Mo
Man öffnete die Tore und ließ ihn auf einem ersten Innenhof warten. Mo wusste nicht, auf wen er hier warten sollte, aber er traute sich nicht einer der Wachleute um Auskunft zu bitten. Er hatte zwar schon mit allerlei seltsamen Gestalten in den Bergwerken zusammengearbeitet, doch Mo konnte nicht leugnen, dass ihn die Kriegerinnen und Krieger einschüchterten. Es waren nicht die Waffen, die sie sich umgeschnallt hatten, nein, es war die Tatsache, dass Mo wusste, dass jeder einzelne von ihnen von einer Gabe gerufen wurde. Noch nie hatte Mo so viele Gerufene am selben Ort angetroffen.
Die Wächterin, die vor ein paar Minuten davongestürzt war, kehrte mit zwei Männern zurück. Sie schienen nicht der Wache anzugehören, immerhin trugen sie keine Waffen mit sich rum, aber dennoch musste Mo davon ausgehen, dass sie mächtige Gerufene sein mussten, wenn die Torwache nach ihnen schickte. Das oder sie waren das Empfangskomitee.
Der vordere der beiden trug eine Glatze und ein den Wächtern ähnliches Gewand. Mo vermutete, dass es sich dabei um eine Art Uniform der höheren Gerufenen der Akademie handelte. Der Mann umgab eine durchaus freundliche Aura, ernst aber freundlich. Nichts, was man von seinem Begleiter behaupten konnte.
Als Mo noch klein gewesen war und der Markt noch in seiner vollen Pracht abgehalten wurde, hatten ihm die Händler immer wieder Abbildungen von den alten Zeiten gezeigt. Unter anderem etwas, was sich 'griechische Helden' nannte. Schwarzes Haar, kantige Gesichtszüge, stechend blaue Augen. Man hatte Mo zwar nie erklären können, was 'griechisch' bedeutete, aber der Mann vor ihm sah exakt gleich aus wie einer dieser griechischen Heldenfiguren.
Nur dümmer.
Und wütender. Definitiv um einiges wütender. Als würde er jeden Moment vom Boden abheben und am Himmel in tausend Lichter zerspringen wie ein Feuerwerk. Oder wie die Explosionskörper in den Minen gleich hier und jetzt ein Loch in den Boden sprengen.
»Willkommen an der Akademie«, begrüßte ihn der Kahle.
»Ehm... hallo.« Mo gratulierte sich selbst zu dieser absolut intelligenten Antwort. Warum auch einen schön formulierten Satz von sich geben, wenn man sich durch das Leben stammeln konnte?
»Mein Name ist Myrax und der hier ist mein Novize Arox. Ich kann mir denken, dass ihr noch einiges miteinander zu tun haben werdet.« Mo hoffte, dass der Kahle – Myrax – falsch lag, denn auch wenn Arox' Ärger höchstwahrscheinlich einen vollkommen anderen Ursprung hatte, konnte er nicht umhin, sich unter den so offensichtlich aggressiven Blicken kleiner zu machen als gewöhnlich.
»Ich bin Mo. Mein Ruf kommt von...«, begann er, doch Myrax fiel ihm ins Wort.
»Dein Ruf spielt für heute keine Rolle, Mo. Du siehst erschöpft aus und ich möchte, dass du dich ausruhst, ehe wir uns deine Geschichte anhören. Die Akademie stellt dir gerne eine Kammer zur Verfügung, sodass du erst mal ausschlafen kannst. Wir werden uns dann morgen unterhalten.«
Mo hätte weinen können vor Erleichterung. Auch wenn er sich allergrößte Mühe gab, sich nichts ansehen zu lassen, spürte er die Erschöpfung in jeglichen Gliedern. Ein Bett und eine ruhige Kammer war genau das, was er dringend brauchte.
Er weinte jedoch nicht vor Erleichterung. Zumindest nicht jetzt. Er weinte erst, als er alleine in den geschmeidigen Laken lag und an seine Geschwister dachte, an die Gefahr, in der sie schwebten und da die Tatsache, dass er nichts weiter ausrichten konnte, als zu hoffen, dass sie in Sicherheit waren.
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