wollte das wahre Problem nicht ansprechen >Natürlich freue ich mich meine Heimat wieder zu sehen, vor allem meine Familie. Vergiss es einfach!<
Nachdem sich selbst Daiv nicht mehr traute, etwas darauf zu sagen, hielten sich auch Chori und Gnaeo mit Kommentaren zurück. Erstere aus Weisheit, Zweiterer aus Desinteresse heraus.
Die Kutschenfahrt wurde deshalb zu einer stummen Angelegenheit, während das Rumpeln der schlechten Straße das dominante Geräusch darstellte. Doch wenigstens war diese kurz, denn sobald man weiter hinauf in das Gebirge wollte, musste man auf die Landpferde gänzlich verzichten. Ab hier kamen die berühmten und gutmütigen Pegersusse der Sasanlier wortwörtlich zum Tragen und selbst Chori stieg auf den Rücken eines dieser geflügelten Pferde, denn sie hatte Baharah am Hafen gelassen, um die Sasanlier nicht unnötig aufzuregen.
Der Rundflug um die Insel zeigte die Pracht von Ishtland. Seine zerklüftete Felsenwelt, die Bergregenwälder, die in den Tälern unter ihnen gediehen und die reiche Fauna und Flora, die unbeeindruckt von jeglichem Kriegsgeschehen, ihrem täglichen Bestreben nach Nahrung und Schutz nachging.
Sie wurden zum Dorf Andro gebracht, das per Pegasus etwa zwei Stunden von der Küste entfernt lag. Diesen Ort hatten die Chorr, mehr oder minder freiwillig, zur Hauptstadt erklärt, auch wenn sich die mangelnde Infrastruktur, alles andere als vorteilhaft für solch einen Mittelpunkt der Organisation, darstellte. Doch die Gouverneuring San, hätte, aus bereits erklärten Gründen, niemals in ihrem Heimatdorf die Zelte abgebrochen und wäre in keinem Fall woanders hin gegangen. Sie war ein Sasanlier nach alter Art, obwohl sie blutjung war, so wie nun alle Würdenträger von Lituolien.
Im Dorf angekommen wurde offensichtlich, dass alle den Flug genossen hatten, außer Daiv, der dem Fliegen eine außergewöhnlich tiefe Abneigung entgegen brachte, während alle anderen es gewohnt waren und es auch liebten. Er wankte ein bisschen, als er wieder festen Boden unter den Füßen hatte und auch wenn er das Meer von allen Orten dieser Welt am höchsten schätzte, war ihm das Land doch am zweit liebsten. Endlich konnte einmal Gnaeo mit erhobenem Haupt voran gehen und Daiv in seinem Schatten zurück lassen, denn als Schurke des Atems, war er grundsätzlich völlig losgelöst von der Erde.
Chori widmete all dem jedoch nur einen kurzen Blick, zu müde von dem ewigen Gezanke zwischen den beiden und auch der leidenden Miene Lehnis überdrüssig und wandte sich dem chorrischen Botschafter zu, der aus seinem kleinen Haus gestürzt kam. >Eure Hoheit.< keuchte er und warf sich fast auf den Boden >Wir haben nicht mit Eurem Kommen gerechnet!< Der Mann hieß Dehne und war einem älteren Jahrgang entsprungen, als es selbst Choris Vater gewesen war. Sie verbiss sich also einen bösen Kommentar, dass man in Kriegszeiten ruhig damit rechnen könnte, dass Ahnhan auch Ishtland belangen würde, denn sie hatte ein weiches Herz für ältere Mitbürger. >Wir müssen dringend mit der Gouverneurin sprechen!< meinte sie also nur knapp und blickte sich nach einem Palast oder Gutshaus um, das nicht für die Chorr ausgelegt war >Bring uns zu ihr!<
>Aber sicher.< bejate der Botschafter, verbeugte sich weiters tief und deutete mit einem wiederholten nicken und einer Handbewegung, als wollte er eine Schüssel mit Essen weiterreichen, in die Richtung, in die sie sich wenden sollten >Bitte hier entlang.<
Die vier Freunde folgten stapfend einem kleinen Weg, denn der ishtländische Boden war über und über mit dicken dunklen Blättern bedeckt, die nass, glitschig und reich an Nährstoffen für die zahlreichen Pilze waren, die sie stumm, doch emsig zersetzten und den Boden dadurch noch schleimiger, jedoch ebenso fruchtbar machten. Der tägliche Regenguss, um die Mittagszeit, hier in Ishtland, war den vier Freunden aus Ahnahn sehr bekannt. Man merkte, dass es nur wenige Chorr gab, die diese Wege unzureichend durch ihre Tritte von Laub freihalten konnten. Über ihnen späten Sasanlier aus ihren gut versteckten Baumhäusern und amüsierten sich bestimmt über die Fußgänger, zumindest vermuteten dies die Freunde.
Ein eben solches Baumhaus war auch der Gouverneurin zu eigen, das sich in der Mitte des Dorfes auf einem besonders großen Baum präsentierte und sich in mehreren Stöckwerken, über die gesamte Baumkrone verteilte. Es schien dem königlichen Palast der Zwölfsternstadt nachempfunden zu sein, wenn auch in überschaubarerem Maße. Chori fühlte sich dadurch einerseits geschmeichelt, da sie stolz auf diesen Palast ihrer Familie war, von dem man heute nicht mehr weiß, wie er gebaut worden war. Andererseits gekränkt, da es auch ein wenig den Hochmut der Sasanlier zeigte. Denn immerhin hatte der Palast der Zwölfsternstadt eine feste Holztreppe, die jeder Besucher erklimmen konnte, doch um in den Palast der Gouverneurin zu kommen, musste erst von ihren Wächtern, eine Strickleiter herab gelassen werden. Ab diesem Punkt verabschiedete sich auch Dehne, der verlegen erklärte, dass er nicht mehr gelenkig genug war, um diese Leiter hinauf zu klettern.
Sie waren also auf sich alleine gestellt, als sie von den Wächtern hinein begleitet, in das Baumhaus traten. Innen waren die Wände mit den Pelzen exotischer Tiere behangen, man mochte es anscheinend kuschelig und augenblicklich umfing sie der schwere Geruch von reifen Früchten und den erhitzten ätherischen Ölen des Hamibaums. Diese Dämpfe, bei den Sasanliern für rituelle Zwecke geschätzt, waren in der großen Halle, in die sie durch einen Samtvorhang gelassen wurden, schon weniger spürbar, mehr war der einladende Duft von köstlichem Essen dominant. An einer langen Tafel saß Gouvernörin San, die Schneeeulen ähnlichen Flügel, bequem an ihren Rücken angelegt. Ihr schickes Gewand, beschützte sie beim Essen mit einer Serviette. Sie hatte die kinnlangen Haare hinter die Ohren gestrichen und ihre langen Finger umschlossen eben einen Becher Nektar, den sie sofort von sich wegstellte, als sie die Königin erblickte.
Neben ihr hatten zwei sasanliche Männer Platz genommen. Der eine, mit schneeweißem Haar und fast roten Augen, dessen Flügel einen bläulich-grauen Schimmer hatten, als das Licht aus dem unverglasten Fenster, bei seinem Aufspringen, auf die Federn fiel, verschränkte nun stehend und ärgerlich aussehend die Arme. >Wer wagt es unser Essen zu stören?< Muskulös für einen Sasanlier und böse grinsend zeigte er, dass er ein silberweißes Schwert an seinem Gürtel geschnallt hatte. Ein Mitglied der weißen Klingen.
Der andere Mann hatte seinen Blick feindselig auf Lehni gerichtet, doch nahm ihn schnell wieder von diesem, da auch San den Eindringling ignorierte und er erhob sich nun auch, seine große, wenn auch hager schlanke Gestalt, dabei präsentierend und er zuckte mit den schneeweißen Flügeln. Er legte sein Besteck beiseite, doch ließ das Messer dabei in der Hand.
Nun erhob sich auch San, ebenso schlank und groß, wie es bei den Sasanliern üblich war und deutete ihren beiden Gesellschaftern, keine Feindseligkeit an den Tag zu legen >Die Königin von Lituolien, wird auf unserer Insel weder mit Drohungen, noch mit Argwohn empfangen!< wies sie die beiden an und wandte sich dann Chori zu. Sie legte ihre Hand auf ihr Herz und neigte den Kopf, es war nicht üblich bei den Sasanliern sich tiefer zu verbeugen >Willkommen, Hae Chori. Bitte, lasst mich Euch zum Essen einladen.< Nun entspannten sich auch die beiden Männer an ihrer Seite, der Hagere wurde bleich, das Mitglied der Weißen Klingen sah eher so aus, als wäre er enttäuscht, dass es nicht zu einer Prügelei gekommen war.
Chori nickte >Wir nehmen Eure Einladung gerne an.<
>Das freut mich.< verkündete San, ihre Miene blieb jedoch versteinert, genau wie die von Chori >Wenn Eure Begleiter sich vorstellen wollen, können sie das tun. Und dort drüben an der Wand ist ein Tisch, auf dem sie ihre Waffen ablegen können.< Dies war kein Vorschlag, es war eine höflich formulierte Bedingung. Chori, die keine Waffen bei sich hatte, setzte sich San gegenüber, von einem Diener den Stuhl zurecht gerückt bekommend und deutete ihren Begleitern, zu tun um was sie die Gouverneurin gebeten hatte.
Gnaeo war wenig begeistert von dieser Szene, doch sein Stolz wurde fast greifbar, als er verkündete, dass er der Lord der T und Schurke des Atems war und dies seine Axt es bewies. Daiv zeigte sich freundlicher, besonders versuchte er bei seiner Vorstellung allen Sasanliern im Raum schöne Augen zu machen. Lehni wurde bei seiner Vorstellung rüde unterbrochen, er war nicht dazu eingeladen zu sprechen.
Ihm war das streitlustige Mitglied der Weißen Klingen ins Wort gefallen, der sich wahrscheinlich unter anderen Umständen hervorragend mit Gnaeo verstanden hätte. >Ich bin Gil! Die rechte Hand der Gouverneurin und ihr Beschützer!< seine rötlichen Augen blitzten auf und sein Grinsen wurde breit, er nickte jedoch der Königin zu, bevor auch er sein Schwert beiseite legte >Königin und Maid des Verstandes! Welch beeindruckende Gäste wir heute haben. Meine Empfehlung, meine Empfehlung!<
Das Gesicht des anderen Mannes war so jugendlich wie das von San, beeindruckend schön, selbst unter anderen Sasanliern hervorstechend, mit feinen Zügen und wachen Augen. Seine Bewegungen waren elegant, als würde er in fließendem Spiel seiner Muskeln stets zu unhörbarer Musik tanzen >Seid gegrüßt.< sagte er, mit noch immer bleichem Gesicht >Ich bin Min. Der Gefährte der Gouverneurin.<
San sah dabei zu, wie ihre Gäste von der verwirrten und leicht besorgten Dienerschaft auf ihre Plätze gesetzt wurden. Dann ließ auch sie sich wieder fallen und verschränkte die Finger zufrieden, sich dabei auf dem Tisch abstützend >Ich hoffe, dass Eure Hoheit es verzeihen, dass wir bereits mit den Gängen voran geschritten sind. Uns hat keine Nachricht erreicht, dass wir Euch hätten erwarten dürfen.< San lächelte nun und es schien ehrlich zu sein, sodass sich auch Chori entspannte >Wir wären auch nicht einfach so gekommen, würde es nicht von äußerster Wichtigkeit sein.<
>Betrifft es den Krieg?< fragte Gil begierig auf Neuigkeiten, doch er war der Einzige, der sich begeistert zeigte.
>In der Tat.< antwortete Chori mit einem Seufzen.
Die folgenden Verhandlungen waren so intensiv, dass das liebevoll zubereitete Essen vor ihnen, fast vergessen wurde. Erst schilderte Chori die allgemeine Situation, dann gab Daiv einen Überblick über die Eroberung der Neal-Inseln. Oft protestierten entweder Min oder Gil über die Höhe der Hilfe, die man von den Sasanliern verlangte und brachten das ein oder andere Problem zur Sprache, das man durch das Entsenden der Sasanlier, auf das Festland, befürchten könnte, doch San bemühte sich sichtlich darum, alle Unterstützung abzusegnen, die Chori von ihr wollte >Solange sie auf Ishtland vereidigt werden,< versuchte sie über das Thema der reiserückkehrenden Soldaten zu versichern >sollte es keine Feindseligkeiten geben, wenn sie wieder zurück kommen. Wir müssen den Stämmen nur klar machen, dass ihre Töchter und Söhne entsandt wurden und nicht freiwillig ihre Heimat verlassen haben. Dann wird ihre Rückkehr schon auf Akzeptanz stoßen. Und vielleicht ist man ja auch stolz darauf, die weitläufigere Heimat verteidigt zu haben.<
Sie schob also die Kritik ihrer beiden Berater zur Seite, die ihres Gefährten Min liebevoll, die ihres Leibwächters Gil mit größerer Härte und vielleicht einem gewissen Witz in der Stimme und Chori erkannte, dass man trotz Vorurteilen, wohl doch auf die Sasanlier und vor allem auf deren Gouverneurin zählen konnte. Die Gespräche gingen also intensiv aber positiv voran, bis Lehni seinen Bericht über Jaenuns Front im Süden und vor allem die Einmischung der Manengrunder in diesen Konflikt, abgeben sollte.
Die Stimmung fiel fast augenblicklich und das brachte den Jungen dazu, nun nervös zitternd die Zetteln aus seiner Brusttasche zu holen, auf die er die wichtigsten Fakten zusammen geschrieben hatte. Chori blickte in versteinerte Mienen, die stur gerade aus, meist auf sie gerichtet waren und mit aller Kraft versuchten Lehni zu ignorieren. Als dieser das Wort direkt an die Anwesenden richtete, hörte man das Leder von Gils Handschuhen knarzen, als er seine Hand unter dem Tisch ballte. Lehnis Präsenz war hier eindeutig nicht erwünscht. Chori fing Sans Blick auf, der etwas verzwickt Flehendes an sich hatte. Es war schwierig diese Situation zu beschreiben und noch schwieriger sie zu lösen. Es schien den Sasanliern fast Schmerzen zu bereiten, sich mit Böswilligkeiten zurück zu halten, alles in ihnen sträubte sich davor, einen Außenstehenden zu beherbergen. Wie Lehni stank. Wie er aussah. So fremd und bedrohlich und es gab nichts was sie dagegen tun hätten können, dass große Aggressivität in ihnen aufstieg und sie den Eindringling instinktiv bekämpfen wollten.
Chori andererseits, hatte natürlich nur geringes Verständnis für dieses Verhalten und noch weniger Mitgefühl. Sie konnte nicht wahrnehmen, was die Sasanlier empfanden und ihr einziger Weg dafür die Situation zu bewerten, war es als Königin von Lituolien zu denken. Ihre internen Kämpfe und Streitigkeiten stießen Chori genauso heftig ab, wie es Lehni bei dem Rest der Sasanlier tat, sie empfand es als überaus gefährlich, sich damit zu beschäftigen, wer aus welchem Dorf stammte und nicht mit der Bedrohung der Jentyponier oder Manengrunder. Außerdem war sie nicht glücklich darüber, dass ihren Freund Lehni, der ganze Hass der Insel traf. Es hatte sich also eine verzwickte Situation entwickelt und keine der beiden konnte von ihrer Position zurück treten, denn beide fühlten sich moralisch im Recht und konnten ohne Gesichtsverlust nicht nachgeben.
Die Diplomatie war nun gefragt und sie war ein heikles Spiel, denn die Frage, wie man ohne Streit weiter verfahren sollte, war nicht einfach zu lösen. Lehni war schon längst, nach ein oder zwei Ansätzen, verstummt und die Atmosphäre war sehr angespannt, doch Chori sagte nichts bevor ihr Gegenüber nicht die Existenz ihres Freundes anerkannte und San konnte die Königin nicht darum bitten, Lehni des Zimmers zu verweisen.
Die Situation wurde jedoch aufgelöst, von einer Person, der niemand in dem Raum auch nur eine diplomatische Faser in seinem Sein zugetraut hatte. Gnaeo - hau drauf bis es nicht mehr weiter redet - T, nahm schlicht Lehni seine zerknitterten Zetteln aus der Hand und reichte diese der ishtländlischen Gouverneurin >Ich darf Euch die Berichte hiermit zur Prüfung überreichen. Ihr werdet bemerken, dass die Manengrunder Adler haben. Ich denke der Grund für unser Ansuchen, um Eure Hilfe, ist damit selbsterklärend.<
Die eng angelegten, fast flach gepressten Flügel von San, entfalteten sich dadurch wieder entspannt und ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie die Zetteln entgegen nahm. Die Situation hatte sich damit wieder entspannt und die Gouverneurin versprach jede Hilfe, die sie aufbringen konnte.
Das Gespräch und auch das Essen endete mit der allgemeinen Aussicht auf Unterstützung durch die Sasanlier, doch auch mit dem Gefühl, dass bei den Sasanliern intern noch ein paar Probleme zu lösen waren, bevor man mit ihrer Hilfe rechnen konnte. Man bot ihnen ein Quartier in dem Dorf an, in dem sie bleiben konnten, bis die Carinya und Kalas fertig repetiert in Ishtland angekommen waren. Doch Chori lehnte dankend ab, sie wollte bereits am Hafen sein, wenn die Schiffe dort eintrafen, denn ihrer Meinung nach, war keine Minute zu verlieren. Das empfand San als höchst bedauerlich, doch verstand auch, dass Eile geboten war.
In wahrer Chorr Tradition warfen sich Daiv und Chori beim Verlassen des Baumpalastes jedoch, einen vielsagenden Blick zu, der zweifellos als Kompliment an das Aussehen der Sasanlier und an das Aussehen der Drei in dem Palast im speziellen, verstanden werden konnte. Dies war jedoch anscheinend der Anlass für Lehnis Verstimmung gewesen.
Flügelspreizend erklärte er, dass er sich hier in Ishtland unter all den wunderschönen Mitgliedern seines Volkes, nicht mehr herausragend vorkam. >Würdest du mich denn hier überhaupt noch erkennen, unter all diesen wunderschönen Geschöpfen?< fragte er Daiv teils betrübt, teils erbost und stemmte die Ärmchen in die Hüften.
>Natürlich! Mit und auch ohne den Rußkringel auf deiner Wange.< antwortete Daiv grinsend und Lehni hakte sich schmollend, doch innerlich wohl jubelnd, bei ihm ein.
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