XIV. Frühstück bei Jules
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Die rauen Laken waren durchweicht von Schweiß, als Valentin heftig blinzelnd aus dem Schlaf aufschreckte.
Alles in seinem Kopf hämmerte, seine Schulter brannte und jede Kontur verschamm vor seinen Augen.
Für einen Moment glaubte er sogar, die ganze Welt müsste unter all dem Schmerz zerbrechen.
Aber sie tat es nich.
Und er blieb hier.
Ein Gefangener.
Eine unbestimmte Zeit lang blieb er einfach liegen, starrte auf das Gewölbe aus Stein, das über ihm schwebte wie die Angst es tat, doch am Ende zwang er sich ächzend in eine sitzende Position.
Es war das erste Mal seit drei Tagen, dass er seine kleine Kammer wirklich wahrnahm.
Der Rest war verschwunden in Fieberträumen und Halluzinationen, Schemen und Schatten.
Hin und wieder hatte er eine Feldärztin gesehen, die seine Wunde gesäubert, verbunden und widerliche Tinkturen in seine Kehle geträufelt hatte, doch wenn er ehrlich war, dann wusste er nicht einmal, ob selbst das die Ausgeburt seiner Fantasie und entzündeten Wunde war.
Seufzend lehnte er sich zurück- und erschauderte, als der kalte Stein gegen seine Haut drückte.
Kammer, war vielleicht eine euphemistische Ausdrucksweise für seine notdürftige, scheinbar reichlich improvisierte Unterkunft.
Wohl eher war es ein Raum in einem ehemaligen Weinkeller, zumindest sprachen das Gewölbe und der herbe Geruch nach gärendem Wein für diese Theorie.
Somit ließ er seinen Blick über die neue Einrichtung schweifen. Statt Fässern und Regalen zierten die schlecht verputzten Wände nicht mehr als sein Feldbett, ein Nachttopf und ein Wassereimer mit Lappen.
Und selbst wenn er auf seinen zittrigen Beinen Gleichgewicht errungen hätte - ohne seine Magie würde die schwere Eisentür keinen Zentimeter nachgeben.
Als einziger Besitz blieb ihm nur eine beißende Gewissheit zurück:
Alles, was er besessen hatte, war fort.
Freiheit, Magie, der nun zerfetzter Anzug, sein Notizbuch und selbst der goldene Siegelring mit der eingravierten Schleiereule.
Also ließ er nur seinen Kopf zurück an die Wand sinken und verfiel in einen unruhigen Schlummer. Jenseits von Schlaf und Wachen, weit entfernt von Erholung und erlösender Schwärze.
Irgendwann trieb er wieder an die Oberfläche des Bewusstseins, da trommelte etwas hinter seinen Tür und das Holz knirschte leicht.
Valentin blieb keine Zeit, in Panik zu verfallen, da steckte eine junge Frau in
simplen Leinenkleid und wilden roten Locken Kopf durch die Tür.
Eine Marketenderin.
Doch als ihr Blick an ihm kleben blieb, zuckte sie automatisch zusammen -und im Schreck ließ sie ein Bündel weißen Stoff auf den Boden fallen.
Seine Lippen verzogen sich bei dem Anblick.
Er, gefährlich?
Bei diesem klobigen Ding um seinen Hals, bei dem er jeden Moment glaubte, er müsste ersticken?
"Entschuldigen Sie die Unannehmlichkeiten", brachte er also in seinem besten Mitreanisch hervor, nahezu akzentfrei, anstatt die übelsten Erscheinungen heraufzubeschwören oder sonstige magischen Karten zu ziehen. "Aber kann ich Ihnen helfen?"
"Ich- Ich-" Sie blinzelte heftig und starrte ihn an, als wäre er selbst ein Geist.
Obwohl auch er bezweifelte, momentan allzu lebendig auszusehen.
Dann schien sie sich das Mädchen wieder orientieren zu können, raffte den Stoff vom Boden und nuschelte, ohne ihn auch nur anzusehen:"Der Präsident er- Er würde gerne mit Ihnen sprechen. Also, sobald es Ihnen entsprechend geht. Das hat er so gesagt. Also nicht zu mir natürlich- Sondern zu seinem Offizier. Einem von denen und- und-"
Die Rothaarige verstummte und schluckte heftig. Noch immer sah er ihre Finger beben.
Doch das war genug, um den Magier erstarren zu lassen.
"Präsident Arondax?", echote er. "Er ist hier?"
Ernst Guilelmus hatte noch nie die Front besucht. Nicht so weit vorne. Lazarette, ja, aber so?
Arondax war nicht gerade unbekannt, gerade für jemanden wie Valentin, der gemeinhin als bester Freund von jedem und trotzdem niemandem galt.
Doch die Berühmtheit des Mitreaners lag nicht in edlen Stammbäumen oder großen Besitztümern gegründet, sondern dem Erfolg eines geschickten Emissärs, der sich erst zum Außenminister und nun zum mächtigsten Mann Saint-Mitres aufgeschwungen hatte. Valentin hatte diese beeindruckende Laufbahn selbst jahrelang beobachten können.
"Ja-ja. Frontbesuch. Die letzten Tage hatte er schon nach Ihnen gefragt, aber.. Naja, Sie waren ja irgendwie unpässlich. Also er würde Sie einladen. Zum Frühstück."
Unruhig nestelte er an der Decke. Der winzige Fetzen passiver Magie, die ihm nicht einmal ein Sarg aus Adamium hätte rauben könnte, raunte ihm zu, dass sie nicht log - oder zumindest dachte, die Wahrheit zu sprechen.
"Und...fühlen Sie sich in der Lage?", hakte die Marketenderin nach, Schweißperlen glänzten auf ihrer Stirn.
Für einen Moment wollte Valentin verneinen, um ja niemanden in dieser demütigenden Lage gegenübertreten zu müssen, erst recht nicht seinem Peiniger, aber er verwarf den Gedanken.
Das war vielleicht die einzige Gelegenheit, die sich ihm bot, dieses Missverständnis um die Explosionen aus der Welt zu räumen, statt die Vernichtungsfantasien zu einem Flächenbrand ausarten zu lassen.
Sehnsüchtig blickte er auf das Stoffbündel.
Denn bei näherem Hinblicken stellte es sich als ein Anzug heraus. Hemd, steifer Kragen,Plastron - besser als seine jetzige Aufmachung.
Allein Leibwäsche klebte ihm klamm am Körper und seine ausgetrocknete Kehle lechzte nach Wasser.
Und Frühstück klang überraschend nach Zivilisation.
Ein Ausweg aus diesem Loch.
"Natürlich", entgegnete er und richtete sich etwas weiter auf - und zuckte zusammen, als seine Schulter lautstark gegen die Bewegung protestierte.
Seine nachdrückliche Versicherung stellte sich schnell als Fälschung heraus. Weder wäre er in der Lage, sich umzukleiden, geschweige denn, sich zu waschen.
War es der Befehl von Arondax oder war sie so eingeschüchtert, dass sie jedem seiner Bitten nachkam? Scheinbar eilte ihm ein Ruf voraus. Was es auch war, die Marketenderin ging ihm zur Hand, bis er am Ende frisch geschniegelt in der Tür stand und von zwei mitreanischen Füsilieren in Empfang genommen wurde. Ihre Bajonette waren aufgepflanzt, die Mienen verschwanden im Schatten ihrer Képis.
Valentin konnte jedoch schwören, dass mindestens einem von ihnen die Mundwinkel in die Höhe zuckten, als sie den bruktischen Magier wie einen angeleinten Köter und den pomadierten Haaren eines mitreanischen Schauspielers sahen.
Automatisch drückte er sein Kreuz durch und marschierte durch das Zwielicht des Kellers, die Gewehre ständig im Rücken.
Und trotzdem war jeder seiner Schritte davon abhängig, dass die zwei Mitreaner ihn stützten.
Doch bei jeder weiteren Stufe die Treppen hinauf nagten mehr Zweifel an ihm.
War das alles doch eine Farce, um ihn widerstandslos vor ein Erschießungskommando zerren zu können?
Es fühlte sich in diesem Moment alles so falsch an. Den zweifellos edlen Anzug, der sich einfach nicht seinen Körpermaßen anpasste, das schwere Metall um seinen Hals, selbst die abblätternde Schönheit des Anwesens wirkte irgendwie...entrisch.
Schließlich stoppten die Soldaten.
Nicht aber vor einer Mauer oder einem Pfahl, sondern einer schlichten Tür, deren Goldknauf längst blind und verkratzt war.
"Man erwartet Sie", informierte man ihn bloß, begleitet von einem leichten Nicken.
Kurz beäugte er die Tür weiter, biss sich dann auf die Lippe, nur um sie dann umso entschlossene aufzudrücken.
Magie oder nicht - er war ein Geheimrat, hatte länger als ein Jahrhundert im Staatsdienst verbracht und für Bruktien geblutet. Er hatte ganze Generationen sterben sehen. Mal sinnlos im Kriege geopfert, mal Prosperität genießend.
Jetzt war nicht der Zeitpunkt gekommen, einzuknicken.
Trotzdem fühlte er sich so hilflos wie lange nicht mehr. Vollkommen schutzlos.
Aber als er mit gestrafften Schultern und rumpelnden Herzen in den Raum trat, schlug ihm erdrückend Stille entgegen.
Das Zufallen der Tür in seinem Rücken ließ ihn aufzucken, dann geschah nichts.
Er stand bloß da und blickte auf einen prächtig gedeckten Tisch, während die Wintersonne den Raum in sanftes Licht badete und die großen Fenster ein Stück ihrer alten Pracht zurückgab. Der Rest war menschenleer.
Fast schon befürchtete Valentin, das Morgenlicht würde die Narben über seinen Lippen enthüllen. Dabei hatte er damals den besten bekannten Blutmagier auf die Heilung angesetzt . Die alten Wunden waren bloß verblasste Illusionen. Weniger sogar.
Doch das Band um seinen Hals schien dem vehement widersprechen zu wollen.
Zaghaft tigerte um die gedeckte Tafel herum. Für den Bruchteil eines Moments zerrte sogar die selbe Resignation an ihm, die ihm auch jedes mitreanische Staatsbankett versauert hatte.
Bei dieser Küche konnte man es ihm aber auch nicht vorwerfen. Statt warmen Eiern, Graubrot, Schmalz, Butter und Zwiebelwürsten sah er sich nun mit Brioche, süßem Gebäck und Konfitüre konfrontiert.
Nach jedem staatlichen Essen hatte er sich immer aus dem Regierungsgebäude geschlichen und einen kunisischen Frühstückssalon aufgesucht, weil er vorher nicht satt geworden war - schon vor dem Krieg war die politische Situation nämlich zu angespannt, als das ein bruktisches Lokal lange in Calieux überlebt hätte.
Somit hatte er sich den Magen mit Reis, Suppe und Ei zufriedengegeben. Zuzüglich Schokolade natürlich.
Und auch jetzt fraß der Hunger ein Loch in seinem Magen.
Trotzdem ließ er sich an einem der zwei gedeckten Plätze nieder und wartete.
Vielleicht vergingen Minuten, vielleicht auch Sekunden, aber für eine zähe Ewigkeit geschah nichts.
Unruhig rieb er mit der beweglichen, nicht in einer Schlinge steckenden Hand über sein Hosenbein, dann hörte er etwas.
Ein...Tapsen?
Valentin horchte auf.
Da war es wieder.
Seine Augen huschten durch den Raum, aber da war nichts. Jeden Moment rechnete er schön, dass sich eine Tür öffnete und Arondax-
Ein Schatten so groß wie ein junger Bär verdunkelte die Welt und ein Knurren vibrierte durch die Luft, doch bevor Valentin hätte reagieren können, schob sich der Körper eines Wolfes hinter dem Tisch hervor.
Das Fell stahlgrau und die Augen gelbe Schlitze pirschte sich dieses Monstrum näher an ihn. Die Muskeln spielten unter dem dichten Fell, die Lefzen waren gebleckt und der Magier meinte, jeden Moment aus seinem Fiebertraum erwachen zu müssen.
Aber es geschah nicht.
Stattdessen aber fletschte das Tier nur die Zähne und Valentin drückte sich hiflesuchend tiefer in das Polster des Stuhls.
Reflexartig wollte er zu seiner Magie schnellen und sie aus ihren Ketten befreien, da peitschte Hitze durch seinen Körper.
Wimmernd krümmte er sich unter dem Klammergriff des Adamium, helle Flecken tanzten vor seinen Augen und trotzdem musste er bewegungslos den Anblick ertragen, wie der Wolf zum Sprung ansetzte-
Und ihm einmal quer durchs Gesicht schlabberte?
"Blutus!" Das Knarren der Stimme schnitt durch die Luft und automatisch hielt das Tier inne. Seine Ohren bewegten sich und winselnd wie ein Welpe wand es sich um die eigene Achse.
Täppisch flitze er zu seinem Herrn und als Valentin den Kopf hob, ließ sich der Vierbeiner von seinem Herrchen betätscheln.
Jules Arondax war kein auffälliger Mann. Schlank, gut gekleidet und mit einer Adlernase hätte er problemlos als ein Gentleman mittleren Alters durchgehen können, der seine Abende in Herrenclubs oder Salons verbrachte, nicht in zermürbenden Verhandlungen oder Lagebesprechungen.
Und doch stand er hier, wenige Kilometer von der Front entfernt.
"Es hieße immer, Hunde seien Magiern gegenüber misstrauisch. Scheinbar gilt das nur teilweise für ihre Vorväter", begann er mit überraschender Nonchalance und fuhr einfach weiter fort, sein Haustier zu kraulen.
"Ich befürchte", setzte Valentin an, nachdem er das Flimmern der Angst in seiner Stimme durch ein Räuspern vertrieben hatte, "Bei einem Wolf namens Blutus muss so ein Verhalten nicht zwangsläufig etwas mit Magie zu tun haben."
Arondax schnaubte.
"Beruhigt es Sie zu erfahren, dass ich ihn meistens Schmusipu nenne?"
"Wirklich putzig. Besonders die Zähne. Formidabel", erwiderte er bloß trocken, aber das war genug, dass ein Schmunzeln die Lippen des Präsidenten kräuselte.
"Ein Schaf fürchtet sich sein ganzes Leben lang vor dem Wolf, nur damit es auf dem Teller des eigenen Hirten landet."
Valentin hob eine Braue, dabei ließ der nur langsam verblassende Schmerz noch immer seine Muskeln zittern.
Mit einem Blick auf Arondax väterliche Erscheinung ergänzte er:"Und manchmal steckt der wirkliche Wolf im Schafspelz und unterscheidet sich in seinem Hunger nicht von dem des veramten Hirten."
"Spitzfindig wie immer."
Ein Seufzen drang aus der Richtung des anderen.
"Ich würde beinahe behaupten, den Austausch mit Ihnen vermisst zu haben, Saphir. Umso bedauerlicher ist es, zu erfahren, mich in Ihrer Menschlichkeit so fundamental getäuscht zu haben. "
Sie liegen falsch, hätte er fast gesagt, Grausamkeit ist etwas durch und durch menschliches.
Doch er zwang sich die aufschäumende Entrüstung hinabzuschlucken und mit der selben Contenance fortzufahren, die ihnen in den letzten Jahrzehnten unzählige Male das Leben gerettet hatte.
"Denken Sie wirklich, ich würde mich zu so etwas herablassen? Dieses Massaker an Unschuldigen?"
Ächzend ließ sich Arondax auf den Stuhl ihm gegenüber fallen. Scheinbar war seine Gicht im letzten Jahr schlimmer geworden.
"Welcher Geistermagier sollte sonst davon profitieren? Welches Land zerstört seit einem Jahr meine Heimat?"
"Ich zumindest nicht", erwiderte er nachdrücklich. "Es ist beleidigend für meine Moral und Geist, dass Sie mir vorwerfen, wichtige Ressourcen und harmlose Seelen verschwendet zu haben, um Kranke in einem Lazarett zu sprengen, die ohnehin keine akute Gefahr für mein Reich wären. Im Gegensatz zu all den Geschützbatterien und Soldatenunzerkünften, die - falls ich mir diese Einschätzung erlauben darf - ein deutlich besseres Ziel gewesen wären."
"Sehr beruhigend", merkte er spitz an. "Und ich soll Ihnen das glauben? Die Herzensgüte bruktischer Menschen habe ich leider in den letzten Monaten zu deutlich kennenlernen müssen, als dass ich ihren Magiern mehr zutraue."
"Denken Sie wirklich, dann hätte ich solche Spuren zurückgelassen? Vielen Dank auch. Vielleicht ist es Arroganz in meinen alten Tagen, aber ich bilde mir ein, deutlich subtiler vorzugehen. Ihre Leute aber haben weniger als einen Tag gebraucht, um dieses Scheinwissen herauszufinden und einen heimtückischen Anschlag auszuhecken."
"Heimtückischer als den Mord an vierhundert Hilflosen?"
Bei den Worten drohte sein Herz auszusetzen.
Vierhundert tote Verwundete... Womöglich noch mehr Verletzte. Kein Wunder, dass jeder hier so am Rad drehte.
Und so weit hinter der Front, sicherlich nah bei der Unterkunft des Generalstabs... Natürlich hatten sie die vermeintliche Bedrohung so schnell wie möglich ausschalten wollen.
Scheinbar bemerkte Arondax, wie alle Farbe aus seinem Gesicht wich, denn er fügte schwermütig an:"Ich würde Ihnen gerne glauben, Saphir, wirklich. Aber manchmal spricht einfach alles dafür, dass nur Ihre Seite hiervon profitieren kann. Vielleicht nicht speziell Sie, aber definitiv Ihre Leute. Ist es denn nicht auffällig, dass nach Kabisius Tod alle Anschläge endeten?"
Valentin schaffte es nicht, sein Stirnurnzeln zu verbergen.
"Gibt es überhaupt einen Weg, Sie von meiner Unschuld zu überzeugen? Von Kabisius? Bitte, ich zahle gerne selbst für einen Geistermagier, der meine Worte prüft."
Für einen Moment sagte der Präsident nichts, sondern griff lediglich nach einer Keramikkanne und füllte zwei Tassen mit dampfender, nachtschwarzer Flüssigkeit.
"Würden Sie Ihren Kaiser verraten?"
Verdattert starre Valentin ihn an. Wollte man ihn hier gerade auf die andere Seite ziehen....?
"Nein, natürlich nicht!"
"Dann wissen Sie wohl auch, wie diese Magier reagieren werden. Die Magistra Zazanne arbeitet seit Jahren gut, sogar vorbildlich für mich. Aber genauso wenig wie Sie Ihren Kaiser in den Rücken fallen, würde Zazanne den Magier verraten, der sie als verängstigtes Mädchen aufgenommen und zu einer Adeptin der Magie gemacht hat. Also frage ich Sie nun, würde irgendein Magier der societas larvarum es wagen, zu behaupten, Sie würden lügen?"
Er wollte protestieren, aber Arondax hob bloß eine Hand und schob ihm eine Tasse entgegen.
"Ich kann nicht wissen, ob Sie die Wahrheit sagen. Bei Ihrer Reaktion könnte es genauso gut sein, dass Sie einfach nicht wussten, wofür man Ihre Magie missbraucht hat. Oder das Kabisius und ihre Offiziersclique einer der käuflichen Magier angeheuert haben."
"Also richten Sie mich nur vielleicht hin?" Der stumme Vorwurf tropfte durch jede Silbe.
"Immer Sie und Ihre Hinrichtung." Langsam schüttelte Arondax den Kopf. "Schon Bloche meinte, Sie würden über Exekutionen faseln. Aber nein, solange Sie mich nicht ausdrücklich darum bitten, bleibt Ihr doch recht ansehnlicher Kopf auf Ihren Schultern. Im Zweifel für den Angeklagten, nicht wahr?"
Wie überaus gütig , hätte er fast geschnurrt, aber ihm entkam:"Das selbe Prinzip schien aber nicht auf Kabisius zuzutreffen."
"Sie können sich auch wirklich nicht mit einer netten Erklärung abgeben, oder?"
"Nicht, wenn Sie so fadenscheinig ist. Also?"
"Weil es sonst zu Ausschreitungen gegen eure Kriegsgefangenen gekommen wäre. Die vermutlich Schuldige einer Strafe zuzuführen befriedigt das Verlangen nach Gerechtigkeit. Ein Kollateralschaden. Und Kabisius' Soldateska traue ich so etwas mehr zu als Ihrer..." Er machte eine undeutliche Handgeste. "Kompromissbereitschaft."
Vorsichtig nippte Valentin an der Tasse und hätte fast aufgeseufzt. Die warme Flüssigkeit war wie Balsam nach Tagen des Fiebers. Und wenn die Mitreaner ihn tot sehen wollten, dann müssten sie ihn dafür nicht erst vergiften.
"Also bleibe ich hier? In irgendeiner Zelle verrottend, bis der Krieg ist aus oder Sie genug Beweismaterial haben?"
"Eigentlich hatte ich vor, Sie mit in die Hauptstadt zu nehmen. Dort ist es definitiv angenehmer." Er warf ihm einen vielsagenden Blick zu. "Bevor Sie so frontnah auf dumme Ideen kommen. Oder eher gesagt: Noch dümmere Ideen als Ihren Fluchtversuch letztens. Also wirklich, was haben Sie sich dabei gedacht?"
Valentin schwieg den anderen verbissen an, bis dem ein schweres Seufzen über die Lippen glitt.
"Also scheinbar nichts, nehme ich an."
Aber dann wischte er innerhalb eines Wimpernschlags jegliche Schwere von seiner Miene.
Fast schon aufmunternd tätschelte er ihm die Hand und die plötzliche Berührung ließ den Magier zusammenzucken.
"Was mögen Sie lieber? Obst? Konfitüre?"
"Wie bitte?" Valentin entwich nur ein verdatterter Laut.
"Sie sehen so aus, als würden Sie jeden Moment auseinanderfallen. Also, was wollen Sie essen?"
Alles, hätte er am liebsten gesagt, antwortete aber bloß:"Konfitüre."
Doch statt ihm ein Stück Gebäck zu reichen, nahm Arondax ein Stück Brioche, bestrich es mit dem roten Gelee und schob es fast schon mundgerechte geschnitten zu. Sein Blick lag auf Valentins einbandagierten Arm.
Der nickte ihm nur in wortlosen Dank zu, als würde ein lautes Eingestehen seiner Schwäche diese nur umso größer machen.
Sei es auch nur, um das unangenehme Nichtstun und die erdrückend Stille zu unterbrechen, biss er in den Teig - und umwerfende Süß erblühte auf seiner Zunge wie eine Knospe im Frühling.
Innerhalb weniger Bisse war das Brioche verschwunden und ein kleiner Teil von ihm musste eingestehen, dass er der mitreanischen Küche vielleicht Unrecht getan hatte.
Für einige Minuten beschäftigte ihn allein das Hefegebäck zwischen seinen Kiefern und nur am Rande nahm er Blutus Anwesenheit war, da räusperte sich Arondax und sein Daumen strich wie zufällig über den Rand seiner geblümten Porzellantasse.
"Ich hoffe, das hier versichert Ihnen unseren guten Willen", begann er und nickte leicht Richtung Tisch, nur damit ein Blitzen in das Karamell seiner Iriden trat.
"Natürlich gäbe es noch die Möglichkeit , uns von Ihrem guten Willen zu überzeugen."
Seine Bewegungen erstarrten, dann verengten sich seine Augen.
"Sehen Sie es als Zeichen meines Guten Charakters, dass ich Seiner Majestät Treue erweisen und Bruktien nicht verrate."
Arondax lachte. Eine durchaus angenehmer Laut, sanft und subtil wie der Duft seines Rasierwassers.
"Guilelmus ist ein Verräter am Menschengeschlecht. Wie schlimm kann es sein, einen Verräter zu verraten? Es wäre ein Akt der Menschlichkeit."
"Bedauerlicherweise spricht man meiner Art die Menschlichkeit gerne ab. Nutzen Sie diese jetzt nicht als fadenscheinige Entschuldigung", hielt er dagegen, doch Arondax lächelte nur weiter.
"Erinnern Sie mich, mein lieber Saphir, wie nennt man noch einmal die Zustände von Magie im Körper eines Magiers?"
Valentin blinzelte ein wenig perplex, dann schluckte er schwer.
"Aequilibritas. Das Gleichgewicht der Magie. Und das Chasma. Der Abgrund. Das Ungleichgewicht."
Arondax nickte, dann nippte er wieder and seiner Tasse und wie beiläufig fragte er:"Und genau das macht das Adamium, nicht? Es erzeugt dieses Chasma."
"Ja. Es verhindert Austausch und somit Balance von einem Magier und der Magie in seiner Umwelt", gab er knapp zurück. Vorahnung prickelte unangenehm in seinem Nacken.
"Und was geschieht, wenn das Chasma zu stark wird? Wenn es zu lange andauert?"
Valentins Lippe begann zu zittern und seine Finger zuckten zu dem Halsband.
"Man stirbt. Ganz langsam", wollte er antworten, aber sein Mund schafften es nur, die Worte zu formen. Kein Wort kam heraus. Arondax verstand auch so.
Der Präsident griff nach Valentins Händen.
"Ich möchte Sie nicht leiden sehen, Saphir, und erst recht nicht sterben. Und das werden Sie auch nicht. Zumindest nicht bei mir. Aber ich könnte Ihnen viel Leid ersparen, wenn Sie sich uns anschließen."
"Ich kann nicht", würgte er nur hervor.
Arondax liegt ihn los, dann seufzte er.
"Denken Sie einfach noch einmal über mein Angebot nach, mein lieber Herr Geheimrat."
Meine Autokorrektur hat aus "herber Geruch" übrigens "Herbert Geruch" gemacht.
R.I.P also an Herbert, Valentins stinkenden Zellengenossen, der meiner Korrektur zum Opfer gefallen ist.
Er lebt in unseren Herzen weiter.
Und da wir schon beim Nonsens sind:
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