Kapitel 66
Zelos wird sterben, das verspreche ich dir.
Das Messer glänzte im Mondschein.
Das war die ganze Zeit über Talons Plan gewesen. Er wollte, dass ich es tat. Er wollte, dass ich meinen Gefährten umbrachte... Zelos. Weil er es nicht konnte. Den einzigen, den Zelos an sich ranlassen würde, wäre ich.
Er vertraute mir.
Leo hatte mich allein gelassen mit meinen quälenden Gedanken und dem flauen Gefühl im ganzen Körper. Ich starrte aus dem Fenster in die Stadt mit unzähligen Häusern. Irgendwo dort unten hockte Tommy, verweint, ängstlich, bedroht...
Luna Mayra würde ihre Spielchen mit ihm treiben... und ihn umbringen, wenn sie die Gelegenheit bekam. Tränen verglasten meine Sicht. Das konnte ich nicht zulassen.
Ich starrte zurück auf das Messer, das im Teppich lag.
Es glänzte unschuldig im Mondlicht vor sich hin.
Ich stampfte hinüber zu der Waffe und stieß sie mit meinem Fuß unter das Bett. Tränen kullerten meine Wangen hinunter und ein verzweifelter Schrei bahnte sich in meiner Kehle an. Ich zog an meinen Haaren, als könnte der Schmerz die Qualen meines Herzens lindern. Die Wände schienen näher zu kommen.
Das wollte Talon.
Er wollte, dass ich Zelos umbrachte.
Meinen Gefährten...
Er hatte mir dieselbe Wahl gegeben wie Delta Ivan damals. Zelos hatte mich beschützt vor dem Bolzen von Talon, doch er war nicht immun gegen Silber. Wenn ich ihn mit diesem Messer erstach...
Nein.
Aber wenn ich nichts tat...
Dann würde Talon sterben... und Tommy.
Die Wände haben Ohren.
Ich blickte mich um. Wie viele Verbündete hatten sie wirklich hier im Palast? Ich hatte ein paar Stunden Zeit, um eine Entscheidung zu treffen.
Ich floh aus dem verlassenen Zimmer zurück auf den Korridor. Das Silbermesser ließ ich unter dem Bett zurück.
Wenn ein Suchtrupp die Stadt durchkämmte... das könnte Tage brauchen. Luna Mayra würde sie hören können. Sie würde Tommy einfach das Genick...
Ein zittriger Atem entkam mir und die Tränen strömten in Flüssen über meine Wangen. Er musste Angst haben, mehr als ich, in einer kalten Hütte, umgeben von Feinden, und ohne Aussicht, je zu uns zurückzukehren. Der Teppich verschwamm vor meinen Augen zu einer blutroten Pfütze.
Einen Schritt vor den anderen.
Ich schob die Tür zu unserem Zimmer auf und starrte auf Stiefel, die vor mir standen. Ich blickte hoch und erkannte den Umriss von Zelos. Er wollte wohl gerade zu der Besprechung mit den Alphas. Ich wischte die Tränen weg und versuchte meinen Atem zu beruhigen.
„Was ist denn mit dir los?", fragte er und legte eine Hand um meinen Ellbogen.
Er zog mich ins Zimmer und schloss die Türe hinter uns.
Der Himmel hinter dem Fenstern glich einem Tiefseeblau, das sich mit jeder Minute weiter aufhellte. Mit jedem Augenblick kam der Tag näher, und die Hinrichtung... und eine Entscheidung zwischen meinem Bruder und Gefährten.
Pranken legten sich auf meine Wangen und die Wärme von Zelos ließ neue Tränen über seine Finger kullern. Wie sollte ich ihn verraten? Das konnte ich nicht... Aber ich konnte Tommy nicht im Stich lassen. Wenn ich ihm davon erzählte...
„Elizabeth, was ist los?", fragte Zelos und seine Brauen zeigten nach unten. Er musterte jeden meiner Züge, dann meinen Körper, als suchte er nach einer Ursache für die Tränen.
„Es ist nichts...", sagte ich.
„Nichts?", fragte Zelos fassungslos. „Ich weine auch immer Bäche, wegen Nichts."
Mein Herz fauchte wie ein Löwe.
Wie konnte ihm nach Spaßen zu Mute sein?
Ich donnerte meine Faust gegen seine Brust, was wohl mir mehr wehtat als ihm.
„Das ist nicht witzig", erwiderte ich und löste mich von seiner Nähe. Ich floh vor der Wärme, die mich nur weiter einlullte, damit ich ihm die Wahrheit sagte. Ich blickte mich um. Kerberos lag auf dem Teppich und beobachtete uns mit seinen drei Köpfen.
Die Wände haben Ohren.
„Was ist denn plötzlich in dich gefahren?", fragte Zelos. „Konntest du dich von Tommy verabschieden vor der Hinrichtung?"
Seine Worte waren ein unbeabsichtigter Stich in mein Herz. Vereist stand ich da und starrte auf das Muster des Teppichs.
„Nein..."
Ich konnte mich nicht verabschieden. Vielleicht hatte ich ihn gestern Abend zum letzten Mal gesehen. Zelos legte seine Arme um mich und drückte meinen Kopf an seine Brust.
„Ich weiß, dass du ihn lieb hast. Aber bitte sei nicht so traurig deswegen", murmelte er und drückte einen Kuss in meine Haare.
Meine Tränen flossen weiter und versickerten in seinem Hemd. Ich wollte es ihm sagen, einfach den Mund aufmachen und die Wahrheit erzählen, doch das würde Tommy nur noch mehr in Gefahr bringen.
Zelos lehnte sich zurück und wischte nochmal über meine Wangen. Seine rubinfarbenen Augen musterten meine Züge und seine Wärme beruhigte mich fast ein bisschen.
Er vertraute mir.
Ich konnte ihn nicht töten.
Mein Kinn zitterte.
„Ich liebe dich", sagte ich und gab alles, um meine Fassade nicht zu zerbröckeln.
„Ich dich auch, Elizabeth", antwortete Zelos und grinste. „Nach dem heutigen Tag wird alles gut."
Mehr Tränen entkamen meinen Augenwinkeln.
Nichts wird gut...
Er runzelte die Stirn.
„Morgen können wir über unsere Zukunft reden. Morgen, in Ordnung? Ich will nicht, dass du traurig bist, bitte."
Sein intensiver Blick bohrte sich direkt in meine Seele und hinterließ einen Pfad des Chaos. Wäre Zelos nicht, wäre all das hier nicht geschehen. Ich würde nicht hier sein in einem Palast aus Kriegern und Mördern.
Hätte ich damals nicht zugestimmt, mit ihm zu gehen.
Dann wäre Tommy jetzt sicher zu Hause und nicht in den Klauen von Luna Mayra.
Der Sturm in meinem Magen bauschte sich auf.
Ohne Zelos wäre ich nicht fast von einem Silberbolzen getötet worden und mir wäre kein Messer in die Schulter gerammt worden. Beta Leo könnte jetzt nicht Tommy bedrohen.
Ich müsste keine Wahl treffen zwischen ihm und meinem Gefährten. Meine Atmung kam mit jedem Luftzug schwerfälliger an dem Zorn in meiner Brust vorbei. Ich löste mich von Zelos als hätte er mich verbrannt.
„Was macht dich so wütend?", fragte er und beobachtete mich wie ein Adler.
„Geh lieber zu Alpha Eros", sagte ich durch zusammengepresste Zähne. Das Herz in meinem Brustkorb rammte immer wieder gegen die Rippen, wütend, dass es auseinandergerissen wurde.
Diese Wände haben Ohren.
„Nein, das werde ich nicht tun", antwortete Zelos und kam auf mich zu. „Nicht, solange meine Gefährtin sich vor mir auflöst. Was ist los, Elizabeth?"
Ich ballte meine Hände zu Fäusten und durchstach ihm mit meinem Blick.
„Das ist los! Seit Wochen sind wir unterwegs, hetzen von einem Rudel ins Nächste und wieso? Weil du es so willst!", rief ich und frische Tränen begleiteten meine Worte. „Ich wollte das nie! Ich wollte mich nie einmischen, das war immer dein Plan! Und trotzdem bin ich hier, oder? Das ist alles deine Schuld, du hast mich hier reingezogen und jetzt gibt es kein Zurück mehr..."
Schluchzer bebten durch meinen Körper und ich schob meine Hände vor das Gesicht. Meine Lippen waren froh, es endlich auszusprechen, doch mein Herz bereute es die Sekunde, nachdem sie verklungen waren.
„Elizabeth..."
Zelos' mitleidiger Ton förderte nur noch mehr Bäche über meine Wangen. Wie sollte ich ihn verraten. Aber wenn Tommy starb... dann war alles meine Schuld.
Hinter den Fenstern erwachte ein blutroter Morgen und vertrieb mit jedem Augenblick den dunklen Nachthimmel. Bald war die Hinrichtung.
„Ich habe es dir doch versprochen. Was ist plötzlich in dich gefahren?", fragte er und kam auf mich zu.
Doch zum ersten Mal wich ich zurück.
Ein Sturm brodelte in Zelos' Augen auf.
„Nicht", raunte ich.
„Ich werde gleich die ganze Zeit über in Besprechungen mit den Alphas sein", sagte er. „Ich will nicht, dass wir so vor der Hinrichtung auseinandergehen."
Ich wischte mir die Tränen weg und schüttelte den Kopf.
„Du hattest recht, was du in der Kammer gesagt hast", sagte ich und bevor mich mein Kopf daran hindern konnte, sprach ich es aus. „Ich hasse dich."
Zelos lehnte sich zurück als hätten meine Worte ihm einen Schlag verpasst. Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf und die sonst so warmen Augen versteinerten sich.
Ich wollte ihn nicht verlieren...
„Was hast du gerade gesagt?"
Ich versuchte den Kloß in meiner Kehle hinunterzuschlucken, doch es gab keinen Weg an der Schuld vorbei, die an mir zu fressen begann.
„Du hast mich schon verstanden", sagte ich, unfähig, die beißenden Worte nochmal auszusprechen.
Weil sie nicht stimmten.
Zelos vereiste weiter.
„Wie du willst", sagte er, drehte sich um und ging zur Tür. Er sah mich ein letztes Mal an. „Ich wollte nicht, dass wir so auseinandergehen... Auf Wiedersehen, Elizabeth."
Die Tür knallte ins Schloss und ich fiel auf die Knie. Die Beherrschung verließ meinen Körper und ich ballte meine Hände vor der Brust als könnten sie den Schmerz herausziehen. Doch er saß tief verankert in dem Pochen.
Tränen übergossen meine Wangen weiter. Ich wimmerte vor mich hin wie ein Häufchen Elend. Ich hatte Zelos dazu gebracht, mich zu hassen.
Wie sollte ich ihm ein Messer ins Herz rammen?
Ich kniff die Augen zusammen.
Wessen Hinrichtung würde es heute werden...?
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Uff, wie denkt ihr, wird es weitergehen?
Ach Leute, ich bin noch am Überlegen, was ich als nächstes Schreiben soll. Bin mir da noch nicht sicher, in welchem Genre. Ich glaube von Werwolf habe ich erstmal genug...
So langsam wird es hier auch echt ernst... Wir sehen uns auch schon am Sonntag wieder! Ich traue mich fast keinen Witz zu machen.
Egal: Wie nennt man den Chef von Amazon?
Prime Minister!
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