XIX. Funke, Feuer, Flächenbrand
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Das letzte Aufbäumen des Winters erschütterte Rostograd mit peitschenden Winden und Schneegestöber.
Jeder Atemzug schmerzte vor Kälte und Krabat schlang den roten Umhang enger um seine Schultern, doch der Frost ließ das Leben in diesem Viertel nur heißer brennen.
Für den Bruchteil einer Sekunde hätte man sich dem Traum hingeben können, auch der Krieg wäre nichts als eine Schneewehe.
Fast. Denn die Gewissheit, dass nur wenige hundert Meter entfernt über das Schicksal ihres Landes entschieden wurde, brannte in seinem Nacken und beschleunigte seine Schritte.
Kinder flitzten über Straßen und den gefrorenen Fluss, lachten, kreischten und warfen sich in den Schnee, während die kleinbürgerlichen Bewohner der Uferregion in den zahlreichen Geschäften und Lädchen verschwanden. Ständig klingelten Glöckchen oder alte Frauen fluchten, als ihnen schrumpeliges Gemüse aus den Beuteln fiel.
Aber all das wurde begleitet von dem Ächzen des Eises, denn Arbeiter schnitten gigantische Blöcke aus dem gefrorenen Fluss und verfrachten es auf Schlitten, damit sie im Sommer die Kühlräume füllen konnten. Ihre rauen Stimmen sangen Lieder über Wintergeister und Sagengestalten, die selbst die Flammen abkühlen ließen.
Trotz dem munteren Treiben bemerkte er die Blicke.
Sie wanderten über die Uniform, blieben an dem Zeichen des Blitzes hängen, bis ihm jeder mit gesenktem Blick auswich und leise Stoßgebete hinter seinem Rücken gemurmelt wurden.
Und erst jetzt dämmerte ihm, wie selten er den Liwijenko-Palast ohne Vasily verlassen hatte. Oder irgendjemand anderen.
Immer nur war er hinterhergelaufen, ein drohender Schatten im Hintergrund, der sich gerne in den Nischen verkroch.
Also tat er das, was er in den letzten drei Jahren am besten gekonnt hatte:
Er verschwand in den Schatten anderer.
Der Sturmbote schlüpfte durch die Lücke zweier Krämerhäuser, quetschte sich durch den Spalt einer Mauer und schlängelte sich zwischen moosüberwucherten Gemäuern hindurch.
Doch für eine kurzen Moment stockte er, als er sich an einem verwitterten Schrein vorbeidrückte. Hier, in dieser Gasse für Diener und Dienstmänner, von allen vergessen, fand er ein Relikt aus einer Zeit, bevor die Moiren aus dem Süden zu den Narecnitsy der Gegenwart geworden waren und die alten Götter zu bloßen Heiligen degradiert hatten.
Für einen Moment zögerte er, nur um die Finger an die Lippen zu führen und sie dann auf den schartigen Stein zu legen, begleitet von einem gemurmelten Gebet.
Schon im nächsten Moment jedoch verschwand er aus der Gasse und das Miasma des Proletenmolochs schlug ihm entgegen.
Klamme Hitze, Rauch, Schweiß, Asche.
Selbst der Schnee war rußiger Matsch, als er Schlote in Form von Drachenmäulern erblickte. Das Röhren der Maschinen klang genau wie das der schuppigen Bestien.
Der Boden zitterte unter seinen Sohlen, als er sich an die schiefe Wand einer Arbeiterunterkunft lehnte und ein Notizbüchlein aus seinem Umhang zog.
Seine Augenbrauen wanderten ein Stückchen höher, als er die eingeklemmte Karte darin betrachtete.
Das Waisenheim müsste hier sein. Irgendwo.
Es war gebaut in einer Zeit, wo dieser Ort nur Marschland gewesen war, doch jetzt war davon nichts mehr übrig geblieben.
Noch einmal blickte er auf den Straßenverlauf, dann auf die Karte.
Sie konnte keine fünf Jahre alt sein, trotzdem hatte sie nichts mehr mit dem Netz aus Gassen und Gossen gemein. Manufakturen waren zerfallen, Fabriken aus dem Boden gestampft und Unterkünfte ragten wie schiefe, faule Zähne in das Qualmmeer des Himmels.
Er erschauderte.
Er selbst war in Umständen aufgewachsen, die man noch recht euphemistisch als bescheiden beschreiben könnte. Doch egal wie kalt die Winter und rar das Brennholz gewesen war, sein Zuhause hatte noch immer Wärme besessen.
Das Lachen seiner Mutter, die Späße seines Vaters, selbst der Streit mit seinen Geschwistern.
Hier aber war alles nur kalt. Kalt und laut.
Frustriert stopfte er die Karte zurück. Er stapfte los, wich einem taumelnden Arbeiter aus und dann der Lache aus Erbrochenem, die dieser wenige Schritte vorher hinterlassen hatte und ignorierte beflissentlich die mit Swesda-Schmierzetteln vollgekleisterte Mauer.
Sie zeigten eine Schnecke, deren weißes Gehäuse bereits unter dem darauf errichteten Herrenhaus zu zersplittern drohte.
So sehr es ihm auch in den Fingern juckte, dieses... dieses Geschmiere von der Wand zu reißen, so sehr hatte er auch einen Auftrag. Und er würde Vasily nicht enttäuschen.
Beflügelt davon bog er in die nächste Straße ein, ließ eine Gruppe Arbeiter hinter sich, die ihm hinterherspuckten und-
Er stoppte abrupt. Rammte die Füße ins Pflaster und spürte, wie seine Kehle austrocknete.
Krabat wollte auf die Karte blicken, griff schon danach, aber er wusste, dass er das nicht brauchte.
Er war hier.
Beim Waisenheim.
Oder dem, was es gewesen sein musste.
Vor ihm erstreckte sich eine Ruinenlandschaft.
Wo vorher vielleicht Mauern, Fassaden und Möbel gewesen sein mussten, ragten jetzt nur die ausgebrannten Gedärme eines Gebäudes herauf.
Verkohlte Balken, krummes Metall und beißender Gestank waren zurückgeblieben.
Automatisch bewegten sich Krabats Beine unter ihm in einem schnellen Lauf. Schutt knirschte unter seinen Stiefeln und er sprang über ein verkohltes Bett hinweg, aber da war nichts.
Nur noch rußige Überreste und verpestete Luft.
Der Sturmbote bückte sich und berührte einen geschwärzten Balken.
Matte Wärme drang durch seine Handschuhe. Es war nicht mehr heiß und doch... Es konnte noch nicht lange her sein. Warum hatte keiner davon gewusst? Wer interessierte sich schon für Waisen im Prolentenmoloch?
Mindestens eine Person. Und sie kümmerte sich genug, um den ganzen Ort abzufackeln.
Natürlich, es könnte ein Unfall sein. Gebäude dicht an dicht, fehlende Infrastruktur, fehlender Fortschritt... Selbst wenn man gewollt hätte, das Feuer wäre nicht zu bändigen gewesen. Es wäre nicht das erste Mal.
Vielleiht auch ein übereifriger Fabrikant. Wie leicht war es, so ein erbärmliches Gebäude abbrennen zu lassen, um auf der freiwerdenden Fläche neue Gebäude zu errichten?
Oder der selbe Geheimdiesnt, der bereits die Seiten geschwärzt hatte.
Der selbe Geheimdienst, der seine Spuren verwischen wollte.
Seufzend erhob er sich, während er sich langsam um seine eigene Achse drehte.
Krabat verharrte.
Niemand hatte ihm die Kapazitäten seiner Magie beigebracht, die Vasilys Schutz oder Krabats Kontrollierbarkeit überschritten hätte, und trotzdem bemerkte er den sauren Geschmack der Magie in der Luft.
Etwas hier war anders.
Oder eher, jemand hier war anders.
Er spürte den Zauber, noch bevor der Stein auf ihn zuschoss.
Krabat hob bloß eine Hand. Sogleich wurde dieser Stein - dieser Kiesel- von einem Luftstrom an die nächste Wand geschmettert.
Wieder Stille.
Vorsichtig beugte sich Krabat herab, Hände erhoben, während Elektrizität in seinen Fingern knisterte. Sein Atem flimmerte, er riss den Balken beiseite, beschwörte die erste Attacke-
Krabats Magie verpuffte sofort, als er den kleinen Jungen sah, der da versteckt in den schwelenden Trümmern kauerte. Dunkle Locken fielen ihm wirr in die Stirn, seine Kleidung war zerfetzt, ihm fehlten Schuhe und als Krabat die Hände sinken ließ, fauchte er nur:
"Gehen Sie weg! Sofort! Tu-tun Sie mir nicht weh! Lassen Sie mich endlich in Ruhe oder ich- oder ich-"
Zitternd hob er seine Arme und schwache Terramagie flammte in der Luft um ihn auf.
"Shhh, shhh, alles ist gut, niemand tut dir weh, das versprech ich", brachte Krabat nur hervor und sank vor dem Jungen zu Boden. "Ich bin ein Freund."
"Sie sind Soldat." Es war nicht nur eine Feststellung, es war eine Anklage.
"Sind Soldaten nicht da, um die Heimat zu beschützen?", erwiderte er nur, doch der Junge schüttelte vehement den Kopf. "Die letzten in Uniform haben mein Zuhause abgebrannt. Und statt Blitzen trugen sie Flammen auf den Ärmeln."
Feuerwisperer.
Aber Magier gehörten nicht in die Armee, Krabat war die einzige Ausnahme. Außer... Er schluckte.
In Feldeinsätzen trug der Geheimdienst oft die Heeresuniform. Nahezu ausschließlich. Und der hatte sich immer als Privileg herausgenommen, Magier in die eigenen Reihen aufzunehmen.
"Warum haben diese Leute das getan?"
Der Kleine zuckte mit den Schultern. "Braucht ihr da oben einen Grund, um uns hier unten weh zu tun?"
Unwillkürlich biss sich Krabat auf die Unterlippe. Statt zu antworten meinte er aber bloß:
"Sidor Smirow. Was weißt du über ihn?"
Die Augen des Jungen weiteten sich.
"Woher..." Er schürzte die Lippen. "Nein."
Wortlos zog Krabat den in Papier gewickelten Proviant aus seiner Tasche,von dort, wo er ihn immer verstaute. Es waren sremenische Haferkekse.
Hastig griff der Junge es, dann setzte er zögerlich an:
"Wir durften nicht über ihn reden. Niemand im Heim durfte das. Er war mal Schüler hier. Bevor... Bevor er weggelaufen ist. Irgendein Kind aus gefallenem Hause, gebildet genug, um das ganze Heim mit dummen Pamphleten in Schwierigkeiten zu bringen. Dann ist er abgehauen. Niemand weiß wohin."
Krabat nickte leicht und blieb bei ihm in den Trümmern seiner Existenz hocken, während sie eisernes Schweigen umfing.
Allein zunehmend schroffe Wortfetzen einer Gruppe Arbeiter in abgewetzten Hosen und Schiebermützen hinter dem Waisenheim drangen zu ihnen.
Dann endlich fragte Krabat: "Warum bist du allein hier? Wo sind deine Freunde? Sicherlich müssen sie das Heim verlegt haben oder..."
"Sie hassen mich", murmelte der Junge und zog sich die Knie an die Brust. "Ich bin Magier. Ich bin Biyariot. Ich sollte gar nicht leben."
Ein Kloß verstopfte zunehmendst Krabats Hals.
Das Gouvernement Biyar. Gefangen zwischen dem Atamanischen Reich und Morokew.
Das Gouvernement Sremenien, das Land von Krabats Vorfahren. Gefangen zwischen Bruktien und Morokew.
Zwischen Heimat und dem Feind.
Laut schniefte der Junge und wischte sich über die verquollenen Augen, dann hob er eine kleine, olivfarbene Hand und packte in Krabats Gesicht.
"Sie sind wie ich. Magier und fremd", nuschelte er durch eine Zahnlücke. "Sie sind wie ich und doch... und doch... Warum dienen Sie denen? Warum sind Sie auf deren Seite?"
Instinktiv musste Krabat widersprechen.
Er wiederholte den Satz, der ihm in Fleisch und Blut gebrannt worden war:"Morokew ist für uns alle da. Der Zar ist für uns alle da. Deswegen wollen wir auch uns Sremeniken vor den Klauen des Kaisers beschützen."
"Wie können Sie so etwas nur sagen?" Die großen dunklen Augen blinzelten ihn verständnislos an. "Die anderen Kinder. Sie haben mir die Schuhe gestohlen. Haben mich verjagt. Sie streuen Nägel aus der Werkstatt in mein Bett, werfen mir Flüche vor, und letztens- Sie wollten meine Finger zerquetschen. Mit einem Hammer. Alle. Die Aufseher haben nur zugesehen. Und wenn ich mich- wenn ich mich nach dem Brand nicht gegen sie verteidigt hätte-"
Seine Stimme wurde von einem Schluchzen erstickt und sein Körper krümmte sich, als Krabat ihn instinktiv an sich zog und umarmte.
"Warum?", japste er hervor. "Warum tut man uns so etwas an?"
Weil wir es verdient haben, hätte Krabat fast geantwortet. Weil wir die Schicksalschwestern um die Macht betrogen haben, unsere Fäden zu spinnen. Weil wir uns zu lange dem Willen der göttinnengewollten Monarchen entzogen haben. Weil diese sogenannte Märytererin Nadeschda alles nur noch schlimmer gemacht hatte, als sie den Zarewitsch vor zweihundert Jahren ermordete.
Aber es war zu grausam, einem hilflosen, verletzten Jungen die Schuld an seinem eigenen Leid zu geben.
Deswegen streifte sich Krabat nur den schweren Stoff seiner roten Uniformjacke von den Schultern und legte sie dem Kleinen um.
"Mein Prinz, er", setzte er rau an. "Er hat bereits ein Waisenheim gestiftet. Ganz am Eingang der Garnison im Westen der Stadt. Geh dahin und sag, Czornack hätte dich geschickt. Sie werden dir ein Bett geben. Essen. Sicherheit."
Falls es so etwas in diesem Land überhaupt noch gab. Aber näher kam man nicht heran.
Vasily hatte auf diese Weise schon oft den Philantrophen gemimt. Sei es, um das Volk zu gewinnen, sei es, um sich vom Adel abzugrenzen oder sei es ein anderer Grund, aber hier und jetzt wurde sein Handeln zu mehr als nur dem Wunsch nach gutem Ruf.
Instinktiv schlang der Bengel den Mantel enger um sich, nickte heftig, dann tippte er leicht auf Krabats Arm.
"Ich bin Khasan. Und du?"
"Krabat Czornack, stets zu Diensten, kleiner Herr."
Für einen Moment presste Khasan die Lippen aufeinander, nur damit er leise murmelte:"Warum heißt du wie der Verfluchte? Du bist doch nicht etwa..."
"Nein", unterbrach er ihn hastig. "Da wo ich herkomme... Meine Eltern wollten mich nach einem Volkshelden benennen. Einem Magier, der den Menschen geholfen hat. Aber Zeiten ändern sich."
Und manch einer änderte Folklore, damit sie besser passte.
Khasan wollte gerade den kleinen Mund öffnen, da gellte ein Krachen durch die Luft. Etwas splitterte, Rufe und heißer Zorn entfachten einen Sturm aus Stimmen.
Sofort wirbelte Krabat herum und schon im nächsten Wimpernschlag fand er sich auf den Beinen wieder, schützend vor Khasan stehend.
Es wäre eine Untertreibung zu sagen, die Menge von Männern und Frauen wäre gewachsen - denn die Zahl war explodiert.
Rußige Leiber quetschten sich in Straßenzüge, blockierten das Kopfsteinpflaster bis in Spuckweite der verkohlten Mauer und mit jeder Sekunde wurden es mehr. Trotzdem bildete diese gewaltige Masse an Proleten ein klares Zentrum.
Jemand hatte eine Kiste aufgestellt, über der das weiße Banner der Swesda wie ein Stern gegen den trüben Himmel flackerte.
Niemand traute sich, bei hellem Tag so etwas zu offenbaren. Niemand riskierte sein Leben für eine solche sinnlose Botschaft. Niemals - außer jetzt.
Und wie in einem wilden Fiebertraum kletterte eine schmale Frau mit platinblonden Locken auf die Kiste, um ihre Brust eine weiße Schärpe geschlungen,die sich leuchtend von ihrer abgewetzten Kleidung abhob.
"Genossen", brüllte sie und ihre Stimme schwappte über die ganze Menge hinweg.
Sofort spürte Krabat den anderen Sturmboten im Menschenauflauf, der magisch den Schall seinem Willen beugte - und die karlistische Botschaft weit in die Welt trug. Selbst der Boden schien zu beben.
"Geh, los!", zischte Krabat und gab Khasan einen kleinen Schubs. "Versteck dich, wenn es sein muss, aber bleib bloß nicht hier!"
Für einen Moment starrte er ihn nur an, seine Lippen bebten, dann machte er auf dem Absatz kehrt und rannte los. Zwischen die Trümmer, verschluckt von der Asche.
Krabat konnte nur beten.
"Der Zar und seine verdorbene Kamarilla haben mal wieder Schicksalsschwestern gespielt und unsere Leben verdammt", schnitt erneut die Stimme der Karlistin durch die Luft. Klar und fest.
"Als hätten die Adeligen und Großbürger noch nicht genug von uns geopfert, wirft man jetzt auch noch unsere treuen Fabrikarbeiter in das sinnlose Massensterben! Es wird Zeit, dass wir die da oben daran erinnern, wer dieses Land wirklich am Laufen hält!"
Zustimmendes Grölen ließ die Luft erzittern.
Aschfahl musste Krabat feststellen, dass Vasily gescheitert war, die neue Einberufung zu stoppen.
"Wir brauchen keine Zaren und Narecnitsy, die uns belügen! Wir brauchen nur uns selbst, wir brauchen Arbeiterräte, eine gerechte Vertretung in dieser Farce, die sich Großreich schimpft! Wir brauchen die Revolution"
Seine Zähne knirschten aufeinander und unschlüssig huschte sein Blick über die vor Wut kochende Masse an Leibern.
Immer wieder aber blieb er an der Schärpe der Sprecherin hängen.
Zweifelsfrei, wenn sie so prominent in der Arbeiterbewegung war, musste sie ein Teil der Swesda sein - und hielt vielleicht sogar den Schlüssel zu Kusmin in der Hand.
Das war genug, damit Krabat lossprintete. Doch statt sich der erdrückenden Menge zu stellen, umrundete er den Block und auf der hinteren Seite des Gebäudes, vor dem die Blonde sprach, katapultierte er sich mittels Luftmagie auf das Dach und federte seinen Fall ab.
Mörtel und Putz wirbelten unter seinen Sohlen auf, da eilte er schon zum Rand und spähte herab.
Keine fünfzehn Meter unter ihm sah er ihre platinfarbenen Locken leuchten, da brach schon das Chaos los.
Ihre Tirade brach ab, überdeckt von Schreien, die von dem hintersten Ende der Versammlung kamen.
Wie Rubine blitzten die roten Uniformen der Soldaten, die den Karlisten in den Rücken fielen. Knüppel sprachen, Fäuste antworteten, Knebelketten beendeten die Diskussion.
Schweiß verklebte auf einmal Krabats Hände.
Er musste handeln. Entweder Vasilys Beute floh oder - noch schlimmer - sie wurde verhaftet und war auf alle Zeit verloren.
Ein Schrei gellte durch die Luft. Schlagartig zuckte Krabat zusammen und seine Augen fixierten einen Mann am Boden, eine Hand nach dem Magier über ihm ausgestreckt.
Und das Knistern in der Zwischenwelt verriet diesen als den Sturmboten der Swesda.
Krabat hatte sich schon von der Brüstung geschwungen und sauste herab, als der magische Blitz im Gemäuer einschlug. Rauch stieg von der Stelle auf, an der er selbst vor einem Wimpernschlag noch geweilt hatte.
Bevor er wie eine Vase auf dem Boden zerschellen konnte, schossen seine eigenen Finger vor. Magie pumpte kribbelnd durch seine Adern, und im nächsten Moment zog schon ein Unterdruck über ihm den Aufwind an, der die Schwerkraft ausbremste und den Sremenik nahezu sanft auf dem Boden landen ließ.
Mit der Sicherheit des Pflasters unter sich zuckten seine Handgelenke, da krachte der herannahende Swesda-Schläger gegen die Backsteinmauer.
Reglos sackte er am Gemäuer herab.
Hastig drehte er sich um die eigene Achse, suchte nach dem platinblonden Haarschopf und dem Zauberer, da spürte er den Strang Magie, der seine Kehle packte - und sie zerquetschte.
Instinktiv rang Krabat um Atem, stolperte, griff sich an den Hals - aber nur gähnendes Nichts füllte seine Lunegn.
Panik flammte auf, aber er zwang seine Glieder zur Gehorsam.
Handeln. Er musste handeln.
Es knackte in seinen Ohren, dann erschütterte gleißende Hitze seinen Körper.
In seiner linken Schulter schien sich ein Überschuss an Elektronen zu bilden, zischelnd, elektrisierend, aber noch eher er diese ekstatische Energie hätte auskosten können, wurde die Potenzialdifferenz zu groß.
Strom schoss von Schultern zu Fingerspitzen, dann sprudelte ein gleißender Blitz aus seiner Hand, gelenkt in die Richtung des feindlichen Zauberers.
Sein Gegner konnte sich kaum wehren.
Ein spitzer Schrei entfuhr ihm, der Blitz schleuderte ihn als rauchendes Bündel gegen die nächste Kiste. Splitternd gab sie unter ihm nach.
Krabat wandte sich um- aber die Sprecherin war verschwunden.
Verschluckt von dem tosenden Chaos.
Leise fluchte Krabat vor sich her, dann hastete er zu seinem Widersacher, packte ihn an der Schulter und zog ihm auf die Beine.
Sein Atem war flach, aber da. Immerhin waren ihre Körper gemacht, um Stürmen standzuhalten.
"Wach auf, bitte ", flehte Krabat, schüttelte den Rothaarigen sogar ein bisschen. "Wer ist die Anführerin? Wo ist sie?"
Die Lider des anderen flatterten und Krabats Finger verkrallten sich in seinem Fleisch.
"Komm schon", drängte er, bis die Lippen des Karlisten sich zu öffnen schienen, ein krächzender Laut entkam-
Ein Knall zerschmetterte die Luft, jagte ein Beben durch den Körper in Krabats Händen und gefangen in einer Schockstarre musste er sehen, wie der Kopf des anderen aufplatzte wie eine überreife Melone.
Heißes Blut benetzte Krabats Wangen.
Angewidert ließ er ihn los - und der Karlist fiel leblos zu Boden, stattdessen stand nun eine Gestalt vor ihm, die ihn erbleichen ließ.
Was hatte er nur getan, dass die Narecnitsy gerade die Verkörperung eines Häretikers schickten?
"Krabat, du auch hier?", tönte Dmitri Lissopow mit weit ausgebreiteten Armen.
In seiner linken hielt er eine qualmende Pistole, in seiner rechten einen prächtigen Offizierssäbel.
Doch seine rote Uniform, verziert mit Gold und zahllosen Orden, war scheinbar nicht genug. Auf seinen schwarzen Locken thronte eine Fellmütze, dazu zierte ein ebenso edler Pelz samt Jäckchen aus bunt bemaltem Leder seine Schultern.
Und diese gesamte Erscheinung wurde gekrönt von der mehrfach gebrochenen Nase, die ihm den letzten Funken aristokratischen Standesdünkel raubte und seinem Gesicht genau die passende Dosis Ruchlosigkeit verpasste.
In Sachen Melodrama stand er seiner Schwester um nichts nach.
"Du hast ihn umgebracht", brachte Krabat aber nur stumpf über die Lippen, während er Lissipow nur anstarren konnte.
Er hatte ihn einfach umgebracht, einen Mann, dazu noch sein Billet in den inneren Zirkel der Swesda! Einfach weg! Zerronnen zwischen den Fingern.
Der Offizier Lissipow schnaubte bloß, als wäre all das hier nichts als eine besonders lästige Angelegenheit.
"Danke für dieses Entgegenkommen! Ich freue mich auch, dich lebend zu sehen! Da versohlt man diesen Bruktiken den Hintern und so wird man begrüßt. Hat dir dein Herrchen keine Manieren beigebracht?"
Spielerisch schlug er Krabat in die Seite. Dieser hingegen taute erst langsam auf.
"Ich verstehe nicht, wieso bist du nicht an der Front? Dein Urlaub?"
"Fronturlaub? Bin doch kein Feigling. Nein, eine Beförderung!"
Stolz tippte er auf die eine Epaulette auf seiner linken Schulter. Kombiniert mit den goldenen Ärmelaufschlägen konnte sie nur eins bedeuten:
Der Kommandeur der Stadtwache.
Dieser Mann sollte Ordnung in Rostograd garantieren.
Welch Ode an die aristokratische Vetternwirtschaft!
"Herzlichen Glückwunsch", presste Krabat bloß überfordert hervor.
"Welch Begeisterung! Herrlich! Aber sag mal, Gewitterwölkchen, wie siehst du denn aus? So verkokelt wie du bist, hättest du gleich nackt kommen können!"
Und noch während das Blut im Pflaster versickerte, wurde Morokew sein eigener Richter.
Dieses Kapitel war ein Krampf.
Was weniger an dem Kapitel selbst liegt, für das ich mittlerweile einen soft Spot habe, sondern daran, dass ich mit dem Umschreiben und Kürzen des fast ein Jahr alten 4700-Worte- langem Originalkapitel gekämpft habe, das Krabat netterweise auch mega mischarakterisiert hätte :)
Aber hey! Der Kelch zog an mir vorüber.
Und als Balsam für die Seele für alle Beteiligten, die Schnecki-Flugblätter:
Außerdem - weil ich nicht länger ertragen konnte, dass Saint-Mitre aussieht wie die Iberische Halbinsel - wollte ich die Karte "Leicht verbessern".
Jetzt haben wir eine vollkommen neue Katte :D (auch wenn das hier nur die gekritzelte Version davon ist).
Ortsbeschreibungen in vorherigen Kapiteln werden in nächster Zeit korrigiert.
Der Süden Saint-Mitres hat jetzt auch spanische Klimaverhältnisse bekommen, yay :'D
(*Professor Acula, wie er im Hintergrund fleißig an seinem Werk über die klimatischen Verhältnisse im Atamanischen Reich schreibt:*)
Und am wichtigsten von allem:
Ich gebe an linkulinku das Kapitel zum Probelesen, die erste Reaktion war so "Ich mach' Fanart zu Dmitri."
Und dabei ist dieser Perfektion entstanden:
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