Kapitel 5
Medieval,
Hauptstadt vom Vereinigten Königreich Caelum
Freitag, 29 September 1334
Aufmerksam beobachte ich die engen Massen von erheiterten Adeligen, die zu den späten Stunden schon etwas zu tief ins Glas geschaut haben. Jeder der etwas auf sich hält hat diese Soiree schon vor Stunden verlassen und wenn nicht, hat er das spätestens als die ersten etwas leichter bekleideten Ladys zu der Abendgesellschaft dazugestoßen sind. Diese Soiree wird zu Ehren des bestandenen Akademieabschluss von Kalep Dumothar abgehalten, dem Sohn von Viscount Helbor Dumothar. Eine einfache Soiree auf der man niemanden von höherem Stand antreffen wird, besonders nicht um diese Uhrzeit, sind es doch nur noch ein paar Stunden bis zur Morgenröte. Der eigentliche Grund für diese Feierlichkeit ist nicht schwer zu erkennen, der Viscount erhofft sich, dass sein Sohn sich noch ein letztes Mal die Hörner abstößt, damit dieser dann stillschweigend die Ankündigung seiner Verlobung hinnimmt ohne groß zu murren. Wahre Gentlemans, diese adeligen Männer, nicht?
Aber das ist nicht der Grund warum ich hier bin, was soll ich auch mit einem naiven Jungen, der noch nicht weiß wie das Leben spielt? Der Grund warum ich hier bin, ist der, dass ich einen Geschäftspartner suche und welcher Moment wäre nicht passender als der meines eigenen Geburtstags. 16 Jahre alt werden und nicht feiern? Das wäre doch schade, also genieße ich ihn einfach auf meine eigene Weise, denn was gibt es Besseres als den ersten Schritt in die eigene Unabhängigkeit. Mich durch die Menge schlängelnd schnappe ich mir ein Glas Sekt von einem Tablett ohne das ein Tropfen des prickelnden Getränks auf den Stoff meines schwarz roten Kleides landet. Dieses Kleid gefällt mir zwar nicht so gut wie das Violette, auf das ich letzte Woche einen kurzen Blick erhaschen konnte, aber es strahlt mindestens genauso viel Selbstbewusstsein aus wie dieses. Dazu ist es lang genug um die ungewöhnlich hohen Stöckelschuhe zu verstecken. Jeder Millimeter den ich größer wirke, ist ein Millimeter den man mich ernster nimmt. Ernsthaftigkeit, die ich dringend ausstrahlen muss, wenn es darauf ankommt und die dunklen Farben meines Kleides unterstützen mich dabei. Junge Mädchen in meinen alter gehen nach dem Trend und tragen helle Farben um bewusst ihre Unschuld zu untermauern. Junge Mädchen, wie ich es nie sein werde, nehmen an jedem Ball, an jede Abendgesellschaft und an jedes Treffen zu Tee und Kuchen teil. Ich hatte als junges Mädchen noch nicht einmal einen Debütantinnenball. Etwas das für jede Tochter eines Earls unvorstellbar wäre.
In meinen letzten Leben habe ich mich von jedem gesellschaftlichem Treffen ferngehalten und bin nur zu Pflichtveranstaltungen aufgetaucht um meinen Vater nicht zu verärgern. Jetzt stehe ich hier freiwillig in einer Abendgesellschaft auf der noch nicht einmal meine Brüder auftauchen würden und trage ein verruchtes Kleid, das vom Schnitt her trotzdem noch als akzeptabel für eine Lady gelten würde und das weniger Haut zeigt, als die der anderen Ladys, die heute noch dazugestoßen sind. Dieses Kleid habe ich mir letzte Woche, nach dem Vorfall mit dem Archduke, gekauft zusammen mit den schwarzen Handschuhen aus Samt, die mir bis zu den Ellenbogen gehen und dort mit roter Spitze bedeckt sind. Insgesamt sehe ich gefährlich aus und nicht meinem Alter entsprechend, perfekt für mein Vorhaben.
Zielstrebig bahne ich mir meinen Weg weiter durch die Massen und steuere dabei eine Nische mit Sitzgelegenheiten an. Ein Ort, an dem junge Herren den engen Kontakt zu liebreizenden Damen genießen. Ich habe nicht vor einen der Männer zu verführen, das wäre nicht meine Art. Außerdem wäre es gefährlich, wenn mich irgendjemand als Veronika Audett Mortain erkennen würde. Hier in einem ungewöhnlichen Kleid auf dieser Feierlichkeit zu sein ist keine Schande und kann mir von meiner Familie nicht vorgeworfen werden, sich an Männer ranzuschmeißen allerdings schon. Dazu wird es aber nicht kommen.
In der Sitzecke befinden sich vier Männer, zwei von ihnen sind junge Halbwüchsige, die sich jeweils von einer Dame unterhalten lassen, während Ihnen gegenüber, zwei weitere Männer sitzen. Sie scheinen älter als die zwei Jungs zu sein und sind auch noch nüchtern. Wenn man weiß, dass es sich bei einen dieser Männer, um Baron Kollman handelt, ist es klar, dass die beiden Jüngeren grade über den Tisch gezogen werden. Baron Edouard Kollman ist nämlich ein Händler. Ein ziemlich gewiefter und intelligenter Händler, der mit Begeisterung junge Adelige, um ihr Vermögen bringt. Und so gewieft und listig er auch sein mag, bei seinen wichtigen Geschäftspartnern ist er vertrauensvoll und kann Informationen für sich behalten. Jetzt muss ich es nur noch schaffen einer dieser wichtigen Geschäftspartner für ihn zu werden. Nahe genug an der Nische um die Gespräche zu belauschen, lehne ich mich an einer Wand und nippe an den Sekt, dabei tue ich so als würde ich die Tanzfläche beobachten. An Hand des Themas über das sie reden werde ich dann auch in meiner Annahme bestätigt, dass die beiden jungen Männer grade wirklich dabei sind einen Haufen Geld zu verlieren. Den der Linke, der sich grade von einer drallen Rothaarigen betatschen lässt, ist grade dabei eine große Ladung Schwerter von Baron Kollman zu kaufen. Wahrscheinlich für die Ritterschaft seines Hauses, es ist nicht ungewöhnlich das adelige Familien eine eigene Ritterschaft haben. Meine Familie hat auch eine, aber es ist ungewöhnlich das die Familie eines Viscounts eine hat. Im Grunde genommen, kommen da nur drei Familien in Frage und anhand der lockigen schwarzen Haare, der blassen Haut und den vielen Sommersprossen im Gesicht des Jungen würde ich auf die Familie Lachlock tippen. Mitleid habe ich nicht, als ich Anstalten mache mich der Sitzgruppe zu nähern, allerdings spielt es mir in die Karten, wenn der Deal platzt und Kollman an diesen Abend nicht dazu gekommen ist ein lukratives Geschäft abzuschließen. Ein geplatztes Geschäft, mit einem jungen Adeligen, bedeutet bessere Chancen für mich. Schließlich soll Kollman erst zufrieden sein, wenn er mit mir ein Handel abgeschlossen hat.
Mittlerweile stehe ich genau vor den Sitzgelegenheiten, sodass sich die Aufmerksamkeit der Herren auf mich richtet. Bemüht um ein charmantes, aber erschöpftes Lächeln mache ich meinen Anfang. „Guten Abend die Herren", Nacht wäre wohl die passendere Bezeichnung, aber ich will ja nicht unschicklich wirken, „wäre hier noch ein Platz zum Sitzen frei? Meine Füße tuen mir schon vom ganzen Tanzen weh." Tanzen? Es wäre ein Wunder, wenn ich das mit den Schuhen hinbekommen hätte.
Der Mann neben Kollman reagiert sofort, „Aber natürlich haben wir hier noch einen Sitzplatz für eine erschöpfte Lady bereit. Ich bin mir sicher, dass Herr Lachlock nicht dagegen hat, wenn sie sich zwischen ihm und seinen Freund, Herrn Veus setzen." Ich weiß zwar nicht wer der der Mann neben Kollman ist, aber ist mindestens genauso verschlagen, wie Kollman selbst. Eine Ablenkung, in Form einer hübschen Dame, kommen Händler immer gelegen bei Verhandlungen wie Diesen, also wundert es mich nicht, keinen Platz neben ihn angeboten bekommen zu haben, obwohl dort viel mehr vorhanden ist. Innerlich davon abgeneigt mich zwischen den angetrunkenen Halbwüchsigen zu setzen, die vermutlich an die Zwanzig gehen, zeige ich nach außen einen dankbaren Gesichtsausdruck, schiebe mein Kleid leicht zurecht und setze mich auf den mir zugewiesenen Platz. Während ich mich setze, starrt mich Herr Lachlock ganz ungeniert an und sein Blick liegt dabei nicht in meinem Gesicht. Ich denke ihn ist nicht einmal bewusst, dass er starrt. Diesen Moment ausnutzend sagt Herr Kollman, „Dann lass uns auf den erfolgreichen Handel anstoßen. Den Kaufvertrag können wird dann später in einen separaten Raum unterzeichnen. Ich bin mir sicher, dass mein Assistent ihn bis dahin aufgesetzt hat." Der mir immer noch unbekannte Mann neben den Baron nickt, steht auf und entfernt sich aus dem Ballsaal.
Die Gelegenheit nutzend wende ich mich an Lachlock. „Ein Kaufvertrag? Jetzt haben die Herren mich aber neugierig gemacht. Was wird den gekauft?" Nach meiner Frage spannt sich Kollman leicht an und scheint was sagen zu wollen, allerdings kommt ihn Lachlock zuvor.
„Ich kaufe Schwerter. Schwerter von einen guten Schmied, der einmal welche für die Stadtwachen geschmiedet hat."
„Oh, das ist ja interessant. Ich hoffe doch für einen guten Preis."
Nach meiner Erwiderung werden die Wangen von dem Sommersprossigen Lockenkopf ganz rot vor Aufregung. „Aber natürlich, sogar für ein Schnäppchen. Nur 150 Gold für ein Fass mit Schwertern aus edlen und hochwertigen Damaststahl."
Ich kann beinahe den Moment sehen in den Kollman noch ein Stückchen angespannter wird und mir ist ganz genau klar voran das liegt. Mir ein Lächeln verkneifend, öffne ich meinen Mund leicht erstaunt und rufe aus, „Edler und hochwertiger Damaststahl?! Das muss bestimmt dieser Stahl sein, der letzte Woche mit einem Schiff aus dem nördlichsten Rayndra gekommen ist und von dem in Moment überall die Rede ist. Ich habe einen Ritter sagen hören, dass er noch nie ein Schwert so schnell schwingen konnte, als wie Eins aus diesem Stahl."
Verwirrt guckt mich Lachlock an und richtet sich auf. „Stahl aus den Norden?"
Bevor ich etwas sagen kann, springt Kollman hektisch in die Presche. „Hach, das muss vermutlich ein Gerücht oder eine Geschichte sein, wahrscheinlich hat die Werte Dame einfach etwas Falsches aufgeschnappt. Sie wissen schon, zwischen Frauen und Schwerter wird immer Unverständnis herrschen."
Immer noch leicht verwirrt, lehnt sich der blasse Junge neben mir wieder zurück. Darüber nachdenkend was ich als nächstes erwähnen sollte, richtet sich auf einmal Herr Veus auf, der auf meiner anderen Seite sitz und den ich bis dahin beinahe vergessen hätte. „Stahl aus den Norden. Jetzt wo ich darüber nachdenke, habe ich auch davon gehört. Ein Bekannter von mir arbeitet am Hafen und hat erzählt das sie eine große Ladung Stahl abtransportieren mussten, wenn ich mich recht entsinne, hieß er Federstahl und er spekulierte darüber, dass jetzt wo dieser neue Stahl auf den Markt ist, die Preise für den alten wohl sinken werden."
Eine große Portion Vergnüglichkeit steigt in mir hoch, als ich den Gesichtsausdruck von dem Baron sehe. Fast könnte man meinen, dass dieser ruhige und clevere Mann grade ziemlich aufgewühlt und ratlos ist. Allerdings kann ich es mir nicht verkneifen, dem ganzen noch die Krone aufzusetzen, als ich bemerke, dass auch Lachlock endlich verstanden hat wie sehr er über den Tisch gezogen wurde. Lächelnd drehe ich mich also zu ihm und äußere, „Sinkende Preise! Das ist ja schön. Dann bekommt ja jeder so ein tolles Schnäppchen."
Nach meiner Äußerung starrt mich Baron Edouard Kollman einfach nur entgeistert an, während Lachlock ruckartig aufsteht und dabei die dralle Rothaarige zur Seite schiebt, die schon die ganze Zeit an seiner klebt. Empört ruft er, „Sie wollten mir eine Falle stellen!".
Der Baron erhebt beschwichtigend seine Hände, als Sommersprosse einfach fortwährt, „dass werde ich mir nicht bieten lassen, suchen sie sich jemand anderes den sie täuschen können. Bei mir funktioniert das nämlich nicht." Ohne mein Zutuen hätte er sich sehr wohl von Kollman täuschen lassen, aber das spreche ich nicht laut aus. Erzürnt entfernt sich Lachlock von der Nische und verschwindet in den Massen aus bunten Kleidern, während Herrn Veus ihn gleich sofort folgt.
Die beiden zurückgelassenen Damen, erscheinen mir auch ziemlich erzürnt, als sie empört ihre Röcke raffen und diese Ecke mit Sitzgelegenheiten verlassen, wahrscheinlich fühlen sie sich in ihren Stolz gekränkt, wenn sie überhaupt etwas wie Stolz haben.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro