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XXX. Vögelchen, flieg

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Der Frühling in der Steppe war immer kalt und klar gewesen. Das Heidekraut blühte, das Laub der Birken sang im Wind sein Wiegenlied und der Himmel war ein endloses Meer aus Blau.

Der Frühling war das Erste, an das Krabat sich erinnern konnte und das Letzte, was er gesehen hatte, bevor man ihn nach Rostograd verschleppt hatte.

Er war neun gewesen, als er lachend und tobend durch das kurze Gras und die Flechtengewächse gesprungen war. Er hatte unsichtbare Feinde mit einem Stock duelliert und wunderschöne Prinzessinnen vor dem Koschtschei gerettet. Einmal konnte er der Held sein, der er als Magier nie sein durfte.

Etwas anderes als die Fantasie war ihm nicht geblieben. Sein Vater und älteren Schwestern waren schon in ein Arbeitskommando eingezogen, die anderen Geschwister waren einfach zu jung.

So spielte er im Gras vom Morgengrauen ins Abendrot. Gerade war er von den dünnen Ästen der Birken gesprungen, da hörte er es- ein leises Fiepen.
Er hielt inne.
Für den Jungen hatte es wie ein Hilfeschrei geklungen.
Unwillkürlich machte Krabat ein paar Schritte in Richtung des Lautes.
           
Auf dem Boden lag ein Vögelchen, das aus dem Nest gefallen war. Seine Flügel waren gebrochen.
Als Krabat ihn damals gesehen hatte, wusste er, dass das arme Tier im Sterben lag.

Als er jetzt aus dem Fenster sah, erblickte er weder Heidekrautsteppen noch Frühlingsreigen, sondern nur schwere Rauschwaden, die ganz Rostograd zu erdrosseln drohten.

Unweigerlich packte er Vasilys Schulter fester, als der Zarewitsch durch die Korridore des Palastes hinkte.
Sie waren vollkommen menschenleer.

"Es ist absolut lächerlich", ächzte Vasily. Jeder Schritt schien ihn fast in die Ohnmacht zu schicken. "Ich sollte mich nicht verstecken. Ich sollte mit den Menschen dort unten verhandeln! Ich bin Ihr zukünftiger Zar, ich-"

Das Brüllen der Artillerie zerfetzte den Rest seiner Worte und ließ die gigantischen Rundbogenfenster in ihren Fassungen zittern.
Am Horizont stieg eine weitere Rauchwolke auf. Allein das Blitzen von Gewehrfeuer leuchtete in der Stadt.

"Wir müssen Sie dringend ins Innere des Palastes bringen", schwor Krabat auf ihn ein. "Dort sind Sie sicher. Wenn sich ein Querschläger durch eines der Fenster verirren sollte..."

Dann wäre dein ganzes Lebenswerk verwirkt, Krabat. Ohne ihn lebst du gar kein richtiges Leben mehr.

Sofort schnellte sein Blick wieder durch das Fenster.
Die Bürger hatten angefangen, Barrikaden zu errichten- teils aus politischer Überzeugung, teils aus Angst, sonst selbst den Kugeln der Armee zum Opfer zu fallen.
Man hatte die Swesda mit dem Kugelhagel ausmerzen wollen, doch mit jedem Toten, mit jedem weiteren Verrat an den eigenen Leuten, hatte der Volkszorn zehn neue Revolutionäre entbrannt.

Nun hatte die Zarin Dmitri Lissipow mit Kartätschen und Artillerie bewaffnet auf die Stadt gehetzt. Als wäre alles nicht schon schlimm genug gewesen.
Niemand wusch Öl mit Öl aus oder Dreck mit Dreck, aber Blut konnte man nur mit Blut auswaschen, das war die Devise dieses Landes.

Krabat dachte an den Platz vor dem Palast.
Er war hübsch, überwacht von dem Kaminkow-Palast mit seinen gewaltigen Seitenflügeln, Säulen und Goldverzierungen, der Kathedrale mit ihren goldenen Kokoschniki-Türmen und einem bronzenen Reiterstandbild eines Zaren, dessen Namen Krabat nicht kannte und der ihm gerade nicht gleichgültiger hätte sein können.
Jetzt wirkte das Pflaster des Platzes bleich wie Knochen, ausgenommen der Blutflecken, die darauf eingetrocknet waren.

Krabat bemerkte noch, wie Vasily stöhnend etwas weiter in sich zusammensackte, da machten sie einen Schritt durch eine weitere Tür der Enfilade und landeten in einem fensterlosen Salon mit roter Seidentapete, Stuckverzierungen und plätscherndem Brunnen im Zentrum.

Der Zarewitsch schnaufte, als Krabat ihn vorsichtig auf einem Diwan absetzte.

"Vasya, da bist du ja! Mama und ich haben uns schon die größten Sorgen gemacht!"
Sofort horchte Krabat auf. Das war nicht die schrille Stimme der Zarin und auch nicht der Bariton des Koschtschei, es war... war das die Stimme des Zaren?

Bevor Krabat reagieren konnte, stürmte ein Mann, breit wie ein Schrank mit prächtigem schwarzen Vollbart und noch prächtigerer Uniform über das polierte Parkett und schloss Vasily in die Arme.

"Batya", brachte der nur überrascht hervor und erwiderte die Umarmung um eine Sekunde verzögert. "Was machst du- Wie- Ich dachte, du wärst mit der Feldherrin Skupina an der Front!"

Zar Alexander löste sich von Vasily, ließ die Arme aber noch immer auf dessen Schultern ruhen.
"An der vordersten sogar, in Kardysin! Aber als ich über die Unruhen in der Hauptstadt informiert wurde... Ich bin sofort zurückgreist. Einhundert Werst in zwei Tagen! Uns sind die Pferde fast vor der Kutsche verreckt. Wir mussten sogar eine alte Mietdroschke nehmen, um vom Mob nicht gelyncht zu werden."

"Du hast also gesehen, was geschehen ist? Batya, du musst dem ein Ende setzen. Diese armen Menschen haben Angst. Sie sind einfach nur-"

"-einfach nur schmutzige Verräter und Verbrecher, während die Herrschaft deines Vaters von Morgenstern, Abendstern und Mitternachtsstern bestimmt wurde", hielt die Zarin dagegen. "Der Pöbel ist nicht demütig, wie es sich gehört, er ist gierig und frisst.
Geben wir ihnen einen Finger, werden sie uns das Fleisch von den Knochen nagen und das Reich samt dem Krieg ist verloren."

"Ach, Katjuscha, ach Vasya. Ihr seid beides Narren", seufzte der Zar nur und schüttelte den Kopf. Bei der Bewegung heftete sich sein dunkler Blick auf Krabat, der sofort strammstand.
"Ich sehe, du hast deinen Magier behalten."
Krabat zuckte zusammen und erwartete die nächste Ohrfeige, als der Zar eine Hand nach ihm ausstreckte, aber er kniff ihm nur in die Wange.
"Eine gute Anschaffung war das, eine sehr gute Anschaffung!"

"Hör mir doch zu", redete Vasily weiter auf ihn ein. "Das sind keine Verbrecher. Noch ist es keine Revolution, sondern-"

Seine Stimme wurde verschluckt von dem Knallen der Türflügel, denn ein  Dmitri Lissipow betrat niemals ohne Fanfarenschall den Raum. Die Welt war eine Bühne und er ihr Sternchen, der in roter Uniform und Papacha aus dem Gouvernement Biyar aufmarschierte.
Er lächelte sein schiefes Lächeln, nur um zackig wie ein Soldat und geschmeidig wie ein Ballettänzer zu salutieren.

"Oberst Lissipow", sagte die Zarin abschätzig. "Was haben Sie zu melden, das wichtig genug ist, uns zu unterbrechen?"

"Wir haben eine der Rädelsführer dieser Unruhe gefunden und arrestiert. Eine dreiste - aber durchaus ansehnliche- Magierin. Scheinbar eine radikale Karlistin von der Swesda."

Mit einem Mal wurde es still.
Die kaiserliche Familie tauschte Blicke aus.
Alexander war der erste, der sprach:
"Bringt sie hierher. Ich will dieser... dieser Person ins Gesicht sehen."

Lissipow nickte, dann schnippte er nach hinten, wo scheinbar Soldaten warteten, bellte einen Befehl und bezog neben der Herrscherfamilie Stellung. Auf dem Weg striff seine Schulter Krabats.
Dmitris geflüstertes  "Jetzt werd doch nicht gleich so blass, Hündchen, ich mag dich mit geröteten Wangen lieber" prickelte noch auf seinen Ohren, schon war er davon.
Krabat kam nicht einmal die Gelegenheit, in Grund und Boden zu versinken, denn wei Soldaten schleppten eine rauchverschmierte Gestalt in Adamiumketten in den Raum.

"Wir sollten ein Exempel an ihr statuieren", zischelte die Zarin, doch er konnte sie kaum über seinen donnernden Herzschlag hinweg hören, als er die Gefangene ansah. Er hörte gar nichts mehr.
Eine einzige Erkenntnis wanderte durch ihn:
Ich kenne sie.

Sie war dasselbe Mädchen, mit der er im Exil der Katorga aufgewachsen war.
Da war nur der Fetzen einer Erinnerung, halb verschwommen in Funkenregen und Abenddämmerung.
In der brütenden Hitze der Kupala- Nacht hatte er sie gesehen, mit einem Blumenkranz im Haar und in einem weißen Leinenhemd, als sie Hand in Hand mit den anderen um das knackende und prasselnde Feuer getanzt waren.
Krabats Leute hatten dieses Fest nie gefeiert, aber im Exil hatte es keine Völker gegeben, nur den Bund, den Ausgestoßene teilten und der Trost, den Erinnerungen an Zuhause brachten.
Nur hatte Krabat keine solche Erinnerungen.
Er konnte sich nicht mal an ihren Namen erinnern.
Anahit vielleicht? Almast? Anna?

Aber das Gesicht, das erkannte er überall wieder, es hatte sich nicht mal verändert.
Noch immer war sie spindeldürr und die eigentlich bronzefarbene Haut wächsern, selbst ihr Haar lag noch immer im selben, dunklen Knoten.
Nur zwei Unterschiede sprangen ihm trotz allem ins Auge:
Das zerschlagene Gesicht und das weiße Swesda- Band an ihrem Oberarm.

"Das ist sie also?", hörte er den Zar sprechen, in Krabats Ohren klang seine Stimme dumpf . "Die Frau, die für all das verantwortlich sein sollte? Ihr habt sie ja erbärmlich zugerichtet."

Dann, bevor Lissipow hätte antworten könne, erhob sich ein Krächzen.
"Nicht ganz so erbärmlich, wie die lächerliche Krone auf deinem Schädel, die in dem Blut meiner Leute gebadet ist!", spie die Swesda-Verschwörerin aus und blutiger Speichel klatschte auf die Stiefelspitzen des Zaren.

Hastig stolperte der Autokrat einige Schritte zurück.
Fast schon hätte Krabat über diese makabre Situation gelacht, würde ihm nicht alles daran die Kehle zuschnüren.

"Wie- Wie können Sie es wagen!", fauchte Alexander da zurück. "Meine Familie hat dieses Land für nahezu dreihundert Jahre zu Glanz und Glorie verholfen, wir haben Einheit geschaffen, ein Bindeglied zwischen einem Vielvölkerreich. Wir haben Kriege gewonnen, Siedlungsgebiete erschlossen, der Wirtschaft zur Prosperität verholfen! Und dann wagen Sie es, uns zu unterstellen-"

Sie ließ ihn nicht einmal ausreden.
"Ach, und wer hat diese Kriege gekämpft? Wer ist für die Siege gestorben? Welche Völker wurden unter der Flagge begraben, die ihr in eure neuen Gebiete gerammt habt? Wer schuftet sich Tag und Nacht in den Fabriken zu Tode, damit mehr Münzen in den Taschen der Reichen klimpern? Ihr herrscht, aber auf dem Rücken von Millionen."

Es brauchte kein Befehl des Zaren, nicht einmal ein Kommando Lissipows, da riss eine  Soldatin ihren Zopf herab und keifte: "Mehr Respekt vor deinem Herrscher!"

Ihr Kopf wurde nach oben geschleudert und in diesem Moment trafen ihr Blick Krabat.
Erkennen spiegelte sich in dem Tintenmeer ihrer Augen.
Sie gefroren zu Eis - genau wie Krabats Herzschlag.

"Krabat", stieß sie aus wie ein verwundetes Tier. "Was tust du hier- Wieso bist du- Warum stehst du da nur rum-"
Erst langsam schienen ihre durch Schläge zugeschwollenen Augen ihn in seiner Gänze zu erkennen. Samt der Uniform rot wie das Blut an den Händen ihrer Träger.

"Was haben sie dir nur angetan? Hast du etwa deine Prinzipien verkauft? Das sind unsere Leute, die da draußen sterben, unsere Leute, die seit Jahrhunderten unter ihrem Joch leben.  Denkst du, sie behandeln dich besser, solange du ihnen nützlich bist?"

"Ich- Ich kann nicht." Seine Stimme war nicht mehr als ein Piepsen. Und erst, als er das letzte Wort gesprochen hatte, bemerkte er, dass er nicht die morokewische Sprache gesprochen hatte, sondern die sremenische. Zum ersten Mal seit langer Zeit.
Nein, nein, das konnte nicht sein. Woher kannte sie überhaupt- Sie war doch Biyariotin-
Krabat sprach seine Sprache nicht, vor allem nicht am Hof, wo schon sein Dialekt verspottet wurde.
Aus den Augenwinkel sah er nur, wie Vasily ihn fragend ansah.

"Feigling!" Ihre Stimme schepperte in seinen Ohren, "Du widerlicher Verräter! Wie kannst du hier so stehen? In dieser Uniform? Was haben sie dir gegeben? Geld? Sex? Leere Versprechungen über-"

Jemand rammte ihr den Schaft eines Gewehrs in den Magen.
Aber Krabat sah es nicht.
Ihm wurde schwarz vor Augen.

Er fühlte einen leichten Druck um seine Hand. Etwas warmes.
"Krabat?" Das war Vasilys Stimme. Sie war sanft, als würde er ihn in Seide betten.
Dann noch einmal: "Krabat?"

Seine Lider flatterten und endlich drangen die Farben der Welt wieder zu ihm.
Die Frau am Boden.
Das hochrote Gesicht der Zarin.
Vasilys Hand in seiner.

"Sicher, dass du ihn behalten willst?", hörte er die Zarin sprechen. "Dein kleines Spielzeug sieht aus, als würde es gleich umkippen-"

"Verdammt noch mal, hörst du denen nicht zu?" Das Krächzen der Revolutionärin zerrte an Ohren und Seele. "Behalten. Sie reden über dich wie über ein Tier. Merkst du nicht einmal, was sie dir antun? Nun hör doch auf, so tatenlos zu sein! Wehr dich!"
Aber ich bin doch nicht tatenlos, wollte er sie am liebsten anschreien. Ich und Vasily kämpfen gegen einen Bürgerkrieg!
"Sieh mich an! Krabat, schau mir verdammt noch mal in die Augen!"

Er würde gerne. So, so gerne würde er aufsehen, ihr vielleicht sogar zustimmen, doch er konnte nicht. Konnte es einfach nicht.
Er fixierte nur das Parkett unter seinen Füßen, das sich aufzubäumen drohte.

Er fühlte sich, als gehöre er nicht in seinen Körper. Fast so, als wäre er nur eine Puppe, an deren Fäden zwei streitende Kinder zerrten.
Sie rissen unnachgiebig in beide Richtungen. Er hörte das Holz ächzen, fühlte, wie es zerspringen wollte, wie Krabat selbst zu zerbrechen drohte.
Krabat, der Gardist des Zaren, der kleine Zinnsoldat und Krabat... der Krabat, der nie gewesen war, der aber hätte sein können, hätte man ihm jemals eine Wahl gelassen.
Hätte ich einfach nur leben dürfen.

Alexander schnalzte mit der Zunge.
"Sperrt Sie weg. Weder ist ihresgleichen eine Kugel wert, noch helfen weitere Tote. Die Welt hat schon genug geblutet."

Die Soldaten packten sie fester und zerrten sie zurück, egal wie sehr ihr geschwächter Körper kämpfte, egal wie viel sie schrie und sich wand.
Erneut öffnete sie den Mund, doch statt Worten züngelten Flammen hervor. Zarte, rote Bänder, die sofort wieder vom Adamium erstickt wurden.

Die flache Hand der Soldatin traf ihr Gesicht.
"Dreckige Magierschlampe."

Er erinnerte sich an die Schläge, die sein Ausbilder ihm mit der selben Selbstverständlichkeit verpasst hatte.
Dreckiger Köter.
Ihre Körper hatten nie wirklich ihnen gehört
Krabat hielt das nicht mehr aus.

Bevor er darüber hätte nachdenken können, riss er sich aus Vasilys Hand los und stürmte davon.
Ein salziger Tränenschleier legte sich vor die Welt und er hörte kaum die empörten Stimme. Einen Herzschlag später war er über dir Türschwelle hinweg.
Die Korridore zitterten und neigten sich, als würden sie über ihm zusammenschlagen und ihn begraben wollen.
Krabats Schritte aber trugen ihn weiter und erst langsam realisierte er, dass er floh. Aber vor was? Sich selbst?

Er war zerrieben zwischen Vasily und seiner Vergangenheit.
Zwischen seinem Retter und dem, vor dem man ihn gerettet hatte.
Für Krabat hatte es diese Rettung gegeben.
Zwar im Schatten der Macht, doch noch immer mit Komfort und einer Illusion von Sicherheit. Sogar einen Sinn hatte man ihm geschenkt.
Aber er war eine Ausnahme, keine Regel.
Auf jeden, der gerettet wurde, kamen tausende, die in Verzweiflung versanken.
So wie sie. Eine Namenlose in einem Millionenheer aus Betrogenen.
Er dachte an seine Schwestern. Er dachte an den kleinen biyarischen Waisenjungrn Khasan. Er dachte an die Leichen auf dem Platz.
Wem gehörte seine Loyalität?
Er schuldete sie den Kaminkows.
Aber ihre Opfer verdienten sie eigentlich.

Er hatte gerade die letzten Stufen einer Treppe genommen, da hörte er eine Stimme, die ihm wie Feuer durch die Glieder rann.
"Krabat, was tust du da? Komm zurück",  keuchte Vasily und klammerte sich wankend an das oberste Geländer der Galerie.
Eigentlich passte es, Vasily da oben und Krabat hier unten.
Und trotzdem war er den ganzen Weg für ihn gelaufen.

"Ich- Ich kann nicht", brachte Krabat hervor, dabei wusste er nicht einmal selbst, was er tat, fühlte oder eigentlich wollte. "Ich kann das alles nicht mehr."

Er dachte an Lissipow und die hungrigen Blicke, mit denen er Krabat bestrafte.
Manchmal würde er ihn gerne machen lassen. Weil Lissipow ihn verletzten würde und er diesen Schmerz verdiente.

"Was redest du da?", meinte Vasily, als wäre Krabat jeder einzelne Gedanke klar aufs Gesicht geschrieben. "Komm zu mir zurück. Ich will dich einfach nur in den Arm- Wir schaffen das, Krabat, aber nur zusammen. Du bist nicht der, der mich braucht. Ich brauche auch dich."

Er musste Vasily nur ansehen, schon sickerte eine verräterische Wärme in seine Brust.
Nichts als ein Blick und er hatte wieder einen Platz in der Welt.
Aber es war falsch. Als würde man zu viel gezuckerten Honigkuchen auf einmal essen.
Vasily war das Gift, das so süß schmeckte, aber langsam tötete.

Dann, in diesem Moment, entdeckte Krabat ein Gefühl in sich, dass er ganz lange tief in seinem Inneren begraben hatte.
Es war brodelnder, kochender Zorn.

"Ich will doch auch, dass du frei bist", setzte Vasily an. "Von deiner Gram, von deinem Selbsthass, von-"

"Du willst, dass ich frei bin? Frei wie ein Vogel am besten? Warum aber, Hoheit, habt Ihr und eure Familie mir dann die Flügel gebrochen?", schmetterte Krabat zurück. Er wusste, seine Worte waren ungerecht, er wusste, seine Worte waren dumm, aber sie mussten raus. All das musste einfach raus oder er würde platzen. "Für dich hat man mich so gemacht. Für dich allein. Bist du zufrieden mit dem Produkt, Zarewitsch? Soll ich mich bedanken?"

Heiß und verräterisch schossen Tränen in seine Augen, bis sich seine Worte überschlugen.
Vasily war seine ganze Welt, das Zentrum seines Universums. Krabat selbst aber war Vasilys Trabant. Der Mond, der ihn ständig umkreiste. Aber das konnte so nicht weitergehen.
Er musste sich lösen. Und wenn er dabei abstürzte und verglühte?
Dann sei's drum gewesen.

Ein Gedanke schälte sich glasklar aus seinem Inneren und er fühlte sich zum ersten Mal seit langem sicher.
Seine Stimme war ruhig, als er sagte:
"Ich gehe."

Etwas in seinem Herz zerbrach, als er sich wortlos umdrehte und den Raum verließ. Vasily rief ihm nach, aber er wusste, würde er sich jetzt auch nur umdrehen, er würde den Abschied niemals schaffen.

Erst als er nach draußen trat und Schmauch und Asche in der Luft schmeckte, wagte er es, aufzuatmen.
Er war allein.

Alle hatten gedacht, der Vogel würde sterben. Welche Hoffnung sollte es denn schon für das schmächtige, kaputte Ding geben?

Aber Krabat war ein kleiner Junge mit großer Zuversicht.
Er pflegte das Vögelchen Tag für Tag als wäre es sein kleiner Bruder. Schließlich war er sogar zu einer verbannten Heilerin gerannt und hatte sie unter Tränen angefleht, seinem Freund zu helfen. Sie hatte ohne viel Vertrauen gelächelt, aber es trotzdem getan.

Schließlich, an einem warmen Sommerabend, war es so weit gewesen.
Als ein Wind heraufbeschworen von Krabat durch die Birkenwipfel wehte, hatte das Vögelchen in seiner Hand die Schwingen ausgebreitet - ganz vorsichtig zuerst-  und war dann ins Abendrot entflogen.

Es war frei.

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